Rüge eines Verstoßes gegen den klaren Inhalt der Akten; Beweisvorsorge für Einlagebuchungen; Bewertung einer Forderung: Ausfallrisiko und Wertaufhellung
Gesetze: FGO § 96; FGO § 115; EStG § 5 Abs. 1; EStG § 6 Abs. 1 Nr. 2
Instanzenzug:
Gründe
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) begehrt die Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) und mit der Rüge, das Urteil des Finanzgerichts (FG) leide an Verfahrensmängel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO. Das FG habe den Akteninhalt nicht hinreichend gewürdigt und vom Kläger Beweise verlangt, die zu erbringen unerfüllbar gewesen sei.
1. Hauptstreitpunkt zwischen dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt —FA—) und dem Kläger ist die Frage, ob Einzahlungen des Klägers in Höhe von 225 770 DM auf sein betriebliches Konto als Einlagen oder —wie vom FA angenommen— als Betriebseinnahmen zu behandeln sind.
Das FA hat die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung verneint und daraus gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 der Abgabenordnung (AO) die Befugnis zur Schätzung weiterer Betriebseinnahmen gefolgert. Deren Höhe hat es nach den vom Kläger als Einlagen bezeichneten Bareinzahlungen auf das Geschäftskonto bemessen. Das FG hat diese Überlegungen bestätigt und die Schätzung auch der Höhe nach für gerechtfertigt gehalten. Es hat darauf abgestellt, dass der Kläger —obwohl er Urkunden habe vorlegen können, die beträchtliche private Mittel belegen würden— den Zahlungsfluss für jede Einzahlung nicht mit der für die Überzeugungsbildung des FG erforderlichen Sicherheit nachgewiesen habe. Dagegen wendet der Kläger ein, das FG habe die Zuschätzung der Betriebseinnahmen allein auf die Tatsache gestützt, dass er den Zahlungsfluss von einem Privatkonto auf ein betriebliches Konto nicht habe nachweisen können. Dabei habe es die in den Akten des FG befindlichen Daten einer Geldverkehrsrechnung (bezeichnet als „Anlage 3; Akten betreffend Sächsisches Finanzgericht, Az. ...”) nicht berücksichtigt. Damit habe das FG unter Verletzung des § 96 Abs. 1 FGO gegen den klaren Inhalt der Akten verstoßen. Dieses Vorbringen verhilft der Beschwerde nicht zum Erfolg.
a) Abgesehen davon, dass Grund für die Schätzung die fehlende Ordnungsmäßigkeit der Buchführung war und nicht der fehlende Nachweis der Herkunft der als Einlagen gebuchten Einzahlungen auf das betriebliche Bankkonto, sind zur schlüssigen Darlegung der Rüge, das FG habe gegen den klaren Inhalt der Akten verstoßen, die Aktenteile genau zu bezeichnen, die das FG nicht berücksichtigt haben soll (vgl. Entscheidungen des Bundesfinanzhofs —BFH— vom V R 130/69, BFHE 110, 493, BStBl II 1974, 219; vom I R 163/82, BFH/NV 1986, 288; vom V B 164/93, BFH/NV 1995, 883, und vom X B 56/01, BFH/NV 2002, 947).
Dem wird die Bezugnahme auf ein als „Anlage 3; Akten betreffend Sächsisches Finanzgericht, Az. ...”, bezeichnetes Dokument zumal aus einem anderen —wenn auch weitgehend dieselben Prozessbeteiligten betreffenden— Verfahren nicht gerecht. Das Vorbringen lässt nicht mit der gebotenen Klarheit erkennen, welche Aktenteile das FG bei seiner Entscheidung außer Acht gelassen haben soll oder zu welchen Aktenteilen die vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen in Widerspruch stehen sollen (vgl. , BFH/NV 1996, 492). Es ist nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, die Akten zumal eines anderen Verfahrens danach zu durchforsten, welche Aktenteile der Beschwerdeführer mit seiner Rüge gemeint haben könnte. Davon soll der BFH durch die in § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO aufgestellten Anforderungen an die Darlegung eines Revisionszulassungsgrundes entlastet werden.
