BFH Beschluss v. - XI B 23/07

Steuerfreiheit einer Abfindung bei Weiterbeschäftigung als weisungsabhängiger Arbeitnehmer nach Fusion; Darlegung einer Divergenz

Gesetze: EStG § 3 Nr. 9, EStG § 24 Nr. 1, EStG § 34 Abs. 2 Nr. 2, BGB § 613a, UmwG § 20, FGO § 115 Abs. 2

Instanzenzug:

Gründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat keinen Erfolg.

1. Die Revision war nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zuzulassen.

a) Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der Fortentwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Es muss sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln. Diese Voraussetzungen müssen in der Beschwerdeschrift dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Dabei muss die Beschwerde konkret auf die Rechtsfrage, ihre Klärungsbedürftigkeit und ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingehen (ständige Rechtsprechung, z.B. , BFH/NV 2007, 890, m.w.N.). Hat der BFH bereits über die Rechtsfrage entschieden, so ist darzulegen, weshalb eine erneute Entscheidung für erforderlich gehalten wird und warum die bisherige Rechtsprechung nicht auf eine möglicherweise veränderte Rechtslage übertragen werden kann (z.B. , BFH/NV 2002, 217).

b) Die von den Klägern für grundsätzlich bedeutsam gehaltene Frage, ob ein Organmitglied einer genossenschaftlichen Bank, dessen Organstellung aufgehoben und das nach erfolgter Fusion mit einer übernehmenden Bank dort im Angestelltenverhältnis weiter beschäftigt wird, für eine von seinem früheren Arbeitgeber erhaltene Abfindung von 75 000 DM die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 9 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und die Steuerbegünstigung nach § 24 Nr. 1, § 34 EStG in Anspruch nehmen kann, rechtfertigt schon deshalb nicht die Zulassung der Revision, weil ihre Einzelfallbezogenheit offenkundig ist. Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache dient nicht dazu, das Revisionsgericht mit der Überprüfung der Entscheidung des Einzelfalls zu befassen (vgl. z.B. , BFH/NV 2004, 951).

c) Hinsichtlich der abstrakter formulierten Frage, ob bei einer Fusion von zwei Genossenschaften unter Berücksichtigung der Rechtsfolgen des § 20 des Umwandlungsgesetzes (UmwG) von der Fortsetzung des Dienstverhältnisses eines Organmitglieds des übertragenden Rechtsträgers beim übernehmenden Rechtsträger im Sinne der Rechtsprechung des BFH zu § 3 Nr. 9 EStG ausgegangen werden kann, wenn das Organmitglied als Arbeitnehmer aufgrund eines nach der Fusion abgeschlossenen Arbeits- bzw. Anstellungsvertrags mit dem übernehmenden Rechtsträger weiterbeschäftigt wird, fehlt es an Darlegungen zur Klärungsbedürftigkeit.

Der BFH hat bereits entschieden, dass ein Betriebsübergang i.S. des § 613a des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) zur Fortsetzung des bisherigen Arbeitsverhältnisses führt. Die Kläger haben nicht vorgetragen, weshalb der Übergang eines Dienstvertrags gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG nicht zur Fortsetzung des bisherigen Dienstverhältnisses führt. Ausführungen der Kläger hierzu wären insbesondere deshalb erforderlich gewesen, weil nicht umstritten ist, dass eine wirksame Verschmelzung nach § 20 UmwG dazu führt, dass Dienstverträge von Organmitgliedern vom übertragenden auf den übernehmenden Rechtsträger im Wege der Gesamtrechtsnachfolge nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG übergehen und lediglich die Organstellung als solche mit der Verschmelzung erlischt (vgl. z.B. , BAGE 104, 358, m.w.N.; Semler/Stengel-Simon, UmwG § 20 Rz 56). § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG ist gegenüber § 613a BGB ein Auffangtatbestand, der anzuwenden ist, wenn die Voraussetzungen des § 613a BGB nicht vorliegen, weil es beispielsweise an einem Betriebsübergang i.S. des § 613a BGB fehlt oder das Beschäftigungsverhältnis —wie im Streitfall— kein unter § 613a BGB fallendes Arbeitsverhältnis ist (Semler/Stengel-Kübler/Simon, UmwG § 20 Rz 36 f., 56).

