BFH Beschluss v. - VII B 122/08

Entscheidung über einen rechtsmissbräuchlich gestellten Antrag auf Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit

Gesetze: FGO § 51, FGO § 115 Abs. 2

Instanzenzug:

Gründe

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger), ., ist als freiberuflicher, freischaffender Künstler tätig, insbesondere im Bereich . Zur Durchsetzung von Einkommensteuerforderungen für die Veranlagungszeiträume 1992 bis 1994 hat der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) mehrere Vollstreckungsmaßnahmen ergriffen; u.a. beantragte das FA die Eintragung von Sicherungshypotheken und erließ mehrere Pfändungs- und Einziehungsverfügungen. Einen Antrag auf Aussetzung der Vollstreckung nach § 258 der Abgabenordnung (AO) hat das FA abgelehnt. Über den daraufhin eingelegten Einspruch ist noch nicht entschieden worden. Ohne Erfolg blieb die vom Kläger erhobene Untätigkeitsklage. Das Finanzgericht (FG) führte aus, dass der Kläger unangemessene Nachteile der Vollstreckung nicht dargelegt habe; hierzu fehle jeglicher Sachvortrag. Die gegen die beteiligten Berufsrichter gestellten Befangenheitsanträge hat das FG als rechtsmissbräuchlich angesehen und aus diesem Grund als unstatthaft zurückgewiesen.

Gegen die Nichtzulassung der Revision durch das FG richtet sich die Beschwerde des Klägers, mit der er begehrt, die Revision nach allen in § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) genannten Zulassungsgründen zuzulassen. Zudem lehnt er die Richter am Bundesfinanzhof (BFH) X und Y wegen Befangenheit ab.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg, denn in der Beschwerdebegründung ist keiner der Zulassungsgründe des § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO so dargelegt, wie dies § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO verlangt. Die gerügten Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) liegen nicht vor.

1. Der Senat ist an einer Entscheidung nicht dadurch gehindert, dass der Kläger die Mitglieder des Senats X und Y wegen Besorgnis der Befangenheit gemäß § 51 FGO abgelehnt hat. Die Anträge sind rechtsmissbräuchlich und daher als unzulässig zurückzuweisen. Einer dienstlichen Äußerung der abgelehnten Richter sowie eines besonderen Beschlusses bedarf es in diesem Fall nicht (, BFH/NV 2007, 249, m.w.N.).

a) Der Antrag, den Richter am BFH X von der Teilnahme am weiteren Verfahren auszuschließen, ist bereits deshalb rechtsmissbräuchlich, weil dieses Senatsmitglied am vorliegenden Verfahren nicht beteiligt ist und somit an der Entscheidungsfindung auch nicht mitgewirkt hat.

b) Dem gegen den Richter am BFH Y gerichteten Befangenheitsantrag lässt sich ein Grund, der die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen könnte, unter keinem denkbaren Gesichtspunkt entnehmen. Mit seinem Vorbringen, Y habe die Verfassungswidrigkeit des Senats-Beschlusses vom VII B 255/07 verkannt und sich in nicht unerheblichem Maße nebenberuflich als Autor verschiedener Publikationen zum Zoll- und Steuerrecht betätigt, vermag der Kläger die behauptete Befangenheit in keiner Weise schlüssig zu belegen. Ein konkreter sachlicher Zusammenhang zwischen diesem BFH-Beschluss sowie den genannten Veröffentlichungen mit den im Streitfall entscheidungserheblichen Rechtsfragen wird auch nicht ansatzweise dargelegt. Zudem ist der Vorwurf, die BFH-Richter, die an der Entscheidung vom VII R 56/00 (BFHE 199, 511, BStBl II 2003, 109) mitgewirkt hätten, hätten sich damit selbst zu erklärten Verfassungsfeinden gestempelt, weshalb sie in den Augen des Klägers im besonderen Maße befangen seien, unhaltbar sowie grob verunglimpfend und schon deshalb unbeachtlich (vgl. BFH-Beschlüsse vom XI B 114/95, BFH/NV 1996, 225, und vom III S 21/92, BFH/NV 1993, 183).

