BSG Urteil v. - B 11b AS 19/07 R

Leitsatz

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: SGB II § 20; SGB II § 21; SGB II § 28

Instanzenzug: LSG Baden-Württemberg, L 12 AS 4540/06 vom SG Ulm, S 6 AS 3838/05 vom

Gründe

I

Streitig ist zwischen den Beteiligten die Übernahme von Essensgeld, das der Kläger an Tagen eines ganztägigen Schulbesuchs im Zeitraum vom bis zu entrichten hatte.

Der 1997 geborene Kläger lebt gemeinsam mit seinen Eltern und zwei Geschwistern in einer Wohnung. Nach dem Bezug von Sozialhilfe erhalten die Familienangehörigen seit dem Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch - Zweites Buch (SGB II). Der Kläger erhielt als Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts ein monatliches Sozialgeld in Höhe von 207,00 € sowie anteilige Kosten für Unterkunft und Heizung. Zur Höhe der Regelleistung und der Kosten der Unterkunft für das gesamte Jahr 2005 liegt für alle Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft ein rechtskräftiges - vor.

Der Kläger besucht eine Schule für Sprachbehinderte, in der eine Ganztagesunterbringung mit dem Angebot eines Mittagessens besteht. Die für das Mittagessen anfallenden Kosten wurden zunächst auch noch in den ersten Monaten des Jahres 2005 vom Träger der Sozialhilfe bezuschusst. Anschließend leitete der Sozialhilfeträger die von den Eltern des Klägers eingereichten weiteren Essensrechnungen der Schule an die Beklagte weiter.

Die Beklagte lehnte die Übernahme des Essensgeldes mit Bescheid vom ab, weil dieser Bedarf des Klägers bei der Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bereits berücksichtigt sei. Der Bedarf umfasse auch die Sicherstellung der Ernährung in ausreichendem Umfang.

Mit dem hiergegen gerichteten Widerspruch machte der Vater des Klägers geltend, das Essensgeld sei erheblich gestiegen und die Leistungen nach dem SGB II reichten hierfür nicht aus. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom zurück. Im Widerspruchsbescheid heißt es, das Sozialgeld betrage 207,00 € monatlich. Hiervon entfielen ca 38 % auf Nahrung und Getränke.

Das Sozialgericht (SG) Ulm hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom ): Die Regelleistung umfasse gemäß § 20 Abs 1 Satz 1 SGB II ua auch die Ernährung. Zwar könnten daneben nach §§ 21 Abs 4, 28 Abs 1 Satz 3 Nr 2 SGB II auch Mehrbedarfe gezahlt werden, wenn Eingliederungshilfe nach § 54 Abs 1 Nr 1 und 2 Sozialgesetzbuch - Zwölftes Buch (SGB XII) erbracht werde. Da der Kläger nach Auskunft des Landratsamtes G tatsächlich keine Eingliederungshilfe erhalte, lägen auch die Voraussetzungen für einen solchen Mehrbedarf nicht vor. Es sei nicht vorgetragen worden, dass insgesamt eine Bedarfsdeckung durch den Regelsatz nicht mehr gewährleistet sei. Eine weitergehende Anspruchsgrundlage sei nicht ersichtlich.

Das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom ): Die vorgelegten Rechnungen für Essensgeld beträfen den Zeitraum Januar 2005 bis Oktober 2006 und umfassten eine Spanne von 22,00 € bis 12,00 €. Es sei nicht erkennbar, weswegen ein monatlicher Betrag von Aufwendungen für Essen in Höhe von 22,00 € nicht in dem Sozialgeld enthalten sein solle. Eine außergewöhnliche Belastung könne auch deshalb nicht anerkannt werden, weil dem monatlich maximal aufgewendeten Betrag von 22,00 € eine Ersparnis von Aufwendungen gegenüber stehe. Es erscheine auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht bedenklich, dass angesichts der vorliegend umstrittenen Beträge keine besondere Vorschrift existiere, die eine Berücksichtigung dieses Bedarfs zulasse.

