Neuregelung der Entfernungspauschale ab dem Veranlagungszeitraum 2007 für Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte
Leitsatz
Es wird eine Entscheidung des BVerfG darüber eingeholt, ob § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG i.d.F. des StÄndG 2007 insoweit mit dem GG vereinbar ist, als danach Aufwendungen des Arbeitnehmers für seine Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte keine Werbungskosten sind und keine weiteren einkommensteuerrechtlichen Regelungen bestehen, nach denen die vom Abzugsverbot betroffenen Aufwendungen ansonsten die einkommensteuerliche Bemessungsgrundlage mindern.
Gesetze: GG Art. 3 Abs. 1GG Art. 6 Abs. 1GG Art. 100 Abs. 1EStG § 9 Abs. 2 Satz 1BVerfGG § 80 Abs. 1BVerfGG § 80 Abs. 2 Satz 1
Instanzenzug: ,
Gründe
A.
Gegenstand der Vorlage (Sachverhalt, Entscheidung des Finanzgerichts (FG) und Vortrag der Beteiligten)
I.
Sachverhalt
Der verheiratete Kläger und Revisionskläger (Kläger) erzielt als angestellter Bäckermeister Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Er wohnt mit seiner Familie in X und arbeitet im 70 km entfernten Y. Seine Ehefrau bezieht ebenfalls Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Nach den Angaben des Klägers beträgt die Entfernung zwischen der Wohnung und der Arbeitsstätte seiner Ehefrau in Z 37 km.
Mit seinem Antrag auf Lohnsteuer-Ermäßigung für das Jahr 2007 beantragte der Kläger, seine Aufwendungen für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in Höhe von 4 620 € als Freibetrag auf der Lohnsteuerkarte einzutragen (220 Tage x 70 km x 0,30 €). Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) ermittelte den Freibetrag entsprechend der ab 2007 geänderten Gesetzeslage nach der um 20 km gekürzten Entfernung (220 Tage x 50 km x 0,30 € = 3 300 € abzüglich Arbeitnehmer-Pauschbetrag = 2 380 €). Gegen den insoweit ablehnenden Bescheid über die Lohnsteuer-Ermäßigung 2007 legte der Kläger erfolglos Einspruch ein.
II.
Entscheidung des FG
Das FG wies die Klage ab und ließ die Revision zu. Das ist in Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst (DStRE) 2007, 538 veröffentlicht. Das FG führte im Wesentlichen Folgendes aus:
Durch das Steueränderungsgesetz vom (BGBl I 2006, 1652, BStBl I 2006, 432 —StÄndG 2007—) sei hinsichtlich der Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte eine Systemumstellung vorgenommen worden. Der Gesetzgeber gehe nunmehr davon aus, dass die Berufssphäre erst am „Werkstor” beginne. Die Zuordnung der Fahrtkosten zur Privatsphäre sei mit dem Grundgesetz (GG) vereinbar. Dem Gesetzgeber sei es von Verfassungs wegen nicht verwehrt, Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte vom Werbungskostenabzug auszuschließen. Denn bei diesen Aufwendungen handele es sich nicht um originäre Werbungskosten. Sie seien im Einkommensteuergesetz (EStG) bisher lediglich den Werbungskosten gleichgestellt worden.
Bereits der Reichsfinanzhof (RFH) habe in einem Urteil aus dem Jahr 1923 zum damaligen § 13 Nr. 1d EStG 1920 die Fahrtkosten zur Arbeitsstätte als Privatausgaben betrachtet und ausgeführt: „Nach der Entstehungsgeschichte des Gesetzes ist die Anerkennung der Fahrtauslagen als Werbungskosten als Ausnahme von dem Grundsatz erfolgt, dass Ausgaben nicht abziehbar sind, die keinen spezifischen Berufsaufwand darstellen” (, zit. nach Kirchhof, Deutsches Steuerrecht —DStR— 2003, Beihefter 5, 4 Fn. 36; Olbertz, Betriebs-Berater —BB— 1996, 2489).
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe die Herabsetzung der früheren Kilometerpauschale von 0,50 DM auf 0,36 DM als mit dem GG vereinbar erklärt. Es habe ausgeführt, der Gesetzgeber habe bei dem „Abbau einer Steuervergünstigung” weitgehende Gestaltungsfreiheit (Beschluss vom 1 BvL 12/68, BVerfGE 27, 58, BStBl II 1970, 140).
Der Bundesfinanzhof (BFH) sei im Urteil vom VI R 64/81 (BFHE 137, 463, BStBl II 1983, 306) zu der Erkenntnis gelangt, „dass Ausgaben für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ihrer Natur nach an sich sogenannte gemischte Aufwendungen i.S. des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG sind, da sie teils beruflich und teils privat veranlasst sind”. So falle das Wohnen und die Wahl der Wohnung grundsätzlich in den Bereich der privaten Lebensführung (, BFHE 126, 511, BStBl II 1979, 219). Weiter führe der BFH in der Entscheidung in BFHE 137, 463, BStBl II 1983, 306 aus: „Wie sich aus der Entwicklungsgeschichte des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG ergibt, will der Gesetzgeber aber grundsätzlich nicht mehr wie früher danach differenzieren, ob und inwieweit Ausgaben für solche Fahrten zur Arbeitsstätte hin und zurück beruflich oder privat veranlasst sind. Er sieht vielmehr seit dem Jahr 1967 solche Aufwendungen im allgemeinen typisierend als Werbungskosten an mit der Folge, dass § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG insoweit als lex specialis zum Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG zu werten ist.”
Das BVerfG führe im Beschluss vom 2 BvR 400/98, 1735/00 (BVerfGE 107, 27, BStBl II 2003, 534) aus, es sei „traditioneller Teil” der Grundentscheidung des deutschen Einkommensteuerrechts, die steuerrechtlich erhebliche Berufssphäre nicht erst „am Werkstor” beginnen zu lassen. Auch im Schnittbereich von beruflicher Sphäre und privater Lebensführung liegende Mobilitätskosten würden als Werbungskosten oder Betriebsausgaben anerkannt. Danach gehörten vor allem Fahrtkosten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zu den im Rahmen des objektiven Nettoprinzips abzugsfähigen beruflichen Aufwendungen, „obwohl solche Aufwendungen wegen der privaten Wahl des Wohnorts zwangsläufig auch privat mitveranlasst sind.”
Diese vom BVerfG beschriebene „Tradition” beinhalte keine „Ewigkeitsgarantie” auf Beibehaltung dieser Tradition. Der Gesetzgeber habe bei der Schaffung einfachgesetzlichen Rechts auch die Befugnis, eine einfachgesetzliche „Tradition” zu ändern, zumal die bisherige steuerliche Anerkennung der Fahrtkosten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte als Ausnahme vom Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG und damit als Steuervergünstigung (Subvention) zu werten gewesen sei.
Angesichts dieser Rechtslage sei der Gesetzgeber zutreffend davon ausgegangen, dass es sich wegen der Verbindung der Fahrtkosten nicht nur zur Arbeit, sondern auch zur Wohnung um gemischte Aufwendungen handele. Bei gemischten Aufwendungen sei es dem Gesetzgeber möglich, über den Umfang der Abziehbarkeit und Nichtabziehbarkeit zu entscheiden. Mit der Neuregelung des § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG 2007 habe der Gesetzgeber folgerichtig alle Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte als privat veranlasst qualifiziert.
Mit dieser Neuregelung sei das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit sowie das objektive Nettoprinzip gewahrt worden. Danach unterliege der Einkommensteuer grundsätzlich nur das Nettoeinkommen. Dagegen minderten gemäß § 12 Nr. 1 Satz 1 EStG Aufwendungen für die Lebensführung außerhalb des Rahmens von Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen die einkommensteuerliche Bemessungsgrundlage nicht; dies gelte gemäß Satz 2 der Vorschrift auch für solche Lebensführungskosten, die die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringe, auch wenn sie zur Förderung des Berufs oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgten. Mit der Aufhebung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG als „lex specialis” zu § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG gelte dieses Abzugsverbot wieder für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, so dass das objektive Nettoprinzip damit nicht betroffen sei. Im Übrigen habe das BVerfG bisher offen gelassen, ob die Geltung dieses Prinzips auch verfassungsrechtlich geboten sei. Jedenfalls stehe dem Gesetzgeber bei der Regelung einer Steuervergünstigung (Subvention) eine weite Beurteilungs- und Gestaltungsfreiheit zu. Mit der Grundentscheidung, die Arbeitsstätte „am Werkstor” beginnen zu lassen, habe der Gesetzgeber zwar eine „Tradition” beendet, jedoch eine folgerichtige neue Belastungsentscheidung getroffen. Dies halte sich im Rahmen des verfassungsrechtlich anerkannten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers.
III.
Vortrag der Beteiligten im Revisionsverfahren
Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Er trägt im Wesentlichen vor, die Kosten für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte seien Aufwendungen „zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen” und damit Werbungskosten i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG. Die Fahrtkosten seien ausschließlich beruflich veranlasst. Ohne die Fahrt zur Arbeitsstätte könne weder die berufliche Tätigkeit ausgeübt noch könnten berufliche Einnahmen erzielt werden. Dies könne auch nicht mit Blick auf die Rückfahrt zur privaten Wohnung infrage gestellt werden. Die private Wahl des Wohnortes sei ein der beruflich veranlassten Fahrt vorgelagerter, vorgegebener Sachverhalt, der isoliert zu betrachten sei und keinen Einfluss auf die Einordnung der Fahrtaufwendungen als ausschließlich beruflich veranlasste Aufwendungen habe. Die Fahrtaufwendungen berührten entgegen der Auffassung des FG nicht den Bereich der privaten Lebensführung. In der steuerlichen Abzugsfähigkeit könne demzufolge auch keine Steuervergünstigung bzw. Subvention gesehen werden. Im Übrigen handele es sich bei der dem „Werkstorprinzip” zu Grunde liegenden Überlegung, dass der Steuerpflichtige seinen Wohnsitz in die Nähe seiner Arbeitsstelle verlegen könne, um eine reine Fiktion. In den Ballungsräumen und in größeren Betrieben könne aus rein tatsächlichen Gründen regelmäßig nur ein geringer Teil der Arbeitnehmer seinen privaten Wohnsitz unmittelbar neben dem „Werkstor” nehmen.
Das sog. Werkstorprinzip sei nicht als neues allgemeines Prinzip in das System der Einkommensbesteuerung eingeführt, sondern nur punktuell fiskalisch eingesetzt worden: Nach wie vor sei der Steuerabzug der Fahrtkosten ab dem 21. Entfernungskilometer gemäß § 9 Abs. 2 Satz 2 EStG möglich. Zwar stellten diese Kosten nach dem Wortlaut der Vorschrift keine Werbungskosten dar, da sie nur „wie” Werbungskosten zu behandeln seien. Hierbei handele es sich jedoch lediglich um eine semantische, nicht um eine inhaltliche Veränderung. Die fortbestehende Abzugsmöglichkeit der Fahrtkosten für Fernpendler lasse sich mit dem angeblichen Übergang zum Werkstorprinzip weder erklären noch rechtfertigen.
Der Abzug der Fahrtkosten ab dem 21. Entfernungskilometer sei weiterhin auf den Arbeitnehmer-Pauschbetrag anzurechnen, was systematisch unzutreffend sei, wenn es sich nicht um Werbungskosten handele.
Auch die fortbestehende Abzugsmöglichkeit der Kosten für Familienheimfahrten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung sei mit der behaupteten Geltung des Werkstorprinzips nicht zu vereinbaren.
Die grundsätzliche Abzugsbeschränkung gelte gemäß § 9 Abs. 2 Satz 11 EStG nicht für behinderte Menschen. Auch dies sei inkonsequent.
Nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG seien die Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte sowie die Familienheimfahrten im Rahmen der Ermittlung des betrieblichen Nutzungsumfangs eines Kraftfahrzeugs nicht als private, sondern als betriebliche Nutzung zu werten. Auch dies sei mit dem Werkstorprinzip nicht vereinbar.
Im Hinblick auf die Regelung des § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG sei das Werkstorprinzip nicht umgesetzt worden: Wenn die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte privat veranlasst seien, müsse die Nutzung des Fahrzeugs mit dem pauschalen Ansatz von 1 % des Listenpreises pro Monat abgedeckt sein.
Der Abzug von Kinderbetreuungskosten als (bzw. wie) Erwerbsaufwendungen gemäß § 9 Abs. 5 i.V.m. § 4f EStG widerspreche dem Werkstorprinzip. Dies gelte entsprechend für den teilweisen Abzug von Bewirtungsaufwendungen gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG.
Die genannten Wertungswidersprüche machten deutlich, dass mit der Neuregelung des § 9 Abs. 2 EStG und der Aufhebung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG ein Werkstorprinzip als allgemeine Grundentscheidung der Einkommensbesteuerung noch nicht geschaffen worden sei.
Da die Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ausschließlich beruflich veranlasst seien, sei ein Abzug dieser Erwerbsaufwendungen aufgrund des objektiven Nettoprinzips zwingend geboten. Aufgrund des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG), dessen spezielle Ausprägung das Gebot der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit sei, sei es dem Staat verwehrt, aus rein fiskalischen Gründen bestimmte Erwerbsaufwendungen, denen sich der Steuerpflichtige zur Erzielung der Erwerbseinnahmen nicht entziehen könne, vom Abzug auszuschließen.
Selbst wenn man die Aufwendungen für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte als gemischt veranlasst betrachte, verstoße die Neuregelung gegen verfassungsrechtliche Vorgaben, nämlich gegen das subjektive Nettoprinzip, das ebenfalls Ausfluss des Grundsatzes der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit sei. Nach der Rechtsprechung des BVerfG seien auch privat veranlasste Aufwendungen, die dem Steuerpflichtigen zwangsläufig und im Hinblick auf grundrechtlich geschützte Werte entständen, dem Zugriff der Einkommensbesteuerung im Rahmen der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit entzogen. Es stehe nicht ohne weiteres zur Disposition des Gesetzgebers, ob er privat veranlassten Aufwand steuerlich berücksichtige oder nicht. Vielmehr habe der Gesetzgeber die unterschiedlichen Gründe, die den Aufwand veranlassten, auch dann im Lichte der betroffenen Grundrechte differenzierend zu würdigen, wenn sie der Sphäre der allgemeinen privaten Lebensführung zuzuordnen seien. Deshalb komme es auf die Unterscheidung, ob die Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in vollem Umfang durch die Berufstätigkeit veranlasst seien oder ob hier auch eine private Mitveranlassung gegeben sei, nicht entscheidend an. Denn die Aufwendungen entständen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig. Die Fahrtkosten könnten nur dadurch vermieden werden, dass die Arbeitnehmer ständig zum Werkstor zögen. Eine solche Forderung sei jedoch unrealistisch und mit dem grundrechtlich verbürgten Schutz von Ehe und Familie (Art. 6 Abs. 1 GG) und dem Grundrecht der Freizügigkeit (Art. 11 GG) nicht vereinbar.
Die Neuregelung verstoße ferner gegen das Gebot der folgerichtigen Umsetzung. Nach der Rechtsprechung des BVerfG stelle es eine Grundentscheidung des deutschen Einkommensteuerrechts dar, die steuerrechtlich erhebliche Berufssphäre nicht erst am Werkstor beginnen zu lassen. Traditionell erkenne das deutsche Einkommensteuerrecht Mobilitätskosten, die im Schnittbereich von Beruf und privater Lebensführung lägen, als Werbungskosten oder Betriebsausgaben an. Danach gehörten, so das BVerfG in seinem Beschluss in BVerfGE 107, 27, BStBl II 2003, 534, vor allem Fahrtkosten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zu den im Rahmen des objektiven Nettoprinzips abzugsfähigen beruflichen Aufwendungen, obwohl solche Aufwendungen wegen der privaten Wahl des Wohnorts zwangsläufig auch privat mitveranlasst seien. Zwar genieße diese Tradition des deutschen Einkommensteuerrechts keine „Ewigkeitsgarantie”. Deshalb könne sie der Gesetzgeber im Rahmen einer neuen Konzeption auch aufgeben. Dazu bedürfe es jedoch eines besonderen sachlichen Grundes. Ein solcher sei hier nicht gegeben. Die rein fiskalischen Erwägungen, die für die gesetzliche Neuregelung ausschlaggebend gewesen seien, stellten jedenfalls einen solchen besonderen sachlichen Grund nicht dar. Zudem habe der Gesetzgeber das Werkstorprinzip nur im Hinblick auf die Fahrten von der Wohnung zur Arbeitsstätte bis zum 20. Entfernungskilometer eingeführt. Bei einer folgerichtigen Umsetzung des Werkstorprinzips hätten auch die grundsätzlichen Regelungen zur Abzugsfähigkeit von Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 EStG) und Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG) eine Änderung erfahren müssen. Auch der Umstand, dass der Abzug der Fahrtkosten ab dem 21. Entfernungskilometer und der Aufwendungen für Familienheimfahrten im Rahmen der doppelten Haushaltsführung weiterhin uneingeschränkt möglich sei, sei ein Verstoß gegen das Gebot der folgerichtigen Umsetzung einer (angeblich) neuen Grundentscheidung des Gesetzgebers.
