BAG Urteil v. - 10 AZR 658/07

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: BZTV LoGrVerz § 1; BZTV LoGrVerz § 3; BMT-G II vom § 67 Nr. 4; TVÜ-VKA vom § 17 Abs. 9; SGB II § 15; SGB II § 16

Instanzenzug: LAG Niedersachsen, 15 Sa 1814/06 vom ArbG Braunschweig, 3 Ca 366/06 vom

Tatbestand

Die Parteien streiten über eine Vorarbeiterzulage.

Der Kläger ist seit Juli 1983 bei der beklagten Gemeinde als Gemeindearbeiter beschäftigt. Nach § 2 des Arbeitsvertrags vom richtet sich das Arbeitsverhältnis nach den Bestimmungen des Bundesmanteltarifvertrags für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G II) vom und den zusätzlich abgeschlossenen Tarifverträgen in ihrer jeweils geltenden Fassung. Das Gleiche gilt für die an ihre Stelle tretenden Tarifverträge. Daneben finden die für den Bereich des Arbeitgebers jeweils in Kraft befindlichen sonstigen Tarifverträge Anwendung.

Dem Kläger ist der Gemeindearbeiter A unterstellt. Darüber hinaus ordnete ihm die Beklagte erwerbsfähige Hilfebedürftige gemäß §§ 15 ff. SGB II (sog. "Ein-Euro-Jobber") zu, nämlich P vom bis , S vom 23. Januar bis , B vom 8. bis und G vom bis Mai 2007, die jeweils 28 Stunden pro Woche arbeiteten. Die erwerbsfähigen Hilfebedürftigen waren als Praktikanten über die Trägergemeinschaft Kreisvolkshochschule W und Bildungswerk Niedersächsischer Volkshochschulen GmbH in Zusammenarbeit mit der ARGE W gem. §§ 15 ff. SGB II eingesetzt.

Der Kläger begehrt mit der Klage die Zahlung der 8 %igen Vorarbeiterzulage für die Monate September 2005 bis Mai 2006 nach § 3 Abs. 1 des Bezirklichen Tarifvertrags über ein Lohngruppenverzeichnis vom (BZTV LoGrVerz) iVm. § 2 Abs. 1 des Rahmentarifvertrags zu § 20 Abs. 1 BMT-G II iHv. monatlich 155,65 Euro und somit insgesamt iHv. 1.400,85 Euro brutto.

Der BZTV LoGrVerz enthält ua. folgende Bestimmungen:

"§ 1

Geltungsbereich

(1) Dieser Tarifvertrag gilt für unter den Geltungsbereich des BMT-G fallende Arbeiter.

...

§ 3

Vorarbeiterzulage

(1) Arbeiter, die zu Vorarbeitern von Arbeitern der Lohngruppen 1 bis 3a und 4 Fallgruppen 3 und 4 einschließlich eines nachfolgenden Tätigkeitsaufstiegs in die Lohngruppe 4a bestellt worden sind, erhalten für die Dauer der Tätigkeit als solche eine Zulage von 8 v. H. des auf die Arbeitsstunde umgerechneten Monatstabellenlohnes der Stufe 1 der Lohngruppe, in die sie eingruppiert sind. Arbeiter, die im Übrigen zu Vorarbeitern von Arbeitern mindestens der Lohngruppe 4 bestellt worden sind, erhalten für die Dauer der Tätigkeit als solche eine Zulage von 12 v. H. des auf die Arbeitsstunde umgerechneten Monatstabellenlohnes der Stufe 1 der Lohngruppe, in die sie eingruppiert sind.

(2) Vorarbeiter sind Arbeiter, die durch schriftliche Anordnung zu Vorarbeitern einer Gruppe von Arbeitern bestellt worden sind und selbst mitarbeiten.

Die Gruppe muss außer dem Vorarbeiter aus mindestens zwei Arbeitern bestehen. Auszubildende in einem anerkannten Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungsdauer von mindestens zweieinhalb Jahren ab drittem Ausbildungsjahr werden als Arbeiter der Lohngruppe 4 Fallgruppe 1 gerechnet.

..."