Mit der vom BSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung der §§ 20, 21, 28 SGB II. Die Entscheidung der Vorinstanzen, die zusätzlich für das Schulessen entstandenen Kosten seien bereits im Regelsatz des § 20 SGB II enthalten, sei unrichtig. Es errechne sich unter Zugrundelegung des in der Regelleistung enthaltenen Ernährungsanteils ein Fehlbetrag von 1,11 € pro Schultag. Jedenfalls für anspruchsberechtigte schulpflichtige Kinder bis 14 Jahre sei die Regelleistung wegen des höheren Bedarfs nicht verfassungsgemäß. Sollte aber die Regelleistung verfassungsgemäß sein, so könne jedenfalls § 21 SGB II in Hinsicht auf Leistungen von Mehrbedarf nicht abschließend sein. Mit einem nach Ablauf der Revisions-begründungsfrist eingegangenen, weiteren Schriftsatz vom rügt der Kläger die fehlende Beiladung des Sozialhilfeträgers als möglichen anderen Leistungsträger und beruft sich ua auf § 14 Sozialgesetzbuch - Neuntes Buch (SGB IX); er sei auf Grund sprachlicher Beeinträchtigungen als behinderter Mensch im Sinne des SGB IX einzustufen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom , den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom sowie den Bescheid der Beklagten vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger für die Zeit vom bis einen Essensgeldzuschuss in Höhe von 277,45 € zu zahlen, hilfsweise, den Kläger von den Essensgeldkosten in Höhe von 277,45 € freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie verweist hinsichtlich der Frage der Verfassungswidrigkeit der in § 20 SGB II geregelten Leistungen auf die hierzu ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung. Die dort entwickelten Grundsätze gälten auch hinsichtlich der pauschalierten Mehrbetragsregelungen in § 21 Abs 3 SGB II sowie für die als Sozialgeld bezeichneten Regelleistungsansprüche nicht erwerbsfähiger Angehöriger nach § 28 Abs 1 SGB II. Eine eingehende verfassungsrechtliche Bewertung der pauschalierten Mehrbedarfsregelungen des § 21 SGB II könne allerdings dahinstehen, weil die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen der Vorschrift nicht gegeben seien. Auch aus anderen Vorschriften ergäben sich keine den geltend gemachten Mehrbedarf rechtfertigenden Ansprüche. In Betracht komme hier die Ermessensleistung nach § 73 SGB XII, für die allerdings nicht sie, die Beklagte, zuständig sei. Abgesehen davon müsse es sich um eine atypische Bedarfslage handeln, die im vorliegenden Fall wohl nicht angenommen werden könne.

II

Die zulässige Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>) begründet.

1. Das Verfahren leidet an dem in der Revisionsinstanz fortdauernden Mangel, dass das LSG den (eigentlich) für eine mögliche Leistung nach § 54 Abs 1 Nr 1 SGB XII (s hierzu noch unter 4.) zuständigen Sozialhilfeträger nicht zum Verfahren beigeladen hat (§ 75 Abs 2 SGG). Hierbei handelt es sich um einen von Amts wegen zu berücksichtigenden Verfahrensmangel, weil ein Fall der so genannten echten notwendigen Beiladung vorliegt; insoweit kommt es auf die - ohnehin verspätet, da nicht innerhalb der Revisionsbegründungsfrist (§ 164 Abs 2 SGG) erhobene - Rüge des Klägers nicht an. Im Anschluss an die Rechtsprechung des 7. Senats ( - BSGE 93, 283 = SozR 4-3250 § 14 Nr 1) kann die Entscheidung auch in einem Fall der vorliegenden Art nur einheitlich gegenüber der Beklagten und dem möglicherweise "eigentlich zuständigen" Sozialhilfeträger als Rehabilitationsträger ergehen, weil sie unmittelbar in dessen Rechtssphäre eingreifen kann und damit die für die notwendige Beiladung erforderliche Identität des Streitgegenstandes zu bejahen ist. Insoweit ergibt sich die Notwendigkeit der Beiladung aus den Besonderheiten des Rehabilitationsverfahrens, insbesondere aus § 14 SGB IX, der eine enge Zusammenarbeit der Rehabilitationsträger im gesamten Verfahren vorschreibt. Diese Regelung soll bewirken, dass Streitigkeiten über die Zuständigkeitsfrage bei ungeklärter Zuständigkeit nicht mehr zu Lasten der behinderten Menschen bzw der Schnelligkeit und Qualität der Leistungserbringung gehen (BT-Drucks 14/5074 S 95). Unter grundsätzlicher Wahrung der Zuständigkeiten der einzelnen Zweige der sozialen Sicherheit soll das Verfahren durch eine rasche Zuständigkeitsklärung deutlich verkürzt werden, damit die Berechtigten die Leistungen schnellstmöglich erhalten.

