BFH Beschluss v. - I B 52/06

Ein Bistro ist nicht allein deshalb eine dem Fremdenverkehr dienende Anlage i.S. der Aktivitätsklausel, weil es in einer Gegend liegt, die von Touristen aufgesucht wird

Gesetze: EStG § 2a, FGO § 115

Instanzenzug:

Gründe

I. Bei den Klägern und Beschwerdegegnern (Kläger) handelt es sich um unbeschränkt steuerpflichtige Eheleute, die für die Streitjahre 1993 bis 1995 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden.

Ende 1993 richtete der Kläger in X, USA, ein Bistro ein, das er dort von Herbst 1994 bis April 1995 betrieb. Die Kläger beantragten in ihren Einkommensteuererklärungen 1993 bis 1995 für das Bistro die Berücksichtigung ausländischer Betriebsstättenverluste.

Nach einer Betriebsprüfung erkannte der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt —FA—) die Berücksichtigung der Verluste nicht an. Er sah in dem Bistro eine dem Fremdenverkehr dienende Anlage, so dass die sog. Aktivitätsklausel des § 2a Abs. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes 1990 in der in den Streitjahren geltenden Fassung (EStG 1990) nicht eingreife. Hierzu bezog er sich auf Beschreibungen in Reiseführern über X, welche die touristischen Qualitäten der Region allgemein erläuterten, das Bistro jedoch nicht erwähnten.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt, ohne die Revision zuzulassen (, Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 2006, 1068). Das FA begründet seine Beschwerde zum einen mit der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO), zum anderen mit der Erforderlichkeit einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO.

II. Die Beschwerde ist als unbegründet zurückzuweisen. Die vom FA geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.

1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Eine solche liegt vor, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgeblichen Rechtsfragen das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berühren (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 23, m.w.N. aus der Rechtsprechung). Dies setzt zunächst die Klärungsbedürftigkeit der vom Beschwerdeführer aufgeworfenen Rechtsfragen voraus. Hieran fehlt es nicht nur, wenn die Rechtsfragen durch die Rechtsprechung des BFH hinreichend geklärt sind, sondern auch dann, wenn sich die Antwort auf die Rechtsfrage ohne weiteres aus dem klaren Wortlaut und Sinngehalt des Gesetzes ergibt oder sie offensichtlich so zu beantworten sind, wie es das FG getan hat, die Rechtslage also eindeutig ist (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschlüsse vom V B 101/03, BFHE 205, 416, BStBl II 2004, 748; vom III B 89/03, BFH/NV 2004, 1221). Des Weiteren ist erforderlich, dass die Rechtsfragen im konkreten Streitfall klärungsfähig sind. Hieran fehlt es, wenn die Rechtsfragen im künftigen Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich sind, es also auf sie nicht ankommt (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschlüsse vom VI B 192/03, BFH/NV 2005, 373; vom VII B 110/03, BFH/NV 2004, 1310).

2. Nach diesen Grundsätzen sind die vom FA aufgeworfenen Rechtsfragen entweder nicht klärungsbedürftig oder im Streitfall nicht klärungsfähig.

a) Das FA sieht zunächst als klärungsbedürftig an, ob eine im Ausland betriebene Gaststätte nur dann dem Fremdenverkehr i.S. der in § 2a Abs. 2 Satz 1 EStG 1990 enthaltenen Rückausnahme dienen kann, wenn sie in unmittelbarem Zusammenhang mit einer größeren Fremdenverkehrsanlage betrieben wird, obwohl unter dem Begriff „Fremdenverkehr” allgemein die Beherbergung und Beköstigung von Fremden zu verstehen sei. Dies ist aber im Streitfall nicht klärungsfähig, weil das in Frage stehende Bistro auch ohne eine derart enge Einschränkung nicht als dem Fremdenverkehr dienende Anlage anzusehen ist. Bei den entsprechenden Ausführungen des FG handelt es sich um weiter gehende, die Entscheidung nicht tragende Erwägungen. Die Entscheidung wird nämlich bereits durch die vom FG zugrunde gelegte Erwägung getragen, dass eine dem Fremdenverkehr dienende Anlage nicht vorliegt, wenn ein nur allgemeiner Zusammenhang mit dem Fremdenverkehr besteht. Die Verbindung zum Fremdenverkehr dürfe nicht nur beiläufig sein, sondern müsse die eigentliche Zweckbestimmung der Betätigung im Sinne eines übergeordneten Zwecks darstellen. Dazu reiche es nicht aus, dass der Betrieb in einer Gegend liegt, die von Touristen aufgesucht wird. Das FG hat sich damit der im Schrifttum (Mössner in Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG, § 2a Rz C 18; Probst in Flick/Wassermeyer/ Baumhoff, Außensteuerrecht, § 2a EStG Rz 175; ders. in Herrmann/Heuer/Raupach, § 2a EStG Rz 174; Gosch in Kirchhof, EStG, 6. Aufl., § 2a Rz 65; Blümich/Wied, § 2a EStG Rz 104) vertretenen und auch vom , EFG 2002, 1014 betreffend einen sowohl für Touristen als auch für einheimische Mitglieder konzipierten Golfplatz) zugrunde gelegten Auffassung angeschlossen, dass nur mittelbar den Fremdenverkehr fördernde Anlagen nicht unter die schädlichen Tätigkeiten fallen und Gastwirtschaften, Restaurants, Bäckereien oder Konditoreien nicht allein wegen des Betreibens an einem Fremdenverkehrsort als dem Fremdenverkehr dienende Anlagen zu qualifizieren sind.

Dass in diesem Sinne nur mittelbar den Fremdenverkehr dienende Anlagen von der Rückausnahme nicht erfasst sind, ist vom FA nicht als klärungsbedürftige Rechtsfrage dargelegt worden. Im Übrigen ist die Frage anhand des Gesetzeswortlauts eindeutig in dem vom FG entschiedenen Sinne zu beantworten. Jedenfalls allein aufgrund der örtlichen Lage einer Gaststätte an einem auch von Touristen aufgesuchten Ort kann nicht davon gesprochen werden, diese „diene” dem Fremdenverkehr. Dies könnte allenfalls bei einer zumindest zweckgerichteten Ausrichtung der Gaststätte auf den Fremdenverkehr in Frage kommen, was das FG im Streitfall den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindend verneint hat.

b) Hieraus folgt zugleich, dass die vom FA noch von grundsätzlicher Bedeutung erachtete Frage, ob das in § 2a Abs. 2 Satz 1 EStG 1990 für den Grundtatbestand der Aktivitätsklausel normierte Ausschließlichkeitserfordernis auch im Bereich der Rückausnahmetatbestände Anwendung finde (und deshalb eine Gaststätte im Falle eines 10 % übersteigenden Anteils von Touristen an ihren Gästen insgesamt als dem Fremdenverkehr dienende Anlage einzustufen sei), im Streitfall nicht klärungsbedürftig ist. Fehlt es nämlich bereits an einer zweckbezogenen Ausrichtung der Gaststätte auf den Fremdenverkehr, kann die Höhe des Touristenanteils unter den Gästen für das Nichtvorliegen des Rückausnahmetatbestandes keine entscheidende Rolle spielen.

3. Eine Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO ist aus den gleichen Gründen nicht erforderlich.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 1646 Nr. 9
PAAAC-50787