Investitionszulagenbegünstigter Umbau eines Gebäudes zu einem Mietwohngebäude
Leitsatz
Investitionszulagenbegünstigte nachträgliche Herstellungsarbeiten an einem Gebäude i.S. von § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InvZulG 1999 können auch vorliegen, wenn ein Gebäude durch Umgestaltung zu einem Mietwohngebäude in seiner Funktion oder in seinem Wesen verändert wird.
Gesetze: InvZulG 1999 § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
Instanzenzug: FG des Landes Brandenburg vom 5 K 2168/02 (EFG 2005, 897) (Verfahrensverlauf),
Gründe
I.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erwarb im Jahre 2000 (Streitjahr) ein in Brandenburg belegenes Grundstück, das u.a. mit einem ehemals als Schule genutzten Gebäude bebaut war. In dem Gebäude befand sich früher neben den Klassenräumen in jedem Stockwerk eine Lehrerwohnung. Zwei Wohnungen waren im Jahre 1972 zu einer Schulküche und einem weiteren Klassenraum umgebaut worden. Im Übrigen dienten die Räume als Lehreraufenthaltsraum bzw. Hortraum und Teeküche. Die Klägerin führte im Jahr 2000 umfangreiche Baumaßnahmen an dem Gebäude durch und schuf Mietwohnungen mit einer Gesamtfläche von 460 qm, die nach den Angaben der Klägerin der entgeltlichen Nutzung zu Wohnzwecken dienen.
Mit ihrem Antrag auf Investitionszulage für das Streitjahr 2000 beantragte die Klägerin Investitionszulage nach § 3 des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1999. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) setzte die Investitionszulage mit Bescheid vom auf 0 DM fest. Das FA wies darauf hin, durch die Baumaßnahmen sei entweder ein bautechnisch neues Gebäude hergestellt worden, das mangels einer Bescheinigung nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 b InvZulG 1999 nicht begünstigt sei, oder es sei ein „anderes” Gebäude geschaffen worden, sodass die Baumaßnahmen nicht zu nachträglichen Herstellungskosten hätten führen können. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2005, 897 veröffentlichten Urteil ab. Es führte im Wesentlichen aus: Die Begünstigung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 InvZulG 1999 gelte nur für Erhaltungs- und Herstellungsarbeiten an Gebäuden, die bereits vor dem Beginn der Arbeiten entgeltlich zu Wohnzwecken überlassen worden seien. Dies ergebe sich aus der Gesetzesüberschrift zu § 3 InvZulG 1999 und aus der Gesetzesbegründung (BTDrucks 13/7792, 7). Werde ein Gebäude für eine andere als die bisherige Nutzung umgestaltet, handele es sich um die Zweit-Herstellung eines Gebäudes, sodass keine nachträglichen Herstellungsarbeiten an einem bereits vorhandenen Gebäude vorliegen könnten. Da das Gebäude seit dem Umbau im Jahre 1972 nicht mehr zu Wohnzwecken, sondern ausschließlich als Schule genutzt worden sei, seien die Aufwendungen der Klägerin nicht begünstigt.
Mit der Revision trägt die Klägerin vor: Schon seit ihrem Entschluss, die Wohnungen zu vermieten, habe es sich um ein Mietwohngebäude gehandelt. Entscheidend sei die Widmung des jeweiligen Eigentümers für die vorgesehene entgeltliche Überlassung zu Wohnzwecken. Andernfalls wären zwar Herstellungs- und Erhaltungsarbeiten an bestehenden Mietwohngebäuden (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 3 InvZulG 1999) und tiefgreifende, zu einem bautechnisch neuen Gebäude führende Herstellungsmaßnahmen (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 InvZulG 1999) begünstigt, nicht aber ebenso tiefgreifende Baumaßnahmen, die lediglich aufgrund einer Nutzungsänderung zur Herstellung eines anderen Gebäudes führten. Nachträgliche Herstellungsarbeiten seien auch dann anzunehmen, wenn durch umfassende Baumaßnahmen im Zusammenhang mit einer Funktionsänderung ein anderes Gebäude entstehe. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InvZulG 1999 setze lediglich das Vorhandensein eines Gebäudes, nicht eines Wohngebäudes, voraus.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Investitionszulage 2000 auf ... € festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Urteils des FG und zur Zurückverweisung der Sache an das FG nach § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Entgegen der Auffassung des FG können Baumaßnahmen an einem vor dem fertig gestellten Gebäude auch dann nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InvZulG 1999 als nachträgliche Herstellungsarbeiten begünstigt sein, wenn das Gebäude bisher nicht der entgeltlichen Überlassung zu Wohnzwecken gedient hat, sondern erst nach Fertigstellung der Baumaßnahmen entgeltlich zu Wohnzwecken überlassen wird.
