BSG Urteil v. - B 11 AL 7/07 R

Leitsatz

Die für den Anspruch auf Arbeitslosengeld erforderliche Arbeitsfähigkeit eines im grenznahen Ausland wohnenden Ausländers ist gegeben, wenn dieser die Vermittlung in eine Grenzgängerbeschäftigung iS der ASAV und insoweit die Erteilung einer Arbeitserlaubnis zu erwarten hat (Weiterführung von und Abgrenzung zu = DBlR 4444a, AFG/§ 19).

Gesetze: SGB III F: § 118 Abs 1 Nr 2; SGB III F: § 119 Abs 1 Nr 2; SGB III F: § 119 Abs 2; SGB III F: § 119 Abs 3 Nr 1; SGB III F: § 284 Abs 1 S 1; SGB III F: § 284 Abs 1 S 2 Nr 1; SGB III F: § 285 Abs 1; SGB III F: § 285 Abs 3; ASAV F: § 1; ASAV F: § 6 Abs 1; SGB I § 30 Abs 1

Instanzenzug: SG Frankfurt (Oder), S 7 AL 315/02 vom LSG Berlin-Potsdam, L 30 AL 182/03 vom

Gründe

I. Streitig ist, ob der Kläger Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 18. Juni bis hat.

Der 1953 geborene Kläger ist polnischer Staatsangehöriger. Er hat seinen Wohnsitz in G. in Polen. Im Zeitraum zwischen Januar 1992 und März 2002 war er mit kurzen Unterbrechungen bei dem Bauunternehmen B. in F. versicherungspflichtig beschäftigt, zuletzt als Kanalmaurer. Die Beklagte erteilte dem Kläger mehrere jeweils befristete Arbeitserlaubnisse, zuletzt bis für eine Grenzgängerbeschäftigung bei der Firma B. auf der Grundlage der Anwerbestoppausnahmeverordnung (ASAV); der Kläger war bis zu diesem Zeitpunkt auch Inhaber einer entsprechenden Grenzgängerkarte. Den Antrag auf Erteilung einer Arbeitserlaubnis für eine weitere Beschäftigung als Kanalmaurer bei der Firma B. für die Zeit nach dem lehnte die Beklagte bestandskräftig ab.

Am meldete sich der Kläger beim Arbeitsamt F. arbeitslos und beantragte Alg. Die Beklagte lehnte eine Bewilligung ab, weil der Kläger seinen Wohnsitz nicht im Geltungsbereich des Sozialgesetzbuchs habe (Bescheid vom , Widerspruchsbescheid vom ). Am nahm der Kläger eine Beschäftigung als Maurer in Polen auf.

Im Laufe des Klageverfahrens hat die Beklagte die Begründung ihrer Leistungsablehnung dahingehend geändert, dass dem Kläger die für seine Vermittelbarkeit notwendigen Sprachkenntnisse fehlten (Schriftsatz vom ). Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte unter Aufhebung ihrer Bescheide verurteilt, dem Kläger Alg nach den gesetzlichen Bestimmungen zu bewilligen (Urteil vom ). Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom ). In den Entscheidungsgründen hat das LSG ua ausgeführt: Der Kläger habe die Anspruchsvoraussetzung der Arbeitsfähigkeit iS des § 119 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) nicht erfüllt; denn er sei aus rechtlichen Gründen nicht in der Lage gewesen, eine versicherungspflichtige Beschäftigung aufzunehmen. Die für die Aufnahme einer Beschäftigung zwingend erforderliche Arbeitsgenehmigung sei ihm weder erteilt worden noch habe sie erteilt werden können. Die Möglichkeit einer Grenzgängergenehmigung iS der ASAV sei wegen des im Arbeitsgenehmigungsverfahren grundsätzlich geltenden Vorrangs des Aufenthaltsrechts nicht geeignet, die abstrakt zu beurteilende Arbeitsfähigkeit des Klägers herzustellen. Aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Verfügbarkeit eines Asylsuchenden, der sich noch berechtigt in Deutschland aufgehalten habe, folge im Umkehrschluss, dass einer anzuerkennenden und die Arbeitsfähigkeit herstellenden Genehmigungserwartung ein Aufenthaltstitel vorausgehen müsse. Für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit eines Grenzgängers komme es mithin nicht auf die Möglichkeit, sondern auf das tatsächliche Vorliegen einer Arbeitsgenehmigung an. Anderes folge auch nicht aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG).

