BFH Urteil v. - II R 8/07

Steuerpflichtiger Erwerb durch Vertrag zugunsten Dritter

Leitsatz

Die Steuerbarkeit nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG bei einem Vertrag zugunsten Dritter setzt voraus, dass die Zuwendung an den Dritten im Verhältnis zum Erblasser alle objektiven und subjektiven Merkmale einer freigebigen Zuwendung i. S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG aufweist. Maßgebend hierfür ist nicht das Deckungsverhältnis zwischen dem Versprechensempfänger (Erblasser) und dem Versprechenden (hier: Bank), sondern das Valutaverhältnis zwischen dem Versprechensempfänger und dem Dritten. Dieses Valutaverhältnis bestimmt sich danach, was der Versprechensempfänger dem Dritten in für ihn erkennbarer Weise hat zuwenden wollen. Der Wille des Versprechensempfängers kann sich dabei nach seinem Tod nicht nur aus überlieferten eigenen Äußerungen ergeben, sondern auch aus einem Verhalten des Dritten, das den Willen des Versprechensempfängers reflektiert. Leitet der Dritte das von ihm erworbene Vermögen - teilweise - an Personen außerhalb des engeren Familienkreises weiter, ist dies ein gewichtiges Indiz dafür, dass er nicht den eigenen Willen, sondern den des Versprechensempfängers vollzieht.

Gesetze: ErbStG § 3 Abs. 1 Nr. 4

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Die im Juni 1998 ledig und kinderlos im 82. Lebensjahr verstorbene Erblasserin (E) hatte als einzige Angehörige die Kinder und Enkelkinder ihrer Geschwister. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist der Sohn einer Schwester. E hatte ihre Ersparnisse von 238 818 DM mittels zweier Sparbücher und dreier Sparkassenbriefe bei einer Sparkasse angelegt. Am hatte E auf einem Formular der Sparkasse eine „Verfügung zugunsten Dritter für den Todesfall” getroffen, wonach mit dem Tod der E alle Rechte aus den Sparbüchern und Sparkassenbriefen unmittelbar und unwiderruflich auf den Kläger übergehen sollten. Diese Vereinbarung mit der Sparkasse ist auch vom Kläger unterschrieben worden.

Im Juni 2001 übergab der Kläger dem zuständigen Nachlassgericht ein offenes und auf Juli 1997 datiertes handgeschriebenes und unterschriebenes Schriftstück der E, in dem sie die Sparguthaben unter den Kindern und Enkelkindern ihrer Geschwister aufgeteilt hatte. Lediglich zwei der Geschwisterkinder —nämlich der Neffe W und die Nichte K— blieben unberücksichtigt. Der Kläger verteilte die Ersparnisse der E entsprechend dieser schriftlichen Vorgabe und berücksichtigte gemäß einer von ihm behaupteten mündlichen Erklärung der E (zu seinen Lasten) auch den Neffen W und die Nichte K. Dabei verblieb ihm ein Betrag von 27 198 DM.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) nahm einen Erwerb des Klägers von Todes wegen i.S. des § 3 Abs. 1 Nr. 4 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) an, der aus den gesamten Spargutgaben der E bestanden habe, und setzte gegen ihn durch Bescheid vom eine Erbschaftsteuer von 33 796 DM fest. Einspruch und Klage blieben erfolglos. Der Kläger hatte geltend gemacht, die Vereinbarung vom habe lediglich die Verteilung der Gelder sicherstellen sollen. E habe die Verwandten um sich versammelt und ihnen mitgeteilt, er, der Kläger, habe es übernommen, ihren letzten Willen durchzuführen.

Das Finanzgericht (FG) bestätigte die Rechtsauffassung des FA, wonach in der Person des Klägers ein Erwerb von Todes wegen gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG hinsichtlich der gesamten Sparguthaben der E vorliege. Es könne dahinstehen, ob ein schriftlicher Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall unter Hinweis auf mündliche Erklärungen eines Erblassers mit erbschaftsteuerrechtlicher Wirkung geändert werden könne. Denn der angeblich mündlich geäußerte Wille der E, das Vermögen zu verteilen, sei nicht nachgewiesen. Die Verwandten des Klägers hätten nur ein Familientreffen nach dem Tod der E bestätigt. Auch das dem Nachlassgericht überreichte Handschreiben der E sei nicht geeignet, diesen Erblasserwillen nachzuweisen. Das Schriftstück gebe mit Juli 1997 nur Jahr und Monat seiner Entstehung an, nicht aber den Tag. Es könne daher sowohl vor als auch nach der Vereinbarung mit der Sparkasse aufgesetzt worden sein.

Mit der Revision rügt der Kläger fehlerhafte Anwendung des § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG und trägt vor, der von ihm, der E und der Sparkasse unterzeichnete Formularvertrag vom müsse zusammen mit dem ebenfalls vom Juli 1997 datierenden Handschreiben der E gewertet werden. Aus Letzterem ergebe sich, was E gewollt habe. Sollte der Vertrag vom eine Schenkung an ihn, den Kläger, enthalten, sei diese Schenkung eine solche unter Auflagen gewesen.