Die Identität des Streitgegenstandes folgt aus der näheren Ausgestaltung des § 14 SGB IX. Der 7. Senat des BSG hat insoweit zu Recht auf die mit Wirkung vom durch das Gesetz zur Förderung der Ausbildung und Beschäftigung schwerbehinderter Menschen vom (BGBl I 606) neu in das Gesetz eingefügte Regelung in § 14 Abs 2 Satz 5 SGB IX hingewiesen ( aaO; vgl auch - RdNr 13 - zur Veröffentlichung vorgesehen). Nach dieser Regelung klärt der Rehabilitationsträger, an den der Antrag weitergeleitet worden ist, der aber für die beantragte Leistung nicht Rehabilitationsträger sein kann, unverzüglich mit dem nach seiner Meinung zuständigen Rehabilitationsträger, von wem und in welcher Weise über den Antrag innerhalb der in Satz 2 und 4 genannten Fristen entschieden wird. Diese Regelung soll klarstellen, dass der Rehabilitationsträger, an den ein Antrag von einem anderen Rehabilitationsträger weitergeleitet wurde, diesen Antrag nicht nochmals weiterleiten darf, und zwar selbst dann nicht, wenn er kein Rehabilitationsträger nach § 6 Abs 1 SGB IX bzw nach Maßgabe des § 6a SGB IX sein kann. Der Rehabilitationsträger, an den der Antrag weitergeleitet worden ist, soll das weitere Vorgehen mit dem anderen Rehabilitationsträger und dem Antragsteller abstimmen, damit eine sachgerechte Leistungsentscheidung getroffen werden kann. Im Ergebnis folgt aus der in § 14 SGB IX getroffenen Regelung, dass eine nach außen verbindliche Zuständigkeit geschaffen worden ist, gleichzeitig aber interne Verpflichtungen des eigentlich zuständigen Leistungsträgers fortbestehen ( aaO; ferner - RdNr 12 ff, und vom - B 11a AL 29/06 R RdNr 15; Gagel, juris PR-SozR 2/2008 Anm 5; Fichte, in Erlenkämper/Fichte Sozialrecht, 6. Aufl 2007, Rz 19/72 ff).