Mit der vom LSG zugelassenen Revision macht der Kläger geltend, es gebe keine sachlichen Gründe, ihm trotz langjähriger Beitragszahlung keinerlei Leistungen zu gewähren. Das LSG habe sich nicht genügend mit der Rechtsprechung des BVerfG auseinandergesetzt, wonach der Gesetzgeber für die Gewährung von Leistungen bei Arbeitslosigkeit zwar an den Wohn- oder Aufenthaltsort anknüpfen könne, er aber nicht frei darin sei, ohne gewichtige sachliche Gründe den Anknüpfungspunkt zwischen Beitragserhebung und Leistungsberechtigung zu wechseln. Auf die Ablehnung der Arbeitserlaubnis für eine bestimmte Tätigkeit, nämlich bei der Firma B., könne es nicht ankommen. Bei Vermittlungsbemühungen der Beklagten habe er einen neuen Antrag auf Erteilung einer Arbeitserlaubnis stellen können. Er sei auch vermittelbar gewesen.

Der Kläger beantragt,

das aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision des Klägers gegen das zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

II. Die Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung des Urteils des LSG und der Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz). Die bislang getroffenen tatsächlichen Feststellungen erlauben keine abschließende Entscheidung über die streitgegenständliche Frage, ob der Kläger in der Zeit vom 18. Juni bis Anspruch auf Alg hat.

1. Dem geltend gemachten Anspruch kann nicht der allgemeine Grundsatz des § 30 Abs 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) entgegengehalten werden, der die Anwendung der Vorschriften des Sozialgesetzbuchs auf Personen begrenzt, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben (Territorialitätsprinzip). Denn nach den Feststellungen des LSG war der Kläger vor Beginn seiner Arbeitslosigkeit über Jahre hinweg in Deutschland versicherungspflichtig beschäftigt. Er war damit zwangsläufig in das soziale Sicherungssystem des Beschäftigungsortes in Deutschland mit entsprechender Beitragspflicht einbezogen (vgl zur Arbeitslosenversicherung ua §§ 25, 346 SGB III; vgl auch BSG SozR 3-4100 § 168 Nr 10). Wurden dem Kläger aber trotz fehlenden Wohnsitzes bzw gewöhnlichen Aufenthalts in Deutschland Beiträge zur Arbeitslosenversicherung auferlegt, stehen territoriale Gründe iS des § 30 Abs 1 SGB I nicht allgemein der Einlösung des mit Beiträgen erworbenen Versicherungsschutzes entgegen (vgl SozR 3-1200 § 30 Nr 20; Mutschler, SGb 2000, 110, 114 f). Insoweit bedarf es bei dem Kläger als Nicht-EU-Grenzgänger (vgl dazu näher unter 2b) für den Bezug zum Geltungsbereich des Gesetzes keiner weiteren Anforderungen, wenn dieser territoriale Bezug auf andere Weise sichergestellt ist.

2. Entscheidungserheblich ist also, ob der Kläger die Voraussetzungen des SGB III erfüllt, die für einen Anspruch auf Alg gegeben sein müssen. Ob dies der Fall ist, kann anhand der bisherigen Feststellungen nicht beurteilt werden. Dabei ist die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide der Beklagten unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt, also nicht nur in Bezug auf die von der Beklagten angeführte Begründung, zu prüfen (vgl BSGE 93, 51, 58 RdNr 21 = SozR 4-4100 § 115 Nr 1 RdNr 22 mwN).

