Leitsatz
[1] Der Arbeitgeber verletzt regelmäßig das Benachteiligungsverbot wegen des Geschlechts, wenn er bei Auswahlentscheidungen das Geschlecht des ausgeschlossenen Arbeitnehmers zu dessen Lasten berücksichtigt. Dies gilt insbesondere bei der Auswahl der angestellten Lehrkräfte, denen er ohne Änderung des Aufgabengebiets eine Besserstellung in Vorsorge- und Beihilfeangelegenheiten gewährt.
Gesetze: BGB § 611a; BGB § 612 in der bis zum geltenden Fassung; AGG § 33; EG Art. 141; GG Art. 3
Instanzenzug: ArbG Oldenburg 3 Ca 544/04 vom LAG Niedersachsen 3 Sa 1688/05 B vom
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, ein Angebot der Klägerin auf Änderung des Arbeitsvertrags anzunehmen. Die Klägerin verlangt den Abschluss eines "beamtenähnlichen" Vertrags, mit dem ihr Versorgungs- und Beihilfeleistungen, Reise- und Umzugskostenerstattungen entsprechend den für niedersächsische Beamte geltenden Bestimmungen zugesagt werden sollen.
Die 1967 geborene Klägerin ist seit 1995 angestellte Lehrerin der beklagten Stiftung. Die Stiftung unterhält ein heilpädagogisches Kinder- und Jugendheim, zu dem auch eine sonderpädagogische Schule gehört. Über 90 % der Schüler sind Jungen. In der Schule unterrichten sechs Lehrkräfte, vier Männer und zwei Frauen. Die Arbeitsverträge der Klägerin und ihrer Kollegin verweisen auf den Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT). Im Unterschied dazu sehen die Arbeitsverträge des Schulleiters V. und zweier männlicher Lehrkräfte - der Herren A. und M. - beamtenähnliche Leistungen wie Versorgungs- und Beihilfeleistungen, Reise- und Umzugskostenerstattungen vor. Ein Lehrer ist abgeordneter Beamter des Landes Niedersachsen.
Im Dezember 2002 teilten die beiden angestellten Lehrer A. und M. der Beklagten mit, dass sie sich wegen ihrer unbefriedigenden finanziellen Absicherung mit Beginn des Schuljahres 2003/2004 um eine Anstellung an einer öffentlichen Schule bewerben wollten. Sie gingen von einem positiven Bescheid aus. Beide Lehrer erklärten, auf eine Bewerbung verzichten zu wollen, wenn sich ihre finanzielle Situation verbessere. Daraufhin schloss die Beklagte mit beiden Lehrkräften mit Wirkung vom einen sog. "beamtenähnlichen" Dienstvertrag.
Als ihre Kollegen A. und M. beamtenähnliche Verträge mit der Beklagten schlossen, befand sich die Klägerin in Elternzeit. Nach ihrer Rückkehr bat sie darum, ihr ebenfalls einen beamtenähnlichen Arbeitsvertrag anzubieten, weil sie mit dem Gedanken spiele, an eine staatliche Schule zu wechseln. Die Beklagte erklärte zunächst ohne nähere Begründung, dem Wunsch der Klägerin könne nicht entsprochen werden. Ein späteres Schreiben des Rechtsanwalts der Klägerin beantwortete die Beklagte unter dem erneut ablehnend. Dieses Schreiben der Beklagten lautet auszugsweise wie folgt:
"Die Betriebsbindung ist für das Waisenstift - zu dem die 'A.-Schule' gehört - auch eine 'quantitative Frage'.
Die Schule befindet sich in privater Trägerschaft. Weder die Schulgröße noch ihr Bestand sind garantiert. Eine stärkere Reduzierung der Schülerzahl, von einer Auflösung ganz abgesehen, würde sofort zu Problemen führen, weil andere adäquate Beschäftigungsmöglichkeiten nicht gegeben wären. Eine Vergleichbarkeit mit dem Land und verbeamteten Lehrkräften ist nicht gegeben.
Bei der Betrachtung ist Herr Al. nicht zu berücksichtigen, weil er Landesbeamter ist und ggf. an eine öffentliche Schule wechseln könnte.
Gleichwohl war eine Betriebsbindung erforderlich. Wenn einmal von Herrn V. mit seiner besonderen Funktion als Schulleiter abgesehen wird - Sie sehen es ähnlich -, bezieht sich die Betriebsbindung auf zwei Personen.
