BFH Beschluss v. - IV R 78/05

Ordnungsgemäße Zustellung mit einer Postzustellungsurkunde; Inhalt der Postzustellungsurkunde

Leitsatz

Nach dem seit dem geltenden Zustellungsrecht ist bei der Zustellung einer Gerichtsentscheidung mit Postzustellungsurkunde (§ 53 Abs. 2 FGO i. V. mit §§ 176 und 180 ZPO i. d. F. des Zustellungsreformgesetztes vom ) eine über das Aktenzeichen hinausgehende Bezeichnung des zuzustellenden Schriftstücks auf der Sendung nicht mehr erforderlich. Da bei Ersatzzustellung nach § 180 Abs. 3 ZPO das Datum der Zustellung auf dem "inneren Umschlag" lediglich zu vermerken ist, ist eine Unterschrift des Zustellers auf dem Umschlag zur Wirksamkeit der Zustellung nicht erforderlich. Enthält das auf dem Umschlag vermerkte Datum - anders als das Datum auf der Postzustel-lungsurkunde - nicht auch die Jahresangabe, steht dies der Wirksamkeit der Zustellung nicht entgegen, wenn die Zustellung in einem anderen Jahr nicht in Betracht kommt. Der Wirksamkeit einer Ersatzzustellung steht auch die Zustellung außerhalb der gewöhnlichen Geschäftszeiten nicht entgegen.

Gesetze: FGO § 53 Abs. 2, FGO § 56, FGO § 90a

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Das Finanzgericht (FG) wies zwei Klagen des Klägers und Revisionsklägers (Kläger), die es zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden hatte, mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2005, 1328 veröffentlichten Gründen ab.

Der Gerichtsbescheid, in dem das FG die Revision zugelassen hatte, wurde der Prozessbevollmächtigten des Klägers, einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in der Rechtsform der AG, mittels Postzustellungsurkunde zugestellt. Ausweislich der Postzustellungsurkunde versuchte die Postbedienstete die Sendung am zu übergeben und legte sie, weil die Übergabe im Geschäftsraum der Prozessbevollmächtigten nicht möglich gewesen sei, am „in den zum Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung” ein.

Mit der am beim Bundesfinanzhof (BFH) eingelegten Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

Der Kläger trägt vor, der Gerichtsbescheid habe seine Prozessbevollmächtigte erst am über deren Postfach erreicht. Der Empfang in den Geschäftsräumen seiner Prozessbevollmächtigten sei von 7.30 Uhr bis mindestens 19.30 Uhr ununterbrochen besetzt, so dass es ausgeschlossen sei, dass die Postbedienstete —wie in der Postzustellungsurkunde vermerkt— am keine in den Geschäftsräumen beschäftigte Person angetroffen habe, der das Schriftstück habe übergeben werden können. Der Gerichtsbescheid sei auch nicht am in den Hausbriefkasten eingeworfen worden. Er habe sich weder bei der Leerung des Briefkastens am noch bei der Leerung am Morgen des im Hausbriefkasten befunden. Die Sendung habe die Prozessbevollmächtigte daher nur am über deren Postfach erreichen können.

Zumindest sei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Das von der Postbediensteten auf dem Umschlag vermerkte Zustelldatum sei sehr unleserlich. Es sei deshalb von der im Übrigen stets zuverlässig arbeitenden Steuerfachangestellten, die bei der Prozessbevollmächtigten für die Eintragung der Fristen in das Fristenkontrollbuch und für deren weitere Überwachung zuständig sei, nicht als erkannt worden. Die Steuerfachangestellte sei aufgrund des Posteingangsstempels sowohl auf dem Umschlag als auch auf dem Gerichtsbescheid vielmehr von einem Zugang am und damit von einem Fristablauf am ausgegangen. Eine Woche vor dem berechneten Fristablauf sei der Vorgang dem bearbeitenden Steuerberater wieder vorgelegt worden. Auch die erneute Überprüfung der Frist anlässlich der Wiedervorlage bei dem sachbearbeitenden Steuerberater durch die Steuerfachangestellte habe zu keiner besseren Erkenntnis über das unleserliche Datum auf dem Umschlag geführt. In dem Verkennen des Datums auf dem Umschlag als sei ein unvorhersehbarer Fehler einer sonst sehr zuverlässigen Steuerfachangestellten zu sehen. Ein solches Verschulden sei dem Kläger nicht zuzurechnen.