An den vorstehenden Grundsätzen ändert sich nichts dadurch, dass für die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in § 6a SGB IX eine gesonderte Regelung zur Rehabilitationsträgereigenschaft getroffen worden ist. § 6a SGB IX ist durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom (BGBl I 1706) rückwirkend zum in das Gesetz eingefügt worden. § 6a SGB IX bestimmt, dass die Bundesagentur für Arbeit (BA) auch Rehabilitationsträger für die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für behinderte erwerbsfähige Hilfebedürftige iS des SGB II ist, sofern nicht ein anderer Rehabilitationsträger zuständig ist. Mit der Rehabilitationsträgereigenschaft der BA soll nach der Gesetzesbegründung deren Fachkompetenz für erwerbsfähige behinderte Hilfebedürftige erhalten bleiben (BT-Drucks 16/1410 S 33). Klarstellend zu dieser Aufgabenzuweisung an die BA bestimmt § 6a Satz 2 SGB IX, dass ungeachtet der Aufgabenwahrnehmung durch die BA die Zuständigkeit der Arbeitsgemeinschaft oder des zugelassenen kommunalen Trägers erhalten bleibt. Damit verbleibt die Entscheidungsbefugnis über die Leistungsgewährung bei den Arbeitsgemeinschaften bzw den zugelassenen kommunalen Trägern (BT-Drucks 16/1696 S 32). Die Aufgabenwahrnehmung durch die BA umfasst grundsätzlich auch die Verpflichtung zur Weiterleitung eines Antrags nach § 14 SGB IX (vgl BT-Drucks 16/1696 S 32). Hierbei kann im vorliegenden Zusammenhang unentschieden bleiben, ob und in welchem Umfang § 16 SGB II Leistungen zur Teilhabe auch für den Kreis der Sozialgeldempfänger, zu denen der Kläger gehört, vorsieht. Denn die aus § 14 SGB IX folgende Zuständigkeit des erst- oder zweitangegangenen Rehabilitationsträgers hängt gerade nicht davon ab, ob er für die fragliche Leistung grundsätzlich zuständig sein kann (einschränkend für den Fall, dass eine Teilhabeleistung "überhaupt nicht" zum Leistungsspektrum des Rehabilitationsträgers gehört - Löschau in GK-SGB IX § 14 Rz 36). Vielmehr erstrecken sich die in § 14 Abs 1 und 2 SGB IX geregelten Zuständigkeiten jedenfalls im Außenverhältnis auf alle Rechtsgrundlagen, die überhaupt in dieser Bedarfssituation für behinderte Menschen vorgesehen sind (BSGE 93, 283 = SozR 4-3250 § 14 Nr 1, jeweils RdNr 13 ff; - RdNr 14).

Letztlich können die vorstehenden Überlegungen allerdings dahinstehen, wenn der Sozialhilfeträger als erstangegangener Träger nach § 14 Abs 1 SGB IX für die Leistungserbringung zuständig geblieben sein sollte. Zu welchem Zeitpunkt der Sozialhilfeträger von dem fraglichen Rehabilitationsbedarf Kenntnis erlangt hat (vgl § 14 Abs 3 SGB IX) und in welcher Weise und zu welchem Zeitpunkt er den Antrag "weitergeleitet" hat, hat das LSG nicht geprüft. Die erforderlichen Feststellungen wird das LSG nach Beiladung des Sozialhilfeträgers nachzuholen haben.

Eine Beiladung des möglicherweise endgültig zuständigen Sozialhilfeträgers (vgl § 97 SGB XII - zur sachlichen Zuständigkeit) kann zwar nach § 168 Satz 2 SGG auch noch im Revisionsverfahren erfolgen. Von dieser Möglichkeit hat der Senat jedoch keinen Gebrauch gemacht, weil die sich hier stellende Problematik der Anwendung des § 14 SGB IX von den Vorinstanzen bislang überhaupt nicht problematisiert worden ist. Zudem ist eine Zurückverweisung unabhängig von den aus § 14 SGB IX folgenden Zuständigkeitsfragen schon deshalb geboten, weil das LSG die erforderlichen Feststellungen (§ 163 SGG) zu einem möglichen Anspruch nach § 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XII (s die Ausführungen unter 4.) nicht getroffen hat.

2. Streitgegenstand sind ausschließlich Ansprüche des Klägers auf Zahlung der von der Schule geforderten Beträge für das Schulessen und nicht etwa weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Nur dieser Sachverhalt ist dem Gericht in diesem Verfahren unterbreitet worden und nur hierauf bezieht sich das im Klagantrag zum Ausdruck gekommene Klagebegehren. Durchgreifende Bedenken dagegen, Ansprüche, die nach dem Vortrag des Klägers außerhalb der Regelleistung und der Leistung zur Unterkunft und Heizung liegen, in einem selbstständigen Verfahren einzufordern, sind nicht ersichtlich (vgl insoweit schon das Urteil des erkennenden Senats vom - B 11b AS 3/05 R = SozR 4-4200 § 16 Nr 1). Hier hat die Beklagte in einem selbstständigen Bescheid eine Regelung zu einem Lebenssachverhalt getroffen, der hinreichend von den nach §§ 20, 22 SGB II getroffenen Entscheidungen abgrenzbar ist. Es stellt sich daher auch nicht die Frage, inwieweit die Rechtskraft der Entscheidung des - über die dem Kläger zustehende Regelleistung einer Entscheidung hinsichtlich der in diesem Verfahren geltend gemachten Ansprüche auf Übernahme bzw Feststellung von Essensgeld in Höhe von 277,45 € entgegensteht. Wegen der zu beachtenden Begrenzung des Streitgegenstandes kann das Vorbringen des Klägers zu verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die gesetzlich festgelegte Höhe der Regelleistung für Kinder und Jugendliche bis zur Vollendung des 14. Lebensjahre durch § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 1 SGB II (vgl hierzu etwa Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, § 20 Rz 64) im vorliegenden Verfahren folglich keine Berücksichtigung finden.