§ 67 BMT-G II enthält unter dem Titel "Begriffsbestimmungen" in Nr. 4 folgende Regelung:

"4. Arbeiter

Arbeiter sind männliche und weibliche Personen, die aufgrund privatrechtlicher Verpflichtung ein arbeiterrentenversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis eingegangen sind."

In § 17 Abs. 9 des Tarifvertrags zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-VKA) vom heißt es:

"(9) Bis zum In-Kraft-Treten der Eingruppierungsvorschriften des TVöD gelten für Vorabeiter/innen und Vorhandwerker/innen, Fachvorarbeiter/innen und vergleichbare Beschäftigte die bisherigen landesbezirklichen Regelungen und die Regelungen in Anlage 3 Teil I des Tarifvertrages zu § 20 Abs. 1 BMT-G-O (Lohngruppenverzeichnis) im bisherigen Geltungsbereich fort; dies gilt auch für Beschäftigte im Sinne des § 1 Abs. 2. Satz 1 gilt für Lehrgesellen/innen entsprechend, soweit hierfür besondere tarifliche Regelungen vereinbart sind. ..."

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, es bedürfe keiner schriftlichen Anordnung der Bestellung zum Vorarbeiter. "Ein-Euro-Jobber" seien Arbeitern der Lohngruppen 1 bis 3a und 4, Fallgruppen 3 und 4 gleichzustellen. Sinn und Zweck der Vorarbeiterzulage sei der Ausgleich der mit der Aufsichtsfunktion verbundenen Erschwernis für den Vorarbeiter. Es bedürfe bei der Unterstellung von "Ein-Euro-Jobbern" mindestens in gleicher Weise wie bei Arbeitern iSv. § 67 Nr. 4 BMT-G II eines zusätzlichen Arbeitsaufwands, wenn er diese beaufsichtige und einarbeite. § 3 BZTV LoGrVerz sei ergänzend auszulegen. Die Tarifvertragsparteien hätten die "Ein-Euro-Jobber" bei der letzten Tarifänderung im Jahre 1995 nicht berücksichtigen können, da es diese erst seit 2005 gebe. Die Aufzählung der Lohngruppen in § 3 Abs. 1 Unterabs. 1 BZTV LoGrVerz habe allein den Zweck einer Abgrenzung zu der höheren Zulage von 12 % gem. § 3 Abs. 1 Unterabs. 2 BZTV LoGrVerz.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.400,85 Euro brutto nebst fünf % Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit Klagezustellung zu zahlen.

Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Auffassung vertreten, dass nach dem eigenen Vortrag des Klägers "Ein-Euro-Jobber" ab dem nicht durchgängig unmittelbar aneinandergereiht beschäftigt worden seien und somit sein Antrag unschlüssig sei. Zudem sei eine schriftliche Anordnung, also ein Bestellungsakt erforderlich. Die Tarifvertragsparteien hätten in § 67 Nr. 4 BMT-G II abschließend bestimmt, wer Arbeiter sei. Dies sei auch für § 3 BZTV LoGrVerz maßgeblich, da nach § 1 Abs. 1 der Tarifvertrag nur für unter den Geltungsbereich des BMT-G fallende Arbeiter gelte. Die Tarifvertragsparteien hätten nicht den Vorarbeitern im Allgemeinen "zur Arbeit zugeteilte" Beschäftigte erfassen wollen. Dies ergebe sich auch aus der Regelung in § 3 Abs. 2 Unterabs. 2 BZTV LoGrVerz, wonach Auszubildende ab dem dritten Ausbildungsjahr den Arbeitern der Lohngruppe 4 zuzurechnen seien.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Klageanspruch weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Gründe

Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Er hat keinen Anspruch auf Zahlung der Vorarbeiterzulage gem. § 17 Abs. 9 des Tarifvertrags zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-VKA) vom , § 3 BZTV LoGrVerz.