Der Kläger beantragt,

1. das angefochtene Urteil sowie die Richtigstellungsbescheide für 1991 vom sowie für 1992 und 1993 vom in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom (1991) und vom (1992 und 1993) ersatzlos aufzuheben;

2. festzustellen, dass die geänderten Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte für 1991 bis 1993 vom die Gewinnfeststellungsbescheide für 1991 vom , für 1992 vom und für 1993 vom „vollumfänglich ummanteln"; dem Kläger für die Veranlagungszeiträume 1991 bis 1993 also ein Gewinnanteil in Höhe von jeweils 0 DM zugerechnet worden ist.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision des Klägers ist unzulässig und deshalb durch Beschluss zu verwerfen (§ 126 Abs. 1 i.V.m. § 10 Abs. 3 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

Der Kläger hat die Frist zur Einlegung der Revision versäumt. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand liegen nicht vor.

1. Nach § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO ist die Revision beim BFH innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils (§ 105 FGO) oder Gerichtsbescheids (§ 90a Abs. 2 Satz 2 FGO) schriftlich einzulegen.

a) Der Gerichtsbescheid des FG ist gemäß § 53 Abs. 2 FGO i.d.F. des Zustellungsreformgesetzes (ZustRG) vom (BGBl I 2001, 1206) i.V.m. §§ 176 und 180 der Zivilprozessordnung (ZPO) am zugestellt worden.

Wird der Post ein Zustellungsauftrag erteilt, erfolgt nach § 176 Abs. 2 ZPO die Ausführung der Zustellung nach den §§ 177 bis 181 ZPO. Wird die Person, der zugestellt werden soll —hier einem gesetzlichen Vertreter bzw. Leiter der Prozessbevollmächtigten (§ 170 ZPO)—, in dem Geschäftsraum nicht angetroffen, kann das Schriftstück nach § 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO in Geschäftsräumen einer dort beschäftigten Person zugestellt werden. Ist die Zustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO nicht ausführbar, kann nach § 180 ZPO das Schriftstück in einen zu dem Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung eingelegt werden, die der Adressat für den Postempfang eingerichtet hat und die in der allgemein üblichen Art für eine sichere Aufbewahrung geeignet ist. Mit der Einlegung gilt das Schriftstück als zugestellt (§ 180 Satz 2 ZPO). Der Zusteller vermerkt auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks das Datum der Zustellung (§ 180 Satz 3 ZPO).

Im Streitfall hat die Postbedienstete ausweislich der Postzustellungsurkunde das zuzustellende Schriftstück zu übergeben versucht und —weil die Übergabe in dem Geschäftsraum nicht möglich war— am (einem Freitag) „in den zum Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder eine ähnliche Vorrichtung eingelegt”. Damit gilt der Gerichtsbescheid mit der Einlegung am als zugestellt.

b) Die Zustellung ist auch wirksam. Die Zustellungsurkunde ist ordnungsgemäß erstellt worden. Sie enthält die nach § 182 Abs. 2 ZPO erforderlichen Angaben über den Zustellungsvorgang und das Zustellungsdatum. Insbesondere ist der Grund angegeben, der die Ersatzzustellung nach § 180 ZPO rechtfertigte (§ 182 Abs. 2 Nr. 4 ZPO). Weitere Angaben darüber, weshalb die im Streitfall allein in Betracht kommende Ersatzzustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO nicht möglich war, waren in der Zustellungsurkunde nicht zu machen.

Es bedarf nach § 182 Abs. 2 Nr. 4 ZPO auch keiner Beschreibung, in welchen Briefkasten oder in welche ähnliche Vorrichtung das Schriftstück eingelegt wurde (, BFH/NV 2004, 497). Eine solche ähnliche Vorrichtung kann auch das Postfach des Adressaten sein (, BFH/NV 2005, 229). Aus diesem Grunde steht es der Wirksamkeit der Zustellung nicht entgegen, wenn die Sendung sich —wie der Kläger behauptet— weder bei der Leerung am noch am in dem Hausbriefkasten seiner Prozessbevollmächtigten befunden haben sollte. Der Kläger geht selbst davon aus, dass die Sendung seine Prozessbevollmächtigte über deren Postfach erreicht hat.