1. Zu den begünstigten Investitionen gehören nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 InvZulG 1999 nachträgliche Herstellungsarbeiten sowie Erhaltungsarbeiten des Anspruchsberechtigten an Gebäuden, die vor dem fertig gestellt worden sind, soweit die Gebäude mindestens fünf Jahre nach Beendigung der nachträglichen Herstellungsarbeiten oder der Erhaltungsarbeiten der entgeltlichen Überlassung zu Wohnzwecken dienen. Die Herstellung oder Anschaffung eines neuen Gebäudes ist nur begünstigt, wenn das Gebäude in einem bestimmten Gebiet, z.B. in einem Sanierungs- oder Erhaltungssatzungsgebiet, liegt (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. b InvZulG 1999). Bemessungsgrundlage für die Investitionszulage sind unter weiteren, hier nicht streitigen Voraussetzungen die Herstellungs- und Anschaffungskosten sowie die Erhaltungsaufwendungen.
2. Nach dem Wortlaut der Vorschrift hängt die Begünstigung der nachträglichen Herstellungs- oder der Erhaltungsarbeiten allein vom Zeitpunkt der Fertigstellung des Gebäudes ab, an dem die Arbeiten durchgeführt worden sind. Nicht gefordert wird, dass das Gebäude vor Beginn der Herstellungs- oder Erhaltungsarbeiten vermietet worden ist. Das Gebäude muss lediglich nach Beendigung der Baumaßnahmen fünf Jahre lang entgeltlich zu Wohnzwecken überlassen werden.
Aus der amtlichen Überschrift zu § 3 InvZulG 1999 („Modernisierungsmaßnahmen an Mietwohngebäuden ...”) und den Gesetzesmaterialien (z.B. BTDrucks 13/7792, 7: „... Modernisierung des Bestands von Mietwohnungen ...”) kann nicht gefolgert werden, dass nur Baumaßnahmen an einem schon vor dem Umbau zu Wohnzwecken genutzten Gebäude förderbar sind. Die amtliche Gesetzesüberschrift gehört zwar zum Gesetzesinhalt; sie gibt aber lediglich schlagwortartig wieder, welche Materie die Vorschrift betrifft, ohne den Regelungsbereich in allen Einzelheiten zu umfassen. Maßgebend ist der Wortlaut des Gesetzes, der stets Vorrang hat. Nur soweit der Gesetzeswortlaut mehrdeutig ist, kann die Überschrift zur Auslegung herangezogen werden (, BFHE 140, 312, BStBl II 1984, 327, und vom IX R 67/00, BFH/NV 2004, 628). Gleiches gilt für die Gesetzesmaterialien. Wenn vereinfachend als begünstigte Objekte Mietwohngebäude genannt werden, kann daraus nicht der Schluss gezogen werden, die Begünstigung von Erhaltungs- und Herstellungsarbeiten sei auf bisher bereits als Mietwohngebäude genutzte Gebäude beschränkt. Selbst wenn den Gesetzesmaterialien eine entsprechende Absicht der gesetzgebenden Körperschaften zu entnehmen wäre, könnte sie nur berücksichtigt werden, wenn sie im Wortlaut der Vorschrift zum Ausdruck gekommen wäre (vgl. z.B. , BFHE 164, 516, BStBl II 1992, 167, m.w.N.). Die Anknüpfung der Investitionszulagenberechtigung an Erhaltungs- und nachträgliche Herstellungsarbeiten an vor dem fertig gestellten Gebäuden ergibt aber keinen Hinweis darauf, dass es sich um ein bisher als Mietwohngebäude genutztes Gebäude handeln muss.