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, dass dem Kläger abgesehen davon, dass es an einer schriftlichen Bestellung zum Vorarbeiter nach § 3 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 1 BZTV LoGrVerz fehle, nicht zwei Arbeiter iSd. § 3 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 2 BZTV LoGrVerz unterstellt seien. Bei den "Ein-Euro-Jobbern" handele es sich nicht um Arbeiter im Tarifsinne, weil sie in keinem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis zur Beklagten gem. § 67 Nr. 4 BMT-G II stünden. Der Tarifvertrag enthalte auch keine unbewusste Regelungslücke und sei damit einer ergänzenden Auslegung nicht zugänglich. Auch vor Inkrafttreten der §§ 15 ff. SGB II habe es Personen gegeben, die zur Arbeit einem Arbeiter unterstellt gewesen seien, ohne dass sie zu dem Arbeitgeber in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis gestanden hätten. Die Tarifvertragsparteien hätten Personen, die Arbeit leisteten, ohne Arbeiter im Tarifsinne zu sein, bewusst nicht Arbeitern im Tarifsinne gleichgestellt. Dass es Personen gebe, die zur Arbeit herangezogen würden, ohne Arbeiter im Tarifsinne zu sein, ergebe sich auch aus § 3 Abs. 2 Unterabs. 2 BZTV LoGrVerz, wonach Auszubildende erst ab dem dritten Lehrjahr einem Arbeiter gleichgestellt würden, obwohl sie im Rahmen ihrer betrieblichen Ausbildung auch zuvor Arbeit leisteten und dabei einem Arbeiter unterstellt sein könnten.

II. Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision stand.

Der Kläger hat keinen Anspruch gem. § 3 BZTV LoGrVerz auf Zahlung der Vorarbeiterzulage. Ihm sind nicht gem. § 3 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 2 BZTV LoGrVerz zwei Arbeiter unterstellt.

1. Die dem Kläger zugeteilten erwerbsfähigen Hilfebedürftigen ("Ein-Euro-Jobber") sind keine Arbeiter im Tarifsinne. Dies ergibt die Auslegung der Tarifnorm.

a) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags richtet sich nach den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist vom Wortlaut und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Insbesondere bei nicht eindeutigem Wortsinn ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Verbleiben gleichwohl Zweifel, können die Gerichte weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags und die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und gesetzeskonformen Regelung führt ( - EzA TVG § 4 Chemische Industrie Nr. 9).

b) Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch können auch "Ein-Euro-Jobber" zu den Arbeitern zählen. Arbeiter ist jemand, der körperlich oder geistig tätig ist (Duden Das große Wörterbuch der deutschen Sprache 3. Aufl. Bd. 1 S. 278).

c) Aus dem Gesamtzusammenhang der tariflichen Regelung folgt aber, dass Arbeiter iSv. § 3 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 2 BZTV LoGrVerz nur derjenige ist, der aufgrund privatrechtlicher Verpflichtung ein Arbeitsverhältnis eingegangen ist. Der BZTV LoGrVerz vom in der Fassung vom gilt gem. § 1 für unter den Geltungsbereich des BMT-G fallende Arbeiter. Dieser regelt in § 67 Nr. 4, dass Arbeiter im Tarifsinne weibliche und männliche Personen sind, die aufgrund privatrechtlicher Verpflichtung ein arbeiterrentenversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis eingegangen sind.

