DBA-Südafrika: Kassenstaatsprinzip bei Ruhegehältern aus Südafrika
Leitsatz
Von der South African Airways, einer privatrechtlich strukturierten Kapitalgesellschaft südafrikanischen Rechts, an einen unbeschränkt Steuerpflichtigen gezahlte Ruhegehälter unterfallen nicht dem Kassenstaatsprinzip des Art. 16 DBA-Südafrika.
Gesetze: DBA Südafrika Art. 16
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die für die Streitjahre 1997 bis 2001 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden.
Der Kläger stand seit 1965 in den Diensten einer südafrikanischen Fluggesellschaft, der South African Airways (SAA), zuletzt vor seiner Pensionierung im Juli 1997 als . Er erhält seitdem auf Grund einer ihm erteilten Pensionszusage eine betriebliche Altersversorgung. Die SAA war als Teil des „Department of Transport” eine öffentliche Kasse i.S. von Art. 16 Abs. 3 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Südafrika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen (DBA-Südafrika) vom (BGBl II 1974, 1186, BStBl I 1974, 851). Seit ihrer Privatisierung im Jahre 1990 ist sie eine AG südafrikanischen Rechts und eine Tochtergesellschaft einer weiteren Kapitalgesellschaft südafrikanischen Rechts, der Transnet Limited (T-Ltd.). In dem der Privatisierung zugrundeliegenden South African Transport Services Act ist sichergestellt, dass durch die Überführung der South African Transport Services in die Rechtsform einer Kapitalgesellschaft ein Risiko für die Versorgungsansprüche der Mitarbeiter der SAA nicht besteht, sondern der Staat selbst die erteilten Versorgungszusagen garantiert.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) behandelte die vom Kläger aus Südafrika bezogenen Versorgungsbezüge als steuerpflichtigen Arbeitslohn. Es war der Rechtsansicht, das sog. Kassenstaatsprinzip nach Maßgabe des Art. 16 Abs. 2 und 3 DBA-Südafrika finde keine Anwendung.
Die Klage gegen die hiernach ergangenen Steuerbescheide blieb erfolglos. Die Kläger stützen ihre Revision gegen das Urteil des auf Verletzung materiellen Rechts.
Sie beantragen sinngemäß, das FG-Urteil aufzuheben und die angefochtenen Steuerbescheide dahin zu ändern, dass die Ruhestandsbezüge des Klägers aus seiner nichtselbständigen Tätigkeit für die SAA gemäß dem DBA-Südafrika steuerfrei belassen werden.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Der Senat entscheidet gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO) durch Beschluss. Er hält die Revision einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind vorher darüber unterrichtet worden; sie hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
1. Das FG ist zutreffend von der unbeschränkten Steuerpflicht der im Inland wohnenden Kläger ausgegangen (§ 1 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes i.V.m. § 8 der Abgabenordnung).
2. Die betrieblichen Versorgungsbezüge, die der Kläger in den Streitjahren aus Südafrika für seine dort erbrachte frühere nichtselbständige Tätigkeit bezogen hat, unterliegen hiernach im Inland der Besteuerung nach dem Welteinkommen. Das deutsche Besteuerungsrecht wird nicht durch Art. 16 Abs. 2 und 3 DBA-Südafrika eingeschränkt.
a) Nach Art. 16 Abs. 1 DBA-Südafrika sind Ruhegehälter und ähnliche Vergütungen, die einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person für frühere unselbständige Arbeit gezahlt werden, nur in diesem Staat zu besteuern, vorausgesetzt, dass diese Einkünfte in diesem Staat der Besteuerung unterliegen. Ungeachtet dessen sind nach Abs. 2 der Vorschrift Ruhegehälter und ähnliche Vergütungen, die von einem Vertragsstaat, einem seiner Länder oder einer ihrer Gebietskörperschaften unmittelbar oder aus einem von dem Vertragsstaat, dem Land oder der Gebietskörperschaft errichteten Sondervermögen für frühere unselbständige Arbeit gezahlt werden, in dem anderen Vertragsstaat von der Steuer befreit. Nach Abs. 3 der Vorschrift gilt das auch für Vergütungen, die von der Deutschen Bundesbank, der Deutschen Bundesbahn, der Deutschen Bundespost und den entsprechenden Einrichtungen Südafrikas einschließlich des „Department of Transport” und der „Tourist Corporation of the Republic of South Africa” für frühere unselbständige Arbeit gezahlt werden.
b) Diese Voraussetzungen des Art. 16 Abs. 2 und 3 DBA-Südafrika erfüllt der Kläger nicht. Er erhielt in den Streitjahren zwar Vergütungen i.S. von Art. 13 i.V.m. Art. 16 DBA-Südafrika für frühere unselbständige Arbeit. Doch wurden diese Vergütungen nicht von der Republik Südafrika oder einer der in Abs. 2 und 3 der Vorschrift aufgeführten sonstigen Verpflichteten —auch nicht von einem „Sondervermögen” im Sinne des Abkommens— gezahlt, sondern von der SAA, bei der es sich nach den den Senat bindenden (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) tatrichterlichen Feststellungen um eine privatrechtlich strukturierte Kapitalgesellschaft südafrikanischen Rechts handelt.