Die von dem Kläger geltend gemachten Ansprüche beschränken sich auf die Zeit vom bis . Zwar hat die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid vom den Antrag auf Bewilligung von Essensgeld abgelehnt. Eine Leistungsablehnung eröffnet grundsätzlich - über die in § 41 Abs 1 SGB II vorgesehenen Bewilligungszeiträume hinaus (BSG SozR 4- 4200 § 20 Nr 3; SozR 4-4200 § 16 Nr 1) - die Überprüfung bis zum Zeitpunkt der letzten Tatsachenverhandlung vor dem LSG. Dabei bleibt es den Beteiligten allerdings unbenommen, ihre Anträge zu beschränken und den tatsächlichen Gegebenheiten anzupassen.

3.1 Zutreffend sind die Vorinstanzen zunächst davon ausgegangen, dass eine Erhöhung der Regelleistung, die selbst nicht Streitgegenstand ist, nach dem Konzept des SGB II für atypische Bedarfe ausgeschlossen ist (vgl BSGE 97, 242 = BSG SozR 4-4200 § 20 Nr 1, RdNr 19).

3.2 Ein Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung eines Essenszuschusses kann dem Kläger auch nicht auf der Grundlage eines Mehrbedarfs behinderter Menschen nach § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 2 iVm § 21 Abs 4 SGB II zugesprochen werden. Infolgedessen kann auch hinsichtlich eines etwaigen Mehrbedarfs dahinstehen, ob eine solche Leistung vom Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst wird (vgl Lang/Knickrehm in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl, § 21 Rz 9), und unabhängig von den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in einem Klageverfahren geltend gemacht werden kann. Bei dem Mehrbedarf für Menschen mit Behinderungen nach § 21 Abs 4 SGB II handelt es sich um eine Anspruchsgrundlage, die schon nach ihrer systematischen Stellung nicht zu den Teilhabeleistungen rechnet und die sich folglich ungeachtet der Regelung in § 14 SGB IX jedenfalls gegen die Beklagte richtet. Nach § 21 Abs 4 SGB II besteht ein Anspruch auf einen pauschalierten Mehrbedarf von 35 vH der nach § 20 SGB II maßgebenden Regelleistung jedoch nur, soweit bestimmte Eingliederungsleistungen erbracht werden. Ein derartiger Anspruch scheitert für den Zeitraum vom 1. August bis jedenfalls bereits schon daran, dass das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom (BGBl I 1706) mit Wirkung ab § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 2 SGB II um den Zusatz "an behinderte Menschen, die das 15. Lebensjahr vollendet haben," ergänzt hat.