Schließlich verstoße die gesetzliche Neuregelung in den Fällen beiderseits berufstätiger Ehegatten auch gegen den grundgesetzlich garantierten Schutz von Ehe und Familie gemäß Art. 6 Abs. 1 GG. Der Gesetzgeber müsse Regelungen vermeiden, die geeignet seien, in die freie Entscheidung der Ehegatten über ihre Aufgabenverteilung in der Ehe einzugreifen. Im Streitfall seien beide Ehegatten berufstätig und arbeiteten an unterschiedlichen Orten. Einen „aufwandsneutralen” gemeinsamen Familienwohnsitz könne es nicht geben. Die Verlagerung des Familienwohnsitzes in die Nähe des Arbeitsplatzes eines Ehegatten würde einen deutlich erhöhten Zeitaufwand des anderen Ehegatten zur Folge haben. Wenn Art. 6 Abs. 1 GG den Ehegatten einen gemeinsamen Familienwohnsitz garantiere, dann stellten die Kosten der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte für beide Ehegatten einen zwangsläufigen Aufwand für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf dar.
Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil sowie den Bescheid vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom aufzuheben und das FA zu verpflichten, einen weiteren Freibetrag in Höhe von 1 320 € auf der Lohnsteuerkarte 2007 einzutragen. Vorsorglich beantragt er festzustellen, dass die Ablehnung des FA, einen weiteren Freibetrag in Höhe von 1 320 € auf der Lohnsteuerkarte 2007 einzutragen, rechtswidrig ist.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Nach Auffassung des FA verstößt die gesetzliche Neuregelung nicht gegen die Verfassung. Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz leiteten sich im Steuerrecht das Prinzip der Steuergerechtigkeit, das Willkürverbot und das Leistungsfähigkeitsprinzip ab. Konkretisierungen des Leistungsfähigkeitsprinzips seien das objektive und das subjektive Nettoprinzip. Der Gesetzgeber habe durch die Neuregelung den Anwendungsbereich des objektiven Nettoprinzips neu definiert. Dadurch, dass diese gemischten Aufwendungen ausschließlich der privaten Sphäre zugeordnet würden, seien sie nicht mehr als Werbungskosten anzusehen. Sie seien damit dem Anwendungsbereich des objektiven Nettoprinzips entzogen. Der Gesetzgeber habe insoweit seinen verfassungsrechtlich anerkannten Einschätzungs- und Gestaltungsfreiraum bei der Schaffung einfachgesetzlicher Vorschriften genutzt. Entgegen der Auffassung des Klägers seien die Aufwendungen für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte auch nicht verfassungsrechtlich zwangsläufig. Es sei zu berücksichtigen, dass die Wahl des Wohnorts ein Ausfluss der allgemeinen Handlungsfreiheit des Steuerpflichtigen sei und private Motive überwiegend für die Wahl maßgebend seien. Der Steuerpflichtige habe jedoch keinen Anspruch auf Förderung dieser Grundrechtsbetätigung durch den Staat. Die Wohnortfrage müsse aufgrund eines neuen Arbeitsplatzes überprüft und eventuell neu entschieden werden. Da ein Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz im Laufe seines Berufslebens regelmäßig häufiger wechseln müsse, könne die Wahl des Wohnorts auch eine direkte Folge eines Arbeitsplatzwechsels oder einer erstmaligen Berufsaufnahme sein.
Nach Auffassung des Bundesministeriums der Finanzen (BMF), das dem Verfahren beigetreten ist (§ 122 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—), hat der Gesetzgeber seine bisherige „Grundentscheidung (.), die steuerrechtlich erhebliche Berufssphäre nicht erst 'am Werkstor' beginnen zu lassen”, geändert und einen hinreichend folgerichtigen, verhältnismäßigen Übergang zum „Werkstorprinzip” vollzogen. Dabei habe eine gebotene Würdigung der Änderung der Grundentscheidung „im Lichte der Grundrechte” den Gesetzgeber veranlasst, im Wege von Härteregelungen in § 9 Abs. 2 Sätze 2 bis 10 EStG den Abzug der Pauschalbeträge für Entfernungen ab dem 21. Kilometer sowie für Familienheimfahrten zuzulassen, weil besondere Härten für Fernpendler entstehen könnten, deren Wohnortwahl durch familiäre Erfordernisse bestimmt sein könne. Auch vor dem Hintergrund, dass von Arbeitnehmern heute eine erhöhte Mobilität und Flexibilität gefordert werde, habe der Gesetzgeber zur Wahrung der sozialen Ausgewogenheit diese Härteregelung für sachgerecht gehalten.
Maßstab der verfassungsrechtlichen Prüfung des § 9 Abs. 2 EStG sei der für den Bereich des Steuerrechts aus dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip der Art. 1 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 1 GG abgeleitete Grundsatz der Besteuerung nach der objektiven und subjektiven Leistungsfähigkeit. In engem Zusammenhang mit diesem Grundsatz sei ebenso das aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleitete verfassungsrechtliche Gebot der Folgerichtigkeit sowie das Gebot zum Schutz von Ehe und Familie des Art. 6 Abs. 1 GG für die Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung von Bedeutung. Die genannten verfassungsrechtlichen Maßstäbe würden durch die Neuregelung des § 9 Abs. 2 EStG gewahrt.
Der demokratisch legitimierte Gesetzgeber habe für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte den Anwendungsbereich des objektiven Nettoprinzips definiert und damit eine frühere (einfachrechtliche) Grundentscheidung zur steuerlichen Qualifikation dieser Aufwendungen geändert. Die gemischte Veranlassung dieser Aufwendungen erfordere zur Sicherstellung einer gleichmäßigen Steuererhebung eine eindeutige gesetzgeberische Zuordnungsentscheidung. Bei den Aufwendungen für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte handele es sich um gemischte Aufwendungen. Dies habe das BVerfG in seiner grundlegenden Entscheidung zur doppelten Haushaltsführung in BVerfGE 107, 27, BStBl II 2003, 534 so gesehen. Auch der Steuergesetzgeber sei für das einfachgesetzliche Steuerrecht seit jeher davon ausgegangen, dass die Fahrtaufwendungen sowohl beruflich als auch privat veranlasst seien.
Mit dem Übergang zum sog. Werkstorprinzip habe der Gesetzgeber seinen verfassungsrechtlich anerkannten Einschätzungs- und Gestaltungsfreiraum bei der Auswahl eines Steuergegenstandes und der Ausgestaltung gesetzgeberischer Grundentscheidungen in verfassungsmäßiger Weise in Anspruch genommen. Das BVerfG habe in seinem Beschluss in BVerfGE 107, 27, BStBl II 2003, 534 ausgeführt, es sei eine „Grundentscheidung des deutschen Einkommensteuerrechts, die steuerrechtlich erhebliche Berufssphäre nicht erst 'am Werkstor' beginnen zu lassen.” Bei sachgerechter Würdigung dieser Ausführungen im Kontext der Entscheidung lasse sich diese Formulierung nur dahingehend verstehen, dass nach Auffassung des Gerichts der verfassungsrechtlich garantierte gesetzgeberische Einschätzungs- und Gestaltungsfreiraum gerade auch die Entscheidung über die Zuordnung von Aufwendungen für Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zur beruflichen oder zur privaten Sphäre des Steuerpflichtigen umfasse. Der weite Einschätzungs- und Gestaltungsfreiraum des Gesetzgebers schließe daher denknotwendig auch die Befugnis zur Änderung dieser systembildenden einfachgesetzlichen „Grundentscheidung” ein. Indem der Gesetzgeber die gemischten Aufwendungen für Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nunmehr grundsätzlich ausschließlich und vollständig der Privatsphäre des Steuerpflichtigen zuordne, seien diese Aufwendungen dem Anwendungsbereich des objektiven Nettoprinzips entzogen. In § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG regele der Gesetzgeber also nicht eine Durchbrechung des objektiven Nettoprinzips, sondern definiere dessen Anwendungsbereich selbst, indem er gemäß seiner originären Befugnis im gewaltenteilenden Verfassungsstaat eine neue steuerliche Belastungsentscheidung treffe und eine Neubestimmung von steuerlich als gleich zu behandelnden Sachverhalten vornehme. Der Gestaltungsfreiraum des Gesetzgebers sei auch nicht deshalb überschritten, weil die Änderung der Grundentscheidung lediglich fiskalisch motiviert gewesen sei.
Die Neuregelung verletze auch das subjektive Nettoprinzip nicht. Weder führe die Neuregelung zu einer verfassungsrechtlich unzulässigen Besteuerung des Existenzminimums noch seien die Aufwendungen für Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte im verfassungsrechtlichen Sinne zwangsläufig, soweit nicht überdurchschnittlich lange Fahrtwege aus überwiegend durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützten ehelichen oder familiären Gründen entständen. Der einkommensmindernde steuerliche Abzug dieser Aufwendungen sei jedenfalls nicht über die mit den Härteregelungen in § 9 Abs. 2 Sätze 2 ff. EStG geschaffenen Abzugsmöglichkeiten hinaus von Verfassungs wegen geboten:
Durch die Neuregelung komme es nicht zu einer Besteuerung des Existenzminimums, auch nicht im unteren Einkommensbereich. Zwar könnten aufgrund der Neuregelung Fallgestaltungen möglich sein, in denen Steuerpflichtige in Abhängigkeit von der Länge ihres Fahrtweges und der Höhe ihres zu versteuernden Einkommens künftig nur deshalb überhaupt mit Einkommensteuer belastet würden, weil der einkommensmindernde Abzug der Aufwendungen für Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte für Entfernungen bis 20 km nicht möglich sei. Über die Anzahl der Fälle lägen keine statistischen Daten vor. Voraussetzung sei das Zusammentreffen von geringem Einkommen nahe dem Existenzminimum und zugleich sehr hohen Fahrtkosten in Verbindung mit hohen Werbungskosten. Das spreche dafür, dass es sich um seltene, besonders gelagerte Ausnahmefälle handele. Im Übrigen folge daraus nicht, dass die Neuregelung zu einer Besteuerung des steuerfrei zu stellenden Existenzminimums führe. Vielmehr werde dieses in Höhe des —auf der Grundlage des in den Existenzminimumberichten der Bundesregierung realitätsgerecht typisierten— lebensnotwendigen Bedarfs entsprechend den Vorgaben des BVerfG durch den Grundfreibetrag und die Vorschriften des Familienleistungsausgleichs in jedem Fall von der Besteuerung freigestellt. Nach der Rechtsprechung des BVerfG sei der sozialhilferechtliche Mindestbedarf die Maßgröße für die Ermittlung des steuerfrei zu stellenden sächlichen Existenzminimums. Die Berechnungsmethode berücksichtige die sozialhilferechtlichen Bedarfskomponenten: Regelsätze sowie Miet- und Heizkosten. Aufwendungen für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte seien nicht Teil des existenznotwendigen sächlichen Bedarfs.
Über die Freistellung des existenznotwendigen sächlichen Bedarfs im Rahmen des steuerlichen Existenzminimums hinaus könne nach der Rechtsprechung des BVerfG der steuerliche Abzug privat veranlasster Aufwendungen von Verfassungs wegen nur zwingend sein, soweit die Aufwendungen „im Lichte der Grundrechte” pflichtbestimmt bzw. unvermeidbar, also „verfassungsrechtlich zwangsläufig” seien. Das treffe für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte grundsätzlich nicht zu. Lediglich wenn und soweit Steuerpflichtige überdurchschnittlich lange Arbeitswege aus überwiegend ehelichen oder familiären Gründen in Kauf nähmen, erscheine ein verfassungsrechtlicher Schutz geboten. Den habe die Neuregelung jedoch im Wege der Härteregelungen des § 9 Abs. 2 Sätze 2 ff. EStG gewährleistet.
Bei der Beurteilung, was überdurchschnittliche Belastungen infolge überdurchschnittlich langer Fahrtwege seien, stehe dem Gesetzgeber von Verfassungs wegen eine weitreichende Befugnis zur Typisierung und Pauschalierung zu. Davon habe der Gesetzgeber durch die Härteregelungen Gebrauch gemacht. Insbesondere habe er die 20-km-Grenze, ab der von einer überdurchschnittlich weiten Entfernung ausgegangen werden könne und daher ein Abzug der Aufwendungen für Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte als Härteregelung typisierend zugelassen werde, anhand sachgerechter Maßstäbe bestimmt. Die Festlegung der km-Grenze sei nicht realitätsfern oder gar willkürlich. Vielmehr habe sich der Gesetzgeber anhand statistischer Daten orientiert, nach denen 83 % der Pendler eine Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte von weniger als 26 km hätten.
Der Gesetzgeber habe auch berücksichtigt, dass die durch die Änderung der Grundentscheidung bewirkte Mehrbelastung mit der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte steige. Einer Modellrechnung lasse sich entnehmen, dass sich insbesondere für Fernpendler mit Entfernungen über 20 km, die etwa 1/4 aller Steuerpflichtigen (6,8 Mio.) ausmachten, deutliche Mehrbelastungen ergäben. Während —bezogen auf die Gesamtheit der veranlagten Arbeitnehmer (26,6 Mio.)— rund 42 % (11,3 Mio.) mit einem Jahresbetrag von durchschnittlich 239 € mehrbelastet würden, seien von den Fernpendlern —trotz Härteregelung— rund 84 % (5,8 Mio.) mit einem durchschnittlichen Jahresbetrag von 322 € mehrbelastet. Der Gesetzgeber habe daher typisierend davon ausgehen können, dass eine überdurchschnittliche Belastung von Pendlern, die im Lichte der Grundrechte Anlass für eine Härteregelung geben könne, erst ab einem Fahrtweg von mehr als 20 km eintreten könne. Darüber hinaus spreche auch viel für die Annahme, dass überdurchschnittlich lange Fahrtwege durch Steuerpflichtige insbesondere auch aus ehelichen und familiären Gründen in Kauf genommen würden. Schon die allgemeine Lebenserfahrung lege nahe, dass überwiegend eheliche und familiäre Bindungen Steuerpflichtige veranlassten, überdurchschnittlich lange Arbeitswege in Kauf zu nehmen. Statistisch sei zu belegen, dass die Mehrzahl der sog. Fernpendler, deren Arbeitsweg länger als 20 km sei, verheiratet sei (rd. 53 %).
Die Härteregelung bewirke auch, dass beiderseits berufstätige Ehegatten durch die Neuregelung nicht benachteiligt würden. Durch § 9 Abs. 2 Satz 2 EStG sei im Zusammenhang mit der speziellen Härteregelung für Familienheimfahrten hinreichend sichergestellt, dass jeder Ehegatte unabhängig davon, ob und wo ein gemeinsamer Familienwohnsitz begründet werde und ob ein Ehegatte an seinem vom Familienwohnsitz abweichenden Beschäftigungsort eine doppelte Haushaltsführung begründe, stets die Aufwendungen für Wege abziehen könne, die über Entfernungen von 20 km hinausgingen. Darüber hinaus gebe es kein verfassungsrechtliches Gebot, beiderseits berufstätige Ehegatten gegenüber allen anderen Steuerpflichtigen etwa dahingehend zu privilegieren, dass diese auch Aufwendungen für Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bis zu 20 Entfernungskilometern steuerlich abziehen können müssten.