2. Die erwerbsfähigen Hilfebedürftigen stehen in keinem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis zur Beklagten. Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigungen gehören zu den Leistungen, die ein erwerbsfähiger Hilfebedürftiger nach den Regelungen des SGB II, insbesondere dessen § 16, als Leistungen zur Eingliederung in Arbeit erhalten kann. Der Hilfebedürftige wird regelmäßig durch den Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung nach § 15 SGB II zu der Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung herangezogen. Die Eingliederungsvereinbarung begründet ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis. Es handelt sich um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag ( - BAGE 121, 1; - 5 AZB 36/06 - BAGE 120, 92; Rixen in Eicher/Spellbrink SGB II 2. Aufl. § 17 Rn. 12; Müller in Hauck/Noftz SGB II Stand Oktober 2008 K § 15 Rn. 11). Ein öffentliches Interesse an den im Rahmen der Arbeitsgelegenheit durchgeführten Arbeiten wird vorausgesetzt. Die Eingliederungshilfe besteht nicht in der Beschaffung einer auf einem privatrechtlichen Arbeitsvertrag beruhenden Beschäftigungsmöglichkeit, sondern in der öffentlich-rechtlichen Bereitstellung einer Arbeitsgelegenheit. Der Zweck der §§ 14 ff. SGB II ist die zumindest zeitweilige Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze und die Eröffnung wenigstens vorübergehender Beschäftigungsmöglichkeiten für Arbeitnehmer (zu §§ 91 ff. AFG - BAGE 86, 136; - 7 AZR 936/94 - AP AFG § 91 Nr. 4 = EzA BGB § 620 Nr. 144). Die Begründung der Arbeitsgelegenheit wird vorrangig im Interesse der Arbeitsuchenden und des Arbeitsmarkts gefördert. Arbeitsgelegenheiten iSd. § 16 Abs. 3 SGB II kommen nur in Betracht, wenn die Arbeiten zusätzlich sind, dh. wenn sie ohne die finanzielle Unterstützung der Träger unterbleiben würden. Nach § 261 Abs. 2 Satz 1 SGB III sind Arbeiten zusätzlich, wenn sie ohne die Förderung nicht oder erst zu einem späteren Zeitpunkt durchgeführt werden. Dadurch soll die Verdrängung regulärer Arbeitsverhältnisse durch den subventionierten Arbeitsmarkt unterbleiben. Dem Maßnahmeträger als Leistungserbringer ist es somit verwehrt, die erwerbsfähigen Hilfebedürftigen mit sämtlichen Arbeiten zu beschäftigen.

Die Durchführung der Arbeitspflicht dient allein der Erfüllung der Rechte und Pflichten, die der erwerbsfähige Hilfebedürftige gegenüber dem Leistungsträger hat. Arbeitspflicht und Ansprüche des Hilfebedürftigen auf Zahlung von Mehraufwandsentschädigung und Arbeitslosengeld II ergeben sich aus § 2 Abs. 1 Satz 3, § 16 Abs. 3 Satz 2 und § 19 SGB II. Auch die Verletzung der Arbeitspflicht aus einer Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung ist durch sozialrechtliche Vorschriften geregelt. Nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. d SGB II kann die Weigerung des Hilfebedürftigen, eine zumutbare Arbeit nach § 16 Abs. 3 Satz 2 SGB II auszuführen, zur Absenkung oder Fortfall des Anspruchs auf Arbeitslosengeld II führen. Die Zahlung der Mehraufwandsentschädigung schuldet der Grundsicherungsträger nach § 16 Abs. 3 Satz 2 SGB II. Er ist auch dann Schuldner des Anspruchs, wenn ein privater Dritter, der die Eingliederungsleistung in Form der Arbeitsgelegenheit erbringt, mit der Auszahlung beauftragt wird (Eicher in Eicher/Spellbrink SGB II § 16 Rn. 239, 243; - BAGE 121, 1). Die Erklärung kann auch nicht in eine auf die Begründung eines privatrechtlichen Rechtsverhältnisses gerichtete Erklärung umgedeutet werden, da § 16 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz SGB II gerade beabsichtigt, ein zivilrechtliches Vertragsverhältnis auszuschließen.

Alle wesentlichen Entscheidungen, die das Rechtsverhältnis zwischen Maßnahmeträger und Hilfebedürftigen betreffen, sind vom Leistungsträger zu treffen, während dem Maßnahmeträger nur die Entscheidung darüber verbleibt, ob er den Hilfebedürftigen zu den vom Träger der Grundsicherung festgesetzten Konditionen beschäftigen will. Eine Missachtung der für Arbeitsgelegenheiten geltenden gesetzlichen Grenzen führt allenfalls zu deren Rechtswidrigkeit, nicht jedoch zu deren Nichtigkeit oder einem privatrechtlichen Rechtsverhältnis ( - AP SGB II § 16 Nr. 3 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 12). Dem Hilfebedürftigen steht deshalb auch bei Missachtung der Grenzen des § 16 Abs. 3 SGB II allenfalls ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch gegen den Leistungsträger zu, der vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit geltend zu machen ist (Voelzke in Hauck/Noftz SGB II K § 16 Rn. 428).