3. Der Senat teilt auch nicht die Auffassung des FG, dass begrifflich keine nachträglichen Herstellungsarbeiten vorlägen, weil die zu einer Nutzungsänderung führenden Baumaßnahmen einkommensteuerrechtlich als Herstellung eines (anderen) Wirtschaftsguts zu beurteilen seien. Dem Wortlaut der Vorschrift, die auf das Vorhandensein eines Gebäudes und daran vorgenommenen nachträglichen Herstellungsarbeiten oder Erhaltungsarbeiten abstellt, lässt sich die vom FG vertretene Einschränkung nicht entnehmen. Die Förderung als nachträgliche Herstellungsarbeiten ist nur dann ausgeschlossen, wenn die Baumaßnahmen zu einem bautechnisch neuen Gebäude führen.
Aus dem Einkommensteuerrecht übernommene Begriffe wie die der Herstellungskosten und Erhaltungsaufwendungen sind nur insoweit nach den für die Einkommensbesteuerung maßgebenden Grundsätzen auszulegen, als sich aus dem InvZulG, seinem Zweck und seiner Entstehungsgeschichte nicht etwas anderes ergibt (ständige Rechtsprechung, , BFHE 212, 381, BStBl II 2006, 771, und vom III R 17/05, BFH/NV 2007, 975, jew. m.w.N.; vgl. auch Senatsurteil vom III R 53/97, BFHE 189, 260, BStBl II 2000, 9, unter II.1.a).
Nach dem für die Bestimmung dieser Begriffe im Einkommensteuerrecht maßgeblichen § 255 Abs. 2 Satz 1 des Handelsgesetzbuchs (HGB) sind Herstellungskosten die Aufwendungen, die durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung eines Vermögensgegenstandes, seine Erweiterung oder für eine über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung entstehen.
Nach einkommensteuerrechtlichen Grundsätzen wird ein Vermögensgegenstand (Wirtschaftsgut) hergestellt, wenn ein bisher noch nicht vorhandenes Wirtschaftsgut geschaffen oder ein zerstörtes oder unbrauchbar gewordenes Wirtschaftsgut wiederhergestellt wird. Eine Herstellung i.S. des § 255 Abs. 2 Satz 1 Altern. 1 HGB wird einkommensteuerrechtlich aber auch dann angenommen, wenn sich durch bauliche Maßnahmen die Funktion/ Nutzung, d.h. die Zweckbestimmung des Wirtschaftsguts ändert (, BFH/NV 2005, 543, und vom IX R 39/05, BStBl II 2007, 922). Diese Auslegung folgt daraus, dass im Einkommensteuerrecht einzelne Gebäudeteile abweichend von der zivilrechtlichen Beurteilung selbständige Wirtschaftsgüter bilden, wenn sie unterschiedlich genutzt werden. In Fällen, in denen ein Gebäude teils eigenbetrieblich, teils fremdbetrieblich, teils zu Wohnzwecken durch Vermietung oder Eigengebrauch genutzt wird, sind die einzelnen Gebäudeteile gesondert zu behandeln (vgl. Senatsurteil vom III R 4/04, BFHE 209, 485, BStBl II 2005, 604, m.w.N.). Ändert sich die Zweckbestimmung eines Gebäudes oder Gebäudeteils, entsteht bei wirtschaftlicher Betrachtung ebenfalls ein anderes Wirtschaftsgut (vgl. Ellrott/Brendt in Beck Bil-Komm., 6. Aufl., § 255 Rz 375). Soweit im Einkommensteuerrecht aber Vergünstigungen an die Herstellung eines „Gebäudes” anknüpfen, gelten diese nach der Rechtsprechung nur für Neubauten. Ein Neubau liegt danach nicht vor, wenn sich nur die Zweckbestimmung des Gebäudes ändert (vgl. auch , BStBl I 2003, 218 Rz 3, zum Begriff der Herstellung eines neuen Gebäudes nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 InvZulG 1999); entscheidend ist, ob das Gebäude in bautechnischer Hinsicht neu ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn verbrauchte Teile ersetzt werden, die für die Nutzungsdauer bestimmend sind (z.B. , BFHE 168, 109, BStBl II 1992, 808, zu § 7 Abs. 5 EStG; vom X R 102/95, BFHE 179, 290, BStBl II 1998, 92, zu § 10e EStG, und vom III R 53/00, BFHE 202, 57, BStBl II 2003, 565, zu § 2 des Eigenheimzulagengesetzes).