Durch die Neuregelung werde auch das verfassungsrechtliche Gebot der Folgerichtigkeit gewahrt. Dieses werde insbesondere nicht dadurch verletzt, dass ein Abzug der Aufwendungen für Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ab dem 21. Entfernungskilometer typisierend zugelassen werde. Diese Regelung sei vielmehr Ausdruck der sachgerechten Würdigung des Übergangs zum Werkstorprinzip im Licht der Grundrechte und des Verhältnismäßigkeitsprinzips und damit gerade notwendige Voraussetzung für die Vereinbarkeit der Neuregelung mit grundlegenden allgemeinen Verfassungsprinzipien. Ebenso wenig verletzten die Härteregelungen über Familienheimfahrten oder die weiter bestehenden Regelungen über den Abzug notwendiger Mehraufwendungen bei doppelter Haushaltsführung das Gebot der Folgerichtigkeit. Diese Aufwendungen seien nach der Rechtsprechung des BVerfG zwangsläufige Mehraufwendungen für die Vereinbarkeit von Ehe und Beruf, soweit beiderseits berufstätige Ehegatten betroffen seien. An dieser Wertung habe sich mit dem Übergang zum Werkstorprinzip nichts geändert. Denn nach der Neuregelung seien bei der Begründung einer doppelten Haushaltsführung die Wegeaufwendungen desjenigen Ehegatten, der die doppelte Haushaltsführung begründet habe, vor Ort an seinem vom gemeinsamen Familienwohnort abweichenden Beschäftigungsort ebenfalls nur steuerlich abziehbar, soweit sie 20 km überstiegen. Das Werkstorprinzip wirke hier für den betreffenden Ehegatten also am Beschäftigungsort. Die neben den Wegeaufwendungen am Beschäftigungsort anfallenden Aufwendungen für Familienheimfahrten stellten darüber hinausgehende Mehrbelastungen dar, die der Gesetzgeber im Licht des Art. 6 Abs. 1 GG in zulässiger Weise typisierend zum Abzug zulasse. Wenn der Gesetzgeber dabei aus wirtschafts- und sozialpolitischen Gründen und auch aus Vereinfachungsgründen ledigen Steuerpflichtigen diese Härteregelung ebenfalls gewähre, sei dies verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
B.
Entscheidung des Senats
Die Aussetzung des Verfahrens und die Vorlage an das BVerfG sind gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht (BVerfGG) geboten, weil der Senat § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG i.d.F. des StÄndG 2007 insoweit mit dem GG für unvereinbar hält, als die Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte keine Werbungskosten sind und auch nicht in anderer Weise die einkommensteuerliche Bemessungsgrundlage mindern.
I.
Beurteilung am Maßstab des einfachen Rechts
Das FA hat die Vorschriften über die Eintragung eines Freibetrags auf der Lohnsteuerkarte zutreffend angewendet. Auf der Grundlage der einfachgesetzlichen Rechtslage müsste die Revision des Klägers zurückgewiesen werden.
Gemäß § 39a Abs. 1 Nr. 1 EStG werden als vom Arbeitslohn abzuziehender Freibetrag die Werbungskosten eingetragen, die bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit anfallen, soweit sie den Arbeitnehmer-Pauschbetrag (§ 9a Satz 1 Nr. 1 Buchst. a) übersteigen. Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte sind in diesem Sinne keine Werbungskosten (§ 9 Abs. 2 Satz 1 EStG i.d.F. des StÄndG 2007). Sie können, wie im Streitfall geschehen, lediglich ab dem 21. Entfernungskilometer pauschal „wie” Werbungskosten steuerlich berücksichtigt werden (vgl. § 9 Abs. 2 Satz 2 EStG).
II.
Rechtsentwicklung der im Streitfall maßgeblichen Vorschriften
Die im Streitfall einschlägigen Normen des Einkommensteuerrechts haben sich entstehungsgeschichtlich wie folgt entwickelt:
1. Während die Preußischen Einkommensteuergesetze von 1891 und 1906 —entgegen der Rechtsprechung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts— die Kosten für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bei Arbeitnehmern nicht als Werbungskosten anerkannten, wurden diese Kosten gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d EStG vom (RGBl 1920, 359) zum Abzug zugelassen, soweit sie notwendig waren (, BFHE 86, 39, BStBl III 1966, 386). Diese Regelung wurde ohne inhaltliche Änderung im EStG vom (RGBl I 1925, 189; § 16 Abs. 5 Nr. 4) sowie im EStG vom (RGBl I 1934, 1005, RStBl 1934, 1261; § 9 Satz 3 Nr. 4) weitergeführt. § 9 Satz 3 Nr. 4 EStG 1934 wurde unverändert in das EStG vom (BGBl I 1951, 1, BStBl I 1951, 5) übernommen.
2. Durch das Gesetz zur Neuordnung von Steuern vom (BGBl I 1954, 373, BStBl I 1954, 575) wurde § 9 Satz 3 Nr. 4 EStG neu gefasst. Die Beschränkung auf notwendige Fahrtkosten wurde aufgegeben. Zur Abgeltung des Abzugs der Fahrtkosten bei Benutzung eines eigenen Kraftfahrzeugs sollte durch Rechtsverordnung je ein Pauschbetrag für die Benutzung eines Kraftwagens, Motorrads oder Fahrrads mit Motor festgesetzt werden. Aufgrund dieser Ermächtigungsgrundlage wurden gemäß § 26 Abs. 2 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) vom (BGBl I 1955, 756, BStBl I 1955, 710) bzw. gemäß § 20 Abs. 2 Satz 4 Nr. 2 Satz 3 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV) vom (BGBl I 1955, 542, BStBl I 1955, 461) bei Benutzung eines eigenen Kraftfahrzeugs die Aufwendungen durch Pauschbeträge limitiert (je Entfernungskilometer 0,50 DM für Kraftwagen, 0,22 DM für Motorrad und Motorroller und 0,12 DM für Fahrrad mit Motor). Darüber hinaus konnten gemäß § 26 Abs. 1 EStDV bzw. § 20 Abs. 2 Satz 4 Nr. 2 Satz 2 LStDV die Fahrtkosten grundsätzlich nur bis zu einer Entfernung von 40 km als Werbungskosten in Abzug gebracht werden.
3. Das Gesetz zur Änderung des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes vom (BGBl I 1956, 781, BStBl I 1956, 433) erweiterte § 9 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 EStG um die Ermächtigung zur Festsetzung eines besonderen Pauschbetrags für Kleinstkraftwagen. § 26 Abs. 2 EStDV und § 20 Abs. 2 Satz 4 Nr. 2 Satz 3 LStDV wurden daraufhin entsprechend geändert (Art. 1 Nr. 10 der Zweiten Verordnung zur Änderung der EStDV vom , BGBl I 1958, 70, BStBl I 1958, 32, bzw. § 1 Nr. 8 der Verordnung zur Änderung und Ergänzung der LStDV 1955 vom , BGBl I 1956, 979, BStBl I 1957, 34).
4. Die Abziehbarkeit der Kosten für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte wurde durch das Steueränderungsgesetz 1966 vom (BGBl I 1966, 702, BStBl I 1967, 2) im Wesentlichen in der Weise neugestaltet, dass die Regelungen in § 26 EStDV bzw. § 20 Abs. 2 Satz 4 Nr. 2 LStDV modifiziert in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG übernommen wurden. In Satz 2 der Vorschrift wurde die Entfernungsbegrenzung von 40 km für alle Arten von Verkehrsmitteln ausnahmslos festgeschrieben. Der Abzug von Fahrtaufwendungen mit dem eigenen Kraftfahrzeug wurde in Satz 3 geregelt. Dabei wurden die Pauschbeträge auf zwei reduziert, nämlich für solche bei Benutzung eines Kraftwagens einerseits und bei Benutzung eines Motorrads oder Motorrollers andererseits. Diese Maßnahme war mit einer betragsmäßigen Herabsetzung der Pauschbeträge verbunden (bei Benutzung eines Kraftwagens von 0,50 DM auf 0,36 DM und bei Benutzung eines Motorrads oder Motorrollers von 0,22 DM auf 0,16 DM je Entfernungskilometer). Für den Fall, dass dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ein Kraftfahrzeug zur Verfügung gestellt wurde, bestimmte Satz 4 der Vorschrift, dass der Arbeitnehmer höchstens die Pauschbeträge geltend machen durfte. Gemäß dem neu geschaffenen Abs. 2 des § 9 EStG waren die in der Vorschrift genannten Körperbehinderten von den Bestimmungen des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Sätze 3 und 4 EStG ausgenommen.
Für die Herabsetzung der Pauschalen waren nach den Gesetzesmaterialien in erster Linie allgemeine verkehrspolitische Erwägungen maßgebend. Der Gesetzgeber erhoffte sich durch die Kürzung eine Milderung der Verkehrsschwierigkeiten in den Ballungsräumen zu den Hauptverkehrszeiten und eine gewisse Verlagerung des Berufsverkehrs von den Kraftfahrzeugen auf die öffentlichen Verkehrsmittel (BTDrucks V/1068, 23; IV/2661, 87).
5. Das Steueränderungsgesetz 1971 vom (BGBl I 1970, 1856, BStBl I 1971, 8) führte zur Aufhebung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 EStG und damit zum Wegfall der Entfernungsbegrenzung auf 40 km.
6. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG wurde durch das Steuerreformgesetz 1990 vom (BGBl I 1988, 1093, BStBl I 1988, 224) neugefasst. Die Pauschbeträge für Fahrten mit einem eigenen oder zur Nutzung überlassenen Kraftfahrzeug wurden bei Benutzung eines Kraftwagens auf 0,50 DM und bei Benutzung eines Motorrads oder Motorrollers auf 0,22 DM erhöht (Satz 4 der Vorschrift). Für den Veranlagungszeitraum 1989 betrugen die Pauschbeträge 0,43 DM bzw. 0,19 DM (§ 52 Abs. 13 EStG). Nach Satz 2 des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG durften arbeitstägliche Zwischenheimfahrten nur berücksichtigt werden, soweit sie durch einen zusätzlichen Arbeitseinsatz außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit oder durch eine mindestens vierstündige Arbeitszeitunterbrechung veranlasst waren. Fahrten zur Arbeitsstätte von der weiter entfernt liegenden Wohnung waren nur zu berücksichtigen, wenn sie den Mittelpunkt der Lebensinteressen bildete und nicht nur gelegentlich aufgesucht wurde (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 3 EStG).
7. Durch das Steueränderungsgesetz 1991 vom (BGBl I 1991, 1322, BStBl I 1991, 665) wurden die in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 4 EStG genannten Kilometer-Pauschbeträge auf 0,65 DM bzw. 0,30 DM angehoben (für 1991 auf 0,58 DM bzw. 0,26 DM gemäß § 52 Abs. 13 EStG).
8. Das Missbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetz vom (BGBl I 1993, 2310, BStBl I 1994, 50) hob mit Wirkung ab 1994 die Kilometer-Pauschbeträge auf 0,70 DM bzw. 0,33 DM an.
9. Durch das Gesetz zur Einführung einer Entfernungspauschale vom (BGBl I 2000, 1918, BStBl I 2001, 36 —EntfPauschG—) wurden § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 und Abs. 2 EStG völlig neu gefasst. Die bisherigen Kilometer-Pauschbeträge bei Fahrten mit dem eigenen oder zur Nutzung überlassenen Kraftfahrzeug wurden durch eine verkehrsmittelunabhängige gestaffelte Entfernungspauschale von 0,70 DM für die ersten 10 Kilometer bzw. 0,80 DM für jeden weiteren Kilometer, höchstens jedoch 10 000 DM, ersetzt. Aufwendungen für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel konnten in tatsächlicher Höhe angesetzt werden (§ 9 Abs. 2 Satz 2 EStG). Durch die Entfernungspauschalen waren sämtliche Aufwendungen abgegolten (§ 9 Abs. 2 Satz 1 EStG).
Mit der Gesetzesänderung wollte der Gesetzgeber die sozialen Auswirkungen der seinerzeitigen starken Preissteigerungen für Mineralöl auf den Weltmärkten auf Personen und Haushalte, die den damit verbundenen Lasten nicht ausweichen und diese Entwicklung finanziell kaum bewältigen konnten, abfedern (BTDrucks 14/4242, 5).
Die genannten Beträge wurden durch Art. 1 Nr. 10 des Gesetzes zur Umrechnung und Glättung steuerlicher Euro-Beträge vom (BGBl I 2000, 1790, BStBl I 2001, 3) i.d.F. des EntfPauschG auf 0,36 €, 0,40 € und 5 112 € umgestellt.
10. Die erneute Änderung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG durch das Steueränderungsgesetz 2001 vom (BGBl I 2001, 3794, BStBl I 2002, 4) führte u.a. zur Klarstellung, dass sich die Grenze von 10 000 DM/5 112 € auf das Kalenderjahr bezog.
11. Durch das Haushaltsbegleitgesetz 2004 vom (BGBl I 2003, 3076, BStBl I 2004, 120) wurde die Entfernungspauschale in der Weise herabgesetzt, dass ab dem Veranlagungszeitraum 2004 einheitlich für alle Entfernungen nur noch eine Pauschale von 0,30 € je Kilometer Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, höchstens ein Betrag von 4 500 € jährlich in Abzug gebracht werden durfte, es sei denn, der Arbeitnehmer benutzte einen eigenen oder ihm zur Nutzung überlassenen Kraftwagen.
12. Das StÄndG 2007 führte zur Aufhebung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG. Gleichzeitig wurde § 9 Abs. 2 EStG neu gefasst. § 9 Abs. 2 Sätze 1 und 2 EStG lauten nunmehr wie folgt:
„Keine Werbungskosten sind die Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte und für Familienheimfahrten. Zur Abgeltung erhöhter Aufwendungen für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ist ab dem 21. Entfernungskilometer für jeden Arbeitstag, an dem der Arbeitnehmer die Arbeitsstätte aufsucht, für jeden vollen Kilometer der Entfernung eine Entfernungspauschale von 0,30 € wie Werbungskosten anzusetzen, höchstens jedoch 4 500 € im Kalenderjahr; ein höherer Betrag als 4 500 € ist anzusetzen, soweit der Arbeitnehmer einen eigenen oder ihm zur Nutzung überlassenen Kraftwagen benutzt.”
III.
Das Gesetzgebungsverfahren zum StÄndG 2007
Das Gesetzgebungsverfahren stellte sich —soweit es für den Streitfall von Bedeutung ist— wie folgt dar:
1. Ausgangspunkt des StÄndG 2007 waren textgleiche Gesetzentwürfe der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD (BTDrucks 16/1545) und der Bundesregierung (BTDrucks 16/1859). In der Begründung betreffend die Aufhebung der Nr. 4 von § 9 Abs. 1 Satz 3 EStG heißt es u.a. (BTDrucks 16/1545, 13):
„Nach geltendem Recht erhalten Arbeitnehmer, Selbständige und Gewerbetreibende wegen der Aufwendungen für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte/Betriebsstätte eine verkehrsmittelunabhängige Entfernungspauschale von 0,30 Euro für jeden vollen Entfernungskilometer. Bei der Ermittlung der Einkünfte werden diese Aufwendungen nach bisheriger Regelung als Erwerbsaufwendungen (Betriebsausgaben/Werbungskosten) abgezogen. Wegen der Verbindung nicht nur zur Arbeit sondern auch zur Wohnung handelt es sich aber nach überwiegender Auffassung um gemischte Aufwendungen, also um Aufwendungen, die auch die Lebensführung betreffen. Bei gemischten Aufwendungen ist es dem Gesetzgeber möglich, über den Umfang der Abziehbarkeit und Nichtabziehbarkeit zu entscheiden. Bereits heute sind deswegen die Aufwendungen für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nur begrenzt abziehbar. Es ist dem Gesetzgeber darüber hinaus aber auch möglich, die Aufwendungen grundsätzlich als nicht abzugsfähige Ausgaben zu qualifizieren. Die notwendige Haushaltskonsolidierung erfordert eine derartige Einordnung. Die Wege zwischen Wohnung und Berufsstätte oder Arbeitsstätte werden der Privatsphäre zugeordnet; die Neuregelung geht davon aus, dass die Berufssphäre erst am 'Werkstor' beginnt (für diese Möglichkeit bereits: BVerfGE 107, 27 [50]). Die Nummer 4 in § 9 Abs. 1 Satz 3 EStG wird deshalb aufgehoben.
Dabei soll aber nicht unberücksichtigt bleiben, dass eine Reihe von Steuerpflichtigen überdurchschnittlich weite Wege zur Betriebsstätte/Arbeitsstätte zurücklegt. Aus dem Mikrozensus 2004 ergibt sich, dass rd. 83 Prozent der Pendler eine Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte von weniger als 26 km haben; bei rd. 17 Prozent beträgt die Entfernung mehr als 25 km. .”
Zur Änderung des § 9 Abs. 2 EStG heißt es u.a.:
„Satz 1 sieht vor, dass die Aufwendungen für die Wege zwischen Wohnung und Betriebsstätte/Arbeitsstätte grundsätzlich nicht mehr als Erwerbsaufwendungen abgezogen werden dürfen. Die Arbeitssphäre beginnt nach dieser gesetzgeberischen Grundentscheidung am Werkstor: die Aufwendungen für die Wege zwischen Wohnung und Betriebsstätte/Arbeitsstätte werden der Privatsphäre zugerechnet .. Dem Umstand überdurchschnittlicher Entfernung (bei den sog. Fernpendlern) wird dadurch Rechnung getragen, dass Aufwendungen für mehr als 20 Entfernungskilometer in Höhe von 0,30 Euro pro Entfernungskilometer wie Werbungskosten abgezogen werden können (Satz 2). Aus dem Wort 'wie' wird ersichtlich, dass es sich bei der Entfernungspauschale für Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nicht mehr um Werbungskosten handelt, sie aber technisch als solche zu behandeln sind. Dies hat z.B. zur Folge, dass der Arbeitnehmer-Pauschbetrag von 920 Euro (§ 9a Satz 1 Nr. 1 Buchstabe a EStG) und das Verfahren bei der Eintragung eines Freibetrags auf der Lohnsteuerkarte (§ 39a Abs. 1 Nr. 1 EStG) auf sie in gleicher Weise wie bei 'echten' Werbungskosten anzuwenden ist. Das bedeutet: Abzug bei der Einkunftsermittlung und Berücksichtigung im Lohnsteuerermäßigungsverfahren nur, soweit sie zusammen mit anderen Werbungskosten den Arbeitnehmer-Pauschbetrag übersteigen ..”
