Vorsteuerabzug eines Motorradrennfahrers; nebenberufliche Betätigung schließt eine nachhaltige Betätigung mit Einnahmeerzielungsabsicht nicht aus
Leitsatz
Einem Motorradrennfahrer, der bei seiner Teilnahme an Motorradrennen sowie bei der Ausstellung seines Rennfahrzeugs nachhaltig Werbeleistungen gegen Entgelt in beträchtlicher Höhe erbringt, steht der Vorsteuerabzug aus der Anschaffung und Unterhaltung des Motorrads sowie aus den Kosten der Rennteilnahme zu, wenn das Motorrad nicht für den allgemeinen Straßenverkehr zugelassen ist.
Gesetze: UStG § 15 Abs. 1 Nr. 1, UStG § 2 Abs. 1, Richtlinie 77/388/EWG Art. 4 Abs. 2
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Streitig ist, ob und ggf. inwieweit der Kläger und Revisionskläger (Kläger) im Hinblick auf Werbemaßnahmen und seine Teilnahme an Motorradrennen Unternehmer war und ihm aus der Anschaffung des Motorrades sowie der Reisekosten der Vorsteuerabzug zusteht.
Der Kläger war in den Streitjahren 1996 bis 1998 nichtselbständig tätig. Im Jahr 1996 meldete er bei der Stadt ein Gewerbe „Vermittlung und Vermietung von Werbeflächen” an. Er führte anschließend Werbemaßnahmen durch. Grundlage waren mit verschiedenen Unternehmen abgeschlossene Werbeverträge. Darin hatte sich der Kläger verpflichtet, Werbemaßnahmen auf seiner Fahrer-Lederkombination, auf dem Motorrad und auf dem Transportfahrzeug durchzuführen und sein Motorrad als Werbemittel zur Schaufensterdekoration zur Verfügung zu stellen. Insgesamt erhielt er für seine Werbeleistungen nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) in den Streitjahren zusammen 75 000 DM.
Mit seinem Rennmotorrad nahm der Kläger mehrfach jährlich an Motorsportveranstaltungen teil, u.a. in den Jahren 1997 und 1998. Bei siegreicher Teilnahme erhielt er Preisgelder, die nach den vom FG in Bezug genommenen Steuerakten . DM (1996), . DM (1997) und . DM (1998) betrugen.
Bereits in den Streitjahren 1996 bis 1998 schloss er mit verschiedenen Unternehmen Werbeverträge ab. 1996 unterzeichnete er eine „Sponsoring-Vereinbarung” mit X, in der er sich verpflichtete, Werbemaßnahmen auf seinem Motorrad und seinem Transportfahrzeug durchzuführen. Hierfür erhielt der Kläger . DM zuzüglich Umsatzsteuer. 1997 schloss er mit der X eine „Sponsoring-Vereinbarung”, für die er . DM zuzüglich Umsatzsteuer erhielt, sowie mit einer Z . DM zuzüglich Umsatzsteuer. Außerdem verpflichtete er sich, sein Rennfahrzeug im Dezember 1997 für . DM zuzüglich Umsatzsteuer als Schaufensterdekoration zur Verfügung zu stellen. Für 1998 schloss er wiederum einen Werbevertrag mit der Z über . DM zuzüglich Umsatzsteuer sowie am eine weitere Vereinbarung mit der Z über . DM zuzüglich Umsatzsteuer. Außerdem stellte er sein Motorrad für . DM zuzüglich Umsatzsteuer bei einer Motorshow aus. Zudem verpflichtete er sich gegen unentgeltliche Überlassung Motoröl, Wartungs- und Pflegemittel eines bestimmten Herstellers zu verwenden.
In seinen Umsatzsteuererklärungen erfasste der Kläger die Einnahmen aus der Werbetätigkeit sowie die Preisgelder und zog als Vorsteuerbeträge sämtliche in Zusammenhang mit der Rennteilnahme stehenden Kosten (Anschaffung und Instandhaltung des Rennmotorrades sowie Reisekosten) ab. Hierbei bezeichnete er nach den vom FG in Bezug genommenen Umsatzsteuererklärungen sein Unternehmen in der Jahreserklärung 1996 als „Vermietung und Verpachtung von Werbeflächen” und ab 1997 „Vermietung von Werbeflächen; Motorradrennen”.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) beurteilte zwar die Werbetätigkeit des Klägers als unternehmerisch und besteuerte die erzielten Werbeentgelte (ohne Preisgelder) als Umsatz. Es versagte jedoch unter Bezug auf das (BFHE 172, 183, BStBl II 1993, 810) den mit der Renn- und Werbetätigkeit in Zusammenhang stehenden Vorsteuerabzug, weil es die Renntätigkeit als nichtunternehmerisch ansah und die hierfür bezogenen Leistungen ausschließlich der nichtunternehmerischen Sphäre des Klägers zuordnete. Der Einspruch des Klägers blieb erfolglos.
