Bezeichnung des Streitgegenstands bei Schätzungsbescheiden; Erkrankung als erheblicher Grund für eine Terminsverlegung
Gesetze: FGO § 65, FGO § 155, ZPO § 227
Instanzenzug:
Gründe
I. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) erließ am einen auf geschätzten Besteuerungsgrundlagen beruhenden Umsatzsteuerbescheid für 2001, weil der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) keine Umsatzsteuererklärung 2001 abgegeben hatte. Der Einspruch hatte keinen Erfolg, nachdem der Kläger weder eine Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr abgegeben noch den Einspruch begründet hatte. Hiergegen wandte sich der Kläger mit der Klage. Mit Verfügung vom setzte das Finanzgericht (FG) bis spätestens gemäß § 65 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) eine Ausschlussfrist zur Bezeichnung des Klagebegehrens. Diese Frist wurde antragsgemäß mehrfach —wegen Auslandsaufenthalts, Zerstörung der Festplatte des PC, Verlustes der angeblich gefertigten Umsatzsteuererklärung auf dem Postweg sowie eines weiteren Auslandsaufenthalts—, zuletzt bis zum , verlängert. Nachdem der Kläger am „wegen unvorhergesehener Schwierigkeiten” Fristverlängerung bis zum beantragt hatte, erließ das FG am einen Gerichtsbescheid, in dem es die Klage mangels Bezeichnung des Klagegegenstands als unzulässig verwarf.
Unter Hinweis auf die für „Rechtsanwaltssuche, Vorbereitung, Schriftsatz etc” erforderliche Zeit und einen Auslandsaufenthalt beantragte der Kläger die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht vor dem . Auf die Ladung zur mündlichen Verhandlung am reichte der Kläger am mit der Begründung, er sei durch eine „akute Entzündung bewegungsunfähig ans Bett gefesselt”, eine Bescheinigung des Dr. B vom ein, wonach er bis arbeitsunfähig sei; auch habe keine Zeit zur Bestellung eines Bevollmächtigten bestanden. Auf die nächste Ladung vom zur mündlichen Verhandlung am reichte der Kläger am Nachmittag des mit dem Hinweis, es handle sich um eine Folgebescheinigung, eine weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Dr. B bis voraussichtlich ein. Auch diesen Termin hob das FG auf mit dem ausdrücklichen Hinweis, dem Kläger werde anheim gestellt, zur Vermeidung weiterer Terminsaufhebungen einen Bevollmächtigten zu bestellen.
Auf die dritte Ladung vom auf den übermittelte der Kläger am Abend des dem Gericht wie schon bisher per Fax eine —wiederum als Folgebescheinigung bezeichnete, am von Dr. B ausgestellte— Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und erklärte, er werde sich in den nächsten Tagen über die Möglichkeiten der Prozesskostenhilfe (PKH) informieren. Das FG lehnte eine weitere Terminsaufhebung ab und verwarf die Klage mangels Bezeichnung des Klagebegehrens als unzulässig.
Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde, mit der der Kläger die Verletzung rechtlichen Gehörs und Verstoß gegen die aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Vertrauensschutz- und Rechtsschutzgarantie rügt.
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Das FG hat nicht dadurch gegen den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (§ 96 Abs. 2, § 119 Nr. 3 FGO, Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes) verstoßen, dass es seinen Antrag auf Verlegung des Termins der mündlichen Verhandlung abgelehnt hat. Denn die Ablehnung eines Antrags auf Verlegung des Termins der mündlichen Verhandlung verstößt nur dann gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör, wenn erhebliche Gründe für eine Aufhebung oder Verlegung des Termins geltend gemacht worden sind (§ 155 FGO i.V.m. § 227 der Zivilprozessordnung —ZPO—). Dies traf im Streitfall nicht zu.
a) Ob erhebliche Gründe für eine Verlegung vorliegen, hängt von den Verhältnissen des Einzelfalls ab (vgl. z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs —BFH— vom X B 125/05, BFH/NV 2006, 806; vom III B 102/90, BFHE 163, 115, BStBl II 1991, 240). Dabei sind der Prozessstoff und die persönlichen Verhältnisse des betroffenen Beteiligten und ggf. seines Prozessbevollmächtigten bei der Prüfung ebenso zu berücksichtigen wie der Umstand, dass das FG im steuergerichtlichen Verfahren die einzige Tatsacheninstanz ist und die Beteiligten ein Recht darauf haben, ihre Sache in einer mündlichen Verhandlung vorzutragen (, BFHE 117, 19, BStBl II 1976, 48, und vom VII R 26/91, BFH/NV 1993, 177, m.w.N.).
b) Ein erheblicher Grund liegt regelmäßig bei einer plötzlichen und nicht vorhersehbaren Erkrankung vor, die den Beteiligten an der Wahrnehmung eines Termins zur mündlichen Verhandlung hindert (vgl. , BFHE 186, 102, BStBl II 1998, 676, unter II.3.b der Gründe; , BFH/NV 1995, 46; vom III R 87/89, BFH/NV 1991, 830, jeweils m.w.N.). Die Ablehnung einer Terminänderung kann jedoch selbst bei Vorliegen erheblicher Gründe ermessensgerecht sein (z.B. BFH-Beschlüsse vom IV B 81/97, BFH/NV 1998, 1104; vom V B 9/91, BFH/NV 1993, 180), z.B. bei einer offensichtlichen Prozessverschleppungsabsicht oder aber auch bei einer Verletzung der Mitwirkungspflichten bereits im Veranlagungsverfahren und Rechtsbehelfsverfahren und wenn der Beteiligte trotz einer bereits seit geraumer Zeit bestehenden Erkrankung keine Vorsorge für die Wahrnehmung eines Termins getroffen hat (BFH-Beschlüsse vom IV B 55-56/73, BFHE 113, 4, BStBl II 1974, 637; vom IX B 157/00, BFH/NV 2002, 365; vom III B 43/94, BFH/NV 1995, 890; vom VIII R 48/92, BFH/NV 1996, 43; vom XI B 182/95, BFH/NV 1997, 777).