3. § 3 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 2 BZTV LoGrVerz ist nicht ergänzend dahingehend auszulegen, dass erwerbsfähige Hilfebedürftige den Arbeitern im Tarifsinne gleichzustellen sind.

a) Tarifvertragliche Regelungen können grundsätzlich ergänzend ausgelegt werden, wenn der Tarifvertrag lückenhaft geworden ist. Dann können und müssen die Gerichte die Lücke, ggf. unter Rückgriff auf eine artverwandte und vergleichbare Regelung, schließen, wenn sich unter Berücksichtigung von Treu und Glauben ausreichende Anhaltspunkte dafür ergeben, wie die Tarifvertragsparteien den Sachverhalt bei Kenntnis der Lücke geregelt hätten ( - AP BMT-G II SR 2g § 2 Nr. 1 = EzA TVG § 1 Auslegung Nr. 32; - 6 AZR 451/97 - BAGE 91, 358). Bestehen aber verschiedene Möglichkeiten, die Lücke zu schließen, muss es allein den Tarifvertragsparteien überlassen bleiben, zu entscheiden, welche Lösung sie wählen wollen. Eine Ausfüllung der Lücke durch das Gericht würde einen unzulässigen Eingriff in die verfassungsrechtlich geschützte Tarifautonomie bedeuten ( - BAGE 54, 30, 35; Wiedemann/Wank TVG 7. Aufl. § 1 Rn. 1040). Haben die Tarifvertragsparteien eine bewusste Lücke gelassen, ist es nicht Aufgabe der Arbeitsgerichte, diese Lücke zu schließen ( - AP TVG § 1 Tarifverträge: Druckindustrie Nr. 29 = EzA TVG §4 Druckindustrie Nr. 24; Wiedemann/Wank TVG § 1 Rn. 1038).

b) Der Tarifvertrag enthält keine unbewusste Regelungslücke, da die Tarifvertragsparteien bewusst nur Arbeiter iSv. § 67 Nr. 4 BMT-G II - und zwar lediglich solche, die bestimmten, ebenfalls tarifvertraglich geregelten Lohngruppen zugeordnet sind - von der Regelung erfassen wollten. Dies taten sie in Kenntnis des Umstands, dass es auch vor Inkrafttreten der §§ 15 ff. SGB II Personen gab, die einem anderen Arbeiter zur Arbeit unterstellt waren, ohne dass sie zu dem Arbeitgeber in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis gestanden haben.

c) Soweit das Bundesarbeitsgericht am (- 4 AZR 23/81 - AP MTL II § 9 Nr. 1) entschieden hat, dass zur Arbeit zugeteilte Insassen von psychiatrischen Krankenanstalten auch dann unterstellten Arbeitern eines Vorarbeiters gleichstehen, wenn sie nur eine geringe wirtschaftlich verwertbare Arbeit leisten, beruht diese Entscheidung auf einer ausdrücklichen Regelung in § 3 des Tarifvertrags über das Lohngruppenverzeichnis zum Manteltarifvertrag für Arbeiter der Länder (TV Lohngruppen-TdL) vom . Abs. 2 dieser Norm regelt, dass die Gruppe außer dem Vorarbeiter aus mindestens zwei Arbeitern bestehen muss. Nach § 3 Abs. 2 Satz 3 TV Lohngruppen-TdL rechnen zur Arbeit zugeteilte Insassen von psychiatrischen Krankenanstalten, Justizvollzugsanstalten, Landesblindenanstalten, Landesjugendheimen (Erziehungsheimen) und Firmenarbeiter wie entsprechende Arbeiter. Auch § 3 Abs. 3 des Tarifvertrags über das Lohngruppenverzeichnis des Bundes zum MTArb (TV LohngrV) vom idF vom enthält eine ausdrückliche Regelung hinsichtlich der Gleichstellung von "Personen mit einer anderen Rechtsstellung", wie beispielsweise Beamte oder Soldaten mit den Arbeitern. Im BZTV LoGrVerz fehlt es jedoch bezüglich der Vorarbeiterzulage an einer derartigen Gleichstellung von Personen, die nicht in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis zu dem Arbeitgeber stehen. Allerdings regelt § 5 BZTV LoGrVerz eine besondere Zulage für die Aufsicht über Arbeitskräfte betriebsfremder Unternehmen und will nur für diesen Fall, der für den Kläger nicht einschlägig ist, eine Zulage gewähren. Damit wird deutlich, dass den Tarifvertragsparteien die mögliche Unterstellung von nicht zum Kreis der tarifunterworfenen Arbeiter zählenden tätigen Personen durchaus bewusst war, sie diese jedoch gerade nicht so regeln wollten, wie der Kläger dies unterstellt.

