Zuwendungen, Ausgleichszahlungen und Entgelte von dritter Seite bei Verkehrsleistungen im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV)
1. Allgemeines
Seit der Bahnreform und der Regionalisierung des ÖPNV zum sind die Länder bzw. die von ihnen zu bestimmenden Gebietskörperschaften Aufgabenträger des ÖPNV. Für das Land Baden-Württemberg ist die Trägerschaft in § 6 des ÖPNVG vom (GBl. 1995, 417) geregelt. Zur Sicherstellung eines ausreichenden Verkehrsangebots können die Aufgabenträger die gemeinwirtschaftlichen ÖPNV-Leistungen nach der Verordnung (EWG) Nr. 1191/69 vom i.d.F. der Verordnung (EWG) Nr. 1893/91 vom den Verkehrsunternehmern entweder hoheitlich auferlegen oder bei ihnen vertraglich bestellen. In beiden Fällen haben die Aufgabenträger an die Verkehrsunternehmer Ausgleichszahlungen zu leisten, wenn die Fahrgeldeinnahmen zur Kostendeckung nicht ausreichen.
Zuwendungen, die Verkehrsunternehmer als Investitions- oder Betriebskostenzuschüsse erhalten, sind entweder echte nichtsteuerbare Zuschüsse, Entgelte für Leistungen des Verkehrsunternehmers an den Zuschussgeber oder preisauffüllende Entgelte von Dritten.
2. Zuschüsse von Gebietskörperschaften
Die finanziellen Leistungen der für die öffentliche Nahverkehrsbedienung zuständigen Aufgabenträger an die Verkehrsunternehmer stellen echte nicht steuerbare Zuschüsse dar, wenn sie dazu bestimmt sind, allgemein eine ausreichende Bedienung der Bevölkerung mit Verkehrsleistungen im öffentlichen Personennahverkehr zu gewährleisten.
Werden dagegen Einzelleistungen konkret vereinbart, liegt ein umsatzsteuerlicher Leistungsaustausch vor. Fahrplanmäßig festgelegte Verkehrsangebote zur Bedienung der Allgemeinheit im öffentlichen Personennahverkehr sind nicht als Gegenstand einer konkreten Bestellung einzelner Nahverkehrsleistungen anzusehen. Zahlungen aufgrund von hierüber getroffenen Vereinbarungen unterliegen daher nicht der Umsatzsteuer.
Vereinbarungen von Gebietskörperschaften mit Verkehrsunternehmern zur Förderung des ÖPNV sind verkehrsrechtlich auch außerhalb der Regelungen der EG-Verordnung möglich. Zahlungen aufgrund derartiger Vereinbarungen unterliegen unter den o.a Voraussetzungen ebenfalls nicht der Umsatzsteuer.
Zuschüsse von Gebietskörperschaften an Verkehrsunternehmer (direkt oder über eine für die Verteilung zuständige Einrichtung) im Rahmen von Verkehrsverbünden stellen echte nichtsteuerbare Zuschüsse dar. Sie stehen mit Leistungen der Verkehrsunternehmer an die Zuschußgeber nicht in Zusammenhang. Vielmehr sind sie dazu bestimmt, allgemein eine ausreichende Bedienung der Bevölkerung mit Verkehrsleistungen im ÖPNV zu gewährleisten.
Ebenfalls kein Leistungsaustausch liegt vor, wenn Gebietskörperschaften Zuschüsse außerhalb von Verkehrsverbünden zur Förderung oder Sicherstellung einer ausreichende Verkehrsbedienung der Bevölkerung gewähren.
Im Interesse einer ausreichenden Verkehrsbedienung der Bevölkerung hält die Kommune die Verlängerung einer bestehenden oder die Einrichtung einer zusätzlichen Omnibuslinie für erforderlich. Der Verkehrsunternehmer als Konzessionsinhaber ist jedoch zur Erweiterung seiner Verkehrsbedienung nur bereit, wenn er hierfür von der Kommune einen vertraglich abgesicherten finanziellen Ausgleich in Höhe der durch die Fahrgeldeinnahmen nicht gedeckten Kosten erhält. Ein gesonderter Leistungsaustausch zwischen dem Verkehrsunternehmer und der Kommune liegt nicht vor.