Eine Formel für die richtige Zahl gibt es nicht. Es ist bestmöglich zwischen Flexibilität und Betriebsbindung, die auch eine besondere Bindung des Arbeitgebers ist, abgewogen worden.
Ich halte es schließlich noch für erwähnenswert, dass die Schule auch mit zwei Aushilfslehrkräften arbeitet. Wesentlicher Grund ist auch hier, dass Flexibilität notwendig ist.
Ein zweiter Hauptgrund ist die Finanzierung der Schule. Die Kosten werden zum größten Teil durch die Finanzhilfe des Landes gedeckt (Nds. Schulgesetz). Wegen der verbleibenden Kosten, sog. Schulrestkosten, besteht eine Vereinbarung mit dem Landkreis F als örtlicher Träger der Kinder- und Jugendhilfe. Nach dieser Vereinbarung können in Bezug auf Angestellte mit 'beamtenähnlichen Verträgen' nur drei Stellen geltend gemacht werden (Herr V., Herr A. und Herr M.).
Und schließlich ein dritter Hauptgrund.
Sollten die 'beamteten' Lehrkräfte wegen Wegfalls der Aufgabe entsprechend § 107 Nds. Beamtengesetz in den 'Ruhestand' treten, müsste das Waisenstift trotzdem weiterhin eine Umlage zur Versorgungskasse entrichten. Dieses latent vorhandene Risiko kann nicht noch weiter erhöht werden, zumal die Entgeltregelungen so knapp sind, dass auch keine Rückstellungen möglich sind."
Auch mit der weiteren Lehrerin schloss die Beklagte keinen beamtenähnlichen Vertrag. Anders als die Klägerin war ihre Kollegin älter als 45 Jahre, als sie sich um den Abschluss eines solchen Vertrags bemühte. Nach niedersächsischem Beamtenrecht konnte sie deshalb nicht mehr verbeamtet werden.
Die Klägerin meint in ihrer seit Juli 2004 anhängigen Klage, die Beklagte verstoße gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz iVm. dem inzwischen aufgehobenen § 611a BGB, wenn sie nur mit drei männlichen Lehrkräften beamtenähnliche Arbeitsverträge schließe. Ein sachlicher Grund für die Differenzierung sei nicht ersichtlich.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin einen Arbeitsvertrag anzubieten, durch den sie in der Versorgungskasse versichert wird und der Beihilfen, Reise- und Umzugskosten entsprechend den für niedersächsische Beamte geltenden Bestimmungen gewährt.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht,
auf Grund der verstärkten Einstellung von Sonderschullehrern in den Landesdienst sei zu befürchten gewesen, dass Lehrkräfte ihrer Schule in den Landesdienst wechselten. Um die spezifischen Bedürfnisse der an der Schule ganz überwiegend betreuten Jungen befriedigen zu können, sei ein hoher Anteil männlicher Lehrkräfte erforderlich. Die Beklagte habe die Lehrer A. und M. dauerhaft an die Schule binden wollen, um den Fortbestand der Einrichtung zu sichern.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Gründe
Die Revision ist begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf Abschluss eines "beamtenähnlichen" Arbeitsvertrags.
A. Die nach ihrem Wortlaut auf Abgabe eines Vertragsangebots gerichtete Klage ist als Antrag auf Abgabe einer Annahmeerklärung zu verstehen. Prozesshandlungen unterliegen der uneingeschränkten Auslegung durch das Revisionsgericht (für die st. Rspr. - Rn. 16, EzA KSchG § 4 nF Nr. 76; - 2 AZR 692/02 - Rn. 33, BAGE 109, 47). Die Klägerin will ohne weiteren Zwischenschritt das Zustandekommen eines geänderten Arbeitsvertrags erreichen. Dafür spricht ua., dass sie schon mit der Klagebegründung die arbeitsrechtliche "Gleichstellung" mit ihren Kollegen A., M. und V. forderte, die nur auf der Grundlage eines geänderten Vertrags bewirkt werden kann. Hierfür wollte sich die Klägerin des prozessual sinnvollen Mittels bedienen. Dieser Wille war für die Beklagte auch erkennbar. Für einen Antrag auf Abgabe eines Angebots hätte dagegen kein Rechtsschutzbedürfnis bestanden (zu einem bereits im Vorvertrag vollständig ausformulierten künftigen Hauptvertrag - Rn. 11, NJW 2001, 1272). In Wirklichkeit unterbreitete die Klägerin der Beklagten mit ihrem Antrag ein eigenes Angebot und verlangte dessen Annahme, um mit Rechtskraft des stattgebenden Urteils nach § 894 Abs. 1 Satz 1 ZPO den Vertragsschluss herbeizuführen (vgl. dazu auch Senat - 9 AZR 393/06 - Rn. 11, AP ATG § 2 Nr. 8 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 24).