Anspruch auf Alg haben nach § 117 Abs 1 SGB III - in der hier anzuwendenden Fassung des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes (AFRG) vom , BGBl I 594 - Arbeitnehmer, die arbeitslos sind (Nr 1), sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet (Nr 2) und die Anwartschaftszeit erfüllt haben (Nr 3). Vom Vorliegen der Voraussetzungen der Arbeitslosmeldung und der Erfüllung der Anwartschaftszeit (§ 117 Abs 1 Nr 2 und 3 SGB III) ist nach den Feststellungen des LSG auszugehen. Fraglich ist das Merkmal der Arbeitslosigkeit.

a) Arbeitslosigkeit iS des § 117 Abs 1 Nr 1 SGB III setzt nach § 118 Abs 1 SGB III idF des 1. SGB III-Änderungsgesetzes (1. SGB III-ÄndG) vom , BGBl I 2970, Beschäftigungslosigkeit und Beschäftigungssuche voraus. Eine Beschäftigung sucht, wer alle Möglichkeiten nutzt und nutzen will, um seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden, und wer den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes zur Verfügung steht (Verfügbarkeit); den Vermittlungsbemühungen steht zur Verfügung, wer arbeitsfähig und arbeitsbereit ist (§ 119 Abs 1 und 2 SGB III idF des 1. SGB III-ÄndG). Arbeitsfähigkeit ist gemäß § 119 Abs 3 Nr 1 SGB III idF des 1. SGB III-ÄndG ua dann gegeben, wenn der Arbeitslose eine versicherungspflichtige Beschäftigung im Umfang von mindestens 15 Stunden wöchentlich unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes aufnehmen und ausüben kann und darf. Ob von einem Ausländer wie dem Kläger eine versicherungspflichtige Beschäftigung iS des § 119 Abs 3 Nr 1 SGB III ausgeübt werden kann und darf, ist nach den Maßstäben des § 284 SGB III in der hier anwendbaren Fassung des 1. SGB III-ÄndG zu beurteilen. Danach dürfen - vorbehaltlich von Ausnahmeregelungen - Ausländer eine Beschäftigung nur mit Genehmigung des Arbeitsamtes ausüben und von Arbeitgebern nur beschäftigt werden, wenn sie eine solche Genehmigung besitzen; die Genehmigung wird, falls kein Anspruch auf Erteilung als Arbeitsberechtigung besteht, als Arbeitserlaubnis erteilt (§ 284 Abs 1, Abs 4 SGB III in der vorbezeichneten Fassung).

b) Aus den genannten Vorschriften ergibt sich, dass der Kläger eine Arbeitserlaubnis benötigt. Denn für ihn kommt - wie bereits das LSG zu Recht ausgeführt hat - eine Arbeitsberechtigung (§ 286 SGB III idF des 1. SGB III-ÄndG) nicht in Betracht und es ist nicht ersichtlich, dass einer der Ausnahmetatbestände des § 284 Abs 1 Satz 2 SGB III eingreifen könnte. Insbesondere kann sich der Kläger für die streitgegenständliche Zeit nicht auf Freizügigkeit nach den Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaften oder nach dem Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum berufen (§ 284 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB III), da Polen erst mit Wirkung zum der EU beigetreten und auch erst ab diesem Zeitpunkt der Geltungsbereich des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum auf Polen erstreckt worden ist. Zugunsten des Klägers ist auch weder in einer zwischenstaatlichen Vereinbarung noch sonst in einer Rechtsvorschrift vorgesehen, dass er für die Ausübung einer Beschäftigung keiner Genehmigung bedarf (§ 284 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III).