Nach den Grundsätzen des § 255 Abs. 2 HGB bestimmt sich im Einkommensteuerrecht, ob Aufwendungen für Baumaßnahmen als Herstellungskosten über den Zeitraum der Nutzungsdauer abzuschreiben oder als Betriebsausgaben/Werbungskosten sofort abziehbar sind. Bei der Investitionszulage für die Modernisierung eines vor dem fertig gestellten Gebäudes ist die Abgrenzung der Herstellungskosten von den Erhaltungsaufwendungen aber ohne Bedeutung, da sowohl Erhaltungsaufwendungen als auch Herstellungskosten einen Anspruch auf Investitionszulage begründen (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 InvZulG 1999).
Für die Förderung nach § 3 Abs. 1 InvZulG 1999 wird nur danach unterschieden, ob der Anspruchsberechtigte ein (bautechnisch) neues Gebäude hergestellt bzw. bis zum Ende des Jahres der Fertigstellung angeschafft hat (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 InvZulG 1999) oder ob er an einem vor dem fertig gestellten Gebäude nach dem nachträgliche Herstellungsarbeiten oder Erhaltungsarbeiten durchgeführt hat. Ist ein Gebäude vor dem fertig gestellt worden, sind nach dem vorgenommene (vgl. § 3 Abs. 2 Satz 1 InvZulG) naturgemäß nachträgliche Herstellungsarbeiten. Auch wenn die Änderung der Zweckbestimmung des Gebäudes im Zusammenhang mit den Baumaßnahmen zur Herstellung eines neuen Vermögensgegenstandes (Wirtschaftsguts) i.S. des § 255 Abs. 2 Satz 2 Altern. 1 HGB führen kann, so ist damit nur entschieden, dass es sich bei den Bauaufwendungen nicht um sofort abziehbaren Erhaltungsaufwand, sondern um Herstellungskosten handelt (vgl. BFH-Urteil in BFHE 168, 109, BStBl II 1992, 808, unter 2. a). Selbst wenn ein neues bzw. anderes Wirtschaftsgut im einkommensteuerrechtlichen Sinn entstanden ist, ändert dies nichts daran, dass es sich bei den Baumaßnahmen in Bezug auf das vor dem fertig gestellte „Gebäude” um nachträgliche Bauarbeiten handelt. Die einkommensteuerrechtliche Beurteilung des Gebäudes als ein neues (anderes) Wirtschaftsgut steht der Investitionszulagenförderung nicht entgegen (gl.A. Blümich/Stuhrmann, § 3 InvZulG 1999 Rz 5; a.A. BMF-Schreiben in BStBl I 2003, 218 Rz 2).
4. Das auf einer abweichenden Rechtsauffassung beruhende Urteil des FG ist aufzuheben. Die Sache wird an das FG zurückverwiesen. Das FG hat —ausgehend von seinem abweichenden Rechtsstandpunkt— nicht geprüft, ob durch die Baumaßnahmen ein bautechnisch neues Gebäude i.S. des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 InvZulG 1999 entstanden ist, das im Streitfall nicht begünstigt wäre. War dies nicht der Fall, wird das FG die notwendigen Feststellungen zu den Voraussetzungen zu prüfen haben, unter denen für nachträgliche Herstellungsarbeiten eine Investitionszulage zu gewähren ist.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2008 II Seite 688
BStBl II 2008 S. 688 Nr. 15
DStRE 2008 S. 1000 Nr. 16
DStZ 2008 S. 504 Nr. 15
EStB 2008 S. 272 Nr. 8
FR 2009 S. 45 Nr. 1
GStB 2008 S. 269 Nr. 8
HFR 2008 S. 827 Nr. 8
NWB-Eilnachricht Nr. 27/2008 S. 2513
SJ 2008 S. 11 Nr. 15
StB 2008 S. 273 Nr. 8
StBW 2008 S. 5 Nr. 14
StBp. 2008 S. 237 Nr. 8
StuB-Bilanzreport Nr. 15/2008 S. 612
DAAAC-82780