B. Dieser durch Auslegung gewonnene Antrag ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Klägerin erstrebt die Verurteilung der Beklagten zum Abschluss eines Arbeitsvertrags, der hinsichtlich der Versorgungs- und Beihilfeleistungen sowie der Reise- und Umzugskostenerstattungen den für niedersächsische Beamte geltenden Bestimmungen entspricht.
C. Der Anspruch der Klägerin auf Abschluss eines beamtenähnlichen Arbeitsvertrags beruht auf dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz iVm. dem bis zum geltenden § 611a BGB.
I. Die für das Entgelt von Männern und Frauen gegenüber dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz speziellere und spätere Norm des § 612 Abs. 3 Satz 1 BGB (vgl. - Rn. 31, BAGE 80, 343; Oetker RdA 2004, 8, 12 f.), die ebenfalls bis zum in Kraft war, findet hier keine Anwendung. Nach § 612 Abs. 3 Satz 1 BGB durfte bei einem Arbeitsverhältnis für gleiche oder für gleichwertige Arbeit nicht wegen des Geschlechts des Arbeitnehmers eine geringere Vergütung vereinbart werden als bei einem Arbeitnehmer des anderen Geschlechts. Die Klägerin beansprucht jedoch keine Vergütung in diesem Sinn.
1. Der Begriff der Vergütung iSv. § 612 Abs. 3 BGB umfasst das in Art. 141 Abs. 2 Unterabs. 1 EG definierte Entgelt ( - Rn. 16, AP TV-SozSich § 8 Nr. 1 = EzA TVG § 4 Stationierungsstreitkräfte Nr. 9; ErfK/Preis 7. Aufl. § 612 BGB Rn. 51). Diese Regelung versteht "Entgelt" als "die üblichen Grund- oder Mindestlöhne und -gehälter sowie alle sonstigen Vergütungen ..., die der Arbeitgeber auf Grund des Dienstverhältnisses dem Arbeitnehmer unmittelbar oder mittelbar in bar oder in Sachleistungen zahlt". Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH gehören hierzu alle gegenwärtigen oder künftigen Leistungen, die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer auf Grund des Dienstverhältnisses gewährt, unabhängig davon, ob sie auf Grund eines Arbeitsvertrags, kraft einer Rechtsvorschrift oder freiwillig erbracht werden ( - [Lewen] Rn. 19, EuGHE I 1999, 7243; - C-360/90 - [Arbeiterwohlfahrt] Rn. 12, EuGHE I 1992, 3589, jeweils noch zu Art. 119 EG-Vertrag (jetzt Art. 141 EG)).
Dennoch fallen nicht alle Arbeitsbedingungen unter diesen weiten Entgeltbegriff. Arbeitsbedingungen sind insbesondere nicht schon deswegen Entgelt im beschriebenen Sinn, weil sie finanzielle Auswirkungen haben. Erforderlich ist ein enger Zusammenhang zwischen der Art der Arbeitsleistung und der Höhe des Arbeitsentgelts (st. Rspr. vgl. - [Lommers] Rn. 28, EuGHE I 2002, 2891; - C-236/98 - [Jämo] Rn. 59, EuGHE I 2000, 2189; - 149/77 - [Defrenne III] Rn. 21, EuGHE 1978, 1365). Keine Regelung im Hinblick auf das Entgelt ist es beispielsweise, wenn der Arbeitgeber vorrangig weiblichen Arbeitnehmern subventionierte Kindertagesstättenplätze anbietet (vgl. - [Lommers] aaO).