Die Postbedienstete hat das Datum der Zustellung auf dem Briefumschlag vermerkt (§ 180 Satz 3 ZPO) und mit ihrem Handzeichen versehen. Das auf dem Briefumschlag angebrachte Datum ist als „13.5” erkennbar. Dies gilt ungeachtet dessen, dass der obere Halbkreis der Ziffer „3” unvollständig ist und sich letztlich nur als leicht gekrümmte Linie über dem deutlich geschriebenen unteren Halbkreis der Ziffer darstellt. Da das Datum auf dem „inneren Umschlag” gemäß § 180 Satz 3 ZPO lediglich zu vermerken ist, ist eine Unterschrift des Zustellers auf dem Umschlag zur Wirksamkeit der Zustellung nicht erforderlich.

Die Tatsache, dass das auf dem Briefumschlag vermerkte Datum „13.5” —anders als das Datum auf der Postzustellungsurkunde— nicht auch die Jahresangabe 2005 enthält, steht der Wirksamkeit der Zustellung ebenfalls nicht entgegen. Die Angabe des Datums auf dem „inneren Umschlag” dient dem Zweck, dass der Adressat der Sendung den Zeitpunkt der Zustellung feststellen kann (MünchKommZPO/Häublein, 3. Aufl., § 180 Rz 4). Dies war im Streitfall gewährleistet, da die Zustellung in einem anderen Jahr ersichtlich nicht in Betracht kam.

Die zuzustellende Sendung war mit dem Aktenzeichen des FG versehen (§ 190 ZPO i.V.m. der Zustellungsvordruckverordnung —ZustVV— vom , BGBl I 2002, 671, zuletzt geändert durch die Verordnung vom , BGBl I 2004, 619). Das Aktenzeichen war durch das Sichtfenster des Umschlags, der gemäß § 2 Abs. 2 ZuStVV verwendet werden durfte, deutlich lesbar. Eine über das Aktenzeichen hinausgehende Bezeichnung des zuzustellenden Schriftstücks auf der Sendung war mangels einer entsprechenden Rechtsgrundlage in dem seit dem geltenden Zustellungsrecht nicht erforderlich. Auch aus der Gesetzesbegründung zu § 176 Abs. 1 ZPO i.d.F. des ZustRG ergibt sich, dass zum Schutz der Persönlichkeitssphäre des Empfängers grundsätzlich keine Möglichkeit bestehen soll, aus dem Umschlag auf den Inhalt der Sendung zu schließen (BTDrucks 14/4554, S. 19 f.).

c) Gemäß § 418 ZPO i.V.m. § 182 Abs. 1 Satz 2 ZPO erbringt die Postzustellungsurkunde als öffentliche Urkunde den vollen Beweis der in ihr bezeugten Tatsachen. Die Beweiskraft erstreckt sich nicht nur auf das Einlegen des Schriftstücks in den zum Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung, sondern insbesondere auch darauf, dass der Postbedienstete unter der ihm angegebenen Anschrift weder den Adressaten persönlich noch eine zur Entgegennahme einer Ersatzzustellung in Betracht kommende Person angetroffen hat (, Neue Juristische Wochenschrift —NJW— 1992, 224, unter II.1.c der Gründe). Dies gilt nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung auch nach der Privatisierung der Deutschen Bundespost (, BFH/NV 2007, 1465, m.w.N.). Ein Gegenbeweis kann nach § 418 Abs. 2 ZPO nur durch den Beweis der Unrichtigkeit der in der Zustellungsurkunde bezeugten Tatsachen geführt werden.