Ob bereits das Lebensalter des Klägers auch den Anspruch auf einen pauschalierten Mehrbedarf für den Zeitraum vom bis ausschließt, braucht der Senat nicht abschließend zu entscheiden. Allerdings findet sich in den Materialien zu dem vorgenannten Gesetz der Hinweis, dass mit der Änderung ein redaktionelles Versehen beseitigt werden sollte (BT-Drucks 16/1410 S 25), jedoch erscheint die Tragfähigkeit dieser Annahme zweifelhaft (Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, § 28 Rz 43). Unabhängig davon setzt die Anwendung des § 21 Abs 4 SGB II voraus, dass die in dieser Vorschrift bezeichneten Leistungen zur Teilhabe bzw sonstigen Hilfen "erbracht werden". Bereits nach dem klaren Wortlaut der Regelung genügt für die Bejahung eines Mehrbedarfs also nicht, dass möglicherweise ein Anspruch auf eine Teilhabeleistung oder eine Leistung der Eingliederungshilfe besteht (Behrend in juris-PK SGB II, 2. Aufl 2007, § 21 Rz 39; Lang/Knickrehm in Eicher/Spellbrink, 2. Aufl 2008, § 21 Rz 41; einschränkend Münder in LPK-SGB II, 2. Aufl 2007, § 21 Rz 21, der aber zumindest eine Bewilligung der Eingliederungshilfe für erforderlich hält). Dieses dem Wortlaut folgende Verständnis der Vorschrift wird durch den systematischen Zusammenhang mit § 21 Abs 4 Satz 2 SGB II bestätigt, denn die dort geregelten "nachgehenden Leistungen" knüpfen ebenfalls an eine tatsächlich durchgeführte Eingliederungsmaßnahme an. Dies wird schließlich durch die weitere Überlegung gestützt, dass nur die tatsächliche Teilnahme an einer in § 21 Abs 4 SGB II bezeichneten Maßnahme die Zuerkennung eines entsprechenden Mehrbedarfs rechtfertigen kann. Dem erkennbaren Sinn und Zweck nach setzt die Anerkennung des in § 21 Abs 4 SGB II geregelten Mehrbedarfs danach die Teilnahme an einer regelförmigen besonderen Maßnahme voraus, die grundsätzlich geeignet ist, einen Mehrbedarf beim Betroffenen auszulösen.

Weitere Anspruchsgrundlagen auf Übernahme der Essenskosten sind im SGB II nicht ersichtlich. Eine gesetzliche Regelung über einen Mehrbedarf für eine Mittagsverpflegung im Rahmen von Ganztagesangeboten befindet sich im Gesetzgebungsverfahren (vgl den Gesetzesantrag des Saarlandes vom , BR-Drucks 33/07).

4. Ein Anspruch des Klägers kann sich allerdings aus § 54 SGB XII ergeben, der im Wesentlichen dem früheren § 40 Abs 1 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) entspricht (vgl Conradis in Rothkegel, Sozialhilferecht, III Kap 22, Rz 6). § 54 Abs 1 Satz 1 SGB XII enthält "neben" den Leistungen nach den §§ 26, 33, 41 und 55 SGB IX, für die ebenfalls eine Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers gegeben sein kann (§ 6 Abs 1 Nr 7 und Abs 2 SGB IX), einen Katalog von Leistungen der Eingliederungshilfe. Ein Anspruch auf Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach § 54 SGB XII scheitert nicht daran, dass der Kläger - vermittelt über den Hauptleistungsberechtigten - zu den Anspruchsberechtigten nach dem SGB II zählt. Zur Abgrenzung der Zuständigkeiten von Sozialhilfeträger und den Leistungsträgern iS der §§ 6, 6a SGB II bestimmt § 21 Satz 1 SGB XII, dass Personen, die nach dem SGB II als Erwerbsfähige oder als Angehörige dem Grunde nach leistungsberechtigt sind, keine Leistungen für den Lebensunterhalt (nach dem SGB XII) erhalten. Korrespondierend hiermit bestimmt § 5 Abs 2 Satz 1 SGB II, dass der Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II die Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII ausschließt. Damit bleiben die Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach dem Sechsten Kapitel des SGB XII von den Leistungsausschlüssen unberührt.

