BFH Beschluss v. - V B 150/06

Fehlerhafte Würdigung von Tatsachen kein Verfahrensmangel; Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht

Gesetze: FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3

Instanzenzug:

Gründe

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) begehrt die Umsatzsteuerfestsetzung 1996 entsprechend seiner am beim Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt —FA—) eingereichten Jahreserklärung und der Berichtigung in seinem Schriftsatz vom in Höhe von ./. 14 553 DM.

Der Kläger war neben dem Steuerberater X Gesellschafter der Y GbR, einem Steuerberatungsunternehmen in H. Durch Vertrag vom erwarben die beiden Gesellschafter von A, dem Vater des Klägers, dessen Steuerberatungspraxis in H. Die aus diesem Vertrag in Höhe von 14 553 DM resultierenden Vorsteuerbeträge wurden gegenüber der Y GbR aufgrund der von ihr am eingereichten berichtigten Voranmeldung für Januar 1993 festgesetzt und erstattet.

Mit Schreiben vom kündigte X den Sozietätsvertrag zum und führte anschließend die Steuerberatungspraxis in H alleine weiter.

Am reichte der Kläger eine „Vereinbarung zwischen Frau S Rechtsnachfolgerin des am ...1996 verstorbenen Steuerberaters A…und Herrn E bzw. der Y GbR H”, die vom datiert, zusammen mit einer Umsatzsteuererklärung 1996 beim FA ein. In der Vereinbarung wird ausgeführt, dass die Y GbR ihre aktive Tätigkeit zum eingestellt habe, weil der kündigende Gesellschafter X alle Vermögenswerte an sich genommen habe. Ferner ist geregelt, dass die Steuerberatungspraxis in H mit Wirkung zum auf die Rechtsnachfolgerin des verstorbenen A, Frau S, „zurück übertragen” wird. Der Kaufpreis ist identisch mit dem aus dem Praxisübertragungsvertrag vom . In der am eingereichten Umsatzsteuererklärung 1996 wird für diese „Zurückübertragung” eine festzusetzende Umsatzsteuer in Höhe von 14 553 DM erklärt, sonstige Umsätze werden nicht erklärt. Mit Verfügung vom lehnte das FA den Antrag auf Festsetzung der Umsatzsteuer 1996 ab.

Einspruch und Klage hiergegen blieben ohne Erfolg.

Im Klageverfahren reichte der Kläger einen „Nachtrag zur Vereinbarung vom ” ein, der vom datiert. In diesem Nachtrag wird „klargestellt”, dass sich die Vereinbarung vom nur auf den Wert des Mandantenstammes beziehe, der Kaufpreis unverändert 97 020 DM (netto) betrage und der Kläger „aufgrund der…Vorenthaltung des Mandantenstammes derzeit nicht in der Lage (ist) auf Erträge aus der Bearbeitung dieses Mandantenstammes zurückzugreifen...”. Ferner war der Klagebegründung erstmals eine Rechnung des Klägers vom an S beigefügt, in der für die Rückübertragung „der am bestehenden Rechte am Mandantenstamm der Y GbR H” ein Kaufpreis von 97 020 DM zzgl. 15 % Umsatzsteuer (= 14 553 DM) berechnet wurde.

Mit Verfügung des Berichterstatters des wurde der Kläger u.a. aufgefordert, darzulegen, wann und wie die Vereinbarungen vom und tatsächlich durchgeführt worden seien und aufgrund welcher Umstände ein Forderungsausfall eingetreten sei. Darüber hinaus wurde der Kläger darauf hingewiesen, dass eine Beschwer durch die Ablehnung der begehrten Umsatzsteuerfestsetzung 1996 in Höhe von 14 553 DM nicht erkennbar sei.

Zur Begründung seines klageabweisenden Urteils führte das FG im Wesentlichen aus, die vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Zweitschrift einer Rechnung vom beziehe sich auf einen Umsatz des Jahres 1993 und könne deshalb im Streitjahr 1996 keinen Vorsteuerabzug begründen. Außerdem habe die Y GbR die Vorsteuer aus dem Praxisübergabevertrag vom im Rahmen der berichtigten Umsatzsteuer-Voranmeldung 1/1993, die am beim FA eingereicht worden sei, bereits berücksichtigt. Eine entsprechende Festsetzung, die im Umsatzsteuerjahresbescheid aufrechterhalten worden sei, sei gegenüber der GbR erfolgt. Es gebe keine Veranlassung, den Vorsteuerabzug im Jahr 1996 erneut zum Abzug zuzulassen. Es sei auch unklar, wie die Veräußerung des Mandantenstammes im Streitjahr 1996 durch den Kläger zu einer Vorsteuererstattung führen könne, weil die vom Kläger über diesen Vorgang ausgestellte Rechnung Umsatzsteuer in Höhe von 14 553 DM ausweise. Der vom Kläger geltend gemachte Forderungsausfall könne daher allenfalls zu einer Berichtigung auf 0 DM führen.

Mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht der Kläger geltend, das Urteil des FG leide unter Verfahrensmängeln (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Die Vorsteuererstattung an die GbR sei vom FG frei erfunden. Es gebe gar keine Umsatzsteuerfestsetzung für die GbR für das Jahr 1993. Es seien Unterlagen zurückgehalten worden und das FG sei von einem unzutreffend ermittelten Sachverhalt ausgegangen.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Nach § 115 Abs. 2 FGO ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Die Nichtzulassung kann mit der Beschwerde angefochten werden (§ 116 Abs. 1 FGO). In der Beschwerdebegründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).

Der Kläger rügt das Vorliegen von Verfahrensmängeln ohne Erfolg. Verfahrensmängel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO sind Verstöße des FG gegen Vorschriften des Verfahrensrechts. Hierzu gehört auch die Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der Kläger hat aber keine Verfahrensmängel dargelegt.

a) Soweit das Vorbringen des Klägers dahingehend zu verstehen ist, dass das FG von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen sei, indem es seinem Vorbringen nicht gefolgt sei, wendet er sich gegen die Würdigung von Tatsachen durch das Gericht. Ein solcher behaupteter Fehler ist dem materiellen Recht zuzuordnen und kann daher keinen Verfahrensfehler begründen (, BFH/NV 2003, 1437, mit Nachweisen).

b) Auch soweit der Kläger geltend macht, das FG habe seiner Entscheidung einen unzureichend bzw. unzutreffend aufgeklärten Sachverhalt zugrunde gelegt, führt die Beschwerde nicht zum Erfolg. Wird —wie hier— ein Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht gerügt, so ist vorzutragen, welche Tatsachen hätten aufgeklärt oder welche Beweise hätten erhoben werden müssen, aus welchen Gründen sich die Beweiserhebung auch ohne Antrag hätte aufdrängen müssen, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei weiterer Aufklärung oder Beweisaufnahme voraussichtlich ergeben hätten und inwiefern sich daraus auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des Gerichts eine andere Entscheidung hätte ergeben können (, BFHE 161, 191, BStBl II 1990, 1095; BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2003, 1437; vom V B 159/05, BFH/NV 2006, 1892; vom V B 98/04, juris). Hieran fehlt es. Die Beschwerdebegründung beschränkt sich auf die Behauptung, das FG habe seiner Entscheidung willkürlich einen falschen Sachverhalt zugrunde gelegt und Unterlagen nicht berücksichtigt. Das reicht zur Darlegung eines Verfahrensmangels nicht aus.

Außerdem handelt es sich bei der Verletzung der Sachaufklärungspflicht um einen verzichtbaren Verfahrensmangel (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der ZivilprozessordnungZPO—), bei dem das Rügerecht nicht nur durch eine ausdrückliche oder konkludente Verzichtserklärung gegenüber dem FG verloren geht, sondern auch durch das bloße Unterlassen einer rechtzeitigen Rüge. Wird die Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht, auf deren Beachtung der Betroffene verzichten kann, so muss der Kläger vortragen, dass er den Verstoß in der Vorinstanz gerügt habe oder aus welchen entschuldbaren Gründen er an einer solchen Rüge vor dem FG gehindert gewesen sei (, BFH/NV 1993, 258). Auch das ist nicht geschehen.

Soweit der Kläger geltend macht, das FG habe den Sachverhalt unzutreffend gewürdigt, führt diese Rüge schon deshalb nicht zur Zulassung der Revision, weil damit kein qualifizierter Rechtsfehler dargetan wird, der im Allgemeininteresse die Zulassung der Revision erfordert (BFH-Beschlüsse vom III B 117/02, BFH/NV 2003, 810; vom III B 125/02, BFH/NV 2003, 1445).

c) Soweit die Ausführungen des Klägers dahingehend zu verstehen sein könnten, es liege eine Überraschungsentscheidung des FG vor, kommt die Zulassung der Revision ebenfalls nicht in Betracht. Wird die Verletzung rechtlichen Gehörs durch Erlass einer Überraschungsentscheidung gerügt, muss dargelegt werden, dass das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gegeben habe, mit der die Beteiligten nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchten (BFH-Beschluss in BFH/NV 2003, 1437). Hierzu fehlt es an einem substantiierten Vortrag des Klägers. Außerdem hat bereits der Berichterstatter in der Verfügung vom auf die später dem Urteil zugrunde liegende Rechtsauffassung des FG hingewiesen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BAAAC-65373