Dass die Tarifvertragsparteien eine abschließende Regelung treffen wollten, wird auch dadurch bestätigt, dass sie eine ausdrückliche Bestimmung bezüglich der Auszubildenden getroffen haben. Auszubildende iSd. § 67 Nr. 12a BMT-G II werden erst ab dem dritten Ausbildungsjahr einem Arbeiter gleichgestellt, obwohl sie im Rahmen ihrer betrieblichen Ausbildung auch bereits vorher Arbeit leisten und dabei einem Arbeiter unterstellt sein können.

4. Es liegt auch kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor.

a) Die Gerichte für Arbeitssachen haben Tarifverträge daraufhin zu überprüfen, ob sie gegen höherrangiges Recht verstoßen ( - AP BeschFG 1985 § 2 Nr. 79 = EzA BGB § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 159). Der allgemeine Gleichheitssatz der Verfassung ist Teil der objektiven Wertordnung, die als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts Geltung beansprucht ( - BAGE 86, 136). Art. 3 GG verbietet, dass Tarifvertragsparteien wesentlich Gleiches willkürlich ungleich und wesentlich Ungleiches willkürlich gleich behandeln ( - BVerfGE 4, 144). Der Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet damit die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern. Dabei kommt es darauf an, ob sich aus dem Zweck der Leistung Gründe herleiten lassen, die es unter Berücksichtigung aller Umstände rechtfertigen, der einen Arbeitnehmergruppe eine Leistung vorzuenthalten, die der anderen Gruppe eingeräumt worden ist ( - AP TVG § 1 Tarifverträge: Metallindustrie Nr. 143 = EzA GG Art. 3 Nr. 55).

b) Danach ist es gerechtfertigt, dem Vorarbeiter die Zulage vorzuenthalten, wenn ihm erwerbsfähige Hilfebedürftige unterstellt werden. Er übt gegenüber den ihm unterstellten Arbeitnehmern im Rahmen seiner ihm vom Arbeitgeber übertragenen Aufgaben Weisungs- und Aufsichtsbefugnisse aus. Das rechtfertigt seine höhere Vergütung bzw. die Zahlung einer Zulage, die die dadurch eintretende höhere Verantwortung und die damit einhergehenden Erschwernisse ausgleichen soll. Dies betrifft aber nur solche Arbeiter, die im Rahmen eines privatrechtlichen Arbeitsverhältnisses in ein Geflecht von wechselseitigen Rechten und Pflichten eingebunden sind. Davon unterscheiden sich die erwerbsfähigen Hilfebedürftigen angesichts der öffentlich-rechtlichen Natur ihrer Beschäftigungsverhältnisse erheblich. Zwar mögen andere Erschwernisse gerade dadurch entstehen, dass der Kläger gegenüber den ihm zugeordneten "Ein-Euro-Jobbern" keine Disziplinarbefugnis im engen arbeitsrechtlichen Sinne hat. Er hat aber auch keine Disziplinarverantwortung. Die Aufsichts- und Kontrollfunktionen unterscheiden sich damit. Es liegt innerhalb der grundgesetzlich geschützten Autonomie der Tarifvertragsparteien, nur die eine Art der Erschwernis mit Zulagen auszugleichen und die andere nicht.

5. Da der Kläger bereits aus diesem Grunde keinen Anspruch aus § 3 BZTV LoGrVerz hat, kann es dahinstehen, ob die Zulage auch deshalb zu verweigern war, weil die Beklagte den Kläger nicht schriftlich zum Vorarbeiter gem. § 3 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 1 BZTV LoGrVerz bestellt hat (vgl. - AP BMT-G II § 62 Nr. 1). Ein Rechtsmissbrauch ist dabei nicht erkennbar.

Fundstelle(n):
NJW 2009 S. 1434 Nr. 20
FAAAD-07973

1Für die amtliche Sammlung: nein; Für die Fachpresse: nein