2. Wird unterstellt, dass die von der Klägerin begehrten Versorgungs-, Reise- und Umzugskostenerstattungsleistungen "Vergütung" iSv. § 612 Abs. 3 Satz 1 BGB sind, trifft das jedenfalls auf die verlangten Beihilfeleistungen nicht zu. Insoweit besteht kein enger Bezug zwischen der Höhe des Entgelts und der Art der Arbeitsleistung, obwohl die Beihilfen finanzielle Auswirkungen haben. Die Beihilfeleistungen decken zwar einen Teil der durch krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit entstehenden Kosten. Die zu behandelnden Krankheiten stehen aber nicht zwingend in Zusammenhang mit der Art der Arbeitsleistung. Daran wird deutlich, dass die Klägerin mit einem "beamtenähnlichen" Arbeitsvertrag mehr als nur Vergütung iSv. § 612 Abs. 3 Satz 1 BGB erstrebt. Sie verlangt ein anderes vertragliches Gefüge, das über bloße Entgeltbedingungen hinausgeht.
II. Das Landesarbeitsgericht hat einen Anspruch der Klägerin auf Abschluss eines Arbeitsvertrags, der beamtenähnliche Versorgungs- und Beihilfeleistungen, Reise- und Umzugskostenerstattungen vorsieht, ausgeschlossen, weil der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt worden sei. Dem stimmt der Senat nicht zu.
1. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet dem Arbeitgeber, Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern, die sich in vergleichbarer Lage befinden, gleichzubehandeln. Der Arbeitgeber verletzt diesen Grundsatz, wenn sich für eine unterschiedliche Behandlung kein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder in sonstiger Weise sachlich einleuchtender Grund finden lässt. Bei freiwilligen Leistungen muss der Arbeitgeber die Leistungsvoraussetzungen so abgrenzen, dass Arbeitnehmer nicht aus sachfremden oder willkürlichen Gründen ausgeschlossen werden. Der Arbeitgeber ist grundsätzlich frei, den Personenkreis abzugrenzen, dem er freiwillige Leistungen zukommen lassen will, also Gruppen zu bilden, wenn diese Gruppenbildung nicht willkürlich, sondern sachlich gerechtfertigt und rechtlich zulässig ist. Die sachliche Rechtfertigung der Gruppenbildung kann nur am Zweck der freiwilligen Leistung gemessen werden. Verstößt der Arbeitgeber bei der Gewährung freiwilliger Leistungen gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, hat der benachteiligte Arbeitnehmer Anspruch auf die vorenthaltene Leistung (st. Rspr. vgl. Senat - 9 AZR 528/05 - Rn. 11, NZA 2006, 1217; - 9 AZR 116/04 - Rn. 37, BAGE 113, 327).
2. Durch den unterbliebenen Abschluss eines beamtenähnlichen Arbeitsvertrags verletzte die Beklagte den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, der durch das Diskriminierungsverbot des § 611a BGB konkretisiert wird.
a) Die mit drei anderen Arbeitnehmern geschlossenen beamtenähnlichen "Dienstverträge" stellen diese Arbeitnehmer im Ergebnis beamteten Lehrkräften gleich. Das zeigt das vorgelegte Vertragsformular. Die Vergütung erfolgt zB nach einer bestimmten Besoldungsgruppe der Bundesbesoldungsordnung. Die Arbeitszeit richtet sich nach der Verordnung über die Arbeitszeit der Lehrkräfte an öffentlichen Schulen. Beihilfen, Reise- und Umzugskostenerstattungen werden nach den für Landesbeamte geltenden Vorschriften gewährt. Damit ist nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts unstreitig eine Besserstellung des Schulleiters und der beiden Lehrer, die auf der Grundlage eines beamtenähnlichen Vertrags beschäftigt werden, gegenüber den beiden Lehrerinnen verbunden, deren Arbeitsverträge auf den BAT Bezug nehmen.
b) Die Klägerin ist zwar nicht mit ihrem Schulleiter, aber mit ihren beiden Kollegen A. und M. vergleichbar.
aa) Vergleichbar sind Arbeitnehmer, welche die gleiche Arbeit verrichten. Um die gleiche Arbeit handelt es sich, wenn Arbeitnehmer an verschiedenen oder - nacheinander - an denselben technischen Arbeitsplätzen identische oder gleichartige Tätigkeiten ausüben. Ob die Arbeit "gleich" ist, muss durch einen Gesamtvergleich der Tätigkeiten ermittelt werden (Senat - 9 AZR 528/05 - Rn. 28, NZA 2006, 1217).
