Steuerbefreiung von Forschungseinrichtungen
Leitsatz
1. Eine Forschungseinrichtung finanziert sich nicht überwiegend aus Zuwendungen der öffentlichen Hand oder Dritter oder aus der Vermögensverwaltung, wenn die Einnahmen aus Auftrags- oder Ressortforschung mehr als 50 v.H. der gesamten Einnahmen betragen.
2. Ob in diesem Fall die Auftragsforschung in einem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zu erfassen ist, oder die Steuerbefreiung insgesamt verloren geht, ist danach zu beurteilen, ob die Auftragsforschung der eigenen Forschung dient oder als eigenständiger Zweck verfolgt wird.
Gesetze: AO § 14AO § 52AO § 56AO § 64AO § 65AO § 68 Nr. 9GewStG § 3 Nr. 6KStG § 5 Abs. 1 Nr. 9
Instanzenzug: (EFG 2005, 1492) (Verfahrensverlauf), ,
Gründe
I.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist ein 1983 gegründeter und eingetragener Verein, dessen Zweck die Erhaltung und Schaffung preiswerten Wohnraums für Bevölkerungsschichten mit geringem Einkommen und die Förderung von Wissenschaft und Forschung in damit zusammenhängenden Forschungsgebieten ist. Er war bis einschließlich 1996 als gemeinnützig anerkannt worden.
In den Jahren 1997 bis 1999 beriet der Kläger öffentliche und private Organisationen, insbesondere auf den Gebieten der Stadt- und Verkehrsplanung, des sozialen Wohnungsbaus unter ökologischen und wohnungspolitischen Aspekten sowie der gesellschaftlichen Integration städtischer Randgruppen. Seine wissenschaftlichen Mitarbeiter entwickelten dabei Ideen zu bestimmten Forschungsvorhaben. Danach wurden Träger gesucht, die diese Vorhaben fördern sollten. Außerdem erhielt der Kläger konkrete Forschungsaufträge und nahm in geringerem Umfang auch an Ausschreibungen für Forschungsprojekte teil.
Die Forschungsprojekte erstreckten sich meistens über mehrere Jahre und wurden je nach Vereinbarung mit dem jeweiligen Auftraggeber mit unterschiedlichen Ergebnissen abgeschlossen. Entweder kam es zu Abschlussberichten mit oder ohne konkrete Beratung des Auftraggebers oder zur Veröffentlichung in Buchform, zur Durchführung von Ausstellungen oder zur Vorbereitung und Durchführung von Bildungsveranstaltungen.
Nach einer Außenprüfung gelangte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) zu der Auffassung, der Kläger habe sich in den Jahren 1997 bis 1999 nicht überwiegend aus Zuwendungen der öffentlichen Hand finanziert und erfülle daher die Voraussetzungen des § 68 Nr. 9 der Abgabenordnung (AO) nicht. Mangels Selbstlosigkeit seien die Voraussetzungen für die Anerkennung der Gemeinnützigkeit nicht erfüllt.
Die dagegen gerichtete Klage hatte nur hinsichtlich des Jahres 1997 Erfolg. Hinsichtlich der Streitjahre 1998 und 1999 teilte das Finanzgericht (FG) Köln in seinem Urteil vom 13 K 3420/04 (Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 2005, 1492) die Auffassung des FA, der Kläger habe seine steuerbegünstigten Zwecke nicht selbstlos i.S. des § 55 Abs. 1 Satz 1 AO erfüllt.
Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung materiellen Rechts.
Er beantragt, das Urteil des FG teilweise aufzuheben und die Bescheide über Körperschaftsteuer und Gewerbesteuermessbeträge 1998 und 1999 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II.
Der Kläger hat seine Revision —entsprechend dem Rubrum des FG-Urteils— wegen der Steuerbescheide für 1997 bis 1999 eingelegt. Sein Revisionsantrag richtete sich indes ausschließlich gegen die angefochtenen Bescheide betreffend die Streitjahre 1998 und 1999, in denen er vor dem FG auch unterlegen war. Der Senat versteht die Revision in Einklang hiermit nur wegen dieser Jahre 1998 und 1999 als erhoben.