Dass dem Kläger die erforderliche Arbeitserlaubnis für den streitgegenständlichen Zeitraum nicht erteilt ist, steht indes der Arbeitsfähigkeit bzw Verfügbarkeit nicht zwingend entgegen. Denn nach der auch vom LSG zitierten Rechtsprechung des BSG kommt es für die Verfügbarkeit bzw Arbeitsfähigkeit eines ausländischen Arbeitnehmers darauf an, ob dieser für den Fall einer Beschäftigungsmöglichkeit eine Arbeitserlaubnis zu erwarten hat (Urteil des Senats vom , B 11 AL 75/97 R, DBlR 4444a, AFG/§ 19). Dies kann entgegen der Auffassung des LSG nach den bislang getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht ausgeschlossen werden.

c) Unter welchen Voraussetzungen einem Ausländer eine Arbeitserlaubnis erteilt werden kann, ist näher in § 285 SGB III - in der hier anwendbaren Fassung des AFRG - geregelt. Zu beachten ist ferner § 288 SGB III idF des AFRG, wonach das zuständige Bundesministerium durch Rechtsverordnung ua Ausnahmen für die Erteilung einer Arbeitserlaubnis an Ausländer bzw die Voraussetzungen für Arbeitserlaubnisse näher bestimmen kann. Für den Kläger kommt, wie die in der Vergangenheit ausgesprochenen Erlaubnisse zeigen, die Erteilung einer Arbeitserlaubnis nach den Bestimmungen der auf Grund des § 288 Abs 1 Nr 3 SGB III idF des AFRG erlassenen ASAV vom (BGBl I 2893) in Betracht (zu deren zeitlicher Weitergeltung vgl Bieback in Gagel, SGB III, vor § 284 RdNr 84 und § 284 RdNr 6, Stand Oktober 2005 sowie Söhngen in Eicher/Schlegel, SGB III, § 284 RdNr 6, Stand Mai 2007). Nach § 1 ASAV kann Ausländern mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland die Arbeitserlaubnis nach § 285 Abs 1 SGB III nach Maßgabe der §§ 2 bis 10 ASAV erteilt werden. § 6 Abs 1 ASAV eröffnet für einen Ausländer, der in einem an die Bundesrepublik Deutschland angrenzenden Staat wohnt, Staatsangehöriger dieses Staates ist und dort keine Sozialleistungen bezieht, die Möglichkeit der Erteilung einer Arbeitserlaubnis für eine Beschäftigung innerhalb der in der Anlage zur Verordnung aufgeführten Grenzzone.

Aus der mittlerweile bestandskräftigen Ablehnung des Antrags des Klägers auf Erteilung einer Arbeitserlaubnis für eine weitere Beschäftigung bei der Firma B. folgt noch nicht, der Kläger habe allgemein keine Arbeitserlaubnis nach Maßgabe des § 6 Abs 1 ASAV zu erwarten. Denn die Ablehnung (Bescheid vom ) bezog sich nur auf die beabsichtigte Beschäftigung als Kanalmaurer bei der Firma B. in F. Die Ablehnung enthält jedoch keine Aussage zur Frage, ob dem Kläger für eine ihm zumutbare und für ihn unter Berücksichtigung seiner Fähigkeiten sowie der Gegebenheiten des örtlichen Arbeitsmarktes innerhalb der Grenzzone mögliche andere Beschäftigung eine Arbeitserlaubnis erteilt werden kann oder nicht.

d) Der vom LSG vertretenen Auffassung, die Möglichkeit einer Grenzgängererlaubnis sei wegen des im Arbeitsgenehmigungsverfahren grundsätzlich geltenden Vorrangs des Aufenthaltsrechts nicht geeignet, die Arbeitsfähigkeit herzustellen, folgt der Senat nicht. Denn die vorliegend allein in Betracht kommende Arbeitserlaubnis für eine Grenzgängerbeschäftigung gemäß § 6 Abs 1 ASAV setzt gerade nicht die Erteilung einer besonderen Aufenthaltserlaubnis oder einer Aufenthaltsberechtigung voraus (vgl auch §§ 4 und 19 der Verordnung zur Durchführung des Ausländergesetzes vom , BGBl I 2983, geändert ua durch Verordnung vom , BGBl I 1038). § 6 Abs 1 ASAV konkretisiert vielmehr allein die Vorgaben des § 285 SGB III für die Erteilung einer Arbeitserlaubnis (vgl § 1 ASAV); dem grundsätzlichen Vorrang des Aufenthaltsrechts vor dem Arbeitsgenehmigungsrecht (vgl Eicher/Spellbrink in Spellbrink/Eicher, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 2003, § 26 RdNr 21; Bieback in Gagel, SGB III, § 284 RdNr 121 f, Stand Oktober 2005) kommt somit in den Fällen der Grenzgängerbeschäftigung iS des § 6 Abs 1 ASAV nur eingeschränkte Bedeutung zu. Deshalb ist auch die vom LSG der Entscheidung des Senats (B 11 AL 75/97 R, DBlR 4444a, AFG/§ 19) im "Umkehrschluss" entnommene Folgerung, bei einer anzuerkennenden Arbeitsgenehmigungserwartung müsse ein Aufenthaltstitel bestehen, nicht gerechtfertigt.