bb) Nach diesen Maßstäben ist die Klägerin mit ihrem Schulleiter nicht vergleichbar. Er leitet die Schule und vertritt die Beklagte als Schulträgerin nach innen und außen. Seine Stellung und sein Aufgabengebiet unterscheiden sich damit deutlich von der Funktion der Klägerin, die im Wesentlichen unterrichtet und die zugehörigen Zusammenhangstätigkeiten versieht. Mit ihren Kollegen A. und M., die ebenfalls unterrichten, ist die Klägerin nach Status und Aufgabenstellung dagegen ohne weiteres vergleichbar.
c) Die unterschiedliche Behandlung der Klägerin und ihrer beiden männlichen Kollegen ist nach dem Zweck, den die Beklagte mit ihren freiwilligen Leistungen verfolgt, nicht durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt.
aa) Dem Landesarbeitsgericht ist darin zuzustimmen, dass die Beklagte auf die von zwei Lehrkräften geäußerte Absicht reagierte, sich für den staatlichen Schuldienst zu bewerben. Beide Lehrkräfte nutzten die Möglichkeit einer Bewerbung beim Land Niedersachsen, um ihre Position in den Verhandlungen über einen beamtenähnlichen Vertrag zu stärken. Dennoch handelt es sich bei ihren Verträgen nicht um individuelle Vereinbarungen, die zum Schutz der Vertragsfreiheit aus dem Anwendungsbereich des Gleichbehandlungsgrundsatzes herausgenommen sind. Vielmehr verfolgte die Beklagte einen bestimmten Zweck, nämlich die beiden Lehrer A. und M. an die Schule zu binden. Sie verfuhr dabei entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts nach einem generalisierenden Prinzip.
bb) Die Beklagte benachteiligte die Klägerin gegenüber ihren männlichen Kollegen A. und M. wegen ihres Geschlechts. Sie verstieß damit gegen § 611a Abs. 1 Satz 1 BGB. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsanspruch wird stets verletzt, wenn der Arbeitgeber gegen eine die sachfremde Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern ausdrücklich verbietende Norm, wie hier § 611a BGB, verstößt (Senat - 9 AZR 528/05 - Rn. 12, NZA 2006, 1217).
(1) Auf den Streitfall ist nicht das am in Kraft getretene Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, sondern der mittlerweile aufgehobene § 611a BGB anzuwenden. Nach der Übergangsvorschrift des § 33 Abs. 1 AGG ist bei Benachteiligungen nach den §§ 611a, 611b und 612 Abs. 3 BGB oder sexuellen Belästigungen nach dem Beschäftigtenschutzgesetz das vor dem maßgebliche Recht anzuwenden. Gemeint sind Benachteiligungen, die zeitlich vor Inkrafttreten des AGG liegen (BT-Drucks. 16/1780 S. 53). Demnach kommt es auf den Zeitpunkt der Vornahme der Benachteiligungshandlung an. In der Regel ist die zugrunde liegende Entscheidung des Arbeitgebers maßgeblich, etwa die Entscheidung, einen Bewerber nicht einzustellen oder einem Arbeitnehmer die Besserstellung durch "Beförderung" zu verweigern. Hier weigerte sich die Beklagte bereits im Jahr 2004 und damit vor Inkrafttreten des AGG, einen beamtenähnlichen Arbeitsvertrag mit der Klägerin zu schließen. Dagegen hat sich die Klägerin mit ihrer seit Juli 2004 anhängigen Klage gewandt.
(2) Bis zum Inkrafttreten des AGG enthielt § 611a BGB das Verbot der geschlechtsbezogenen Benachteiligung durch den Arbeitgeber, insbesondere bei der Einstellung und während der Durchführung des Arbeitsverhältnisses. Mit der Vorschrift wurden Art. 141 EG und die hierzu erlassene Richtlinie 76/207/EWG zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen vom (ABl. EG Nr. L 39 vom S. 40) in nationales Recht umgesetzt.
§ 611a BGB untersagt sowohl die unmittelbare als auch die mittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts. Eine unmittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn direkt nach dem Geschlecht der Betroffenen unterschieden wird. Gilt eine Maßnahme in gleicher Weise für Männer und Frauen, kann darin gleichwohl eine mittelbare Benachteiligung liegen, wenn das benachteiligende Merkmal zwar nicht direkt an das Geschlecht anknüpft, das Merkmal tatsächlich jedoch überwiegend von nur einem Geschlecht verwirklicht wird (Senat - 9 AZR 272/01 - Rn. 27, BAGE 105, 123).