Der Kläger beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung den Erbschaftsteuerbescheid vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom dahin zu ändern, dass die Steuer auf 852 DM herabgesetzt wird.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist begründet. Der gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG steuerpflichtige Erwerb des Klägers besteht aus dem ihm verbliebenen Betrag von 27 198 DM. Das restliche Geld hat der Kläger in Befolgung des Willens der E weitergeleitet. Dass der Kläger mit der Weiterleitung dem Willen der E entsprach, ergibt sich aus der Berücksichtigung von Personen außerhalb seines engeren Familienkreises sowie aus dem Handschreiben der E. Da das FG dies verkannt hat, war die Vorentscheidung aufzuheben und der Klage stattzugeben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

1. Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG gilt als Erwerb von Todes wegen jeder Vermögensvorteil, der aufgrund eines vom Erblasser geschlossenen Vertrages bei dessen Tod von einem Dritten unmittelbar erworben wird. Ein Vertrag zugunsten Dritter gemäß § 331 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, bei dem die Leistung an den Dritten nach dem Tod desjenigen erfolgen soll, welchem sie versprochen worden ist, führt beim Tod des Versprechensempfängers regelmäßig zu einem derartigen Erwerb von Todes wegen. Allerdings setzt die Steuerbarkeit nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG bei einem Vertrag zugunsten Dritter voraus, dass die Zuwendung an den Dritten im Verhältnis zum Erblasser (Valutaverhältnis) alle objektiven und subjektiven Merkmale einer freigebigen Zuwendung aufweist. Bei dem nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG steuerpflichtigen Erwerb durch Vertrag zugunsten Dritter handelt es sich vom Typus her nämlich um eine freigebige Zuwendung i.S. von § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, die nur deshalb den Erwerben von Todes wegen zugerechnet wird, weil die die Steuerpflicht auslösende Bereicherung des Dritten erst beim Tod des Erblassers als Zuwendenden eintritt. Daher verlangt auch der Erwerb i.S. des § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG eine objektive Bereicherung des Dritten. Außerdem muss das Bewusstsein der Freigebigkeit vorhanden sein (so , BFHE 197, 265, BStBl II 2002, 153).

a) Um beurteilen zu können, ob und in welcher Höhe der Dritte i.S. von § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG auf Kosten des Versprechensempfängers als Zuwendenden bereichert ist, genügt es daher nicht, lediglich das Deckungsverhältnis zwischen diesem und dem Versprechenden —im Streitfall der Sparkasse— heranzuziehen. Dieses Deckungsverhältnis ist maßgebend für die Bezugsberechtigung des Dritten. Geht es aber darum, ob dem Dritten etwas und wie viel i.S. von § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG freigebig zugewendet worden ist, ist auf das Valutaverhältnis zwischen dem Versprechensempfänger und dem Dritten abzustellen (, BGHZ 128, 125, 132). Nach diesem Verhältnis bestimmt sich auch, ob und in welchem Umfang der Dritte das vom Versprechenden Bezogene behalten darf ( IVa ZR 26/86, Neue Juristische Wochenschrift 1987, 3131; MünchKommBGB/Gottwald, 5. Aufl., § 331 Rz 6).

b) Dieses Valutaverhältnis bestimmt sich danach, was der Versprechensempfänger dem Dritten in für ihn erkennbarer Weise hat zuwenden wollen. Der Wille des Versprechensempfängers kann sich dabei nach seinem Tod nicht nur aus überlieferten eigenen Äußerungen ergeben, sondern auch aus einem Verhalten des Dritten, das den Willen des Versprechensempfängers reflektiert. Da das FG dies verkannt hat, war die Vorentscheidung aufzuheben.

2. Die Sache ist spruchreif. Der Wille der E war im Valutaverhältnis zum Kläger auf eine Verteilung der Gelder —wie von ihm vorgenommen— gerichtet. Das erschließt sich aus dem Handschreiben der E und —soweit darin nicht genannte Personen wie W und K einen Teil des Geldes bekommen haben— allein aus dem Umstand, dass der Kläger überhaupt Personen außerhalb des engeren Familienkreises berücksichtigt hat. Die Berücksichtigung solcher Personen ist ein gewichtiges Indiz dafür, nicht den eigenen Willen, sondern den der E vollzogen zu haben (Moench, Erbschaft- und Schenkungsteuer, § 3 Rz 59). Der Erwerb des Klägers beschränkt sich somit gemäß § 10 Abs. 1 ErbStG auf einen Betrag von 27 198 DM. Dies führt zu einer Steuer von (852 DM) 435,62 €.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2008 S. 572 Nr. 4
EStB 2008 S. 136 Nr. 4
KÖSDI 2008 S. 15934 Nr. 3
NWB-Eilnachricht Nr. 18/2008 S. 12
ZAAAC-71430