Die so verstandene Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist im beantragten Umfang aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Die Feststellungen des FG ermöglichen keine abschließende Beurteilung, ob der Kläger in den Streitjahren 1998 und 1999 gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) und § 3 Nr. 6 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) von der Körperschaft- und Gewerbesteuer befreit war.
1. Die Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG, § 3 Nr. 6 GewStG wird Körperschaften gewährt, die nach der Satzung und der tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen (§§ 51 bis 68 AO). Wird ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb (vgl. § 14 AO) unterhalten, ist die Steuerbefreiung insoweit ausgeschlossen (§ 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 KStG; § 3 Nr. 6 Satz 2 GewStG). Die Körperschaft verliert die Steuerbegünstigung jedoch nur, soweit der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb kein Zweckbetrieb (§§ 65 bis 68 AO) ist (§ 64 Abs. 1 AO).
2. Eine Körperschaft verfolgt gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern (§ 52 Abs. 1 AO). § 52 Abs. 2 AO nennt beispielhaft (s. Senatsurteil vom I R 153/93, BFHE 176, 229, BStBl II 1995, 499) gemeinnützige Zwecke, u.a. die Förderung von Wissenschaft und Forschung.
Wie aus dem Einleitungssatz des § 52 Abs. 2 AO ersichtlich, ist die Förderung von Wissenschaft und Forschung nur dann gemeinnützig, wenn sie die Voraussetzungen des Abs. 1 erfüllt, also der Allgemeinheit dient. Keine Förderung der Allgemeinheit liegt vor, wenn Forschung im Interesse einzelner Auftraggeber betrieben wird und somit so genannte Auftrags- und Ressortforschung gegeben ist (, BFHE 179, 447, BStBl II 1997, 189; Olbertz, Deutsche Steuer-Zeitung —DStZ— 1996, 531; Wegehenkel, Betriebs-Berater —BB— 1985, 116; Thiel, Der Betrieb —DB— 1996, 1944). Die Ressortforschung ist dadurch gekennzeichnet, dass die Forschungseinrichtung im Auftrag zur Erfüllung von Aufgaben des Auftraggebers, z.B. eines Ministeriums, forscht, dem auch regelmäßig die ausschließlichen Verwertungsrechte zustehen. Diese Tätigkeit dient in erster Linie den Interessen und Zwecken der jeweiligen Auftraggeber und nicht der Forschung zum gemeinen Wohl. Hieran vermag auch die Tatsache nichts zu ändern, dass die Forschungseinrichtung durch die Auftragsforschung wichtige und nützliche Erkenntnisse für ihre eigene Forschung erlangt (BFH-Urteil in BFHE 179, 447, BStBl II 1997, 189; Olbertz, DStZ 1996, 531). Denn auch in diesem Fall forscht die Einrichtung nicht für die Allgemeinheit, sondern für den Auftraggeber.
3. Das FG hat allein darauf abgestellt, dass der Kläger nicht im Rahmen eines Zweckbetriebs tätig geworden ist, und hat aus diesem Grund die Klage abgewiesen. Das beanstandet der Kläger zu Recht.
a) Zutreffend ist allerdings die Annahme des FG, dass der Kläger keinen Zweckbetrieb i.S. des § 68 Nr. 9 AO unterhalten hat.
aa) Nach § 68 Nr. 9 Satz 1 AO sind Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen, deren Träger sich überwiegend aus Zuwendungen der öffentlichen Hand oder Dritter oder aus der Vermögensverwaltung finanzieren, Zweckbetriebe.
Zuwendung in diesem Sinn ist ein Mitteltransfer, der der Körperschaft ohne eigene Gegenleistung zufließt (Fischer in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 68 AO Rz 25; Uterhark in Schwarz, AO, § 68 Rz 12). Unter den Begriff der Zuwendung fallen daher unentgeltliche Leistungen wie Spenden, Mitgliedsbeiträge, Projektförderungszahlungen und Zahlungen, durch die eine aus strukturpolitischen, volkswirtschaftlichen oder allgemein politischen Gründen erwünschte Tätigkeit des Zahlungsempfängers gefördert werden soll (, BFH/NV 1999, 833; in BFHE 179, 447, BStBl II 1997, 189). Keine Zuwendungen i.S. des § 68 Nr. 9 AO sind hingegen Entgelte, die als Gegenleistung für eine konkrete Tätigkeit im Interesse des Auftraggebers, der auch die öffentliche Hand sein kann, geleistet werden. Die Ressortforschung, deren Ergebnisse in erster Linie den finanzierenden Stellen (hier: den Ministerien) zur Verfügung stehen, wird regelmäßig im Rahmen gegenseitiger Verträge und damit gegen Entgelt erbracht (s. Olbertz, DStZ 1996, 531, 533; Fischer in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, a.a.O., § 68 AO Rz 25; Thiel, DB 1996, 1944, 1948).