2. Soweit der Kläger die Rechtsfrage für grundsätzlich bedeutsam hält, ob die Schutzwirkung des in Art. 5 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) eingeräumten Freiheitsrechts auch die Finanzverwaltung und die FG bindet, genügen die Ausführungen nicht den Darlegungserfordernissen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO. Insbesondere wird nicht dargelegt, unter welchen Umständen sich eine solche Bindungswirkung auf die einstweilige Einstellung der Vollstreckung nach § 258 AO auswirken könnte. Denn Gegenstand des angefochtenen FG-Urteils war nicht die Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung bzw. die Nichtigkeit eines Steuerbescheids, sondern die vom Kläger behauptete Unbilligkeit der Vollstreckung aus rechtskräftigen Steuerbescheiden. Auf diesen Umstand hat das FG ausdrücklich hingewiesen und seine Entscheidung unter Hinweis auf § 256 AO insbesondere darauf gestützt, dass Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Verwaltungsakt außerhalb des Vollstreckungsverfahrens zu verfolgen seien.

3. Da das FG seine Entscheidung auf mehrere Gründe gestützt hat, von denen jeder Grund die Entscheidung trägt, kommt eine Zulassung der Revision auch nicht nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO aufgrund einer etwaigen Abweichung des FG-Urteils von den vom Kläger in Bezug genommenen Urteilen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) in Betracht. Nur ergänzend hat das FG in seiner Urteilsbegründung auf das (BVerfGE 36, 321) Bezug genommen und ausgeführt, dass aus Art. 5 Abs. 3 GG kein Vorrecht auf völlige Steuerfreiheit für jede künstlerische Betätigung hergeleitet werden könne. In Anbetracht der alternativen Begründung des erstinstanzlichen Urteils vermag die Beschwerde nicht schlüssig darzulegen, dass das angefochtene Urteil auf den Aussagen zur Kunstfreiheit beruht. Auch den Ausführungen zur BFH-Entscheidung vom VI R 13/06 (BFH/NV 2008, 1933) kann die schlüssige Darlegung eines Zulassungsgrundes nach § 115 Abs. 2 FGO nicht entnommen werden.

4. Soweit der Kläger eine Gehörsverletzung aufgrund einer vom FG abgelehnten Akteneinsicht rügt, liegt ein solcher Verfahrensmangel nicht vor. Entgegen der Behauptung des Klägers hat das FG die Akteneinsicht selbst nicht verweigert. Es hat lediglich mit überzeugender Begründung die Übersendung der Akten an ein anderes Gericht abgelehnt. Dem Kläger blieb es unbenommen, von seinem Recht auf Akteneinsicht in den Geschäftsräumen des FG Gebrauch zu machen. Ausweislich der Akten wurde der ablehnende Beschluss des FG am versandt. Bis zum Termin zur mündlichen Verhandlung am blieb —auch unter Berücksichtigung der Postlaufzeit— ausreichend Gelegenheit, die Akten beim FG einzusehen. Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass nach ständiger Rechtsprechung im finanzgerichtlichen Verfahren grundsätzlich kein Anspruch auf Versendung der Akten an das dem Wohnsitz des Klägers oder dem Büro des Prozessbevollmächtigten am nächsten gelegene Gericht besteht (Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 78 Rz 10, m.w.N.). Bei der Ermessensentscheidung hinsichtlich des Versands der Akten ist die gesetzliche Grundentscheidung zu beachten, dass die Akten in der Regel beim FG eingesehen werden sollen und es den Beteiligten sowie ihren Prozessvertretern daher grundsätzlich zugemutet wird, sich zur Akteneinsicht in das FG zu begeben. Dieser Grundsatz schließt zwar Ausnahmen nicht aus, beschränkt sie aber nach ständiger, vom BVerfG gebilligter Rechtsprechung auf eng begrenzte Sonderfälle (, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1982, 77). Für solche gibt es im Streitfall keinerlei Anhaltspunkte.

5. Mit der bloßen Behauptung der Nichtweiterleitung einer inhaltlich nicht näher bezeichneten Beschwerde gegen einen nicht näher bezeichneten Beschluss des 15. Senats des FG an den BFH wird ein Verfahrensmangel nicht schlüssig dargelegt.