2. In seiner Stellungnahme zum Entwurf eines StÄndG 2007 hat der Bundesrat die Bundesregierung gebeten, „die im Entwurf vorgesehene Regelung zur Entfernungspauschale auf ihre Verfassungsfestigkeit insbesondere hinsichtlich der Kappungsgrenze von 20 Entfernungskilometern sowie der Einhaltung des steuerlichen Nettoprinzips zu prüfen und den Prüfbericht dem Bundestag und Bundesrat zeitnah zukommen zu lassen” (BRDrucks 330/06; BTDrucks 16/1859 Anlage 2). Die Bundesregierung äußerte sich dazu wie folgt (BTDrucks 16/1969):
„. Der Gesetzgeber hat bei der Schaffung einfachgesetzlichen Rechts einen weiten Einschätzungs- und Gestaltungsfreiraum, der grundsätzlich auch die Entscheidung mit einschließt, einfachgesetzliche Grundentscheidungen zu ändern. Dies hat der Gesetzgeber mit dem Gesetzentwurf zum Steueränderungsgesetz 2007 hinsichtlich der steuerrechtlichen Qualifikation von Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeits- bzw. Betriebsstätte vorgesehen. Aufwendungen für Wege zwischen Wohnung und Arbeits- oder Betriebsstätte werden künftig —unabhängig von der Entfernung— nicht mehr als Werbungskosten angesehen. Alle Fahrten zur Arbeit gelten künftig als ausschließlich privat veranlasst.
Der Gesetzgeber erkennt jedoch, dass die Änderung der Grundentscheidung zu besonderen Härten für Fernpendler führen kann, deren Wohnortwahl oft durch familiäre Erfordernisse bestimmt wird. Diesem Umstand wird dadurch Rechnung getragen, dass im Wege von Härteregelungen der Abzug der Pauschalbeträge für Entfernungen ab dem 21. Kilometer zulässig bleibt. Vor dem Hintergrund, dass von Beschäftigten heute eine erhöhte Mobilität und Flexibilität gefordert wird, hält die Bundesregierung zur Wahrung der sozialen Ausgewogenheit der Regelung und im Hinblick auf Artikel 6 Abs. 1 GG die vorgeschlagene Härtefallregelung für sachgerecht und im Hinblick auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip für verfassungsrechtlich möglich.
Das aus Artikel 3 Abs. 1 GG abgeleitete Prinzip der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit sowie das objektive Nettoprinzip werden gewahrt. Zum objektiven Nettoprinzip, bei dem es sich um eine einfachgesetzliche, durch den Steuergesetzgeber bestimmte Konkretisierung des verfassungsrechtlichen Gebots der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit handelt, hat das Bundesverfassungsgericht bisher offen gelassen, ob die Geltung dieses Prinzips auch verfassungsrechtlich geboten ist (BVerfGE 107, 27 [48]). Indem der Gesetzgeber alle Fahrten zwischen Wohnung und Arbeits- bzw. Betriebsstätte künftig als privat veranlasst ansieht, definiert er den Anwendungsbereich des objektiven Nettoprinzips neu und hält sich somit im Rahmen seines verfassungsrechtlich anerkannten Einschätzungs- und Gestaltungsfreiraums.
Die geänderte Grundentscheidung des Gesetzgebers wird durch den Gesetzentwurf auch folgerichtig umgesetzt. Die sich aus der Änderung der Grundentscheidung ergebenden notwendigen Folgeänderungen wurden vorgenommen.”
3. Darüber hinaus hat die Bundesregierung auch in der Antwort auf eine Kleine Anfrage verschiedener Abgeordneter des Deutschen Bundestags („Verfassungsmäßigkeit und Auswirkungen der Abschaffung der Entfernungspauschale”) die Auffassung vertreten, dass die Zuordnung der Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zur Privatsphäre mit dem GG vereinbar sei (BTDrucks 16/1802).
IV.
Rechtsprechung zu den Verfassungsfragen
1. Mit dem Beschluss in BVerfGE 27, 58, BStBl II 1970, 140 hat das BVerfG entschieden, dass die Herabsetzung der Kilometer-Pauschale von 0,50 DM auf 0,36 DM auf Grund des Steueränderungsgesetzes 1966 mit dem GG vereinbar war. Das Gericht ging davon aus, dass die Einkommensteuer als Personensteuer die steuerliche Leistungsfähigkeit erfassen will. Daraus ergebe sich vor allem das Prinzip der Nettobesteuerung des Einkommens. Danach dürfe bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit nur der Überschuss über die Werbungskosten besteuert werden. Alle beruflich veranlassten Aufwendungen stellten grundsätzlich auch Werbungskosten dar. Das BVerfG ließ es in dieser Entscheidung im Ergebnis dahinstehen, ob dem geltenden Einkommensteuerrecht eine Sachgesetzlichkeit der Nettobesteuerung innewohne. Auch wenn dies zuträfe, könne der Gesetzgeber von diesem Prinzip abweichen, sofern er hierfür sachlich einleuchtende Gründe habe. Solche Gründe sah der Senat seinerzeit als gegeben an, weil für die Kürzung der Pauschale nach den Gesetzesmaterialien in erster Linie allgemeine verkehrspolitische Erwägungen maßgebend gewesen seien. Der Senat bescheinigte dem Gesetzgeber eine weitgehende Gestaltungsfreiheit beim Abbau einer Steuervergünstigung. Dies gelte insbesondere dann, wenn sie in den Rahmen eines Gesamtprogramms zur Herstellung eines ausgeglichenen Haushalts eingefügt werde. Es sei nicht Sache des BVerfG, die vom Gesetzgeber gewählte Lösung daraufhin zu untersuchen, ob sie die gerechteste sei. Trotz der Kürzung der Kilometerpauschale sei das Prinzip der Leistungsfähigkeit im Einkommensteuerrecht erhalten geblieben. Zu einer reinen Verwirklichung dieses Prinzips sei der Gesetzgeber von Verfassungs wegen nicht verpflichtet (vgl. zu dem Beschluss Wieland, Verfassungsfragen der geplanten Streichung der Pendlerpauschale im Einkommensteuerrecht, Rechtsgutachten für die Hans-Böckler-Stiftung, 8).
2. Der Beschluss des BVerfG in BVerfGE 107, 27, BStBl II 2003, 534 bringt den Stand der Rechtsprechung des BVerfG zu den verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Ausgestaltung des Werbungskostenabzugs auch der Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zum Ausdruck (Wieland, a.a.O.). Gegenstand des Beschlusses war die Begrenzung des Abzugs der Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung bei einer Beschäftigung am selben Ort auf insgesamt zwei Jahre durch das Jahressteuergesetz 1996 vom (BGBl I 1995, 1250, BStBl I 1995, 438).
Das Gericht stellt fest, dass die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers im Bereich des Einkommensteuerrechts durch das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und das Gebot der Folgerichtigkeit begrenzt werde (vgl. dazu auch , BVerfGE 110, 412). Der Gesetzgeber müsse im Interesse verfassungsrechtlich gebotener steuerlicher Lastengleichheit darauf abzielen, Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleichhoch zu besteuern und damit horizontale Steuergerechtigkeit herzustellen. Der Gesetzgeber habe bei der Auswahl des Steuergegenstandes und der Bestimmung des Steuersatzes einen weitreichenden Entscheidungsspielraum, jedoch müsse er unter dem Gebot möglichst gleichmäßiger Belastung aller Steuerpflichtigen bei der Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umsetzen. Ausnahmen von einer solchen folgerichtigen Umsetzung bedürften eines besonderen sachlichen Grundes.
Das BVerfG legt dar, dass der Gesetzgeber die für die Lastengleichheit maßgebliche finanzielle Leistungsfähigkeit nach dem objektiven und dem subjektiven Nettoprinzip bemesse. Zwar lässt das BVerfG weiterhin offen, ob das objektive Nettoprinzip über seine einfachrechtliche Geltung hinaus auch verfassungsrechtlich geboten ist. Jedenfalls dürfe der Gesetzgeber das Nettoprinzip beim Vorliegen gewichtiger Gründe durchbrechen. Insoweit entfalte das objektive Nettoprinzip Bedeutung vor allem im Zusammenhang mit den Anforderungen an eine hinreichende Folgerichtigkeit bei der näheren Ausgestaltung der gesetzgeberischen Grundentscheidungen: Zu ihnen gehöre die Beschränkung des steuerlichen Zugriffs nach Maßgabe des objektiven Nettoprinzips als Ausgangstatbestand der Einkommensteuer; Ausnahmen von der folgerichtigen Umsetzung der mit dem objektiven Nettoprinzip getroffenen Belastungsentscheidung bedürften eines besonderen, sachlich rechtfertigenden Grundes.
In Abgrenzung zum einfachgesetzlichen Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 EStG stellt das BVerfG klar, dass es für die verfassungsrechtlich gebotene Besteuerung nach finanzieller Leistungsfähigkeit nicht nur auf die Unterscheidung zwischen beruflichem oder privatem Veranlassungsgrund der Aufwendungen ankomme, sondern auch auf die Unterscheidung zwischen freier oder beliebiger Einkommensverwendung einerseits und zwangsläufigem, pflichtbestimmtem Aufwand andererseits. Die Berücksichtigung privat veranlassten Aufwands stehe nicht ohne weiteres zur Disposition des Gesetzgebers. Dieser habe die unterschiedlichen Gründe, die den Aufwand veranlassten, auch dann im Lichte betroffener Grundrechte differenzierend zu würdigen, wenn solche Gründe ganz oder teilweise der Sphäre der allgemeinen (privaten) Lebensführung zuzuordnen seien.
Das BVerfG bezeichnet es als Grundentscheidung des deutschen Einkommensteuerrechts, die steuerrechtlich erhebliche Berufssphäre nicht erst „am Werkstor” beginnen zu lassen. Auch im Schnittbereich von beruflicher Sphäre und privater Lebensführung liegende Mobilitätskosten würden als Werbungskosten anerkannt. Danach gehörten —hinreichend folgerichtig— vor allem Fahrtkosten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zu den im Rahmen des objektiven Nettoprinzips abzugsfähigen beruflichen Aufwendungen, obwohl solche Aufwendungen wegen der privaten Wahl des Wohnortes zwangsläufig auch privat mitveranlasst seien.
3. Der vorlegende Senat hat im Beschluss vom VI B 42/07 (BStBl II 2007, 799) ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 9 Abs. 2 EStG n.F. geäußert. Im Übrigen hat er, soweit ersichtlich, in der Vergangenheit zu den hier interessierenden Verfassungsfragen nicht Stellung genommen. Unter Bezugnahme auf den Beschluss des BVerfG in BVerfGE 27, 58, BStBl II 1970, 140 hat er allerdings die Verfassungsmäßigkeit eines nicht kostendeckenden Kilometer-Pauschbetrags bejaht (BFH-Entscheidungen vom X R 58/91, BFHE 174, 84, BStBl II 1994, 516, und vom VI B 82/99, BFH/NV 2000, 318; zur Funktion der Pauschbetragsregelung s. , BFHE 209, 508, BStBl II 2005, 785).
4. In der Finanzgerichtsbarkeit hat die Frage der Verfassungsmäßigkeit zu unterschiedlichen Ergebnissen geführt (s. dazu BFH-Beschluss in BStBl II 2007, 799).
V.
Auffassungen zu den aktuellen Verfassungsfragen in der
Literatur
1. Soweit die derzeitige Rechtslage (zu älteren Äußerungen s. Wieland, a.a.O., m.w.N.) als rechtens akzeptiert wird, beruht dies im Wesentlichen auf folgenden Erwägungen: Bei den Aufwendungen für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte handele es sich um gemischte Aufwendungen. Indem der Gesetzgeber diese Aufwendungen durch die Neuregelung ausschließlich der Privatsphäre zugeordnet habe, habe er seinen verfassungsrechtlich anerkannten Einschätzungs- und Gestaltungsfreiraum bei der Schaffung einfachgesetzlichen Rechts in verfassungsrechtlich zulässiger Weise genutzt. Die Aufwendungen seien auch nicht im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG verfassungsrechtlich zwangsläufig. Das Gebot der Folgerichtigkeit sei hinreichend gewahrt. Die steuerliche Berücksichtigung des Aufwands ab dem 21. Entfernungskilometer lasse sich vor Art. 3 Abs. 1 GG als Härteregelung rechtfertigen (vgl. u.a. von Beckerath in Kirchhof, EStG, 7. Aufl., § 9 Rz 352 ff.; Fuhrmann in Korn, § 9 EStG Rz 26.2 ff.; Offerhaus, BB 2006, 129; ders., Festschrift für Bareis, 197 ff.; Wernsmann, DStR 2007, 1149; einschr. Leisner-Egensperger, BB 2007, 639; ebenso Stuhrmann, Neue Juristische Wochenschrift —NJW— 2006, 2513).
2. Die überwiegende Meinung im Schrifttum tritt dem mit unterschiedlicher Begründung und Akzentuierung entgegen. Im Ergebnis sind sich die Autoren darin einig, dass die Neuregelung gegen das verfassungsrechtliche Gebot der folgerichtigen Umsetzung des objektiven Nettoprinzips verstoße. Sie sei nicht durch den verfassungsrechtlich gebotenen besonderen sachlichen Grund gerechtfertigt (vgl. u.a. von Bornhaupt, in: Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, EStG, § 9 Rz F 40 ff.; Blümich/Thürmer, § 9 EStG Rz 541; Zimmer in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 9 Rz 972; Schmidt/Drenseck, EStG, 26. Aufl., § 9 Rz 110; Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach —HHR—, § 9 EStG Rz 633; Brenner, Deutsches Autorecht —DAR— 2007, 441; Wieland, a.a.O.; Tipke, BB 2007, 1525; Lang, Steuer und Wirtschaft —StuW— 2007, 3; Karrenbrock/Fehr, DStR 2006, 1303; Micker, DStR 2007, 1145; Elicker, Der Steuerberater —StB— 2005, 209; Hennrichs, BB 2004, 584; Stahlschmidt, Finanz-Rundschau —FR— 2006, 818; Lenk, BB 2006, 1305; Drenseck, Der Betrieb —DB— 2007, Beilage 2/2007, 7 ff.; ders., FR 2006, 1; Brandt, Datenverarbeitung in Steuer, Wirtschaft und Recht —DSWR— 2006, 168; Weber, Deutsche Steuer-Zeitung —DStZ— 2007, 736; Dziadkowski, Zeitschrift für Steuern und Recht 2007, 477).
VI.
Rechtsauffassung des beschließenden Senats zur Verfassungs-
mäßigkeit der gesetzlichen Regelung
Prüfungsmaßstäbe sind, wie sich vor allem aus der Entscheidung des BVerfG in BVerfGE 107, 27, BStBl II 2003, 534 ergibt, der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG), und, soweit beiderseits beschäftigte Ehegatten betroffen sind, Art. 6 Abs. 1 GG.
1. Nach der Überzeugung des vorlegenden Senats ist § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG nicht mit der bereichsspezifischen Ausprägung des allgemeinen Gleichheitssatzes im Einkommensteuerrecht vereinbar.