Soweit der Kläger geltend macht, unter „Zuwendungen” i.S. des § 68 Nr. 9 Satz 1 AO seien alle Leistungen der öffentlichen Hand zu rechnen, auch wenn sie im Rahmen eines gegenseitigen Vertrages geleistet werden, folgt dem der Senat nicht. Eine derartige Auslegung lässt sich weder mit dem Wortlaut der Vorschrift vereinbaren noch gebietet sie ihr Zweck. § 68 Nr. 9 Satz 1 AO war eine Reaktion auf das BFH-Urteil in BFHE 179, 447, BStBl II 1997, 189, das im Gegensatz zur Finanzverwaltung die Auftragsforschung der gemeinnützigen Forschungseinrichtungen als steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb beurteilt hatte. Der Gesetzgeber bezweckte mit der Vorschrift zum einen, Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen der Eigenforschung und der Auftragsforschung zu vermeiden; zum anderen wollte er den Forschungseinrichtungen ermöglichen, die im steuerbegünstigten Bereich gefundenen Ergebnisse in die Praxis zu überführen und der Wirtschaft zugänglich zu machen (BTDrucks 13/4839, S. 88 ff.). Allerdings sollte dies aus Wettbewerbsgründen auf solche Einrichtungen beschränkt werden, die sich überwiegend aus Zuwendungen der öffentlichen Hand oder Dritter finanzierten. Aus dem Umstand, dass in der Gesetzesbegründung im Zusammenhang mit der Auftragsforschung von Unternehmen und „der Wirtschaft” die Rede ist, lässt sich nicht schließen, der Gesetzgeber habe —abweichend vom Wortlaut des § 68 Nr. 9 Satz 1 AO— auch Leistungen der öffentlichen Hand im Rahmen eines gegenseitigen Vertrages als Zuwendung verstanden wissen wollen.
Eine „überwiegende” Finanzierung bedeutet, dass die Einnahmen zu mehr als 50 v.H. aus Quellen stammen müssen, die nicht Gegenleistung für Leistungen der Wissenschaft und Forschungseinrichtungen sind (Uterhark in Schwarz, a.a.O., § 68 Rz. 12; s. auch Jost in Dötsch/Jost/Pung/Witt, Die Körperschaftsteuer, § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG nF Rz 276d).
bb) Das FG ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass der Kläger seine Einnahmen in den Streitjahren 1998 und 1999 überwiegend im Rahmen von Leistungsaustauschverhältnissen bezogen und daher keinen Zweckbetrieb nach § 68 Nr. 9 AO unterhalten hat. Den hiernach bestehenden Finanzierungserfordernissen wird nicht genügt, gleichviel, ob man mit der Verwaltungspraxis (vgl. BStBl I 1999, 944 unter III. Nr. 5) auf einen Dreijahreszeitraum —das zu beurteilende Jahr und die beiden vorangegangenen Jahre— abstellt oder nur auf das jeweils zu beurteilende (Wirtschafts-)Jahr (vgl. § 60 Abs. 2 Satz 1, § 63 Abs. 2 AO).