(3) Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts hat die Klägerin ausreichende Tatsachen iSv. § 611a Abs. 1 Satz 3 BGB dafür vorgetragen, dass eine geschlechtsbezogene Benachteiligung nach § 611a Abs. 1 Satz 1 BGB vermutet werden muss. Die Beklagte hat die zugrunde liegenden Umstände nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht bestritten. Nach dem Vorbringen der Beklagten ist das männliche Geschlecht insbesondere nicht unverzichtbare Voraussetzung für die auszuübende Tätigkeit. Nicht auf das Geschlecht bezogene, sachliche Gründe, die eine weniger günstige Behandlung der Klägerin rechtfertigten, fehlen ebenfalls.
(a) Eine weniger günstige Behandlung der Klägerin liegt darin, dass die Beklagte mit allen männlichen Lehrkräften beamtenähnliche Arbeitsverträge geschlossen hat, soweit sie nicht schon Landesbeamte sind. In diesem Zusammenhang muss der Schulleiter außer Acht bleiben. Entsprechendes gilt wegen des Bindungszwecks, den die Beklagte mit der Besserstellung verfolgte, auch für die ältere Kollegin der Klägerin. Diese kam auf Grund ihres Alters von über 45 Jahren nicht mehr für eine Verbeamtung im Land Niedersachsen in Betracht.
Demnach bildete die Beklagte für die Besserstellung unzweifelhaft geschlechtsbezogene Gruppen. Die beiden vergleichbaren männlichen Lehrkräfte erhielten beamtenähnliche Verträge. Die Klägerin blieb als einzige vergleichbare weibliche Lehrkraft unberücksichtigt. Die Indizwirkung der objektiv geschlechtsbezogenen Gruppenbildung wird noch verstärkt, weil die Beklagte die Bevorzugung der beiden männlichen Lehrkräfte damit begründete, dass an der Schule im Durchschnitt weit über 90 % Jungen unterrichtet würden. Um die spezifischen Bedürfnisse der Jungen zu befriedigen, sei ein hoher Anteil männlicher Lehrkräfte notwendig. Dieser Vortrag indiziert, dass den Kollegen der Klägerin beamtenähnliche Verträge gerade deswegen angeboten wurden, weil sie Männer sind.
Auf Grund dieser Umstände muss davon ausgegangen werden, dass die Klägerin wegen ihres Geschlechts eine weniger günstige Behandlung als ihre männlichen Kollegen A. und M. erfuhr und unmittelbar wegen ihres Geschlechts benachteiligt wurde.
(b) Anhaltspunkte, die darauf schließen lassen, dass das Geschlecht unverzichtbare Voraussetzung für die auszuübende Tätigkeit iSv. § 611a Abs. 1 Satz 2 BGB ist, fehlen. Es sind auch keine nicht auf das Geschlecht bezogenen, sachlichen Gründe für die Ungleichbehandlung der Klägerin iSv. § 611a Abs. 1 Satz 3 BGB ersichtlich.
(aa) Das Merkmal der Unverzichtbarkeit in § 611a Abs. 1 Satz 2 BGB geht über den bloßen sachlichen Grund hinaus, der die Ungleichbehandlung rechtfertigt (vgl. Thüsing RdA 2001, 319, 320). Bei Unverzichtbarkeit im engeren Sinn ist an Fälle zu denken, in denen einem Arbeitnehmer die Erfüllung der geschlechtsneutral formulierten Arbeitsaufgabe tatsächlich oder rechtlich unmöglich ist. Unverzichtbarkeit im weiteren Sinn ist in Konstellationen zu bejahen, in denen ein bestimmtes Geschlecht die Arbeitsleistung zwar erbringen kann, jedoch schlechter als das andere Geschlecht, und dieser Qualifikationsnachteil auf biologischen Gründen beruht (vgl. Thüsing RdA 2001, 319, 324).