Dass dies in den Jahren der aktiven unselbständigen Arbeit des Klägers von 1965 bis 1990 anders gewesen sein mag, ändert an der Besteuerungszuordnung nichts. Art. 16 Abs. 2 und 3 DBA-Südafrika stellt allein darauf ab, wer konkret die in Rede stehenden Zahlungen leistet. Darauf, ob der Zahlungsverpflichtete seinerseits aus öffentlichen Kassen vollständige oder teilweise Deckungsbeiträge erhält, kommt es nicht an. Gleichermaßen scheidet eine —von den Klägern hilfsweise erwogene— Aufteilung der Ruhegehälter nach zeitlicher Maßgabe für die Zeit bis 1990 und danach aus.
Denn die abkommensrechtliche Besteuerungszuordnung für Ruhegehälter bestimmt sich nach Art. 16 Abs. 1 und 2 DBA-Südafrika einheitlich und unterschiedslos danach, dass sie für „unselbständige Arbeit” geleistet werden, unabhängig davon, wem gegenüber und wofür diese Arbeit in der Vergangenheit erbracht wurde. In diesem Punkt weicht Art. 16 Abs. 1 bis 3 DBA-Südafrika von Art. 19 Abs. 1 und 2 des OECD-Musterabkommens ab, der insoweit —nur— von gegenüber den jeweiligen Vertragsstaaten erbrachten Diensten ausgeht (s. dazu z.B. Wessel in Strunk/ Kaminski/Köhler, AStG/DBA, Art. 19 OECD-MA Rz 46; s. auch Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 19 OECD-MA Rz 107), aber auch von Art. 15 DBA-Südafrika, der in ähnlicher Weise die Besteuerungszuordnung nach Maßgabe des sog. Kassenstaatsprinzips bei Wahrnehmung öffentlicher Funktionen bestimmt, dies aber lediglich für gegenwärtig erbrachte Dienste, also nicht für Ruhegehälter. Für die Auslegung der hier maßgeblichen Abkommensbestimmungen ist beides jedoch ohne Belang; jedes einzelne Abkommen und jede einzelne Abkommensregelung ist nach Maßgabe der bilateralen Verständigung eigenständig auszulegen. Die seitens der Kläger herangezogenen (BFHE 184, 98, BStBl II 1998, 21) zu Art. 18 Abs. 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem spanischen Staat zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung bei den Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie vom I R 60, 61/97 (BFHE 185, 376, BStBl II 1999, 13) sowie zu Art. 14 Abs. 1 und 2 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Frankreich zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen und über gegenseitige Amts- und Rechtshilfe auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern sind deswegen nicht einschlägig; ihnen liegen anderslautende Abkommensbestimmungen zugrunde.
Entgegen der Revision kommt es ebenso wenig darauf an, ob die T-Ltd. als „von der Regierung kontrollierte geschäftliche Rechtspersönlichkeit” nach südafrikanischem Rechtsverständnis dem „öffentlichen Interesse dienen” soll (z.B. Rodi in Vogel/ Lehner, DBA, 5. Aufl., Art. 19 Rz 40), unmittelbaren ministeriellen Weisungen unterfällt oder ob bestimmte Teile des südafrikanischen Gesellschaftsrechts auf diese —als „public entity"— unanwendbar sein mögen. Ausschlaggebend ist allein die besagte privatrechtliche Struktur. Ob man die Umwandlung der SAA und der T-Ltd. in Kapitalgesellschaften trotz der hier fortbestehenden öffentlichen Aufgabenerfüllung als „Privatisierung” bezeichnet —was die Kläger beanstanden, das FG aber nach Würdigung des als solchen nicht revisiblen südafrikanischen Rechts festgestellt hat—, ist in Anbetracht dessen unbeachtlich.
Schließlich ist unbeachtlich, ob der Katalog der in Art. 16 Abs. 3 DBA-Südafrika aufgeführten Zahlungsverpflichteten im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ausgedehnt werden könnte. Die Kläger verkennen, dass auch Zahlungen der (privatrechtlich strukturierten) Nachfolgeunternehmen der dort für die deutsche Vertragsseite aufgeführten Organisationen nicht (mehr) dem Kassenstaatsprinzip, sondern den allgemeinen Grundsätzen unterfallen (vgl. z.B. Rodi in Vogel/Lehner, ebenda). Für die südafrikanische Vertragsseite kann nichts anderes gelten. Einem hypothetischen Willen der seinerzeit Vertragsschließenden ist angesichts dessen nicht weiter nachzugehen; die von den Klägern vermutete Regelungslücke ist nicht erkennbar.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 1832 Nr. 10
NWB-Eilnachricht Nr. 44/2007 S. 6
NAAAC-51991