c) Im Streitfall hat das FG dem Kläger die Ladung (vom ) zur mündlichen Verhandlung am am mit Postzustellungsurkunde zugestellt. Seinen Antrag auf Auffhebung des Termins per Telefax hat er erst am , dem Tag vor der mündlichen Verhandlung, gestellt, obwohl die „Folgebescheinigung” bereits am ausgestellt worden war. Ganz abgesehen davon, dass es sich —worauf der Kläger selbst bereits hingewiesen hatte und wie aus der Bescheinigung ersichtlich ist— nicht um eine plötzliche Erkrankung handelte, hätte der Kläger unter diesen Umständen nicht erst am Vortag der mündlichen Verhandlung, sondern wesentlich zeitiger einen Antrag auf Aufhebung des Termins stellen sowie begründen können und müssen. Das Gericht hätte sodann Gelegenheit gehabt, etwaige Mängel oder Unvollständigkeiten des Antrags zu beanstanden und den Kläger zur Ergänzung seines Vortrages auffordern können. Das FG konnte weder auf der Grundlage der bisherigen ärztlichen Bescheinigungen, die keine Angaben zu Art und Schwere der Erkrankung enthielten, noch aus dem Begleitschreiben des Klägers selbst beurteilen, ob dessen Erkrankung so schwerwiegend war, dass sein Erscheinen zum Termin nicht erwartet werden konnte.
Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund, dass der Kläger einen mangels Steuererklärung auf geschätzten Besteuerungsgrundlagen beruhenden Umsatzsteuerbescheid angefochten und weiterhin keine Steuererklärung eingereicht hatte, dass er innerhalb der ihm nach § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO gesetzten, auf seinen Antrag mehrfach verlängerten Frist den Gegenstand seines Klagebegehrens nicht bezeichnet hatte (vgl. dazu nachfolgend unter 2.) und dass der Termin zur —auf seinen Antrag anberaumten— mündlichen Verhandlung mehrfach verlegt worden und er bei der letzten Ladung ausdrücklich auf die Möglichkeit, rechtzeitig einen Prozessbevollmächtigten zu bestellen, hingewiesen worden war. Angesichts dessen bestand für den Kläger in einem für ihn erkennbaren besonderen Maße die Verpflichtung, die Gründe der erneut erst kurzfristig vor dem Termin dem FG mitgeteilten Verhinderung von sich aus substantiiert darzulegen und glaubhaft zu machen (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom XI B 155/03, BFH/NV 2005, 2036, m.w.N.; vom IV B 86/99, BFH/NV 2000, 1353).
Gleiches gilt für den Vortrag des Klägers, er habe angesichts der Formulierung in der Ladung darauf vertraut, das FG werde wie bisher den Termin aufheben, wenn er keinen Prozessbevollmächtigten bestelle. Er konnte nicht darauf vertrauen, dass das FG auf seinen kurzfristigen Antrag vom , dem Tag vor der mündlichen Verhandlung, unter Hinweis auf die bereits am ausgestellte Folgebescheinigung ohne Weiteres den Termin aufheben würde. Wenn der Kläger finanziell nicht in der Lage gewesen sein sollte, einen Bevollmächtigten zu bestellen, hätte er einen Antrag auf PKH unter Beiordnung eines Rechtsanwalts gemäß § 142 FGO i.V.m. § 121 Abs. 2 ZPO stellen können. Das ist jedoch nicht —im Übrigen auch nicht im Beschwerdeverfahren— geschehen.
2. Das FG hat entgegen der sinngemäßen Rüge des Klägers auch keinen Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO dadurch begangen, dass es die Klage mit der Begründung als unzulässig abgewiesen hat, dass der Kläger den Gegenstand des Klagebegehrens nicht ausreichend bezeichnet habe (§ 65 Abs. 1 FGO). Eine ausreichende Bezeichnung des Gegenstands des Klagebegehrens erfordert die substantiierte Darlegung, inwieweit der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger in seinen Rechten verletzt ist. Diesem Erfordernis ist bei Anfechtung eines Schätzungsbescheids dann genügt, wenn die anderweitig anzusetzende Besteuerungsgrundlage dem Betrag nach bestimmt wird oder wenn die Steuererklärung eingereicht wird (z.B. , BFH/NV 2003, 190). Im Streitfall hatte der Kläger innerhalb der ihm gesetzten Ausschlussfrist nach § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO und darüber hinaus noch bis zum Ergehen des Urteils weder einen bezifferten Klageantrag gestellt noch war seinem sonstigen Vorbringen auch nur ansatzweise zu entnehmen, in welchem Umfang (vgl. dazu auch § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO) er die Schätzungsbescheide anfechten wollte.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
RAAAC-52003