(bb) Eine solche Unverzichtbarkeit oder zumindest eine sachliche Rechtfertigung der Ungleichbehandlung iSv. § 611a Abs. 1 Satz 3 BGB ist selbst dann nicht anzunehmen, wenn das erzieherische Konzept der Beklagten und ihre mit Schreiben vom geltend gemachten finanziellen Überlegungen in ihrem Zusammenhang gewürdigt werden.
(aaa) Der hohe Jungenanteil der Schule rechtfertigt es nicht, bei der gebotenen Auswahlentscheidung ausschließlich auf das Geschlecht abzustellen.
Wie die Entscheidung zur Einstellung zweier Lehrerinnen zeigt, geht die Beklagte selbst davon aus, dass nicht alle Lehrkräfte der sonderpädagogischen Schule Männer sein müssen. Damit kann das männliche Geschlecht weder im engeren noch im weiteren Sinn unverzichtbar für die auszuübenden Lehr- und Zusammenhangstätigkeiten sein. Frauen ist die Lehrtätigkeit tatsächlich und rechtlich möglich. Sie sind für die Lehrtätigkeit auch nicht schlechter qualifiziert.
Soweit die Beklagte geltend macht, ein hoher Anteil männlicher Lehrkräfte sei wegen des überproportionalen Anteils männlicher Schüler von über 90 % erforderlich, steht dieses erzieherische Konzept dem Abschluss eines beamtenähnlichen Arbeitsvertrags mit der Klägerin gleichfalls nicht entgegen. Das Konzept beinhaltet keinen sachlichen Grund für die Ungleichbehandlung. Derzeit sind einschließlich des Schulleiters vier von sechs Lehrkräften an der Schule der Beklagten Männer. Bis auf den abgeordneten Landesbeamten sind alle anderen männlichen Lehrkräfte wegen ihrer beamtenähnlichen Verträge verstärkt an die Beklagte gebunden. Damit ist ein hoher Anteil männlicher Lehrkräfte gewährleistet. Zudem verlangt § 611a Abs. 1 Satz 3 BGB einen "nicht auf das Geschlecht bezogenen, sachlichen Grund".
(bbb) Ein sachlicher Grund ist auch nicht darin zu sehen, dass die Klägerin ihren Abkehrwillen weniger deutlich artikulierte als ihre Kollegen. Die Lehrer A. und M. erklärten im Dezember 2002 zwar ausdrücklich, sie beabsichtigten, sich für das Schuljahr 2003/2004 um eine Stelle an einer öffentlichen Schule zu bewerben. Die Klägerin führte dagegen aus, sie spiele mit dem Gedanken, an eine staatliche Schule zu wechseln. Diese Formulierung brachte aber hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass die Klägerin einen Wechsel in den Staatsdienst erwog. Auch ihre Kollegen A. und M. hatten nicht erklärt, sich bereits um Stellen im Landesdienst beworben zu haben. Sie hatten nur geäußert, diesen Schritt tun zu wollen, wenn sich ihre finanzielle Situation bei der Beklagten nicht ändere.
(ccc) Die von der Beklagten vorgebrachten Kostenbelastungen rechtfertigen die Ungleichbehandlung der Klägerin ebenfalls nicht.
Das gilt zunächst für die Vereinbarung mit dem Landkreis F als Träger der sog. Schulrestkosten, wonach die Beklagte lediglich drei beamtenähnliche Verträge schließen durfte. Auch das Risiko der Beklagten, für die beamtenähnlichen Lehrkräfte wegen Wegfalls der Aufgabe entsprechend § 107 Niedersächsisches Beamtengesetz bei Eintritt in den Ruhestand weiter eine Umlage zur Versorgungskasse entrichten zu müssen, bildet keinen sachlichen Grund. Der Beklagten ist darin zuzustimmen, dass mit jedem neuen beamtenähnlichen Vertrag ihre Kosten und Risiken steigen. Diese zusätzlichen Belastungen entstehen jedoch unabhängig davon, welcher konkreten Lehrkraft ein beamtenähnlicher Vertrag angeboten wird.
Die durch den Schulrestkostenträger vorgegebene Begrenzung auf drei beamtenähnliche Verträge gebot daher vor Abschluss der beamtenähnlichen Verträge mit den Lehrern A. und M. eine Auswahlentscheidung unter Einbeziehung der Klägerin. Bei ihr durfte die Beklagte nicht auf das Geschlecht abstellen.