Wird durch einen Zuschuss der Gebietskörperschaft zur Förderung oder Sicherstellung einer ausreichenden Verkehrsbedienung der Bevölkerung zugleich die verkehrsmäßige Anschließung eigener oder fremder Einrichtungen (z.B. Krankenhäuser, Schulen, Kindergärten) verbessert, so überlagert der im allgemeinen öffentlichen Interesse liegende Zuschusszweck ein eventuelles Eigeninteresse der Gebietskörperschaft. Ein Leistungsaustausch ist deshalb nicht anzunehmen.
3. Zuschüsse anderer Einrichtungen
Werden Zuwendungen an Verkehrsunternehmer nicht von Gebietskörperschaften, sondern von anderen Einrichtungen (z.B. von Privatschulen, privaten Krankenhäusern) gewährt, so liegen entsprechend den o.a. Grundsätzen echte nichtsteuerbare Zuschüsse außerhalb eines Leistungsaustauschs – ebenso wie bei Zuschüssen von Gebietskörperschaften – nur dann vor, wenn die Zuschüsse dazu bestimmt sind, allgemein eine ausreichende Bedienung der Bevölkerung mit Verkehrsleistungen im ÖPNV zu gewährleisten.
Ein steuerpflichtiger Leistungsaustausch zwischen dem Zuschussgeber und dem Verkehrsunternehmer liegt jedoch dann vor, wenn der Zuschuss nicht die allgemeine Verkehrsbedienung der Bevölkerung fördern soll, sondern mit speziellen Interessen des Zuschussgebers zusammenhängt. Im Allgemeinen ist davon auszugehen, dass private Zuschussgeber nicht in erster Linie die allgemeine Verkehrsbedienung der Bevölkerung fördern können und wollen, sondern vorwiegend eigene Interessen verfolgen. Daher liegt in derartigen Fällen regelmäßig ein Leistungsaustausch zwischen dem Verkehrsunternehmer und dem Zuschussgeber vor. Dies gilt unabhängig davon, wie die Zuwendung an den Verkehrsunternehmer bezeichnet oder errechnet wird. Auch eine reine Verlustabdeckung stellt ein steuerpflichtiges Leistungsentgelt dar.
Wird durch den im speziellen Eigeninteresse gewährten Zuschuss der privaten Einrichtung gleichzeitig eine Verbesserung der allgemeinen Verkehrsbedienung erreicht, ist für die umsatzsteuerliche Beurteilung gleichwohl der im Vordergrund stehende im eigenen Interesse liegende Zuschusszweck maßgebend.
Eine Privatschule vereinbart mit einem Verkehrsunternehmer die Verlängerung einer Omnibuslinie bis zur ihrer Schule am Stadtrand. Die neu eingerichtete Linie wird auch von der Allgemeinheit im Rahmen der Freizeitgestaltung mitbenutzt. Da die tarifmäßigen Fahrgeldeinnahmen die zusätzlichen Kosten nicht decken, übernimmt die Privatschule den Fehlbetrag. Es liegt ein Leistungsaustausch zwischen dem Verkehrsunternehmer und der Schule vor (allgemeiner Steuersatz).
4. Entgelt von dritter Seite
Liegt nach den vorstehenden Grundsätzen ein gesonderter Leistungsaustausch zwischen Zuschussgeber und Verkehrsunternehmer nicht vor, ist zu prüfen, ob die Zuwendungen preisauffüllende Entgelte von dritter Seite darstellen, die nach § 10 Abs. 1 Satz 3 UStG bei dem Verkehrsunternehmer zusätzlich zu den Fahrgeldeinnahmen der Umsatzsteuer unterliegen, oder ob es sich um echte nichtsteuerbare Zuschüsse handelt.