b) Darüber hinaus hat das FG den Nachweis für eine nicht einkünfterelevante Herkunft der eingelegten Geldmittel nicht als erbracht angesehen. Es hat sich in der Urteilsbegründung mit den vom Kläger vorgelegten Urkunden befasst, indes die Angaben des Klägers zur Herkunft der Gelder als nicht überzeugend angesehen. Letztlich enthält das Vorbringen des Klägers im Kern die Behauptung, das FG habe es unterlassen, verschiedene von ihm vorgelegte Unterlagen in die Würdigung des Prozessstoffs einzubeziehen. Damit rügt er eine fehlerhafte Beweiswürdigung, mit der ein Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO regelmäßig nicht begründet werden kann (Senatsbeschlüsse vom X B 75/99, BFH/NV 2000, 1458, und vom X B 144/99, BFH/NV 2003, 1048). Der Kläger kann dem nicht entgegenhalten, das Verlangen des FG, er müsse die Herkunft der als Einlage gebuchten Zahlungen nachweisen, sei nicht erfüllbar. Er selbst hat durch die Einlagebuchungen die Verbindung zwischen Privat- und Betriebsvermögen hergestellt. Deshalb und wegen der ungewöhnlichen und nicht überzeugenden Erklärung, nach der ein Geldbetrag, der zwei Jahre lang zinsbringend angelegt war, anschließend monatelang im Tresor verwahrt gewesen sein soll, um dann bar auf das betriebliche Konto eingezahlt werden zu können, war der Kläger zu verstärkter Mitwirkung verpflichtet. Er hätte sich durch Beweisvorsorge in die Lage versetzen müssen, die Herkunft der Einzahlungen aus dem Privatvermögen nachzuweisen (vgl. Senatsurteil vom X R 16/86, BFHE 156, 38, BStBl II 1989, 462).
c) Aus der Anforderung an jede Schätzung, in sich schlüssig zu sein sowie zu vernünftigen und möglichen Ergebnissen zu führen, kann der Kläger auch unter Zuhilfenahme eines Vergleichs des Schätzungsergebnisses mit den Zahlen der amtlichen Richtsatzsammlung keinen Revisionszulassungsgrund ableiten. Zwar weist die Schätzung einen Rohgewinnaufschlagsatz von 132 % aus. Aber selbst wenn diese Kennziffer die Spitze der in der amtlichen Richtsatzsammlung aufgeführten Rohgewinnaufschlagsätze für Betriebe der Branche und Größe des klägerischen Betriebs markiert, kann daraus nicht hergeleitet werden, dass die Schätzung jenseits des wirtschaftlich Vernünftigen liegt und deshalb rechtsfehlerhaft ist. Ein Urteil mit einem solchen Schätzungsergebnis leidet nicht deshalb an schwerwiegenden Fehlern, die mit der rechtsstaatlichen Ordnung nicht vereinbar sind. Da jeder Schätzung ein Element der Unsicherheit anhaftet, die jedenfalls im Rahmen der Kennziffern der Richtsatzsammlung hinzunehmen ist, erscheint das angefochtene Urteil weder objektiv willkürlich noch beruht es auf sachfremden Erwägungen.
2. Der Kläger ist der Ansicht, das FG-Urteil weiche in der Frage der Bewertung einer Mietforderung von den BFH-Urteilen vom I R 68/00 (BFHE 197, 530, BStBl II 2002, 688) und vom I R 5/04 (BFHE 208, 116) ab. Während der Kläger die Mietforderung nicht bilanziert habe, weil die Zahlung des Schuldners unsicher gewesen sei, habe das FA die Forderung in der Bilanz angesetzt und das FG diese Behandlung geteilt.
a) Wird die Zulassung der Revision mit der Behauptung begehrt, das angefochtene Urteil weiche von einer Entscheidung des BFH ab, so muss der Beschwerdeführer voneinander abweichende Rechtssätze aus dem angefochtenen und dem vermeintlichen Divergenzurteil herausarbeiten und einander gegenüberstellen (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom XI B 67/00, BFH/NV 2002, 1479; vom II B 33/01, BFH/NV 2002, 1482; vom XI B 152/01, BFH/NV 2002, 1484; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 116 Rz 42).