Nach § 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XII gehören zu den Leistungen der Eingliederungshilfe Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht und zum Besuch weiterführender Schulen einschließlich der Vorbereitung hierzu, wobei die Bestimmungen über die Ermöglichung der Schulbildung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht unberührt bleiben. Ob die Voraussetzungen für eine Anwendung dieser Regelung vorliegen, lässt sich anhand der vom LSG getroffenen Feststellungen bisher nicht beurteilen. Zwar ergibt sich hieraus, dass der Kläger (nach den Angaben seines Vaters in der Folge einer inzwischen behobenen früheren Gehörserkrankung und dadurch bedingten Sprachbehinderungen) eine Schule für Sprachbehinderte besucht, jedoch folgt hieraus noch nicht, dass der Kläger als Leistungsberechtigter iS des § 53 Abs 1 SGB XII anzusehen ist. Insoweit ist zu beachten, dass § 53 Abs 1 SGB XII keine förmliche Feststellung der Behinderteneigenschaft voraussetzt, wobei aber einen Anspruch auf Eingliederungshilfeleistungen nur diejenigen behinderten Menschen haben, bei denen die Fähigkeit zur Teilhabe wesentlich beeinträchtigt ist. Bei Personen mit anderen Behinderungen liegt die Leistungsgewährung im Ermessen des Sozialhilfeträgers. In diesem Zusammenhang wird ggf auch die Eingliederungshilfe-Verordnung zu beachten sein, die als Verordnung nach § 60 SGB XII mit lediglich sprachlichen Änderungen gegenüber der früheren Verordnung nach § 47 BSHG (idF der Bekanntmachung vom , BGBl I 433) übernommen wurde (Art 13 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom , BGBl I 3022, 3059; dazu näher Bieritz-Harder in LPK-SGB XII, 7. Aufl, § 53 Rz 11, 12). Das LSG wird auch insoweit die erforderlichen Feststellungen zu treffen haben.

Ist eine Leistungsberechtigung nach § 53 Abs 1 SGB XII zu bejahen, weil der Kläger im streitigen Zeitraum durch eine Behinderung iS von § 2 Abs 1 Satz 1 SGB IX wesentlich in seiner Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht ist, sind die weiteren Voraussetzungen des § 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XII zu prüfen. Hierzu gehört insbesondere, dass die Leistung zur Erreichung des im Gesetz formulierten Ziels geeignet und erforderlich ist. Das LSG wird in diesem Zusammenhang zu prüfen haben, welchen Stellenwert die Einnahme eines gemeinsamen Mittagessens als gemeinschaftsfördernde erzieherische Maßnahme in der Schule für Sprachbehinderte gehabt hat (vgl hierzu das Schreiben des Sonderschuldirektors vom , das im Berufungsverfahren vorgelegt worden ist).

Hierbei steht nicht schon die Art der begehrten Leistung der Gewährung von Eingliederungshilfe entgegen, da insoweit alle Maßnahmen in Betracht kommen, die im Zusammenhang mit der Ermöglichung einer angemessenen Schulbildung geeignet und erforderlich sind, die Behinderungsfolgen zu beseitigen oder zu mildern (BVerwG Buchholz 436.0 § 39 BSHG Nr 8 zu der Übernahme notwendiger Beförderungskosten <Taxikosten> zum Besuch einer Sonderschule für Behinderte; zur Kostenübernahme für einen schulbegleitenden Integrationshelfer; = SAR 2004, 98 zur Autismustherapie; , hierzu Gagel in jurisPR-SozR 11/2008 Anm 1 zu einer "gastweisen Unterbringung" <Ferienaufenthalt>; = NDV-RD 2003, 81 und = FEVS 41, 119 jeweils zur Betreuung in einer Internatsschule im Ausland).

5. Der Senat hält es nach dem derzeitigen Stand des Verfahrens für untunlich, zu der von der Beklagten im Revisionsverfahren aufgeworfenen Frage Stellung zu nehmen, ob bei einer Verneinung der Voraussetzungen des § 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XII ein (subsidiärer) Anspruch auf Hilfe in sonstigen Lebenslagen nach § 73 SGB XII (zur Anwendung dieser Regelung bei der Geltendmachung von Kosten des Umgangsrechts vgl BSGE 97, 242, 249 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1) in Betracht kommt, der ebenfalls gegen den Sozialhilfeträger gerichtet wäre. Diese Norm bildet eine Anspruchsgrundlage bei atypischen Bedarfslagen, die eine gewisse Nähe zu den speziell in den §§ 47 bis 74 SGB XII geregelten Bedarfslagen aufweisen und dadurch eine Aufgabe von besonderem Gewicht darstellen (BSG aaO, mwN; vgl zur Anwendung der Regelung auf die Kosten einer Monatskarte für den Besuch des Gymnasiums LSG NiedersachsenBremen, Beschluss vom - L 7 AS 666/07 ER).

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Fundstelle(n):
NAAAC-90025