Auch ist in der Rechtsprechung des BFH bereits geklärt, dass eine Auflösung des Dienstverhältnisses nicht vorliegt, wenn es nach einer sog. Änderungskündigung zu nicht wesentlich geänderten Konditionen fortgeführt wird (z.B. , BFHE 183, 532, BStBl II 1997, 666; vom XI R 1/99, BFH/NV 2000, 1195, beide m.w.N.). Die Kläger haben nicht substantiiert dargelegt, weshalb diese Rechtsprechung nicht auch dann anzuwenden ist, wenn ein Dienstverhältnis als Arbeitsverhältnis zu geänderten Konditionen fortgeführt wird, ohne dass zusätzlich eine Kündigungserklärung ausgesprochen wurde. Es sind keine Gründe dafür ersichtlich, weshalb in diesen Fällen eine Auflösung des Dienstverhältnisses angenommen werden sollte, obwohl es, ebenso wie bei einer Änderungskündigung, nicht zu einer formalen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses kommt, sondern nur zu einer Änderung der Beschäftigungsbedingungen. Die Kläger beschränken sich insoweit auf den nicht weiter substantiierten Hinweis, die von ihnen aufgeworfene Frage sei bisher obergerichtlich noch nicht geklärt, sowie auf die Bemerkung, der Streitfall sei kein Einzelfall, da im Genossenschaftswesen der Banken eine weitere Fusionswelle zu erwarten sei. Dieser Vortrag genügt nicht den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO.

2. Aus den gleichen Gründen ist die Revision auch nicht gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO zuzulassen. Denn die Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts erfordert als spezieller Tatbestand der Grundsatzrevision (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) gleichfalls die Darlegung einer klärungsbedürftigen und klärbaren Rechtsfrage (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom X B 48/04, BFH/NV 2005, 698; vom III B 198/05, BFH/NV 2006, 2281; vom VIII B 4/06, BFH/NV 2007, 490; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 41, § 116 Rz 38).

3. Die Zulassung der Revision ist nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO erforderlich.

a) Die Revision ist nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO zuzulassen, wenn das angegriffene Urteil des Finanzgerichts (FG) in seinen tragenden Gründen von einer Entscheidung des BFH oder eines anderen Gerichts abweicht (vgl. z.B. Gräber/ Ruban, a.a.O., § 116 Rz 41). Entgegen der Ansicht der Kläger liegt keine solche Abweichung des FG-Urteils zu den von ihnen genannten Entscheidungen des BAG vor.

In dem von den Klägern genannten BAG-Urteil in BAGE 104, 358, das auf die von ihnen ebenfalls genannten BAG-Beschlüsse vom 2 AZB 28/93 (Neue Juristische Wochenschrift —NJW— 1995, 675) und vom 5 AZB 41/96 (NJW 1998, 260) Bezug nimmt, heißt es wörtlich: „Ein Dienstvertrag verwandelt sich zwar bei einem…Verlust der Organstellung nicht automatisch in einen Arbeitsvertrag, weder bei einer Verschmelzung ( - AP ArbGG 1979 § 5 Nr. 17 = EzA ArbGG 1979 § 2 Nr. 28 mwN) noch in sonstigen Fällen des Verlustes, zB bei einer Abberufung ( - AP ArbGG 1979 § 5 Nr. 36 = EzA ArbGG 1979 § 2 Nr. 37). Die bisherige rechtliche Zuordnung eines schuldrechtlichen Vertrages zu den Vertragstypen des BGB bleibt hiervon unberührt. Das Bundesarbeitsgericht hat aber sowohl im Falle der Fusion ( - AP ArbGG 1953 § 5 Nr. 19 = EzA ArbGG § 2 Nr. 3) als auch in sonstigen Fällen des Verlustes der Organstellung darauf hingewiesen, daß mit der Vereinbarung der Weiterbeschäftigung auf einem anderen Dienstposten das Anstellungsverhältnis in ein Arbeitsverhältnis umgewandelt wird.” Sinngemäß übereinstimmend hiermit hat das FG ausgeführt (Seite 6 des Urteils): „Der Verlust der Organstellung infolge einer Verschmelzung führt…grundsätzlich…nicht zur Umwandlung des Dienst- in ein Arbeitsverhältnis. Etwas anderes gilt hingegen, wenn das Dienstverhältnis nach Beendigung der Organstellung als Arbeitsverhältnis fortgesetzt wird, beispielsweise das frühere Organmitglied nunmehr —wie andere Arbeitnehmer auch— den Weisungen der Organmitglieder des übernehmenden Rechtsträgers unterliegt.”

b) Hinsichtlich der BFH-Urteile in BFHE 183, 532, BStBl II 1997, 666, und in BFH/NV 2000, 1195, auf die sich das angegriffene FG-Urteil ausdrücklich bezieht, machen die Kläger keine Abweichung im Grundsätzlichen geltend, sondern wenden sich lediglich gegen die Abweichung in der Subsumtion des Einzelfalls und damit gegen die materielle Richtigkeit. Das reicht zur ordnungsgemäßen Darlegung eines Revisionszulassungsgrundes jedoch nicht aus (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 24, 45, 55 sowie § 116 Rz 42, m.w.N.).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
BFH/NV 2008 S. 376 Nr. 3
NWB-Eilnachricht Nr. 50/2008 S. 4714
FAAAC-70388