Der Kläger greift dies insbesondere mit Blick auf den von ihm mit dem Ministerium des Landes (M) geschlossenen Vertrag an. Das FG hat hierzu ausgeführt, der Kläger und M hätten ausweislich des Vertragstextes einen Werkvertrag geschlossen, in dem sich der Kläger verpflichtet habe, bestimmte Leistungen zu erbringen. § 4 des Vertrages habe eine Klausel enthalten, nach der M das —zeitlich befristete— ausschließliche Nutzungsrecht hinsichtlich aller verwertbaren Rechte erhalten habe und der Kläger zur Verschwiegenheit bis zu einem eventuellen Rückfall der Publikationsrechte an ihn verpflichtet worden sei. Die Vergütung habe sich nach dem Selbstkostenpreis im Sinne des öffentlichen Preisrechts gerichtet; Mehrwertsteuer habe nur gegen Nachweis der Steuerpflicht und nur in der tatsächlich abzuführenden Höhe erstattet werden sollen. Im Falle einer —an keine Voraussetzung gebundenen— Kündigung habe dem Kläger ein Anspruch auf Vergütung der bis dahin erbrachten Leistung zugestanden; bei einer Überzahlung durch Vorauszahlungen sei in diesem Fall eine verzinsliche Rückzahlung zu leisten gewesen.
Der hieraus gezogene Schluss des FG, dass diesem Vertrag ein Leistungsaustauschverhältnis zugrunde gelegen habe, ist möglich und daher revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Auslegung von Verträgen gehört zum Bereich der tatsächlichen Feststellungen, die den Senat nach § 118 Abs. 2 FGO binden, sofern sie verfahrensfehlerfrei zustande gekommen sind und Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze nicht missachten. Der Umstand, dass der Kläger nach Art und Umfang genau beschriebene Leistungen zu erbringen hatte, hierfür seine Selbstkosten abrechnen konnte und M das —wenn auch zeitlich befristete— ausschließliche Nutzungsrecht hinsichtlich aller verwertbaren Rechte erhielt, spricht wesentlich für ein Leistungsaustauschverhältnis. Das FG konnte auch rechtsfehlerfrei die Bezeichnung der Vereinbarung als „Werkvertrag”, unabhängig davon, ob die Bezeichnung zutreffend ist, als Indiz dafür werten, dass die Parteien selbst von einem gegenseitigen Vertrag ausgegangen sind.
Auch der Hinweis des Klägers auf das (BStBl I 2006, 502) ändert an dieser Einschätzung nichts. Zum einen ist dieses Schreiben zur Umsatzsteuer ergangen, die abweichenden Grundsätzen unterfallen kann. Zum anderen bindet die dazu vertretene Verwaltungsmeinung die gerichtliche Beurteilung nicht. Davon abgesehen liegt auch diesem Schreiben die Auffassung zugrunde, dass z.B. der Vorbehalt von Verwertungsrechten für den Zuwendungsgeber einen Anhalt für einen Leistungsaustausch bieten kann.
b) Die Auftragsforschung ist auch kein Zweckbetrieb i.S. des § 65 AO. Nach dieser Vorschrift ist dann ein Zweckbetrieb gegeben, wenn der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb in seiner Gesamtrichtung dazu dient, die steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke der Körperschaft zu verwirklichen (§ 65 Nr. 1 AO), die Zwecke nur durch einen solchen Geschäftsbetrieb erreicht werden können (§ 65 Nr. 2 AO) und der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb zu nicht begünstigten Betrieben derselben oder ähnlichen Art nicht in größerem Umfang in Wettbewerb tritt, als es bei Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke unvermeidbar ist (§ 65 Nr. 3 AO). Da die vom Kläger betriebene Eigenforschung auch ohne Auftragsforschung betrieben werden kann und die gewonnenen Erkenntnisse der eigenen Forschung nur mittelbar förderlich sind, liegen diese Voraussetzungen nicht vor (vgl. BFH-Urteil in BFHE 179, 447, BStBl II 1997, 189).