Dieser Gegenbeweis erfordert den Beweis eines anderen als des beurkundeten Geschehensablaufs, der damit ein Fehlverhalten des Zustellers und eine Falschbeurkundung in der Zustellungsurkunde belegt (ständige Rechtsprechung, BFH-Beschlüsse vom VIII R 61/98, BFH/NV 1999, 961; vom VII B 165/87, BFH/NV 1988, 790; vom IX R 5/96, BFHE 183, 3, BStBl II 1997, 638, und vom VII B 366/02, BFH/NV 2004, 509). Gefordert wird der volle Gegenbeweis, d.h. der Beweis der Unrichtigkeit der Postzustellungsurkunde in der Weise, dass ihre Beweiswirkung vollständig entkräftet wird (vgl. , Neue Juristische Wochenschrift - Rechtsprechungs-Report Zivilrecht —NJW-RR— 2002, 1008; , NJW 1990, 2125, und vom III ZR 104/05, NJW 2006, 150; , BFH/NV 1994, 291).

Im Streitfall hat der Kläger diesen Gegenbeweis nicht erbracht. Hierzu hätte es zumindest der substantiierten Darlegung der Umstände bedurft, die gegen die Richtigkeit des Inhalts der Postzustellungsurkunde sprechen (BVerfG-Beschluss in NJW-RR 2002, 1008). Der Kläger hätte Umstände darlegen müssen, die ein Fehlverhalten der Postzustellerin bei der Zustellung und damit eine Falschbeurkundung in der Postzustellungsurkunde zu belegen geeignet sind ( 4 CB 8.86, NJW 1986, 2127, m.w.N.). Eine derartige Substantiierung enthält das klägerische Revisionsvorbringen nicht. Deshalb hat der Senat auch die von der Revision angebotenen Beweise für die von ihr behaupteten Tatsachen nicht erhoben (vgl. dazu BFH-Beschluss in BFH/NV 2004, 509).

Selbst wenn man davon ausgeht, dass der „Empfang” in den Geschäftsräumen der Prozessbevollmächtigten des Klägers von 7.30 Uhr bis mindestens 19.30 Uhr ununterbrochen besetzt war und die Postbedienstete am in dieser Zeit eine in den Geschäftsräumen beschäftigte Person angetroffen hätte, der das Schriftstück hätte übergeben werden können, ist damit gleichwohl nicht ausgeschlossen, dass die Zustellerin den Zustellvorgang zutreffend beurkundet hat. So ist denkbar, dass die Postbedienstete die Übergabe der Sendung außerhalb des vorgenannten Zeitraums versucht hat. Eine Zustellung außerhalb der gewöhnlichen Geschäftszeiten steht der Wirksamkeit der Ersatzzustellung nicht entgegen ( AnwZ (B) 93/06, NJW 2007, 2186).

Der Kläger hat auch keine Angaben dazu gemacht, weshalb ausgeschlossen werden kann, dass ein kurzfristiges, aber evtl. in Vergessenheit geratenes Verlassen des „Empfangs” ausgeschlossen werden kann. Der Kläger hat ferner nicht dargelegt, dass der Postbediensteten zumindest während der Zeit, in der der „Empfang” nach seinem Vortrag besetzt war, der Zugang zu dem Geschäftsraum stets möglich war. War der Geschäftsraum, in dem sich der „Empfang” befand, z.B. durch eine Tür von dem für die Zustellerin zugänglichen (öffentlichen) (Straßen-)Raum getrennt, was nahe liegt und nach dem Vortrag des Klägers nicht ausgeschlossen werden kann, ist es ohne weiteres möglich, dass der Zustellversuch von den im „Empfang” beschäftigten Personen nicht bemerkt wurde. So ist denkbar, dass diese das Läuten einer etwaigen Türklingel, zu deren Vorhandensein und Beschaffenheit klägerseits nichts vorgetragen wurde, z.B. wegen anderer Arbeiten oder des Führens von Telefongesprächen überhört haben. Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass die im Empfangsbereich tätigen Bediensteten das Läuten der Türklingel zwar vernommen, die Zustellerin aber gleichwohl nicht eingelassen haben, weil sie z.B. gerade anderweitig beschäftigt waren und die Zustellerin möglicherweise nicht so lange gewartet hat, bis die Tür doch noch geöffnet wurde.

Der Vortrag des Klägers, die Sendung habe sich weder bei der Leerung am noch am im Hausbriefkasten seiner Prozessbevollmächtigten befunden, ist ebenfalls nicht geeignet, ein Fehlverhalten der Zustellerin zu belegen. Wie oben bereits ausgeführt wurde, kann die Sendung nach dem Inhalt der Postzustellungsurkunde am zulässigerweise auch in das Postfach der Prozessbevollmächtigten eingelegt worden sein.

