BFH Beschluss v. - IV B 131/07

Rückzahlungszinsen zu einer zurückgeforderten Investitionszulage sind Betriebsausgaben; spätere Erstattung der Rückzahlungszinsen führt zu Betriebseinnahmen

Gesetze: EStG § 4 Abs. 4, EStG § 5, InvZulG § 5, InvZulG § 11, InvZulG § 12

Instanzenzug:

Gründe

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine GmbH und Co. KG, hatte für die Jahre 1984 bis 1988 zunächst antragsgemäß Investitionszulagen erhalten, die der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) nach einer Betriebsprüfung zurückforderte. Dagegen hatte sich die Klägerin gewandt und nach einem Musterverfahren weitgehend durchgesetzt.

Mit der Rückforderung der Investitionszulagen hatte das FA Rückzahlungszinsen gemäß § 5 Abs. 7 des Investitionszulagengesetzes 1986 (InvZulG 1986) in Höhe von insgesamt 388 384,97 € festgesetzt. In ihrer Bilanz zum hatte die Klägerin dafür gewinnmindernde Rückstellungen gebildet. Im Jahr 1998 hatte sie die Zinsen in voller Höhe gezahlt und die Rückstellungen gewinnneutral aufgelöst. Nach Abschluss eines Musterverfahrens verblieb es bei Rückzahlungszinsen in Höhe von 17 239,74 €. Den Differenzbetrag (371 145,23 €) erfasste die Klägerin nach Erstattung im Jahr 2003 zunächst gewinnerhöhend als außerordentlichen Ertrag.

Gegen die erklärungsgemäß erlassenen Feststellungsbescheide wandte sich die Klägerin und machte geltend, es handele sich um die Erstattung von steuerlichen Nebenleistungen i.S. des § 3 Abs. 4 der Abgabenordnung (AO), die das Schicksal der Hauptleistung —der Investitionszulage— teilten. Da diese nach § 5 Abs. 2 Satz 1 InvZulG 1986 nicht steuerbar sei, müsse dies auch für die Zinszahlungen als Nebenleistungen und damit für die Zinserstattungen als gegenläufigen Akt gelten.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab. Sämtliche im Zusammenhang mit der Gewährung, Rückforderung und Verzinsung der Investitionszulage getätigten Zahlungsvorgänge seien notwendigerweise betrieblich veranlasst, da die Investitionszulage nur im Rahmen eines Betriebes in Betracht komme. Daran ändere die spezialgesetzlich (§ 5 Abs. 2 InvZulG 1986) geregelte Herausnahme der Investitionszulage aus dem Einkünftebereich nichts; sie diene vielmehr einer möglichst weitgehenden, steuerunbelasteten Förderung. Das gelte jedoch weder unmittelbar noch über § 3 Abs. 4 AO für Zinszahlungen. Der Steuerpflichtige, der eine Investitionszulage ganz oder teilweise zu Unrecht erlange, solle durch die Verzinsungsvorschrift so gestellt werden, als habe ihm der Fiskus in dieser Höhe ein Darlehen gewährt. Dafür spreche —entgegen der Auffassung der Klägerin— eine Gleichbehandlung mit der Einkommensteuer: Erstattungszinsen seien nach ständiger Rechtsprechung zu versteuern, weil sie als Gegenleistung für eine Kapitalüberlassung anzusehen seien (, BFH/NV 2006, 527). Seien Schuldzinsen betrieblich veranlasst, müsse das auch für deren Erstattung als actus contrarius gelten. In diesen Fällen sei § 3 Abs. 4 AO ohne Bedeutung, wie durch das (juris) bestätigt werde. Im Übrigen scheitere die (analoge) Anwendung des § 3 Abs. 4 AO auch daran, dass die Investitionszulage nicht als Steuervergütung, sondern als Subvention einzuordnen sei (, Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 2000, 1031, m.w.N.). Das FG hat die Revision nicht zugelassen.

Mit ihrer dagegen gerichteten Beschwerde macht die Klägerin geltend, die Revision sei zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung und wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Das angefochtene Urteil weiche hinsichtlich des steuerrechtlichen Grundsatzes „Nebenleistungen teilen das Schicksal der Hauptleistung” und der daraus folgenden Auswirkungen auf die materielle steuerrechtliche Behandlung der Nebenleistungen von der Rechtsprechung des BFH und anderer Finanzgerichte ab. Die Bedeutung dieses Grundsatzes für Nebenleistungen zur nicht steuerbaren Investitionszulage sei nicht geklärt. Seine Anwendung für Nebenleistungen zu Steuern vom Einkommen und Ertrag sei in der Rechtsprechung uneinheitlich, so dass auch die Rechtseinheitlichkeit berührt sei. Die Klägerin macht dazu nähere Ausführungen und verweist auf ein vorgelegtes Gutachten.

Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.

II. Die Beschwerde ist nicht begründet. Weder ist die Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen (dazu unter 1.) noch liegen die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung vor (dazu unter 2.).

1. Die Revision ist nicht nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen.

a) Die Zulassung der Revision nach dieser Vorschrift setzt —wie bei der früheren Divergenzrüge— voraus, dass das FG in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Gerichts abgewichen ist, dass dabei über dieselbe Rechtsfrage entschieden wurde und diese für beide Entscheidungen rechtserheblich war, dass die Entscheidungen zu gleichen oder vergleichbaren Sachverhalten ergangen sind, dass die abweichend beantwortete Rechtsfrage im Revisionsverfahren geklärt werden kann und dass eine Entscheidung des BFH zur Wahrung der Rechtseinheit erforderlich ist (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 48).

Nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO müssen diese Voraussetzungen in der Begründung der Beschwerde dargelegt werden. Dazu ist es erforderlich, in der Beschwerdeschrift abstrakte Rechtssätze des erstinstanzlichen Urteils herauszustellen, die mit tragenden Rechtssätzen der Entscheidung eines anderen Gerichts nicht übereinstimmen (vgl. u.a. Senatsbeschluss vom IV B 23/04, BFH/NV 2006, 51, m.w.N.; Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz 42).

b) Das FG ist danach nicht von den Entscheidungen abgewichen, denen zufolge steuerliche Nebenleistungen das Schicksal der Hauptleistung teilen. Denn diese Entscheidungen betrafen Sachverhalte, die mit dem vorliegend zu entscheidenden Sachverhalt nicht vergleichbar sind. Tragende Begründungen der Vorentscheidung sind zum einen die betriebliche Veranlassung der Investitionszulage und zum anderen deren Subventionscharakter. Darüber war jedoch in den von der Klägerin angeführten Urteilsfällen nicht zu entscheiden.

Das (BFHE 166, 553, BStBl II 1992, 464) betraf Säumniszuschläge zur Grunderwerbsteuer; der BFH hat in dieser Entscheidung im Übrigen die Auffassung vertreten, dass sich Säumniszuschläge nicht mit Zinsen vergleichen lassen (unter 2. der Gründe). Im Urteil vom X R 155/90 (BFH/NV 1992, 458) hat der BFH die Abziehbarkeit von Aussetzungszinsen versagt, weil diese bei der Durchsetzung der nicht betrieblich veranlassten Einkommensteuer angefallen waren und als Nebenleistungen deren Schicksal teilten (unter 1.a und b der Gründe). Auch die weiteren Urteile (, EFG 2002, 1032; , EFG 2004, 99, insoweit bestätigt durch , BFHE 216, 61, BStBl II 2007, 387, und vom 2 K 1169/02, juris; , EFG 2007, 936) betreffen Nachzahlungszinsen zur Einkommensteuer und unterscheiden sich daher in entscheidungserheblicher Weise vom Streitfall.

2. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

a) Eine Rechtsfrage hat grundsätzliche Bedeutung, wenn ihre Beantwortung durch den BFH aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Dabei soll es sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame Frage handeln, die klärungsbedürftig und im zu erwartenden Revisionsverfahren klärungsfähig sein muss (vgl. u.a. Senatsbeschluss vom IV B 62/04, BFH/NV 2006, 543, unter 1. der Gründe; Gräber/ Ruban, a.a.O., § 115 Rz 23, m.w.N.). Ein im allgemeinen Interesse liegendes Bedürfnis nach Klärung einer Rechtsfrage ist gegeben, wenn sich diese Frage nicht ohne Weiteres aus dem Gesetz beantworten lässt, wenn sie nicht bereits durch die höchstrichterliche Rechtsprechung hinreichend geklärt ist oder wenn neue Gesichtspunkte zu Unsicherheiten in der Beantwortung der Rechtsfrage führen und eine erneute Prüfung und Entscheidung durch den BFH erforderlich machen (vgl. Senatsbeschluss vom IV B 135/01, BFH/NV 2004, 783; Gräber/ Ruban, a.a.O., § 115 Rz 28).