Das FG wies die Klage ab und führte im Wesentlichen aus, der Kläger könne die mit der Anschaffung des Motorrades und der Rennteilnahme zusammenhängenden Vorsteuerbeträge nicht abziehen, weil sie im Zusammenhang mit der überwiegend nichtunternehmerischen Nutzung des Motorrades zu privaten Rennsportzwecken stünden. Diese Tätigkeit habe der Kläger lediglich nichtunternehmerisch, als Amateur, ausgeübt, weil er seinen Lebensunterhalt im Wesentlichen aus anderen Einkünften bestritten habe. Von einer durch objektive Anhaltspunkte belegten Absicht einer unternehmerischen Renntätigkeit könne noch nicht in den Streitjahren 1996 bis 1998, sondern erst ab 1999 ausgegangen werden. Der Kläger habe jedoch nicht nachgewiesen, welche in 1998 angefallenen Kosten der Vorbereitung der Rennsaison 1999 gedient hätten. Er könne das Motorrad auch nicht entsprechend der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) in der Rechtssache Seeling (Urteil vom C-269/00, BStBl II 2004, 378) seinem Unternehmen zuordnen, weil das Motorrad bei Anwendung der Rechtsgrundsätze des BFH-Urteils in BFHE 172, 183, BStBl II 1993, 810 rein nichtunternehmerisch genutzt worden sei.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Revision. Zur Begründung trägt er vor, das FG habe den geltend gemachten Vorsteuerabzug rechtsfehlerhaft versagt, weil es seine Renntätigkeit als nichtunternehmerisch angesehen habe. Das FG habe sich zu Unrecht auf das BFH-Urteil in BFHE 172, 183, BStBl II 1993, 810 berufen, weil das Fahrzeug dort zum allgemeinen Straßenverkehr zugelassen worden sei, während sein Motorrad lediglich für den Rennsport geeignet gewesen sei.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung der Vorentscheidung die Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1996 bis 1998 wie erklärt auf
. DM (1996), . DM (1997) und . DM (1998) festzusetzen.
Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Es ist der Auffassung, der Kläger habe neben seiner —unstreitig— unternehmerischen Werbetätigkeit nichtunternehmerisch an Rennsportveranstaltungen teilgenommen. Dafür, dass die Rennsporttätigkeit als Tätigkeit ohne die erforderliche Einnahmeerzielungsabsicht zu qualifizieren sei, spreche die Art der Tätigkeit als Ausübung eines Hobbys. Bei der Teilnahme des Klägers an den Motorsportveranstaltungen habe in den Streitjahren nicht die Einnahmeerzielungsabsicht, sondern die private sportliche Betätigung im Vordergrund gestanden.
II. Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt nach § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Das FG hat den Vorsteuerabzug aus der Anschaffung und Unterhaltung des Motorrades sowie aus den Kosten der Rennteilnahme zu Unrecht mit der Begründung versagt, der Kläger sei zwar im Hinblick auf seine Werbeleistungen Unternehmer, die Kosten der Rennteilnahme seien jedoch wirtschaftlich der —nichtunternehmerischen— Tätigkeit als Rennfahrer zuzurechnen. Es sind weitere Feststellungen hinsichtlich der Höhe des Vorsteuerabzugs zu treffen.
1. Ein Unternehmer kann nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG) die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen.
a) Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG ist Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Das Unternehmen umfasst die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers (§ 2 Abs. 1 Satz 2 UStG). Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt (§ 2 Abs. 1 Satz 3 UStG). Dies entspricht Art. 4 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG), wonach als wirtschaftliche Tätigkeit eine Leistung gilt, die die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen umfasst.
b) Der Kläger ist —unstreitig— Unternehmer, als er bei seiner Teilnahme an Motorradrennen sowie bei der Ausstellung seines Rennfahrzeugs nachhaltig Werbeleistungen gegen Entgelt (in den Streitjahren über 75 000 DM) erbracht hat. Vorsteuerbeträge auf Leistungsbezüge (Lieferungen und sonstige Leistungen) sind deshalb bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 UStG abziehbar, wenn sie mit dieser unternehmerischen Tätigkeit in unmittelbarem Zusammenhang stehen.