Nach der Rechtsprechung des BVerfG ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verfassungsrechtliche Einschränkungen bei der Bestimmung der Besteuerungstatbestände des Einkommensteuerrechts, die der Gesetzgeber zu beachten hat. Dazu zählen vor allem das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und das eng damit verbundene Gebot der Folgerichtigkeit (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 107, 27, BStBl II 2003, 534; vgl. dazu auch Kyrill-A. Schwarz in „Staat im Wort”, Festschrift für Josef Isensee, Heidelberg 2007).
a) Im Interesse der verfassungsrechtlich gebotenen Lastengleichheit (vgl. , BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654; vom 2 BvR 301/98, BVerfGE 101, 297, BStBl II 2000, 162) hat sich der Gesetzgeber dafür entschieden, im Einkommensteuerrecht die objektive finanzielle Leistungsfähigkeit nach dem Saldo aus den Erwerbseinnahmen einerseits und den beruflichen Erwerbsaufwendungen andererseits zu bemessen (objektives Nettoprinzip; vgl. , BVerfGE 99, 280, BStBl II 1999, 502; , BFHE 209, 502, BStBl II 2005, 782; vom VI R 120/01, BFHE 201, 156, BStBl II 2003, 403; zur Bedeutung und Dogmatik des objektiven Nettoprinzips vgl. u.a. Deutscher Juristentag 1988, Sitzungsbericht N, 214; Lang, StuW 2007, 3; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II, 762 ff; ders., BB 2007, 1525; ders. in Festschrift für Raupach, 177; Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, 317 ff.; Drenseck, FR 2006, 1; Jachmann in Brandt, Deutscher Finanzgerichtstag 2005, 59, jeweils m.w.N.). Zwar ist weiterhin offen, ob die Geltung des objektiven Nettoprinzips im Einkommensteuerrecht verfassungsrechtlich geboten ist. Selbst wenn dem so wäre, könnte der Gesetzgeber dieses Prinzip beim Vorliegen gewichtiger Gründe durchbrechen. Bei der Normierung solcher Ausnahmen ist der Gesetzgeber allerdings nicht völlig frei. Insbesondere muss er darauf achten, dass sich die Fälle, in denen er eine beruflich veranlasste Aufwendung nicht als absetzbaren Erwerbsaufwand anerkennt, so weitgehend von allen übrigen Fällen unterscheiden, dass diese unterschiedliche Behandlung im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz sachlich gerechtfertigt ist ( 1 BvL 4, 5, 6, 7/87, BVerfGE 81, 228, BStBl II 1990, 483). Außerdem kann er sich —wie stets bei der Ordnung von Massenerscheinungen— bei der Ausgestaltung generalisierender, typisierender und pauschalierender Regelungen bedienen.
Das objektive Nettoprinzip wird durch das Gebot der Folgerichtigkeit im Einkommensteuerrecht geprägt. Zu den gesetzgeberischen Grundentscheidungen, die im gesamten Einkommensteuerrecht folgerichtig umgesetzt werden müssen, gehört die Beschränkung des steuerlichen Zugriffs nach Maßgabe des objektiven Nettoprinzips als Ausgangstatbestand der Einkommensteuer. Hat der Gesetzgeber, wie im Einkommensteuerrecht, den Steuergegenstand ausgewählt und in einer Bemessungsgrundlage definiert, so muss er die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umsetzen (Wieland, a.a.O.). Zumindest über den Gedanken der Folgerichtigkeit erlangt damit das objektive Nettoprinzip auch verfassungsrechtlich im Rahmen des Art. 3 Abs. 1 GG Bedeutung und zeigt damit trotz seiner zunächst nur einfachgesetzlichen Verankerung Konsequenzen für den verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab auf (Brenner, DAR 2007, 441).
b) Das objektive Nettoprinzip als Grundentscheidung des deutschen Einkommensteuerrechts ist durch die gesetzliche Neuregelung der Behandlung der Fahrtkosten nicht aufgehoben bzw. modifiziert worden. Zwar lässt sich der Gesetzesbegründung entnehmen, dass die Neuregelung Ausdruck einer Aufhebung der Grundentscheidung und ihrer Ersetzung durch das sog. Werkstorprinzip sei (BTDrucks 16/1545, 8, 13). In der Unterrichtung des Bundesrats durch die Bundesregierung heißt es zudem (BTDrucks 16/1969, 1): „Indem der Gesetzgeber alle Fahrten zwischen Wohnung und Arbeits- bzw. Betriebsstätte künftig als privat veranlasst ansieht, definiert er den Anwendungsbereich des objektiven Nettoprinzips neu ..” (vgl. auch DB 2007, 1053).
Nach Auffassung des beschließenden Senats kann daraus jedoch nicht auf die Absicht des Gesetzgebers geschlossen werden, die Grundentscheidung des Einkommensteuerrechts zu Gunsten des objektiven Nettoprinzips aufzuheben. Vielmehr ist damit die Entscheidung des Einkommensteuerrechts für die Abziehbarkeit der Kosten der Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte angesprochen, die das BVerfG in seinem Beschluss in BVerfGE 107, 27, BStBl II 2003, 534 selbst als Grundentscheidung des Einkommensteuerrechts qualifiziert hat. Denn die Grundentscheidung des Einkommensteuerrechts zu Gunsten des objektiven Nettoprinzips wird durch die Neuregelung in ihrem Kern nicht in Frage gestellt. Nach wie vor unterliegt der Einkommensteuer nur das Nettoeinkommen, nämlich der Saldo aus dem Erwerbseinkommen einerseits und den Erwerbsaufwendungen andererseits. Daher sind Aufwendungen für die Erwerbstätigkeit entsprechend § 2 Abs. 2 Nr. 2, § 9 EStG steuerlich abziehbar.
Im Übrigen ist das Nettoprinzip dem Werkstorprinzip auch in seiner Bedeutung als „Grundentscheidung” vorrangig. Das Werkstorprinzip kann nicht den Inhalt des objektiven Nettoprinzips bestimmen oder diesem seine Gestalt geben. Zu prüfen ist vielmehr, ob das Werkstorprinzip mit dem objektiven Nettoprinzip vereinbar ist (Tipke, BB 2007, 1525; Karrenbrock/Fehr, DStR 2006, 1303).
c) Kosten für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sind die einkommensteuerliche Bemessungsgrundlage mindernde Erwerbsausgaben. Sie gehören deshalb zu den im Rahmen des objektiven Nettoprinzips abzugsfähigen Aufwendungen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 107, 27, BStBl II 2003, 534). Sie sind nicht wesentlich privat motiviert. Es handelt sich um Werbungskosten i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG.
aa) Das Veranlassungsprinzip konkretisiert das objektive Nettoprinzip (Lang, StuW 2007, 3). § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG definiert Werbungskosten zwar als Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Die Rechtsprechung hat den Werbungskostenbegriff allerdings dem Begriff der Betriebsausgaben nach § 4 Abs. 4 EStG angeglichen. Werbungskosten liegen danach vor, wenn sie durch den Beruf bzw. durch die Erzielung steuerpflichtiger Einnahmen veranlasst sind. Eine berufliche Veranlassung ist gegeben, wenn ein objektiver Zusammenhang mit dem Beruf besteht und die Aufwendungen subjektiv zur Förderung des Berufs getätigt werden (BFH-Entscheidungen vom VI R 94/01, BFHE 214, 354, BStBl II 2007, 121; in BFHE 201, 156, BStBl II 2003, 403; vom VI R 193/77, BFHE 132, 431, BStBl II 1981, 368; vom VI R 25/78, BFHE 129, 149, BStBl II 1980, 75; vom GrS 2-3/77, BFHE 124, 43, BStBl II 1978, 105; vom GrS 8/77, BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213; vgl. auch von Bornhaupt, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 9 Rz B 152 ff.; HHR/Kreft, § 9 EStG Rz 115 ff.; Schmidt/Drenseck, EStG, 26. Aufl., § 9 Rz 7 ff.; Jachmann in Brandt, a.a.O.; vgl. auch zur Qualifikation der Aufwendungen nach dem Veranlassungsprinzip Tipke in Festschrift für Raupach, 177; Lang, StuW 2007, 3; Jüptner, Leistungsfähigkeit und Veranlassung, Diss. Augsburg, Heidelberg 1989). Dabei kommt es grundsätzlich nicht darauf an, ob die Aufwendungen notwendig, üblich oder zweckmäßig sind (, BFHE 159, 341, BStBl II 1990, 423; HHR/Kreft, § 9 EStG Rz 201).
bb) Nach diesen Grundsätzen sind Kosten für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte allein beruflich veranlasst (BFH-Entscheidungen vom VI 79/60 S, BFHE 74, 513, BStBl III 1962, 192; vom VI R 236/69, BFHE 98, 350, BStBl II 1970, 391; in BFHE 124, 43, BStBl II 1978, 105; vom VI R 125/74, BFHE 115, 322, BStBl II 1975, 607; vom VI R 55/79, BFHE 131, 67, BStBl II 1980, 655; vom VI R 207/84, BFHE 153, 337, BStBl II 1988, 706; gl.A. , Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 2007, 853; Schmidt/Drenseck, EStG, 26. Aufl., § 9 Rz 110; von Bornhaupt, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 9 Rz F 2a; Blümich/Thürmer, § 9 EStG Rz 250 f.; HHR/Bergkemper, § 9 EStG Rz 632; Tipke, BB 2007, 1525; ders., Festschrift für Raupach, 177; Lang, StuW 2007, 3; Drenseck, DB 1987, 2483; ders., FR 2006, 1; Elicker, Entwurf einer proportionalen Netto-Einkommensteuer, 219 ff.; Hennrichs, BB 2004, 584; Stahlschmidt, FR 2006, 818; Karrenbrock/Fehr, DStR 2006, 1303; Jachmann, DAR 1997, 185). Soweit der Senat in der Entscheidung in BFHE 137, 463, BStBl II 1983, 306 eine andere Auffassung vertreten hat, hält er daran nicht mehr fest.
Der Weg zur Arbeitsstätte ist notwendige Voraussetzung zur Erzielung von Einkünften. Da der Arbeitnehmer regelmäßig nicht am Ort seiner beruflichen Tätigkeit wohnt und auch nicht wohnen kann, kann er nur tätig werden, wenn er sich zur Arbeitsstätte begibt. Denkt man sich die Erwerbstätigkeit weg, entfallen die für den Weg zur Arbeitsstätte erforderlichen Aufwendungen. Der beruflich bedingte Veranlassungszusammenhang wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Erwerbstätigkeit grundsätzlich erst in der Arbeitsstätte ausgeübt wird. Denn auch Aufwendungen, die, wie die Fahrtkosten, der Vorbereitung der Erwerbstätigkeit dienen, sind zweifellos Werbungskosten i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG. Selbst wenn der Steuerpflichtige noch keine Einnahmen erzielt, liegen (vorab entstandene) Werbungskosten vor, sofern die Aufwendungen in einem hinreichend konkreten, objektiv feststellbaren Zusammenhang mit späteren Einnahmen stehen (BFH-Urteil in BFHE 201, 156, BStBl II 2003, 403; vgl. dazu auch Tipke in Festschrift für Raupach, 177).
Als Werbungskosten haben die Fahrtaufwendungen entgegen der Auffassung der Vorinstanz und des BMF nicht den Charakter einer steuerlichen Förderung (so aber wohl Offerhaus, Festschrift für Bareis, 197). Konsequenterweise ist § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG a.F. in den Subventionsberichten der Bundesregierung für die Jahre 2001 bis 2006 nicht als Steuervergünstigung aufgeführt (19. Subventionsbericht vom , BTDrucks 15/1635; 20. Subventionsbericht vom , BTDrucks 16/1020). Auch der Wortlaut des § 9 Abs. 1 Satz 3 EStG („Werbungskosten sind auch”) lässt nicht den Schluss zu, dass dieser Satz keine echten Werbungskosten erfasse. Vielmehr macht die Formulierung deutlich, dass hier nur einzelne Fälle von Werbungskosten besonders aufgezählt bzw. exemplifiziert werden sollen (, BFHE 103, 520, BStBl II 1972, 152; Tipke, BB 2007, 1525). Andernfalls müsste für alle in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 bis 7 EStG aufgeführten Positionen Subventionscharakter angenommen werden (Tipke, FR 2007, 962). Das ist jedoch eindeutig nicht der Fall.
cc) Bei den Aufwendungen für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte handelt es sich auch nicht um sog. gemischte Aufwendungen (so aber u.a. von Beckerath in Kirchhof, EStG, 7. Aufl., § 9 Rz 352; Zimmer in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 9 Rz 810 f.; Offerhaus, BB 2006, 129; Söhn, FR 1997, 245; Olbertz, BB 1996, 2489; Micker, DStR 2007, 1145, 1146; Wernsmann, DStR 2007, 1149; Kirchhof, DStR 2003, Beihefter 5 zu Heft 37).
(1) Eine erhebliche private Mitveranlassung kann nicht schon darauf gestützt werden, dass das Wohnen grundsätzlich in den Bereich der privaten Lebensführung fällt. Maßgeblich kann in diesem Zusammenhang zunächst nur sein, ob die Wahl des Wohnorts ausschließlich oder überwiegend privat motiviert ist. Das kann nicht undifferenziert mit der Begründung bejaht werden, die Arbeitnehmer könnten in der Nähe der Arbeitsstätte ihre Wohnungen nehmen. Dieser realitätsferne Zustand darf vom Gesetzgeber nicht unterstellt bzw. eingefordert werden (Tipke, BB 2007, 1525; vgl. auch von Bornhaupt, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG, § 9 Rz F 44; Hennrichs, BB 2004, 584; Karrenbrock/Fehr, DStR 2006, 1303). Es gilt das Gebot realitätsgerechter Tatbestandsgestaltung (BVerfG-Entscheidungen vom 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73, BStBl II 2002, 618; in BVerfGE 107, 27, BStBl II 2003, 534). Aufwendungen für Wege zur Arbeitsstätte sind unumgänglich, selbst wenn der Arbeitnehmer zufällig nahe der Arbeitsstätte wohnt. Die berufliche Veranlassung der Fahrtaufwendungen wird erst recht in den Fällen deutlich, in denen dem Arbeitnehmer, der bisher in der Nähe des Arbeitsplatzes gewohnt hat, nach Verlegung des Betriebssitzes oder Verlustes des Arbeitsplatzes nunmehr erhöhte Wegekosten zum Erreichen seines neuen Arbeitsplatzes entstehen (von Bornhaupt, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 9 Rz F 41).
Nach Auffassung des Senats kann eine Fahrt zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte typischerweise nicht als privat veranlasst qualifiziert werden, wenn sich der Wohnsitz im Einzugsbereich der Arbeitsstätte befindet. Innerhalb einer Distanz von bis zu 20 km kann schwerlich davon ausgegangen werden, ein Arbeitnehmer hätte, würde er allein beruflichen Belangen Rechnung tragen, einen der Arbeitsstätte näheren Wohnsitz wählen können (vgl. dazu Jachmann, DAR 1997, 185; vgl. dazu auch , BFHE 175, 553, BStBl II 1995, 137).
Auch dann, wenn nennenswerte private Gründe die Wohnortwahl beeinflussen, kann daraus nicht auf eine private Mitveranlassung der Fahrtaufwendungen geschlossen werden. Denn die der privaten Lebensführung zuzurechnende Wahl des Wohnorts ist ein der Anwendung des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG vorgelagerter Sachverhalt, der den Veranlassungszusammenhang zwischen Einnahmen und Aufwendungen nicht wesentlich beeinflusst (Blümich/ Thürmer, § 9 EStG Rz 251; HHR/Bergkemper, § 9 EStG Rz 632; Drenseck, DB 1987, 2483; Tipke, BB 2007, 1525; FG Saarland in EFG 2007, 853). Jedenfalls ist der Umstand, dass überhaupt Fahrtkosten anfallen, nicht durch das Wohnen bedingt. Durch die privat motivierte Wohnungswahl werden die daraus resultierenden Ausgaben für den Weg zur Arbeitsstätte noch nicht zu privaten Aufwendungen. Der Zugehörigkeit des Wohnens an sich zur privaten Lebensführung wird dadurch Rechnung getragen, dass die Kosten des Wohnens nicht als Werbungskosten abziehbar sind (Jachmann, DAR 1997, 185). Bei der jeweiligen Fahrt steht das „berufliche” Erfordernis im Vordergrund, den täglichen Weg zur Arbeitsstätte zu bewältigen (, BFHE 135, 37, BStBl II 1982, 297). Die Fahrtaufwendungen stehen in ausschließlicher Kausalrelation zum Beruf und nicht zum Wohnen. Durch die Fahrt zur Arbeitsstätte wird jeweils eine nur berufliche Ursachenkette in Gang gesetzt, die zur Verdrängung anderer Ursachen führt.
Zwar lässt sich nicht leugnen, dass das Wohnen außerhalb der Arbeitsstätte auch eine Bedingung („conditio sine qua non”) für das Entstehen der Fahrtaufwendungen ist. Allerdings kann die sog. Bedingungslehre im Steuerrecht nur eingeschränkt zur Anwendung kommen. Sie ist zur Abgrenzung von beruflicher und privater Sphäre ungeeignet. Würde man sie nicht einschränken, würde das Nettoprinzip aufgelöst. Denn logisch-naturwissenschaftlich besteht zwischen Erwerbsaufwendungen und der privaten Lebensführung stets ein entfernter Zusammenhang (Tipke, Festschrift für Raupach, 177; Lang in Tipke/Lang, Steuerrecht, 18. Aufl., § 9 Rz 219; ders., StuW 2007, 3).