Zusätzliches Entgelt i.S. des § 10 Abs. 1 Satz 3 UStG sind solche Zahlungen, die von einem anderen als dem Leistungsempfänger für die Leistung des leistenden Unternehmers (Zahlungsempfängers) gewährt werden. Zahlungen für den Unternehmer (zu dessen Subventionierung) sind dagegen keine preisauffüllenden Entgelte. Die Abgrenzung zwischen echtem Zuschuss und zusätzlichem Entgelt eines Dritten wird nach Abschn. 150 Abs. 4 Satz 2 UStR nach der Person des Bedachten und dem Förderungsziel vorgenommen (vgl. , BStBl 1990 II S. 708). Nach bundeseinheitlicher Verwaltungspraxis ist hierbei auf die Bemessung der Zuschüsse abzustellen. Sollen durch die Zuschüsse nicht gedeckte Kosten oder Verluste ausgeglichen werden (Preis-Kosten-Vergleich), liegen echte nichtsteuerbare Zuschüsse vor. Ist dagegen eine Preisauffüllung beabsichtigt (Preis-Preis-Vergleich), ist von steuerpflichtigen Entgelten von dritter Seite auszugehen.
Sachverhalt wie Beispiel 1. Durch den Zuschuss nach dem Sachverhalt von Beispiel 1 sollen die nicht durch Fahrgeldeinnahmen gedeckten Kosten des Verkehrsunternehmers (Preis-Kosten-Vergleich) ersetzt werden. Es handelt sich daher um Zuwendungen für den Unternehmer und nicht um Zahlungen für die (Beförderungs)-Leistungen. Preisauffüllende Entgelte von dritter Seite sind daher nicht anzunehmen. Dass die Zuschüsse dem Leistungsempfänger (Fahrgast) insoweit zugute kommen, als er nur einen unter Berücksichtigung des Zuschusses niedriger kalkulierten Preis aufzubringen hat, vermag hieran nichts zu ändern. Der ( BStBl 1986 II S. 723) hierin lediglich eine vom Zuschussgeber gesehene aber rechtlich unbeachtliche Folge des mit dem Zuschuss verfolgten Zwecks.
Ein Landkreis fördert aus Umweltschutzgründen die Akzeptanz des ÖPNV in seinem Bereich durch Zuschüsse. Die Verkehrsunternehmer gewähren ihren Fahrgästen einen Rabatt von 25 % auf die jeweiligen Haustarife. Der Landkreis zahlt Zuschüsse an die Verkehrsunternehmer in Höhe der gewährten Rabatte. Ein gesonderter Leistungsaustausch zwischen den Verkehrsunternehmern und dem Landkreis liegt nicht vor. Die Zuschüsse des Landkreises stellen jedoch steuerpflichtige Entgelte von dritter Seite (§ 10 Abs. 1 Satz 3 UStG) zu den Fahrgeldeinnahmen dar. Durch die Zuschüsse werden die rabattierten Fahrgeldeinnahmen im Sinne eines Preis-Preis-Vergleichs aufgefüllt. Die Zuschüsse unterliegen wie die Fahrgeldeinnahmen unter den Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG dem ermäßigten Steuersatz.
5. Schülerbeförderung
Die obigen Grundsätze für die umsatzsteuerliche Behandlung der Ausgleichszahlungen der für den ÖPNV ab zuständigen Aufgabenträger gelten ab diesem Zeitpunkt auch für Ausgleichszahlungen der Gebietskörperschaften im Bereich der Schülerbeförderung. Stehen diese Ausgleichszahlungen in Zusammenhang mit fahrplanmäßig festgelegten Verkehrsangeboten zur Bedienung der Allgemeinheit im ÖPNV, unterliegen sie daher nicht mehr der Umsatzsteuer.
Ausgleichszahlungen für Schülerbeförderungsverkehre, bei denen die Allgemeinheit ausgeschlossen ist, sind dagegen weiterhin umsatzsteuerpflichtig. Zahlungen der Gebietskörperschaften zur Auffüllung des Differenzbetrags zwischen den Eigenanteilen der beförderten Schüler und den tariflichen Preisen der Schülermonatskarten unterliegen wie bisher als Entgelte von dritter Seite zusammen mit den Eigenanteilen der Umsatzsteuer.
Oberfinanzdirektion Karlsruhe v. - S 7200
Auf diese Anweisung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
AAAAC-74399