An dieser Einschätzung ändert sich auch nichts, wenn die Forschungseinrichtung mangels ausreichender eigener finanzieller Mittel zur Erfüllung ihres gemeinnützigen Zwecks auf Auftragsforschung angewiesen ist oder die öffentliche Hand nur bereit ist, Leistungen im Rahmen gegenseitiger Verträge zu erbringen. Eine Behandlung als Zweckbetrieb i.S. des § 65 AO in diesen Fällen würde die Regelung des § 68 Nr. 9 Satz 1 AO unterlaufen, nach der die Auftragsforschung dann als wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb zu behandeln ist, wenn sich die Träger von Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen überwiegend aus Auftragsforschung finanzieren. Die weiter gehende Frage, ob § 65 AO bei einer Forschungseinrichtung neben der insoweit spezielleren Vorschrift des § 68 Nr. 9 AO überhaupt anwendbar ist, kann insoweit unbeantwortet bleiben (verneinend BMF-Schreiben in BStBl I 1999, 944 unter I. Nr. 3; Steuererlasse in Karteiform —StEK—, Abgabenordnung 1977 § 68 Nr. 31; bejahend demgegenüber Strahl, Deutsches Steuerrecht —DStR— 2000, 2163, 2167; Jost in Dötsch/Jost/Pung/Witt, a.a.O., § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG nF Rz 276l).
c) Das FG hat jedoch zu Unrecht angenommen, dass die Steuerbefreiung des Klägers nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG allein deshalb in den Streitjahren ausgeschlossen war, weil sich der Kläger überwiegend durch Einnahmen aus der Auftragsforschung finanziert hat. Denn wenn eine Forschungstätigkeit die Voraussetzungen des § 68 Nr. 9 AO nicht erfüllt, folgt hieraus unmittelbar nur, dass speziell die Einkünfte aus dieser Tätigkeit nicht von der Körperschaftsteuer befreit sind. Die auf diese Weise tätige Einrichtung kann gleichwohl nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG steuerbefreit sein und lediglich einen nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG körperschaftsteuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (§ 14 AO) unterhalten (vgl. Senatsurteil vom I R 84/01, BFHE 200, 191). Die Körperschaftsteuerbefreiung des § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG geht nur dann verloren, wenn die Auftragsforschung als eigenständiger Zweck neben die Eigenforschung tritt und hierdurch gegen das Ausschließlichkeitsgebot des § 56 AO verstoßen wird (vgl. Strahl, DStR 2000, 2163, 2167; anders die Verwaltungspraxis, vgl. OFD Frankfurt am Main in StEK, Abgabenordnung 1977 § 68 Nr. 31).
aa) Das FG hat seine Entscheidung in Übereinstimmung mit dem BMF-Schreiben in BStBl I 1999, 944 (unter I. Nr. 5) darauf gestützt, dass der Kläger in den Streitjahren in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgt habe und daher nicht selbstlos i.S. des § 55 Abs. 1 Satz 1 AO tätig gewesen sei. Eine Körperschaft verfolgt indessen nur dann in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke, wenn sie vorrangig und nicht nur nebenbei ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen oder die ihrer Mitglieder fördert (z.B. Senatsurteil vom I R 19/91, BFHE 165, 484, BStBl II 1992, 62). Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger mit der Auftragsforschung überwiegend eigene wirtschaftliche Ziele oder solche seiner Mitglieder verfolgt hat, sind nicht ersichtlich.
Soweit dem Urteil der Vorinstanz die Auffassung zugrunde liegen sollte, eine Körperschaft, die den überwiegenden Teil ihrer Einnahmen aus einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb erzielt, werde stets durch den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb geprägt und sei daher in keinem Fall selbstlos i.S. des § 55 AO tätig (vgl. hierzu Schauhoff in Schauhoff, Handbuch der Gemeinnützigkeit, 2. Aufl., § 6 Rz 112, m.w.N.), ist dem nicht zu folgen. Nach dem Senatsurteil vom I R 156/94 (BFHE 186, 546, BStBl II 2002, 162) liegt ein Verstoß gegen das Gebot der Selbstlosigkeit nicht allein deswegen vor, weil die Körperschaft einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhält und die nicht begünstigten die gemeinnützigen Aktivitäten übersteigen. Maßgeblich ist vielmehr, ob das Vermögen der gemeinnützigen Körperschaft zweckgerichtet für die ideellen Zwecke eingesetzt wird und die Einnahmen aus der nicht begünstigten Tätigkeit für die begünstigte Tätigkeit verwendet werden. Wirtschaftliche Tätigkeiten zur Erhöhung der Einkünfte mit dem Ziel, den gemeinnützigen Satzungszweck durch Zuwendungen von Mitteln zu fördern, sind nicht schädlich (ebenso Strahl, DStR 2000, 2163, 2167, m.w.N.).
bb) Eine wirtschaftliche Aktivität einer gemeinnützigen Körperschaft darf allerdings nicht zum Selbstzweck werden. Andernfalls verstößt sie gegen das Ausschließlichkeitsgebot des § 56 AO.