Soweit der Kläger vorträgt, die Sendung könne seine Prozessbevollmächtigten über das Postfach nur am erreicht haben, weil der Eingangsstempel das Datum vom trage, handelt es sich letztlich um eine bloße Vermutung. Das Postfach werde —so die Revision— von einem selbständigen Unternehmer geleert, der die eingehende Post jeden Tag zwischen 8.30 Uhr und 8.45 Uhr bei der Prozessbevollmächtigten abliefere. Dort erhalte die Post dann einen Eingangsstempel. Auf der Grundlage dieses Vortrags ist es möglich wenn nicht sogar wahrscheinlich, dass sich die zuzustellende Sendung (noch) nicht bei der Post befand, die auf Grund der Leerung des Postfachs am bei der Prozessbevollmächtigten abgeliefert wurde. Unabhängig davon ist es nicht ausgeschlossen, dass selbst eine in das Postfach eingelegte Sendung bei dessen Leerung übersehen und deshalb nicht entnommen wurde. Dass das Postfach in der Zeit von Samstag, dem , bis Montag, dem (Pfingstmontag), geleert wurde, hat der Kläger nicht vorgetragen. Für diese Tage finden sich im Fristenkontrollbuch der Prozessbevollmächtigten auch keine Eintragungen über einen Posteingang. Es liegt deshalb nicht fern, dass an diesen Tagen keine Leerung des Postfachs erfolgte. Vor diesem Hintergrund ist es auch glaubhaft, dass der Gerichtsbescheid erst am in das Büro der Prozessbevollmächtigten gelangte und dann den entsprechenden Eingangsstempel erhielt. Dies besagt nach der von der Revision vorgetragenen Handhabung bei Schriftstücken, die der Prozessbevollmächtigten über deren Postfach zugehen, aber nichts über den Zeitpunkt, zu dem der Gerichtsbescheid tatsächlich in das Postfach eingelegt und damit zugestellt wurde.

Nichts anderes gilt für die Eintragung des Zugangs im Fristenkontrollbuch. Nach dem Revisionsvortrag erfolgte der Eintrag im Fristenkontrollbuch über den Posteingang am anhand des Eingangsstempels. Das Fristenkontrollbuch ist deshalb —aus den gleichen Gründen wie der Eingangsstempel— ungeeignet, ein etwaiges Fehlverhalten der Postbediensteten bei der Zustellung zu belegen. Zudem erfolgten die Eintragungen im Fristenkontrollbuch offenbar nicht chronologisch mit dem Eingang des jeweiligen Schriftstücks. So finden sich in dem Fristenkontrollbuch auch nach dem fraglichen Eintrag über den Eingang des Gerichtsbescheids zahlreiche Eintragungen zu Schriftstücken, die nach dem Fristenkontrollbuch bereits am bzw. am eingegangen waren.

d) Der Gerichtsbescheid ist nach alledem am wirksam zugestellt worden. Die Revision wurde beim BFH jedoch erst am und damit verspätet nach Ablauf der Revisionsfrist eingelegt.

2. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann nicht gewährt werden.

a) Nach § 56 Abs. 1 FGO ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen; diese Frist beträgt bei Versäumung der Frist zur Begründung der Revision einen Monat (§ 56 Abs. 2 Satz 1 FGO). Nach § 56 Abs. 2 Satz 2 FGO sind die Tatsachen zur Begründung des Antrags bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen (§ 56 Abs. 2 Satz 3 FGO).

b) Im Streitfall beruhte die Versäumung der Revisionsfrist auf einem dem Kläger gemäß § 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Verschulden seiner Prozessbevollmächtigten. Denn es kann nach dem Vortrag des Klägers nicht von einer ordnungsgemäßen Fristenkontrolle ausgegangen werden.