b) Die von der Klägerin formulierte Rechtsfrage ist —soweit es darauf für den Streitfall ankommt— nicht mehr klärungsbedürftig. Die Entscheidung des FG ist nicht zu beanstanden, nach der die Rückzahlungszinsen zu der —zunächst zurückgeforderten— Investitionszulage Betriebsausgaben waren und demgemäß deren spätere Erstattung zu Betriebseinnahmen geführt hat. Es ist hinreichend geklärt, dass der von der Klägerin herausgearbeitete Grundsatz „Nebenleistungen teilen das Schicksal der Hauptleistung” dieser Beurteilung nicht entgegensteht.

aa) Die Investitionszulage ist eine betrieblich veranlasste Subvention (vgl. , BFHE 212, 386, BStBl II 2006, 741, unter II.3. der Gründe; vom X R 59/00, BFHE 213, 50, BStBl II 2006, 661, unter II.3.h der Gründe). Sie wird ausschließlich zu gesetzlich festgelegten betrieblichen Zwecken gewährt (vgl. §§ 1 und 4 InvZulG 1986; zuletzt § 2 InvZulG 2007). Soweit die Investitionszulage zu Unrecht ausgezahlt wurde oder ihre Voraussetzungen nachträglich wegfallen und der Investitionszulagenbescheid aufgehoben oder zu Ungunsten des Anspruchsberechtigten geändert wird, ist der Rückforderungsanspruch zu verzinsen (§ 5 Abs. 7 InvZulG 1986; jetzt § 11 InvZulG 2007).

(1) Die Zinsen sind Gegenleistung für die Nutzung des Kapitals, zu dessen Überlassung der Fiskus nicht verpflichtet war (vgl. zur Steuerpflicht von Erstattungszinsen , BFH/NV 2006, 527, unter II.2. der Gründe). Schuldzinsen sind Betriebsausgaben, wenn sie für eine Verbindlichkeit geleistet werden, die durch den Betrieb veranlasst ist und deshalb zum Betriebsvermögen gehört; maßgebend ist der tatsächliche Verwendungszweck des überlassenen Kapitals (vgl. Beschluss des Großen Senats des , BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817, unter C.II.2. der Gründe zu Darlehenszinsen).

(2) Vorliegend war die Überlassung des als Investitionszulage ausgezahlten Kapitals durch betriebliche Zwecke veranlasst. Das zeigt sich schon daran, dass der Klägerin die Investitionszulage nach Durchführung des Musterverfahrens zustand, so dass es zur Rückzahlung der Erstattungszinsen kam. Das FG hat deshalb zutreffend und in Übereinstimmung mit den vorstehend dargelegten Grundsätzen entschieden, dass die Rückzahlungszinsen zur Investitionszulage Betriebsausgaben waren (ebenso , BStBl I 2006, 119, Rz. 234). Davon ist auch die Klägerin ausgegangen; sie hat in den Vorjahren entsprechende Betriebsausgaben berücksichtigt.

bb) Die von der Klägerin dagegen erhobenen Einwände erfordern keine erneute Prüfung und Entscheidung durch den BFH.

(1) Es trifft schon nicht zu, dass Nachzahlungszinsen zur Einkommensteuer (nur) deshalb nicht als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abziehbar wären, weil es sich dabei um Nebenleistungen i.S. des § 3 Abs. 4 AO zu einer kraft Gesetzes nicht abziehbaren Hauptleistung (§ 12 Nr. 3 des EinkommensteuergesetzesEStG—) handelt. Maßgeblich ist nach ständiger Rechtsprechung vielmehr die —fehlende— betriebliche Veranlassung (vgl. u.a. BFH-Beschlüsse vom VIII B 74/05, BFH/NV 2006, 740; vom IX B 199/02, BFH/NV 2003, 1326). Die Investitionszulage ist jedoch —anders als die Einkommensteuer— betrieblich veranlasst (siehe oben unter II.2.b aa), auch wenn sie infolge der gesetzlichen Ausnahme (§ 5 Abs. 2 InvZulG 1986, jetzt § 12 InvZulG 2007) nicht zu den Einkünften im Sinne des EStG gehört.