6. Soweit der Kläger rügt, dass über seine vor der Hauptverhandlung und in der mündlichen Verhandlung gestellten Befangenheitsanträge in einem Zwischenverfahren hätte entschieden werden müssen, liegt ein Verfahrensmangel nicht vor. Bei seiner Argumentation übersieht der Kläger, dass das FG die Anträge als rechtsmissbräuchlich und somit unzulässig abgewiesen hat. Wie bereits ausgeführt, kann in einem solchen Fall im Urteil selbst entschieden werden (vgl. Senatsbeschluss vom VII B 58/02, BFH/NV 2003, 485, m.w.N.).

7. Die in der Beschwerdebegründung erhobene sofortige Beschwerde ist unstatthaft (vgl. Beschlüsse des , BFHE 211, 37, BStBl II 2006, 188, und vom II B 93/05, BFH/NV 2006, 1157). Auch das Vorbringen, dass die einem solchen ungeschriebenen Rechtsbehelf entgegenstehende Rechtsprechung unbeachtlich sei, vermag als bloße —nicht nachvollziehbare— Rechtsbehauptung der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen.

8. Soweit der Kläger den beim FG gestellten, aber noch nicht beschiedenen Antrag auf Protokollberichtigung bzw. Protokollergänzung zum Gegenstand des Beschwerdeverfahrens gemacht hat, ist der Senat an einer Entscheidung gehindert. Denn mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision kann eine Protokollberichtigung nicht erreicht werden (, Zeitschrift für Steuern und Recht 2008, R604-R606). Die Entscheidung über eine solche Maßnahme ist dem FG vorbehalten.

9. Entgegen der Auffassung des Klägers kann keine Rede davon sein, dass das erstinstanzliche Urteil nicht mit Gründen versehen ist, wie dies § 105 Abs. 2 FGO verlangt. Das FG hat die Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit des der Vollstreckung zugrunde liegenden Steuerbescheids mit dem Hinweis zurückgewiesen, dass solche Einwendungen außerhalb des Vollstreckungsverfahrens zu verfolgen sind. Mit dem vom Kläger als wesentlich bezeichneten Streitpunkt, nämlich der Beachtung des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG bei Festsetzung der Umsatzsteuer, brauchte es sich aus seiner Sicht nicht zu befassen, da es im Streitfall nicht um die Vollstreckung einer Umsatzsteuerforderung, sondern um die Beitreibung von Einkommensteuerforderungen geht. Im Kern seines Vorbringens wendet sich der Kläger nicht gegen eine fehlende Begründung, sondern gegen die nach seiner Ansicht grob fehlerhafte Rechtsauffassung des FG, das seinen Argumenten nicht gefolgt ist.

Es trifft auch nicht zu, dass die Entscheidung des FG unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt vertretbar ist und sich damit als willkürlich darstellt. Die bloße Behauptung, aufgrund der bestehenden Verfassungs- und Gesetzeslage sei von einer bewussten und gewollten Rechtsbeugung der an der Entscheidungsfindung beteiligten Richter zum Nachteil des Klägers auszugehen, ist grob verunglimpfend und nicht geeignet, einen Verfahrensmangel schlüssig zu belegen.

10. Mit Schreiben vom hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers um Akteneinsicht gebeten. Daraufhin wurden die Akten (7 Bände) an das im Antrag bezeichnete Amtsgericht gesandt; der Antragsteller erhielt eine Abschrift des Übersendungsschreibens. Da keine Einsichtnahme erfolgte, wurden die Akten im September 2008 wieder an den BFH zurückgesandt. In der Beschwerdebegründung vom hat der Prozessbevollmächtigte —eher beiläufig— im Zusammenhang mit der Behauptung verschiedener Verfahrensmängel erneut um kurzfristige Übersendung der vollständigen Gerichtsakten gebeten. Eine Bescheidung dieses Antrags hält der Senat aufgrund der zu diesem Zeitpunkt bereits erfolgten Übersendung der Akten und der dennoch nicht erfolgten Einsichtnahme nicht mehr für erforderlich.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BFH/NV 2009 S. 602 Nr. 4
RAAAD-08069