Zwar darf nach ständiger Rechtsprechung die routinemäßige Berechnung und Kontrolle gängiger Fristen zuverlässigen Bürokräften überlassen werden. Der Prozessbevollmächtigte ist aber zu einer eigenverantwortlichen Nachprüfung des Fristablaufs gehalten, wenn es um die Vorbereitung der fristgebundenen Prozesshandlung geht (, BFH/NV 2008, 796). Denn dann ist die Nachprüfung der Frist keine routinemäßige Büroarbeit mehr, von der er sich im Interesse seiner eigentlichen Aufgaben freimachen darf. Vielmehr handelt es sich nunmehr um die gebotene Prüfung einer Zulässigkeitsvoraussetzung der beabsichtigten Prozesshandlung, die in den eigenen Verantwortungsbereich des Prozessbevollmächtigten fällt (, Versicherungsrecht 1991, 119). Das bedeutet, dass der Prozessbevollmächtigte, dem die Akten im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Verfahrenshandlung vorgelegt werden, von diesem Zeitpunkt an nicht mehr unverschuldet handelt, wenn er auf die Fristenkontrolle durch sein Büropersonal vertraut und eine eigenständige Überprüfung der einzuhaltenden Frist unterlässt. Dabei muss durch organisatorische Maßnahmen (Vorfrist) die rechtzeitige Wiedervorlage der Sache gewährleistet sein (, BFH/NV 1988, 444); zum Vorfristtermin muss die Frist noch einmal überprüft werden (Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 56 Rz 20 „Fristenkontrolle”). Bei Zustellung gegen Postzustellungsurkunde ist der Umschlag mit dem Zustellungsvermerk aufzubewahren und dem Prozessbevollmächtigten zur Prüfung der Frist mit vorzulegen (, BFH/NV 1988, 250). Nicht ausreichend ist die Berechnung der Frist anhand des Eingangsstempels der Kanzlei. Der Prozessbevollmächtigte muss sich für seine Fristberechnung vielmehr an dem vom Postbediensteten auf der Sendung vermerkten Tag der Zustellung orientieren (, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1985, 193).

Im Streitfall hat der Kläger vorgetragen, „der Sachverhalt (sei) dem bearbeitenden Steuerberater eine Woche vor dem berechneten Fristablauf wieder vorgelegt” worden. Allerdings habe auch „die erneute Überprüfung der Frist anlässlich der Wiedervorlage bei dem sachbearbeitenden Steuerberater durch die Steuerfachangestellte zu keiner besseren Erkenntnis über das unleserliche Datum auf dem Umschlag” geführt. In dem vom Kläger vorgelegten Fristenkontrollbuch ist eine Frist zur „Erinnerung” auf den eingetragen. Aus dem Fristenkontrollbuch und dem Revisionsvorbringen ergibt sich jedoch nicht, ob dem bearbeitenden Steuerberater am auch die Akten mit dem Briefumschlag vorgelegt wurden, wie dies für eine ordnungsgemäße Fristenkontrolle geboten gewesen wäre. Auch ist nicht vorgetragen, dass der Steuerberater bei der Wiedervorlage die Revisionsfrist selbst ordnungsgemäß geprüft hat. Am war die Revisionsfrist noch nicht abgelaufen. Nach dem Fristenkontrollbuch fand die Prüfung durch den sachbearbeitenden Steuerberater erst am und damit nach Ablauf der Revisionsfrist statt.

Aber selbst wenn die Frist zu dem (rechtzeitigen) Wiedervorlagetermin am nicht nur durch die Steuerfachangestellte, sondern auch durch den sachbearbeitenden Steuerberater —wie es geboten gewesen wäre— überprüft worden sein sollte, wäre die Frist schuldhaft versäumt worden. Denn falls der sachbearbeitende Steuerberater das auf dem Briefumschlag vermerkte Datum tatsächlich als unleserlich empfunden haben sollte, wie die Revision vorträgt, war er erst recht gehalten, sich über den Zeitpunkt der Zustellung —z.B. durch Nachfrage beim FG oder durch Einsichtnahme in die sich in der FG-Akte befindliche Postzustellungsurkunde— Gewissheit zu verschaffen. Jedenfalls durfte sich der Steuerberater für die Fristberechnung nicht auf den Eingangsstempel seiner Kanzlei bzw. auf die Überprüfung der Frist durch die Steuerfachangestellte verlassen, wie dies offenbar geschehen ist.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2008 S. 1860 Nr. 11
GAAAC-92233