Eine Benachteiligung wegen des Geschlechts iSv. Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG ist schon dann anzunehmen, wenn die rechtliche Ungleichbehandlung an das Geschlecht anknüpft. Es kommt nicht darauf an, ob daneben auch andere Gründe maßgeblich waren. Die Beachtung des verfassungsrechtlichen Diskriminierungsverbots soll nach dem Sinn des § 611a Abs. 1 BGB auch für den Arbeitgeber bei Einstellungsentscheidungen oder Auswahlentscheidungen während des bestehenden Arbeitsverhältnisses verbindlich gemacht werden. Stellt der Arbeitgeber sowohl Männer als auch Frauen für vergleichbare Tätigkeiten ein, darf er das Geschlecht bei späteren Auswahlentscheidungen, die ohne inhaltliche Änderung des Aufgabengebiets eine Besserstellung einzelner Arbeitnehmer bewirken, regelmäßig nicht zu Lasten eines in die Auswahl einzubeziehenden Arbeitnehmers berücksichtigen. Besteht kein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung, verstößt der Arbeitgeber schon dann gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn in dem Motivbündel, das seine Entscheidung beeinflusst, das Geschlecht des abgewiesenen oder - hier - nicht in die Auswahl einbezogenen Arbeitnehmers als negatives oder aber das andere Geschlecht als positives Kriterium enthalten ist (vgl. zu Einstellungsentscheidungen - Rn. 49, BVerfGE 89, 276; dazu auch - Rn. 4, AP BGB § 611a Nr. 19).
Der Annahme einer unmittelbaren geschlechtsbezogenen Diskriminierung der Klägerin steht nicht entgegen, dass sie sich im Zeitpunkt der Vertragsschlüsse mit den Herren A. und M. im Jahr 2003 wegen ihrer Elternzeit nicht um die Besserstellung "beworben" hatte, dh. noch kein Angebot auf Abschluss eines beamtenähnlichen Vertrags abgegeben hatte. Bei freiwilligen Leistungen des Arbeitgebers, die nach einem generalisierenden Prinzip gewährt werden, muss der Arbeitgeber die Leistungsvoraussetzungen aus eigenem Antrieb in einer Weise abgrenzen, die es verhindert, dass Arbeitnehmer aus sachfremden Gründen ausgeschlossen werden.
Nur auf diese Weise kann dem Schutzzweck des § 611a BGB genügt werden, der nicht nur der Erreichung der Ziele des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG dient, sondern weitergehend auch die Ziele des Art. 3 Abs. 2 GG verwirklichen soll. Nach Art. 3 Abs. 2 Satz 1 GG sind Männer und Frauen gleichberechtigt. Über das Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 GG hinaus stellt Art. 3 Abs. 2 GG ein Gleichberechtigungsgebot auf und erstreckt dieses Gebot auf die gesellschaftliche Wirklichkeit. Art. 3 Abs. 2 GG will die Lebensverhältnisse der Geschlechter angleichen und ihre Gleichberechtigung durchsetzen. § 611a BGB dehnt das mit dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 2 GG verbundene Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 GG auf private Arbeitsbeziehungen aus und soll Männern und Frauen gleiche Chancen im Beruf sichern. § 611a BGB ist deshalb im Licht von Art. 3 Abs. 2 GG auszulegen und anzuwenden. Die Auslegung der Norm darf nicht dazu führen, dass der Arbeitgeber es in der Hand hat, durch eine geeignete Verfahrensgestaltung die Chancen von Bewerbern um Arbeitsplätze oder um Besserstellungen im bestehenden Arbeitsverhältnis wegen ihres Geschlechts so zu mindern, dass seine Entscheidung praktisch unangreifbar wird (vgl. in einer Einstellungskonstellation - Rn. 12 f., AP BGB § 611a Nr. 24 = EzA BGB 2002 § 611a Nr. 4).
d) Die Klägerin hat Anspruch auf die vorenthaltene Leistung, den Abschluss eines beamtenähnlichen Arbeitsvertrags. Die Beklagte hat keine Tatsachen dafür vorgebracht, dass es auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht zum Vertragsschluss mit der Klägerin gekommen wäre (vgl. den Rechtsgedanken des § 611a Abs. 3 Satz 1 BGB).
D. Die Beklagte hat nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
DB 2008 S. 128 Nr. 3
RAAAC-66908
1Für die amtliche Sammlung: ja; Für die Fachpresse: nein