Da für den Steuerzugriff das Nettoeinkommen maßgebend ist, muss sich die Abziehbarkeit der Erwerbsaufwendungen an den tatsächlichen Kosten orientieren. Der Abzug von erwerbsbedingten Fahrtkosten kann daher nicht mit der Begründung verneint werden, dass dem Arbeitnehmer diese Kosten nicht entstanden wären, wenn er seine Wohnung an der Arbeitsstätte genommen hätte. Es bleibt grundsätzlich dem Steuerpflichtigen überlassen, über die Geeignetheit, Notwendigkeit, Vernünftigkeit und Angemessenheit einer Erwerbshandlung zu entscheiden. Das Einkommensteuerrecht verpflichtet die Steuerpflichtigen nicht zu möglichst sparsamen Erwerbsaufwendungen und kennt auch keine Obliegenheit, sparsam zu sein (Wieland, a.a.O.; Hennrichs, BB 2004, 584; Elicker, StB 2005, 209; Tipke, BB 2007, 1525 mit Hinweis auf , RFHE 13, 166).
(2) Eine erhebliche private Mitveranlassung kann auch nicht damit begründet werden, dass zwar die Hinfahrt zur Arbeitsstätte beruflich, die Rückfahrt zur Wohnung dagegen aus privatem Anlass erfolge (Kirchhof, DStR 2003, Beihefter 5 zu Heft 37). Denn zum Einen müssten danach zumindest die Kosten für die Hinfahrt zum Abzug zugelassen werden. Zum Anderen ist die Rückfahrt lediglich die Umkehrung eines beruflich veranlassten Zustands und deshalb ebenfalls erwerbsbedingt (Tipke, Festschrift für Raupach, 177; Drenseck, Gedächtnisschrift für Trzaskalik, 283; BFH-Urteil in BFHE 159, 341, BStBl II 1990, 423 zu Reisekosten). Wer aus Erwerbsgründen zu seiner Arbeit fährt, der muss —anders als der Nichterwerbstätige— auch zurückfahren (Tipke, FR 2007, 962). Dies betrifft nicht nur Fahrten im Rahmen einer Auswärtstätigkeit (vgl. dazu unter B. VI. 1. d bb), sondern auch die Wege zu einer regelmäßigen Arbeitsstätte. Im Übrigen wurden nach der bis Veranlagungszeitraum 2006 geltenden Rechtslage lediglich die Aufwendungen für die einfache Strecke (Entfernungskilometer) berücksichtigt (Hennrichs, BB 2004, 584).
(3) Zudem hat das BVerfG in seiner Entscheidung zur steuerlichen Anerkennung häuslicher Arbeitszimmer, die nach Ansicht des Gerichts wegen deren privater Nutzung zumindest nicht ausschließlich einkommenswirksam motiviert sind, klargestellt, dass der Gesetzgeber wenigstens nicht vollständig eine Anerkennung als Werbungskosten ablehnen darf, wenn ein wesentlicher Teil erwerbsmotiviert genutzt wird. Andernfalls würden deren Charakter und Implikationen für die Leistungsfähigkeit nicht entsprechend genutzt (BVerfG-Urteil in BVerfGE 101, 297, BStBl II 2000, 162; Brenner, DAR 2007, 441).
dd) Für den Senat folgt daraus, dass das Abzugsverbot von Fahrtkosten gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG eine Ausnahme von der folgerichtigen Umsetzung der mit dem objektiven Nettoprinzip getroffenen Belastungsentscheidung darstellt.
Die sich insoweit ergebende Ungleichbehandlung überschreitet die Grenze zulässiger Typisierung, auch wenn nach Auffassung des BMF eine „überdurchschnittliche” Belastung von Pendlern erst ab einem Fahrtweg von mehr als 20 km eintreten kann. Der Gleichheitssatz fordert nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG zwar nicht, dass der Gesetzgeber stets gewillkürten Aufwand berücksichtigen muss; vielmehr kann es der materiellen Gleichheit auch genügen, wenn der Gesetzgeber für bestimmte Arten von Aufwendungen nur den Abzug eines typisiert festgelegten Betrages gestattet (BVerfG-Entscheidungen vom 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, 1, BStBl II 1997, 518; in BVerfGE 101, 297, BStBl II 2000, 162; zur Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers nach der Rechtsprechung des BVerfG vgl. auch Kirchhof, StuW 2006, 3, 15; kritisch dazu Lang, StuW 2007, 1). § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG enthält jedoch keine quantifizierende Regelung in diesem Sinne. Eine (qualifizierende) Bestimmung, die den Abzug von Erwerbsaufwand schon dem Grunde nach verbietet, ist durch die dem Gesetzgeber zustehende Befugnis zur Typisierung nach Auffassung des Senats nicht gedeckt. Es kommt hinzu, dass für eine solche Typisierung kein erkennbares Bedürfnis besteht (vgl. dazu , BVerfGE 71, 146), da die durch die Regelung eintretende ungerechtfertigte Belastung nicht nur eine kleine Zahl, sondern die große Mehrheit der Pendler betrifft und nicht erkennbar ist, dass die Härte nur unter Schwierigkeiten zu vermeiden wäre (, BVerfGE 84, 348).
d) Das Werkstorprinzip wird nicht hinreichend folgerichtig umgesetzt.
Nach der Entscheidung des BVerfG in BVerfGE 107, 27, BStBl II 2003, 534 werden aufgrund der traditionellen Grundentscheidung des deutschen Einkommensteuerrechts, die steuerrechtlich erhebliche Berufssphäre nicht erst „am Werkstor” beginnen zu lassen, auch im Schnittbereich von beruflicher Sphäre und privater Lebensführung liegende Mobilitätskosten als Werbungskosten oder Betriebsausgaben anerkannt. Deshalb „gehören —hinreichend folgerichtig— vor allem Fahrtkosten zu den im Rahmen des objektiven Nettoprinzips abzugsfähigen Aufwendungen, obwohl solche Aufwendungen wegen der privaten Wahl des Wohnorts zwangsläufig auch privat mitveranlasst sind.” Diese Grundentscheidung ist durch die gesetzliche Neuregelung zumindest nicht folgerichtig aufgehoben bzw. geändert worden.
aa) Nach der Gesetzesbegründung soll mit der Neuregelung grundsätzlich dem Werkstorprinzip Geltung verschafft werden, das ausschließlich die Arbeitsstätte der Berufssphäre, das Wohnen dagegen dem Privatbereich zuordnet (BTDrucks 16/1545, 8, 13). Der Senat lässt dahinstehen, ob der Gesetzgeber mit der Neuregelung tatsächlich eine inhaltliche und nicht nur behauptete Hinwendung zum sog. Werkstorprinzip vorgenommen hat (vgl. dazu Wieland, a.a.O.; , EFG 2007, 690). Denn diese (neue) Grundentscheidung unterliegt dem verfassungsrechtlichen Gebot der Folgerichtigkeit. Dem wird sie nicht gerecht. Der Gesetzgeber hat das sog. Werkstorprinzip allenfalls partiell umgesetzt. Die mit der behaupteten Grundentscheidung notwendigerweise verbundenen Folgeänderungen sind ausgeblieben.
(1) Gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG sind die Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte und für Familienheimfahrten keine Werbungskosten. In Abweichung davon sind nach § 9 Abs. 2 Sätze 2 und 3 EStG „zur Abgeltung erhöhter Aufwendungen” für die Wege ab dem 21. Entfernungskilometer eine Entfernungspauschale oder die tatsächlichen Kosten „wie” Werbungskosten anzusetzen. Das bedeutet, dass die Fahrtaufwendungen ab dem 21. Entfernungskilometer im Rahmen der Einkünfteermittlung (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG) in Abzug gebracht werden dürfen, die Aufwendungen bis zu einer Entfernung von 20 Kilometern dagegen steuerlich unberücksichtigt bleiben müssen. Eine solche Differenzierung ist mit dem behaupteten Übergang zum sog. Werkstorprinzip nicht vereinbar, nicht erklärbar und nicht gerechtfertigt. Im Ergebnis führt die Neuregelung zu einer Ungleichbehandlung der Arbeitnehmer, die bis zu 20 Kilometer von ihrer Arbeitsstätte entfernt wohnen, gegenüber den weiter entfernt wohnenden. Im Schrifttum wird zu Recht darauf hingewiesen, dass nunmehr demjenigen, der bis zu einer Entfernung von 20 Kilometern von seiner Arbeitsstätte entfernt wohnt, der Abzug sämtlicher Fahrtaufwendungen abgeschnitten ist, während dem Mitglied einer Fernpendler-Fahrgemeinschaft der Abzug einer Entfernungspauschale zugebilligt wird, die möglicherweise seine tatsächlichen Kosten übersteigt (Drenseck, DB 2007, Beil. 2/2007, 8 f.; vgl. auch von Bornhaupt, in: Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, EStG, § 9 Rz F 47). Ein konsequenter Übergang —seine Vereinbarkeit mit dem objektiven Nettoprinzip unterstellt— läge nur vor, wenn die Kosten der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte generell nicht mehr einkünftemindernd berücksichtigt werden dürften. Eine Regelung, die nur für eine Teilgruppe von Arbeitnehmern gilt, ist keine Grundsatzentscheidung des Einkommensteuerrechts (Wieland, a.a.O.).
Diesem Befund kann nicht entgegen gehalten werden, dass die Bestimmung in § 9 Abs. 2 Satz 2 EStG als Härteregelung (BTDrucks 16/1545, 13; BTDrucks 16/1802, 3) bzw. Billigkeitsmaßnahme zu verstehen sei. Die Unterscheidung zwischen „Werbungskosten” und „Wie"-Werbungskosten ist lediglich terminologischer Natur. Materiell einkommensteuerlich bestehen zwischen beiden Formen des steuerlichen Abzugs keine Unterschiede (Stuhrmann, NJW 2006, 2513). Steuersystematisch handelt es sich in beiden Fällen um Erwerbsaufwendungen i.S. des § 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG. Insoweit konsequent werden die „Wie"-Werbungskosten beispielsweise auf die Werbungskosten-Pauschale nach § 9a Satz 1 Nr. 1a EStG angerechnet. Hätte der Gesetzgeber die Fahrtaufwendungen für Fernpendler als unvermeidbare Privataufwendungen angesehen, wäre systematisch korrekt ein Abzug vom Gesamtbetrag der Einkünfte (vgl. § 2 Abs. 4 EStG) als außergewöhnliche Belastungen in Betracht gekommen. Wenn, wie vom Gesetzgeber angenommen, Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte keine Werbungskosten sind, können sie bei Überschreiten einer bestimmten Höhe nicht zu Werbungskosten vergleichbaren Aufwendungen erstarken.
(2) Die entsprechenden Überlegungen gelten für die nach wie vor bestehende Abzugsmöglichkeit der Kosten bei Familienheimfahrten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung in gleicher Weise (vgl. § 9 Abs. 2 Satz 8 EStG). Diese schon ab dem 1. Entfernungskilometer bestehende Abzugsmöglichkeit ist mit dem Übergang zum sog. Werkstorprinzip nicht vereinbar. Auch hier ist nicht erkennbar, warum die Familienheimfahrten gegenüber anderen Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte privilegiert werden. Hinsichtlich der Mobilitätskosten für die ersten 20 Entfernungskilometer besteht zwischen beiden Fällen kein sachlich begründeter Unterschied. Das vom BMF zur Begründung dieser unterschiedlichen Behandlung angeführte Argument, das Werkstorprinzip finde auch auf den Steuerpflichtigen mit doppelter Haushaltsführung Anwendung, soweit dieser von seiner Wohnung am Beschäftigungsort zur Arbeitsstätte fahre, überzeugt nicht. Vielmehr zeigt dieser Einwand einen weiteren Bruch in der folgerichtigen Umsetzung des Werkstorprinzips. Ist nämlich eine Zweitwohnung am Beschäftigungsort aus beruflichem Anlass begründet (vgl. , BStBl II 2007, 820, und VI R 23/05, BFH/NV 2007, 1994), so ist für die Annahme einer privaten Sphäre zwischen Zweitwohnung und Arbeitsstätte kein Raum. Deshalb können bei konsequenter Befolgung des Werkstorprinzips gerade die Fahrten von der beruflich veranlassten Zweitwohnung am Beschäftigungsort zur Arbeitsstätte nicht von dem zur Prüfung gestellten Abzugsverbot betroffen sein.
(3) Nach § 9 Abs. 2 Satz 11 EStG können Behinderte im Sinne der Vorschrift die tatsächlichen Aufwendungen für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte und für Familienheimfahrten ansetzen. Auch diese Regelung ist, wie das FG Saarland in seinem Beschluss in EFG 2007, 853 zu Recht ausführt, unter der Geltung des Werkstorprinzips nicht gerechtfertigt.
(4) Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 1 EStG sind notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen, Werbungskosten. Eine folgerichtige Verwirklichung des sog. Werkstorprinzips müsste zum Ausschluss dieser Kosten führen (FG Saarland in EFG 2007, 853; Lang, StuW 2007, 3; Tipke, BB 2007, 1525; Paus, DStZ 2006, 518).
Nach dem Beschluss des BVerfG in BVerfGE 107, 27, BStBl II 2003, 534 ist die grundsätzliche Abzugsfähigkeit der Kosten einer beruflich begründeten doppelten Haushaltsführung als Werbungskosten traditioneller Teil der Grundentscheidung des deutschen Einkommensteuerrechts, die steuerrechtlich erhebliche Berufssphäre nicht erst am sog. Werkstor beginnen zu lassen. Deshalb werden Mobilitätskosten wie vor allem Fahrtkosten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte als Werbungskosten anerkannt. Wenn der Gesetzgeber, wie behauptet, diese traditionelle Grundentscheidung zu Gunsten des sog. Werkstorprinzips aufgibt, sind davon zumindest sämtliche Mobilitätskosten betroffen. Dazu zählen neben den Kosten für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte insbesondere auch die Mehraufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung. Nach der Neuregelung ist aber der Abzug dieser Mehraufwendungen als Werbungskosten bzw. „Wie"-Werbungskosten (Familienheimfahrten gemäß § 9 Abs. 2 Satz 7 EStG) weiterhin möglich (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG; vgl. dazu Schmidt/Drenseck, EStG, 26. Aufl., § 9 Rz 155), der Abzug des nach Meinung des Gesetzgebers auch beruflich mitveranlassten Mehraufwands wegen der Fahrten zur Arbeitsstätte dagegen nicht (§ 9 Abs. 2 Satz 1 EStG). Diese unterschiedliche steuerliche Behandlung ist, wie die zitierte Entscheidung des BVerfG bereits hinreichend deutlich macht, sachlich nicht gerechtfertigt. Es handelt sich um Aufwendungen gleicher Veranlassung. Infolgedessen hatte bislang der Arbeitnehmer nach ständiger Rechtsprechung des Senats ein Wahlrecht, entweder die Aufwendungen für sämtliche Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte oder die notwendigen Mehraufwendungen aus Anlass der doppelten Haushaltsführung (nur eine Familienheimfahrt pro Woche, Unterkunftskosten etc.) als Werbungskosten geltend zu machen (, BFHE 169, 190, BStBl II 1993, 113, m.w.N.).
(5) Die vom Gesetzgeber beabsichtigte Zuordnung der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zum Privatbereich betrifft nicht nur die Aufwands-, sondern auch die Einnahmenseite. Dies ist bei der gesetzlichen Neuregelung nicht ausreichend beachtet worden.
Nach § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG ist für die Bewertung des geldwerten Vorteils, der dem Arbeitnehmer aus der Privatnutzung eines betrieblichen Kraftfahrzeugs erwächst, § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG entsprechend anzuwenden. Danach ist die private Nutzung eines Kraftfahrzeugs für jeden Kalendermonat mit 1 % des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattungen einschließlich der Umsatzsteuer anzusetzen. Kann vom Arbeitnehmer das Kraftfahrzeug auch für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte genutzt werden, erhöht sich der so ermittelte Nutzungswert monatlich für jeden Entfernungskilometer zwischen Wohnung und Arbeitsstätte um 0,03 % des Listenpreises (§ 8 Abs. 2 Satz 3 EStG).
Der Zuschlag nach § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG ist nur gerechtfertigt, wenn die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte der Erwerbssphäre zugeordnet werden. Bei einer Zuordnung der Fahrten zur Privatsphäre greift die Abgeltungswirkung der 1 %-Regelung. Der Gesetzgeber hätte deshalb zur Vermeidung einer Überbesteuerung konsequenterweise die Zuschlagregelung in § 8 Abs. 2 EStG betreffend Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte aufheben müssen. Das ist jedoch unterblieben. Nach wie vor unterscheidet die Vorschrift, wie aufgezeigt, zwischen Privatfahrten einerseits und solchen zwischen Wohnung und Arbeitsstätte andererseits. Es entspricht nicht dem Gebot der Folgerichtigkeit, auf der Einnahmenseite eine andere systematische Einordnung der Fahrtkosten zugrunde zu legen als auf der Ausgabenseite (HHR/Birk/Kister, § 8 EStG Rz 96; Blut, DStR 2007, 572).