c) Entgegen der Auffassung des FG ist auch die Renntätigkeit in den Streitjahren 1996 bis 1998 unter den vorliegenden Umständen als unternehmerisch anzusehen, weil sie sich von der Tätigkeit des Klägers als Werbeunternehmer nicht trennen lässt. Der Kläger hat das Rennmotorrad zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen verwendet.
aa) Bei einem Gegenstand, der seiner Art nach sowohl für wirtschaftliche als auch für private Zwecke verwendet werden könne, sind alle Umstände seiner Nutzung zu prüfen, um festzustellen, ob er tatsächlich zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen verwendet werde. Eine der Methoden, mit denen geprüft werden könne, ob die betreffende Tätigkeit zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen ausgeübt wird, ist der Vergleich zwischen den Umständen, unter denen der Betreffende den Gegenstand tatsächlich nutzt, und den Umständen, unter denen die entsprechende wirtschaftliche Tätigkeit gewöhnlich ausgeübt wird. Ferner sind die tatsächliche Dauer der Vermietung des Gegenstands, die Zahl der Kunden und die Höhe der Einnahmen Gesichtspunkte, die zur Gesamtheit der Gegebenheiten des Einzelfalls gehören und daher neben anderen Gesichtspunkten bei dieser Prüfung berücksichtigt werden können (, BFHE 182, 388, BStBl II 1997, 368; EuGH-Urteil Enkler vom Rs. C-230/94, Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht —UVR— 1996, 338 Rdnrn. 28, 29).
bb) Mit diesen Grundsätzen steht die Rechtsprechung des Senates im Einklang, wonach im Einzelfall aufgrund des Gesamtbildes der Verhältnisse zu beurteilen ist, ob eine nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen vorliegt (, BFHE 165, 116, BStBl II 1991, 776). Dabei ist eine Reihe verschiedener (nicht abschließend festgelegter) Kriterien zu würdigen, die je nach dem Einzelfall in unterschiedlicher Gewichtung für oder gegen die Nachhaltigkeit der Einnahmeerzielungsabsicht sprechen können (, BFH/NV 2008, 1773). Es ist insbesondere zu würdigen: die Dauer und die Intensität des Tätigwerdens, die Beteiligung am Markt, die Zahl der ausgeführten Umsätze, das planmäßige Tätigwerden, das Unterhalten eines Geschäftslokals. Der tatsächlichen Würdigung der Einzelheiten durch das Tatsachengericht kommt hierbei besondere Bedeutung zu. Der BFH prüft als Revisionsinstanz nur, ob dem FG bei der tatsächlichen Würdigung Rechtsverstöße unterlaufen sind (vgl. , BFHE 215, 331, BStBl II 2007, 148; vom V R 17/94, BFH/NV 1997, 719, m.w.N.). Ob auch ein anderes Ergebnis der Würdigung vertretbar gewesen wäre, ist nicht entscheidend.
cc) Das FG hat seine Würdigung darauf gestützt, dass der Kläger die Renntätigkeit als Amateur ausgeübt habe, weil er seinen Lebensunterhalt aus einer nichtselbstständigen Tätigkeit bestritten habe. Daraus wird ersichtlich, dass das FG die vom EuGH und vom BFH bezeichneten Merkmale für die Beurteilung, ob der Kläger das Motorrad zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen verwendet hat, nicht herangezogen hat. Das FG hat nicht berücksichtigt, dass sich die unternehmerische Werbetätigkeit des Klägers nicht von seiner Renntätigkeit trennen lässt. Ohne die Renntätigkeit und die damit verbundenen sportlichen Erfolge ist die Erzielung von Werbeentgelten nicht denkbar.
Auch schließt —entgegen der Rechtsauffassung des FG— die Nebenberuflichkeit einer Betätigung nicht aus, dass es sich um eine nachhaltige Betätigung in Einnahmeerzielungsabsicht handelt (, BFHE 170, 275, BStBl II 1993, 379).
dd) Das FG hat sich zu Unrecht auf die Entscheidung des Senates in BFHE 172, 183, BStBl II 1993, 810 berufen (kritisch zu dieser Entscheidung Lippross, UStG, 22. Aufl., S. 820); denn die Entscheidung betrifft - anders als im Streitfall - ein für den allgemeinen Straßenverkehr zugelassenes Fahrzeug und lediglich Einnahmen in geringfügiger Höhe, mithin einen in wesentlichen Punkten anderen Sachverhalt.
2. Der Senat kann nicht durcherkennen, da das FG —von seiner Rechtsansicht aus zu Recht— keine Feststellungen zur Höhe des Vorsteuerabzuges getroffen hat.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2009 S. 230 Nr. 2
HFR 2009 S. 399 Nr. 4
DAAAC-97798