(2) Hinzukommt, dass Rückzahlungszinsen zur Investitionszulage für die Nutzung des Kapitals zu entrichten sind, das zu Unrecht als Investitionszulage ausgezahlt, aber tatsächlich nicht geschuldet wurde. Darin liegt —worauf das FG zutreffend hingewiesen hat— ein maßgeblicher Unterschied zu den Nachzahlungszinsen zur Einkommensteuer. Soweit die Klägerin meint, die Rückzahlungszinsen seien privat veranlasst, weil sie im Zusammenhang mit der nicht zu den Einkünften im Sinne des EStG zählenden Investitionszulage stünden, ist dem nicht zu folgen. Denn Rückzahlungszinsen fallen nur an, soweit tatsächlich kein Anspruch auf Investitionszulage besteht. Sie sind daher nicht durch die Investitionszulage, sondern durch die Nutzung des Kapitals veranlasst, das überlassen wurde, obwohl darauf im Ergebnis kein Anspruch bestand.

In Übereinstimmung damit sind Erstattungszinsen zur Einkommensteuer als Entgelt für die Kapitalnutzung —anders als Nachzahlungszinsen— steuerlich (bei den Einkünften) zu berücksichtigen (BFH-Urteil in BFH/NV 2006, 527, unter II.2. der Gründe); auf die Qualifikation der Einkommensteuer kommt es dabei nicht an. Dem entspricht es, bei den Rückzahlungszinsen zur Investitionszulage auf den Zusammenhang mit der betrieblich veranlassten Verwendung des —zu Unrecht als Investitionszulage ausgezahlten— Kapitals und nicht auf die Steuerfreiheit der Investitionszulage abzustellen.

(3) Auch Wortlaut und Zweck der Investitionszulage sprechen für diese Beurteilung, worauf das FG ebenfalls zutreffend hingewiesen hat. Die Befreiungsvorschrift (§ 5 Abs. 2 InvZulG 1986, jetzt § 12 InvZulG 2007) bezieht sich ihrem Wortlaut nach nur auf die Investitionszulage selbst, nicht auf die in engem Zusammenhang damit geregelten Rückzahlungszinsen (§ 5 Abs. 7 InvZulG 1986, jetzt § 11 InvZulG 2007). Durch die Steuerfreiheit der Investitionszulage (§ 5 Abs. 2 InvZulG 1986, jetzt § 12 InvZulG 2007) wird vermieden, dass ein wesentlicher Teil der Subvention durch die Belastung mit Ertragsteuern sogleich wieder an den Fiskus zurückzuzahlen ist. Sie bewirkt damit, dass die Investitionszulage ihrem Zweck ungeschmälert zugute kommt. Das lässt sich auf Rückzahlungszinsen jedoch nicht übertragen. Denn diese sind —wie dargelegt— Entgelt für die —vorliegend betriebliche— Nutzung des letztlich zu Unrecht als Investitionszulage ausgezahlten Kapitals.

(4) Soweit die Klägerin darauf verweist, dass in der Literatur die Auffassung vertreten wird, Ausgaben im Zusammenhang mit Investitionszulagen seien nicht abziehbar (Jäschke in Lademann, EStG, § 2 EStG Rz 275 „Investitionszulage"; Steiner in Lademann, a.a.O., § 10 EStG Rz 375; Blümich/Selder, § 10 InvZulG 1996 Rz 2; Blümich/Stuhrmann, § 12 InvZulG 2007 Rz 1 ff.; Meyer, Der Betrieb 1984, 1054), ergibt sich daraus keine andere Beurteilung. Denn Rückzahlungszinsen sind von Ausgaben im Zusammenhang mit der Investitionszulage zu unterscheiden; der maßgebliche Veranlassungszusammenhang besteht —wie oben unter II.2.b bb (2) dargelegt— insoweit nicht zu der steuerfreien Investitionszulage, sondern zu der betrieblichen Kapitalnutzung (gl.A. von Beckerath in Kirchhof, EStG, 8. Aufl., § 3c Rz 83 „Investitionszulage"; Birk/Jahndorf in Herrmann/Heuer/Raupach, § 3c EStG Rz 90 „Investitionszulage”).

cc) Mit dem FG ist davon auszugehen, dass die Erstattung von letztlich zu Unrecht festgesetzten, als Betriebsausgaben abziehbaren Rückzahlungszinsen als actus contrarius das Betriebsvermögen erhöht und zu Betriebseinnahmen führt.

Fundstelle(n):
IAAAD-00211