Nicht folgerichtig ist nach Auffassung des Senats die durch das StÄndG 2007 eingeführte Vorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG (FG Saarland in EFG 2007, 853). Danach gelten bei der Nutzungswertermittlung i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG die Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte und Familienheimfahrten als betriebliche und nicht als private Fahrten (zur Begründung vgl. BTDrucks 16/1545, 12; vgl. auch HHR/Hick, Jahresband 2007, § 6 EStG Rz J 06-3 ff.).
bb) Mit der Begründung, die Berufssphäre beginne erst am Werkstor, müssten auch andere außerhalb dieser Sphäre anfallende, dem Erwerb dienende Ausgaben vom Werbungskostenabzug ausgeschlossen werden. Diese Konsequenz hat der Gesetzgeber jedoch nicht gezogen. Vielmehr stellen solche Aufwendungen unter den Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG nach wie vor Werbungskosten dar. § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG nimmt ausdrücklich nur die Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte und für Familienheimfahrten vom Werbungskostenabzug i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG aus. Eine einschränkende Auslegung dieser Grundnorm „im Lichte” des § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG scheidet aus.
(1) Zu den nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG abziehbaren Mobilitätskosten zählen Aufwendungen für sonstige Fahrten des Steuerpflichtigen von seiner Wohnung zum Ort der Erwerbstätigkeit und zurück. Das kann etwa bei Fahrtkosten im Zusammenhang mit einer Reisetätigkeit der Fall sein. Entsprechendes gilt beispielsweise für von der Wohnung angetretene Fahrten zu Vorstellungsgesprächen, Fortbildungsveranstaltungen oder Kongressen. Zu den als Werbungskosten zu berücksichtigenden Mobilitätskosten gehören auch die Aufwendungen für beruflich veranlasste auswärtige Übernachtungen am Ort der regelmäßigen Arbeitsstätte (, BFHE 207, 225, BStBl II 2004, 1074).
Als Reisekosten können Fahrtaufwendungen gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG pauschal oder in tatsächlicher Höhe uneingeschränkt geltend gemacht werden. Die Einschränkungen des Werbungskostenabzugs gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG a.F. kommen bei Auswärtstätigkeiten nicht zur Anwendung. Dies gilt auch, soweit es hier von Bedeutung ist, für die Wege zwischen Wohnung und auswärtiger Tätigkeitsstätte und zurück (BFH-Urteile in BFHE 209, 508, BStBl II 2005, 785; vom VI R 15/04, BFHE 209, 515, BStBl II 2005, 788; zu Zwischenheimfahrten vgl. , BFH/NV 1993, 716; Schmidt/Drenseck, EStG, 26. Aufl., § 9 Rz 120). Die Finanzverwaltung teilt diese Auffassung (vgl. R 9.5 i.V.m. H 9.5 (Allgemeines) des Amtlichen Lohnsteuer-Handbuchs 2008). Der Einwand, es handele sich insoweit nicht um Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, ist unter dem Aspekt der Folgerichtigkeit nicht relevant (Tipke, BB 2007, 1525). Denn auch hier ist wie im Fall des § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG die nach dem Willen des Gesetzgebers dem Privatbereich zuzuordnende Wohnung Ausgangspunkt der jeweiligen Fahrt.
(2) Ebenfalls nicht vereinbar mit der genannten These ist der Abzug beruflich bedingter Umzugskosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG.
Nach ständiger Rechtsprechung sind Umzugskosten Werbungskosten, wenn der Umzug dienstlich veranlasst ist. Ein dienstlicher Anlass liegt nicht nur beim erstmaligen Antritt einer Stellung oder beim Wechsel des Arbeitgebers vor, sondern auch, wenn durch den Umzug der erforderliche Zeitaufwand für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte wesentlich vermindert wird (, BFHE 212, 456, BStBl II 2006, 598, m.w.N.; Schmidt/Drenseck, EStG, 26. Aufl., § 19 Rz 60, Stichwort „Umzugskosten”).
Werden die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte unter Berufung auf das Werkstorprinzip dem Privatbereich zugeordnet, müssten konsequenterweise auch die Kosten für den Umzug in die Nähe des Werkstores vom Abzug ausgeschlossen sein (Paus, DStZ 2006, 518). Diese Konsequenz hat der Gesetzgeber jedoch nicht gezogen. Vielmehr ist in den genannten Fällen der Werbungskostenabzug gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG möglich.
(3) Da die Reichweite des Werkstorprinzips nicht allein auf die bislang behandelten Kosten der Mobilität eines Arbeitsnehmers beschränkt sein kann, ergeben sich hinsichtlich der folgerichtigen Umsetzung dieses Prinzips noch weiter gehende Zweifel. Im Schrifttum wird zu Recht darauf hingewiesen, dass über die genannten Beispielsfälle hinaus die Verallgemeinerung der These, die Berufssphäre beginne am Werkstor („job inside, privacy outside”), letztlich auch zur Konsequenz hat, dass entgegen § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG sämtliche vorweggenommenen und nachträglichen Erwerbsaufwendungen nicht mehr erwerbsmindernd berücksichtigt werden dürften (Tipke, BB 2007, 1525).
cc) Selbst wenn die Aufwendungen für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte als gemischt veranlasst zu werten wären, wird die Entscheidung, im Schnittbereich von beruflicher Sphäre und privater Lebensführung liegende Aufwendungen ausschließlich dem Bereich der Privatsphäre zuzuordnen, nur dann im Sinne einer Belastungsgleichheit folgerichtig umgesetzt, wenn sie sich auf sämtliche gemischt veranlassten Aufwendungen erstreckt. Dies hat der Gesetzgeber nicht beachtet. Er hat nur die nach seiner Auffassung gemischt veranlassten Kosten für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte als nicht (mehr) erwerbsveranlasst qualifiziert. Für die steuerliche Behandlung sonstiger gemischt veranlasster Aufwendungen ist die Rechtslage dagegen unverändert geblieben.
Zwar verbietet § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG nach der Auslegung, die diese Vorschrift durch die Rechtsprechung des Großen Senats des BFH bisher erfahren hat (Beschlüsse vom GrS 2/70, BFHE 100, 309, BStBl II 1971, 17; in BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213), den Abzug von Aufwendungen, die sowohl der privaten Lebensführung dienen als auch den Betrieb fördern. Die Rechtsprechung des BFH hat das sog. Aufteilungs- und Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG allerdings seit jeher einschränkend dahin ausgelegt, dass es nicht anzuwenden ist, wenn das Hineinspielen der Lebensführung unbedeutend ist und nicht ins Gewicht fällt oder wenn und soweit sich der dem Beruf dienende Teil der Aufwendungen nach objektiven Maßstäben mit Sicherheit und leicht —gegebenenfalls im Wege der Schätzung— abgrenzen lässt (vgl. im Einzelnen BFH-Beschluss in BFHE 214, 354, BStBl II 2007, 121 mit Hinweis auf die überwiegend gegenteiligen Auffassungen im Schrifttum; zu Beispielsfällen vgl. Schmidt/Drenseck, EStG, 26. Aufl., § 12 Rz 13).
Daraus folgt, dass unter den genannten einschränkenden Voraussetzungen der Werbungskostenabzug (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG) auch gemischt veranlasster Aufwendungen ganz oder teilweise zulässig ist (zu Kraftfahrzeug-Kosten vgl. BFH-Beschluss in BFHE 100, 309, BStBl II 1971, 17). Es erscheint nicht sachgesetzlich, von dieser Abzugsmöglichkeit allein die Aufwendungen für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte auszunehmen.
2. § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG stellt eine Ausnahme von der folgerichtigen Umsetzung der mit dem objektiven Nettoprinzip getroffenen Belastungsentscheidung dar. Diese Ausnahme ist nicht durch einen besonderen, sachlichen Grund gerechtfertigt (FG Niedersachsen und Saarland in EFG 2007, 690 bzw. 853).
Die Neuregelung wird in der Gesetzesbegründung lediglich finanzpolitisch („Haushaltskonsolidierung”) gerechtfertigt (BTDrucks 16/1545, 8, 13). Lenkungseffekte werden als Rechtfertigung nicht genannt und sind auch nicht tatbestandlich vorgezeichnet (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 27, 58, BStBl II 1970, 140; zur Bedeutung von Förderungs- und Lenkungszwecken vgl. auch , BVerfGE 116, 164). Sie sind zudem nicht ersichtlich. Insbesondere kommen verkehrs- oder umweltpolitische Gründe nicht in Betracht (vgl. dazu FG Saarland in EFG 2007, 853; Wieland, a.a.O.).
Die Haushaltskonsolidierung allein liefert für sich genommen noch keinen sachlichen Grund für Ungleichbehandlungen (Osterloh, in Sachs, Grundgesetz, 4. Aufl., Art. 3 Rz 145) und rechtfertigt deshalb die Sonderbelastung der Pendler nicht (Tipke, BB 2007, 1525; vgl. auch BVerfG-Beschluss in BVerfGE 116, 164). Zwar kann die Verringerung der pauschalierten Werbungskosten und damit die entsprechende Erhöhung der Erträge der Einkommensteuer gerechtfertigt sein, wenn diese Maßnahme im Rahmen eines inhaltlichen Gesamtprogramms zur Herstellung eines ausgeglichenen Haushalts eine Konsolidierungsrolle einnimmt (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 27, 58, BStBl II 1970, 140). Fiskalische Erwägungen dieser Art rechtfertigen jedoch kein Sonderopfer der Arbeitnehmer durch Nichtabziehbarkeit der Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (von Bornhaupt, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 9 Rz F 46; Wieland, a.a.O.).
3. Geht man mit dem Gesetzgeber davon aus, dass die Aufwendungen für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte keine Werbungskosten i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG sind, verstößt die Neuregelung nach Auffassung des Senats gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) in der Ausprägung des Grundsatzes der Besteuerung nach der subjektiven Leistungsfähigkeit. Dieser Grundsatz verlangt, dass unvermeidbare Ausgaben, die in der privaten Sphäre anfallen, die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer mindern (, BFHE 211, 351, BStBl II 2006, 312). Aufwendungen, die nicht nur in objektivem Zusammenhang mit einer steuerbaren Tätigkeit stehen, sondern zur Einnahmenerzielung erforderlich sind (notwendige Erwerbsaufwendungen), sind unvermeidbare Ausgaben in diesem Sinne. Durch sie wird die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen gemindert (Jachmann, DAR 1997, 185).
a) Für den Bereich des subjektiven Nettoprinzips ist das Verfassungsgebot der steuerlichen Verschonung des Existenzminimums des Steuerpflichtigen und seiner unterhaltsberechtigten Familie zu beachten. Wie weit über den Schutz des Existenzminimums hinaus auch sonstige unvermeidbare oder zwangsläufige private Aufwendungen bei der Bemessungsgrundlage einkommensmindernd zu berücksichtigen sind, ist zwar verfassungsrechtlich bislang noch nicht abschließend geklärt. Entschieden ist jedoch, dass es für die verfassungsrechtlich gebotene Besteuerung nach finanzieller Leistungsfähigkeit nicht nur auf die Unterscheidung zwischen beruflichem oder privatem Veranlassungsgrund für Aufwendungen ankommt, sondern jedenfalls auch auf die Unterscheidung zwischen freier oder beliebiger Einkommensverwendung einerseits und zwangsläufigem, pflichtbestimmtem Aufwand andererseits. Die Berücksichtigung privat veranlassten Aufwands steht nicht ohne weiteres zur Disposition des Gesetzgebers. Dieser hat die unterschiedlichen Gründe, die den Aufwand veranlassen, auch dann im Lichte betroffener Grundrechte differenzierend zu würdigen, wenn solche Gründe ganz oder teilweise der Sphäre der allgemeinen (privaten) Lebensführung zuzuordnen sind (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 107, 27, BStBl II 2003, 534, m.w.N.).
b) Nach diesen Grundsätzen entstehen die Kosten, die für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte aufzubringen sind, den Arbeitnehmern zwangsläufig (FG Niedersachsen in EFG 2007, 690; FG Saarland in EFG 2007, 853; Lang, StuW 2007, 3; Tipke, Festschrift für Raupach, 177; ders., BB 2007, 1525; Brenner, DAR 2007, 441; Hennrichs, BB 2004, 584; Karrenbrock/Fehr, DStR 2006, 1303; Drenseck, Gedächtnisschrift für Trzaskalik, 283, 292; ders. in Schmidt, EStG, 26. Aufl., § 9 Rz 110). Betroffen sind insbesondere die Grundrechte aus Art. 11, 12 und Art. 6 Abs. 1 GG.
aa) Fahrtaufwendungen entstehen zwar nicht mit der gleichen Zwangsläufigkeit wie der Sicherung des Existenzminimums dienende Leistungen. Dennoch können sich ihnen die Steuerpflichtigen nicht beliebig entziehen, wie dies bei anderen privaten Aufwendungen der Fall ist. Denn ohne Fahrt zur Arbeitsstätte kann der Steuerpflichtige regelmäßig nicht arbeiten und folglich keine Einnahmen erzielen. Die Fahrtkosten sind somit zur Existenzsicherung unvermeidlich. Sie können nur dadurch vermeiden werden, dass die erwerbstätigen Steuerpflichtigen stets dorthin ziehen, wo sie eine Erwerbstätigkeit gefunden haben. Das zu erwarten und zuzumuten, verletzt das Grundrecht der Freizügigkeit (Art. 11 GG; Tipke, Festschrift für Raupach, 177, 185; Elicker, Entwurf einer proportionalen Netto-Einkommensteuer, 221 ff.); erwartet wird dadurch auch eine Unmöglichkeit (zur Bedeutung des Gebots der realitätsgerechten Tatbestandsgestaltung vgl. BVerfG-Entscheidungen in BVerfGE 105, 73, BStBl II 2002, 618; in BVerfGE 107, 27, BStBl II 2003, 534). Es kann nicht jeder in oder in der Nähe seiner Arbeitsstätte wohnen (FG Niedersachsen in EFG 2007, 690). Deshalb stellt auch das Werkstorprinzip lediglich eine Fiktion dar. Zumindest bis zu einer gewissen Entfernung sind Aufwendungen für die Wege zur Arbeit im Regelfall unumgänglich.