Dieses Gebot besagt, dass eine Körperschaft nicht gemeinnützig ist, wenn sie neben ihrer gemeinnützigen Zielsetzung weitere Zwecke verfolgt und diese Zwecke nicht gemeinnützig sind. Im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben folgt daraus, dass deren Unterhaltung der Gemeinnützigkeit einer Körperschaft entgegensteht, wenn sie in der Gesamtschau zum Selbstzweck wird und in diesem Sinne neben die Verfolgung des gemeinnützigen Zwecks der Körperschaft tritt. Die Unterhaltung eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes ist mithin aus der Sicht des Gemeinnützigkeitsrechts nur dann unschädlich, wenn sie um des gemeinnützigen Zwecks willen erfolgt, indem sie z.B. der Beschaffung von Mitteln zur Erfüllung der gemeinnützigen Aufgabe dient. Ist der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb dagegen nicht dem gemeinnützigen Zweck untergeordnet, sondern ein davon losgelöster Zweck oder gar der Hauptzweck der Betätigung der Körperschaft, so scheitert deren Gemeinnützigkeit an § 56 AO. In einem solchen Fall kann die Betätigung der Körperschaft nicht in einen steuerfreien und einen steuerpflichtigen Teil aufgeteilt werden; vielmehr ist dann die Körperschaft insgesamt steuerpflichtig (, BFHE 127, 360, BStBl II 1979, 496; vom I R 38/86, BFH/NV 1992, 90; vgl. auch Strahl, ebenda).
4. Das FG ist, von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig, dem Verhältnis zwischen der Auftragsforschung des Klägers einerseits und dessen übrigen Tätigkeiten andererseits nicht nachgegangen. Deshalb ist der Rechtsstreit nicht zur abschließenden Entscheidung reif.
Ob die vom Kläger betriebene Auftragsforschung, sofern sie sich von der steuerbegünstigten Tätigkeit trennen lässt, der Eigenforschung des Klägers materiell oder in anderer Weise dient und damit dem gemeinnützigen Zweck untergeordnet ist, oder als eigenständiger Zweck verfolgt wird, ist unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls zu entscheiden. Dabei ist bei einer Forschungseinrichtung davon auszugehen, dass der Zuwachs an Wissen und Erfahrung der wissenschaftlichen Mitarbeiter, der mit jedem Auftrag einhergeht, für die Annahme einer Unterordnung der Auftragsforschung unter den gemeinnützigen Zweck des Klägers allein nicht ausreicht. Die Würdigung und Gewichtung der einzelnen Umstände, insbesondere des eingesetzten Zeit- und Personalaufwands (vgl. Strahl, Finanz-Rundschau 2006, 1012, 1016) oder des mit der wirtschaftlichen Tätigkeit einhergehenden Risikos (Schauhoff in Schauhoff, a.a.O., § 6 Rz 111) ist vornehmlich tatsächlicher Art und obliegt daher dem FG. Dessen Urteil ist folglich, soweit es die Streitjahre 1998 und 1999 betrifft, aufzuheben und die Sache insoweit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
BStBl 2007 II Seite 631
AO-StB 2007 S. 203 Nr. 8
BB 2007 S. 1490 Nr. 27
BFH/NV 2007 S. 1601 Nr. 8
BStBl II 2007 S. 631 Nr. 14
DB 2007 S. 1443 Nr. 26
DStR 2007 S. 1121 Nr. 26
DStRE 2007 S. 924 Nr. 14
DStZ 2007 S. 473 Nr. 15
FR 2007 S. 963 Nr. 20
HFR 2007 S. 827 Nr. 9
KÖSDI 2007 S. 15608 Nr. 7
NWB-Eilnachricht Nr. 26/2007 S. 2179
SJ 2007 S. 10 Nr. 19
StB 2007 S. 286 Nr. 8
StBW 2007 S. 4 Nr. 14
WPg 2007 S. 665 Nr. 15
OAAAC-47809