e) Verfügbarkeit bzw Arbeitsfähigkeit kann allerdings nicht schon im Hinblick auf den in der BSG-Rechtsprechung entwickelten Prognose-Zeitraum von einem Jahr (BSGE 43, 153, 162 = SozR 4100 § 19 Nr 2; Urteil des Senats vom aaO mwN) bejaht werden. Diese Rechtsprechung, die von der generellen Möglichkeit einer Vermittlung eines arbeitslosen Ausländers ausgeht, solange es im Geltungsbereich des Gesetzes überhaupt noch einen Bedarf an ausländischen Arbeitskräften in dem konkret einschlägigen Berufsbereich oder im ungelernten Bereich gibt, und die deswegen jedenfalls für ein Jahr Verfügbarkeit unterstellt, ist nicht auf den vorliegenden Fall einer vorausgehenden und auch für den streitgegenständlichen Zeitraum in Betracht kommenden Grenzgängerbeschäftigung iS des § 6 Abs 1 ASAV zu übertragen. Bei Grenzgängerbeschäftigungen innerhalb einer bestimmten Grenzzone (vgl Anlage zu § 6 ASAV) ist die generelle Erwartung eines Bedarfs an ausländischen Arbeitskräften wegen der besseren Überschaubarkeit des in Betracht kommenden Arbeitsmarktausschnitts nicht gerechtfertigt. Ob ein solcher Bedarf besteht, muss vielmehr von der Beklagten im Rahmen der Vermittlungspflicht (§§ 35 ff SGB III) ohne Bindung an einen Jahreszeitraum konkret ermittelt werden. Da die Beklagte eine derartige Prüfung im Verwaltungsverfahren nicht vorgenommen hat, ist diese im gerichtlichen Verfahren durch die Tatsacheninstanz nachzuholen.

Das LSG wird die erforderlichen Feststellungen zu § 6 Abs 1 ASAV iVm den arbeitsmarktbezogenen Voraussetzungen des § 285 Abs 1 SGB III (vgl § 1 ASAV) zu treffen haben. Erforderlich ist ua, dass der Kläger - wofür die im Berufungsverfahren vorgelegte Bescheinigung des polnischen Arbeitsamtes vom sprechen könnte - im streitgegenständlichen Zeitraum in Polen keine Sozialleistungen bezogen hat, dass eine Vermittlung in eine mehr als geringfügige Beschäftigung innerhalb der Grenzzone (in Brandenburg ua kreisfreie Stadt Frankfurt/Oder, vgl Anlage zu § 6 ASAV) möglich gewesen ist und dass für eine solche Beschäftigung deutsche Arbeitnehmer nicht zur Verfügung gestanden bzw für ausländische Arbeitskräfte vergleichbare Arbeitsbedingungen vorgelegen haben (vgl § 285 Abs 1 Nr 2, 3 SGB III).

Ferner wird das LSG ggf bei der Prüfung des Merkmals der Beschäftigungssuche iS des § 119 Abs 1 SGB III zu klären haben, ob - wie von der Beklagten zur Begründung ihrer Leistungsablehnung angeführt worden ist - ua die Sprachkenntnisse des Klägers seiner konkreten Vermittelbarkeit entgegengestanden haben.

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
ZAAAD-18923