Entgegen der Auffassung des FA und des BMF kann der Wohnort nicht regelmäßig frei gewählt werden. Zu berücksichtigen sind der Wohnungsmarkt, die finanziellen Verhältnisse, die Bedürfnisse der Familie und andere Zwänge (vgl. dazu Wesselbaum-Neugebauer, FR 2004, 385, 386; Tipke, BB 2007, 1525). Die Forderung, trotz dieser Zwänge an das Werkstor zu ziehen, kann den Steuerpflichtigen veranlassen, den Beruf oder Arbeitgeber zu wechseln oder sogar seine Erwerbstätigkeit einzustellen. Dies bedeutet jedoch eine Einschränkung der von Art. 12 GG geschützten Berufswahlfreiheit. Soweit der Steuerpflichtige wegen seiner Familie in größerer Entfernung von seiner Arbeitsstätte wohnt und deshalb entsprechende Fahrtaufwendungen auf sich nehmen muss, hat dem der Steuergesetzgeber im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 GG Rechnung zu tragen. Denn Art. 6 Abs. 1 GG ist grundsätzlich verletzt, wenn eine steuerliche Mehrbelastung darauf basiert, dass ein Steuerpflichtiger verheiratet ist oder eine Familie hat (Jachmann, DAR 1997, 185).
bb) Die Zwangsläufigkeit ist vor allem dann offenkundig, wenn der Arbeitnehmer mehrere Berufstätigkeiten an verschiedenen Orten ausübt (z.B. Nebenerwerbslandwirt), wenn er seine Arbeitsstelle verliert oder der Betriebssitz des Arbeitgebers wechselt und mangels Alternativen an einem auswärtigen Ort eine neue Arbeit aufgenommen werden muss. Entsprechendes gilt in den Fällen befristeter Beschäftigungsverhältnisse oder Kettenabordnungen (FG Niedersachsen in EFG 2007, 690; Micker, DStR 2007, 1145; Lenk, BB 2006, 1305). Die Fahrtaufwendungen sind hier keine Mittel, die zur Befriedigung beliebiger Bedürfnisse eingesetzt werden (vgl. dazu BVerfG-Beschlüsse vom 2 BvR 1057, 1226, 980/91, BVerfGE 99, 216, BStBl II 1999, 182; vom 1 BvL 12/86, BVerfGE 89, 346, BStBl II 1994, 307). Den Arbeitnehmern ist es aus familiären und sozialen Gründen nicht zumutbar, ihren (Familien-)Wohnsitz bei jedem Arbeitsplatzwechsel aufzugeben und jeweils dauerhaft in die Nähe des neuen Arbeitsplatzes zu verlegen (FG Saarland in EFG 2007, 853; Drenseck, Gedächtnisschrift für Trzaskalik, 283, 293). Hier sind die Grundrechte aus Art. 6 Abs. 1 und Art. 12 GG berührt.
cc) Insbesondere in den Fällen beiderseits berufstätiger Ehegatten bedarf die behauptete freie Wahl des Wohnorts im Licht des durch Art. 6 Abs. 1 GG gewährleisteten Schutzes der Ehe und Familie einer umfassenden Würdigung (vgl. dazu auch unter B. VI. 3. der Gründe). Denn wenn die Ehepartner —wie im Streitfall— an verschiedenen Orten arbeiten, steht ihnen tatsächlich nicht mehr frei, den Wohnort unabhängig von familiären Bindungen und nur abhängig von der Arbeitsstätte zu wählen (Brenner, DAR 2007, 441). Den Ehegatten bleibt nur die „Wahl” zwischen „Fahrt oder Fahrt” (Hennrichs, BB 2004, 584). Das gilt im Hinblick auf Art. 12 GG auch dann, wenn die Eheleute an näher zusammenliegenden Orten eine Arbeitsstelle finden könnten. Nach dem Ehebild des GG sind beide Ehepartner gleichberechtigt und frei in der Entscheidung, welche Rolle jeder Ehepartner im Rahmen der Gestaltung des Ehelebens übernimmt (Jachmann, DAR 1997, 185).
dd) Der Befund, dass Fahrtkosten zwangsläufiger pflichtbestimmter Aufwand sind, kann nicht mit dem Hinweis auf die sog. Härteregelung für die Fernpendler (§ 9 Abs. 2 Satz 2 ff. EStG) in Frage gestellt werden. Denn das Einkommensteuerrecht ist auf die Leistungsfähigkeit des einzelnen Steuerpflichtigen hin angelegt. Ob eine „Härte” vorliegt, hängt von der Höhe des Einkommens ab. Wer ein geringes Einkommen bezieht, kann bei einer Entfernung von 15 km im Hinblick auf sein disponibles Einkommen härter betroffen sein als ein Pendler mit hohem Einkommen bei einer Entfernung von 25 oder 75 km (Tipke, BB 2007, 1525), zumal wenn diesem als Mitfahrer einer Fernpendler-Fahrgemeinschaft nur anteilige oder keine Wegekosten entstehen. Die vom BMF vorgenommene Differenzierung zwischen durchschnittlicher (bei Entfernung bis 20 km) und überdurchschnittlicher (ab 21. Entfernungskilometer) Belastung von Pendlern ist auch auf der Grundlage der dem Gesetzgeber „im Rahmen der im gewaltenteilenden Verfassungsstaat ihm zugewiesenen Typisierungsbefugnis” nicht gerechtfertigt. Auch wenn man davon ausgeht, dass gerade bei extremen Fernpendlern private Motive für den Wohnsitzwechsel nicht mehr von untergeordneter Bedeutung sind, erscheint die Härteregelung in sich widersprüchlich, weil sie gerade diejenigen begünstigt, die sich nicht der Mühe unterziehen, ihren Wohnsitz in der Nähe ihres Arbeitsplatzes zu nehmen.
c) Nach Auffassung der FG Niedersachsen und Saarland in EFG 2007, 690 bzw. 853 kann die Neuregelung bei Geringverdienern mit hinreichend hohen Fahrtkosten zu einem Verstoß gegen das Verfassungsgebot der steuerlichen Verschonung des Existenzminimums des Steuerpflichtigen und seiner unterhaltsberechtigten Familienangehörigen führen (vgl. dazu BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 107, 27, BStBl II 2003, 534; vom 2 BvL 42/93, BVerfGE 99, 246, BStBl II 1999, 174; vom 2 BvL 5, 8, 14/91, BVerfGE 87, 153, BStBl II 1993, 413; BFH-Beschluss in BFHE 211, 351, BStBl II 2006, 312). Dieser Ansicht schließt sich der Senat an (ebenso Karrenbrock/Fehr, DStR 2006, 1303; Lenk, BB 2006, 1305; Micker, DStR 2007, 1145; Leisner-Egensperger, BB 2007, 639; vgl. auch Jachmann, DAR 1997, 185).
Das Verfassungsgebot der steuerlichen Verschonung des Existenzminimums und das Gebot der Folgerichtigkeit werden verletzt, wenn durch den in Rede stehenden Paradigmenwechsel Kosten für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nicht mehr als Erwerbsaufwand, sondern als Kosten der privaten Lebensführung qualifiziert werden, aber der Gesetzgeber es unterlässt, den einkommensteuerrechtlichen Grundfreibetrag entsprechend anzupassen. Soweit das BMF demgegenüber geltend macht, dass Aufwendungen für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nicht Teil des existenznotwendigen sächlichen Bedarfs seien, kann dem nicht gefolgt werden. Denn die Fahrtkosten sind nicht nur, wie bereits ausgeführt, zur Existenzsicherung unvermeidlich. Ihre einkommensteuerliche Berücksichtigung ergibt sich auch aus dem Sozialhilferecht, das eine das Existenzminimum quantifizierende Vergleichsebene bietet. Danach muss der Gesetzgeber dem Einkommensbezieher von dessen Erwerbsbezügen mindestens das belassen, was er dem Bedürftigen zur Befriedigung seines existenznotwendigen Bedarfs aus öffentlichen Mitteln zur Verfügung stellt (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 99, 246, BStBl II 1999, 174).
Mit diesem Grundsatz ist nicht in Übereinstimmung zu bringen, wenn einerseits das Einkommensteuerrecht Aufwendungen für Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nicht (mehr) als Teil des existenznotwendigen Bedarfs betrachtet, aber andererseits das derzeit geltende Sozialhilferecht (weiter) das anzurechnende Einkommen sozialhilferechtlicher Leistungsempfänger um die mit ihrer Einkommenserzielung verbundenen notwendigen Ausgaben kürzt (§ 11 Abs. 2 des Sozialgesetzbuchs Zweites Buch —SGB II—, § 82 Abs. 2 des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch —SGB XII—) und zu diesen notwendigen Ausgaben —so ausdrücklich die dazu ergangenen Durchführungsverordnungen— auch die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zählen. Denn nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (BGBl I 2004, 2622) bzw. § 6 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b der genannten Verordnung i.d.F. vom (BGBl I 2007, 2942) sind vom Einkommen der Hilfebedürftigen bei Benutzung eines Kraftfahrzeugs für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte 0,20 € für jeden Entfernungskilometer der kürzesten Straßenverbindung abzusetzen.
Für das anzurechnende Einkommen der nach SGB XII Leistungsberechtigten gilt Entsprechendes. Denn auch nach § 3 Abs. 6 Nr. 2 Buchst. a der Verordnung zur Durchführung des § 82 SGB XII (BGBl I 1962, 692, zuletzt geändert durch Art. 11 des Verwaltungsvereinfachungsgesetzes vom , BGBl I 2005, 818) ist für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte für die ersten 40 Kilometer das Einkommen um monatliche Pauschbeträge von 5,20 € für jeden vollen Kilometer, den die Wohnung von der Arbeitsstätte entfernt liegt, zu kürzen. Bei 20 Arbeitstagen im Monat entspricht dies einer Entfernungspauschale von 0,26 € je Kilometer.
4. Die Neuregelung genügt im Fall beiderseits berufstätiger Ehegatten, um die es hier geht, nicht den Maßstäben des Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG (FG Saarland in EFG 2007, 853; FG Niedersachsen in EFG 2007, 690; von Bornhaupt, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 9 Rz F 48; Brenner, DAR 2007, 441; Leisner-Egensperger, BB 2007, 639; Micker, DStR 2007, 1145; Karrenbrock/Fehr, DStR 2006, 1303; Hennrichs, BB 2004, 584; Stahlschmidt, FR 2006, 818).
Der besondere verfassungsrechtliche Schutz von Ehe und Familie gemäß Art. 6 Abs. 1 GG erstreckt sich auf die „Alleinverdienerehe” ebenso wie auf die „Doppelverdienerehe”. In der Entscheidung des BVerfG in BVerfGE 107, 27, BStBl II 2003, 534 heißt es:
„Den gebotenen Schutz der 'Doppelverdienerehe' verfehlt der Einkommensteuergesetzgeber, wenn er Aufwendungen, die für beiderseits berufstätige Ehegatten zwangsläufiger Aufwand für die Vereinbarkeit von Ehe und Beruf unter Bedingungen hoher Mobilität sind, nach Ablauf von zwei Jahren mit beliebig disponibler privater Einkommensverwendung gleichsetzt und für die Bemessung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Ehegatten unberücksichtigt lässt. Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG gebietet es, Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung bei der Bemessung der finanziellen Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen, soweit es sich um zwangsläufigen Mehraufwand beiderseits berufstätiger Ehegatten handelt, der dadurch entsteht, dass ein gemeinsamer Wohnsitz bei dem Beschäftigungsort des einen Ehegatten besteht und zugleich die Unterhaltung eines weiteren Wohnsitzes durch die Berufstätigkeit des anderen Ehegatten an einem anderen Ort veranlasst ist. Aus welchen Gründen sich einer der Ehegatten für eine Berufstätigkeit an einem vom gemeinsamen Wohnort abweichenden Beschäftigungsort entschlossen hat, ist dabei auch nach Ablauf von zwei Jahren doppelter Haushaltsführung nicht von Belang; es liegt im Rahmen der von Art. 6 Abs. 1 GG geschützten Sphäre privater Lebensgestaltung, ob dieser Ehepartner in Wahrnehmung seiner Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) einen solchen Entschluss fasst, um überhaupt eine Arbeitsstelle zu finden, oder ob er damit beispielsweise nur die Erwartung einer höheren Arbeitsplatzattraktivität oder besserer Karrierechancen verbindet.”
Das BVerfG fährt fort: „Das aus Art. 6 Abs. 1 GG folgende Verbot, die Vereinbarkeit von Ehe und Berufsausübung beider Ehegatten zu erschweren, führt dazu, dass der Gesetzgeber bei beiderseits berufstätigen Ehegatten Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung nicht deshalb als beliebig disponibel betrachten darf, weil solche Aufwendungen privat (mit-)veranlasst sind. Werden Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung bei dieser Fallgruppe zwangsläufig zur Gewährleistung der Berufstätigkeit beider Ehegatten erbracht, so sind sie auch über einen Zweijahreszeitraum hinaus grundsätzlich als Minderung finanzieller Leistungsfähigkeit steuerlich zu berücksichtigen.”
Diese Erwägungen gelten in gleicher Weise, wenn die Vereinbarkeit von Ehe und Beruf statt mittels einer doppelten Haushaltsführung durch tägliches Pendeln vom gemeinsamen Familienwohnsitz zur jeweiligen Arbeitsstätte erreicht wird. Die Entscheidung des BVerfG in BVerfGE 110, 412 steht dem nicht entgegen (so aber wohl Wernsmann, DStR 2007, 1149). Anders als im Streitfall ging es dort um das Fördergebot des Art. 6 Abs. 1 GG.
Dieser, beiderseits erwerbstätige Ehegatten treffende, Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 GG kann entgegen der Auffassung des BMF auch nicht von der sog. Härteregelung des § 9 Abs. 2 Satz 2 EStG aufgefangen werden, weil er bereits die ersten 20 km der Fahrtstrecke zwischen der gemeinsamen Ehewohnung und den unterschiedlichen Arbeitsstätten erfasst.
VII.
Entscheidungserheblichkeit der Vorlage
Der Senat setzt das Verfahren aus und holt eine Entscheidung des BVerfG zu der Vorlagefrage ein, da es für die Entscheidung des Streitfalles auf die Verfassungsmäßigkeit des § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG ankommt (Art. 100 Abs. 1 GG, § 80 Abs. 1 BVerfGG).
Der Kläger ist durch den nach Auffassung des beschließenden Senats verfassungswidrigen Ausschluss der Aufwendungen für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte vom Werbungskostenabzug betroffen.
1. Erweist sich § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG als mit der Verfassung vereinbar, wäre die Revision gegen das klageabweisende Urteil des FG als unbegründet zurückzuweisen (vgl. dazu unter B. I. und BFH-Beschluss in BStBl II 2007, 799).
2. Ist die Regelung jedoch verfassungswidrig, müsste der Senat zu einer anderen Entscheidung kommen.
a) Die Revision ist zulässig.
Zwar wirkt sich nach Ablauf des Monats März 2008 die Eintragung des Freibetrags auf der Lohnsteuerkarte 2007 nicht mehr auf das Lohnsteuerabzugsverfahren aus (§ 42b Abs. 3 Satz 1 EStG), so dass das Rechtsschutzbedürfnis für die Anfechtungsklage entfällt (BFH-Entscheidungen vom IX R 41/86, BFH/NV 1987, 714; vom X R 156/97, BFH/NV 2001, 476). Dies führt jedoch nicht zur Unzulässigkeit der Revision. Vielmehr kann auf Antrag das Anfechtungsverfahren in ein Feststellungsverfahren nach § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO übergeleitet werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der abgelehnten Eintragung auf der Lohnsteuerkarte hat. Davon ist im Hinblick auf das Lohnsteuerverfahren für das Folgejahr und die das Jahr 2007 betreffende Veranlagung zur Einkommensteuer auszugehen (, BFHE 157, 370, BStBl II 1989, 976; vom X R 116/89, BFHE 165, 267, BStBl II 1992, 736; Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 100 Rz 58).
b) Erklärt das BVerfG die kostenbegrenzende Vorschrift für nichtig, wäre dem Klagebegehren (zumindest teilweise) stattzugeben. Kosten für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte wären bis zum 20. Entfernungskilometer in tatsächlicher oder pauschalierter Höhe als Werbungskosten zu berücksichtigen. Im derzeitigen Stadium des Verfahrens kann hinsichtlich der Entscheidungserheblichkeit der Vorfrage offenbleiben, in welcher konkreten Höhe die Fahrtkosten abzugsmindernd anzusetzen sind. Es kommt in diesem Zusammenhang auch nicht darauf an, ob im Fall der Nichtigerklärung die bis 2006 geltende Regelung (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4, § 9 Abs. 2 Sätze 1 und 2 EStG) wieder auflebt (vgl. dazu , BVerfGE 102, 197; FG Niedersachsen in EFG 2007, 690) oder § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG als Grundtatbestand heranzuziehen ist (so FG Saarland in EFG 2007, 853).
Hält das BVerfG die vollständige Versagung des Werbungskostenabzugs für die streitigen Aufwendungen für verfassungswidrig und erklärt es die genannte Bestimmung für unvereinbar mit dem GG, so muss der Gesetzgeber eine Neuregelung treffen. In diesem Fall müsste das Revisionsverfahren bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber ausgesetzt werden (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 107, 27, BStBl II 2003, 534).
Die Möglichkeit, dass das BVerfG die Regelung trotz Verfassungswidrigkeit zeitweise für weiterhin anwendbar hält, ist für die Frage der Entscheidungserheblichkeit unbeachtlich (, BVerfGE 93, 121, BStBl II 1995, 655).
3. Eine verfassungskonforme Auslegung ist in Anbetracht des klaren und dem Gesetzeszweck entsprechenden Wortlauts nicht möglich (ebenso FG Saarland in EFG 2007, 853). Die Kosten für die Wege zur Arbeitsstätte mindern das zu versteuernde Einkommen auch nicht in sonstiger Weise. Sie sind weder Sonderausgaben gemäß § 10 EStG noch „außergewöhnliche” Belastungen. Entsprechende Aufwendungen entstehen der überwiegenden Mehrzahl der steuerpflichtigen Arbeitnehmer.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2008 II Seite 234
BFH/NV 2008 S. 469 Nr. 3
BStBl II 2008 S. 234 Nr. 6
DStRE 2008 S. 258 Nr. 4
DStZ 2008 S. 85 Nr. 4
EStB 2008 S. 85 Nr. 3
FR 2008 S. 326 Nr. 7
NJW 2008 S. 608 Nr. 9
NWB-Eilnachricht Nr. 5/2008 S. 324
NWB-Eilnachricht Nr. 50/2008 S. 4722
SJ 2008 S. 4 Nr. 3
StBW 2008 S. 1 Nr. 2
StBW 2008 S. 2 Nr. 3
StuB-Bilanzreport Nr. 3/2008 S. 111
HAAAC-68300