Der Kläger hat dem angefochtenen Urteil den Rechtssatz entnommen, wonach zum Abschlussstichttag nicht erkennbar gewesen sei, dass die Forderung uneinbringlich sein solle, weil er —der Kläger— noch im Jahr danach versucht habe, die Forderung beizutreiben. Das angefochte Urteil enthalte weiter den Rechtssatz „am Bilanzstichtag bekannte wertaufhellende Erkenntnisse gehen in die Bewertung ein, am Bilanzstichtag noch unbekannte wertaufhellende Erkenntnisse dagegen nicht”. Dem stellt der Kläger aus der BFH-Entscheidung in BFHE 197, 530, BStBl II 2002, 688 den Rechtssatz entgegen, dass wertaufhellende Erkenntnisse jene sind, die zum Bilanzstichtag bereits objektiv vorgelegen hätten und nach dem Bilanzstichtag aber vor dem Tag der Bilanzerstellung lediglich bekannt oder erkennbar geworden seien. Damit habe sich der BFH für die sog. objektive Wertaufhellungskonzeption entschieden. Danach sei es unmaßgeblich, ob das später eintretende Ereignis zum Bilanzstichtag vorhersehbar gewesen sei. Die Erkennbarkeit am Bilanzstichtag sei nicht entscheidend. Dagegen habe das FG im angefochtenen Urteil allein auf die subjektive Erkennbarkeit wertaufhellender Erkenntnisse am Bilanzstichtag abgestellt. Darüber hinaus sei nach dem BFH-Urteil in BFHE 208, 116 der Nichteingang einer Forderung eine wertaufhellende Erkenntnis, die auf den Bilanzstichtag ausstrahle. Nach Ansicht des Klägers hätte das FG ohne die Abweichung von den genannten BFH-Urteilen die im Wertaufhellungszeitraum bekannt gewordenen Tatsachen der Nichtzahlung der Forderung und des Entstehens weiterer Kosten in die Bewertung der Forderung zu den Bilanzstichtagen einbezogen.
b) Mit diesem Vorbringen sind die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung nicht dargelegt.
Zu beurteilen ist die vom Kläger bzw. vom FA vorgenommene Bewertung einer Geldforderung. Geldforderungen sind in der Steuerbilanz ebenso wie in der Handelsbilanz grundsätzlich mit dem Nennwert anzusetzen. Ist der Teilwert einer Forderung niedriger als der Nennwert, z.B. weil zweifelhaft ist, ob die Forderung in Höhe des Nennwerts erfüllt werden wird, so ist statt des Nennwerts der niedrigere Teilwert anzusetzen (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2, § 5 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes). Der Teilwert kann im Allgemeinen nur im Wege der Schätzung ermittelt werden. Dabei kommt dem Ermessen des Kaufmanns besondere Bedeutung zu, weil er die Verhältnisse seines Betriebs am besten kennt. Seine Schätzung muss jedoch objektiv durch die Verhältnisse des Betriebs gestützt werden. Schätzungen, die auf bloßen Vermutungen oder auf einer pessimistischen Beurteilung der künftigen Entwicklung beruhen, sind unbeachtlich (vgl. , BFHE 67, 47, BStBl III 1958, 291, und vom VIII R 64/86, BFH/NV 1992, 449, unter 4.a aa). Maßgeblich für die Bewertung sind die tatsächlichen Verhältnisse am Bilanzstichtag (vgl. , BFHE 64, 43, BStBl III 1957, 16). So kann der künftige Ausfall der zu bewertenden Forderung in gewissem Umfang unter der Voraussetzung berücksichtigt werden, dass der Forderung aufgrund von Risiken, die am Bilanzstichtag bereits bestanden, ein Ausfallwagnis anhaftete. Nur insoweit stellt der spätere Ausfall der Forderung eine wertaufhellende Erkenntnis dar. Das Bestehen eines Ausfallrisikos zum Bilanzstichtag aber hat das FG vor dem Hintergrund verneint, dass das FA in der Einspruchsentscheidung den Wert der Forderung bereits um 50 % gemindert hatte. Nicht anders ist der vom Kläger aufgegriffene auf § 252 Abs. 1 Nr. 4 des Handelsgesetzbuchs gestützte Gedanke des FG zu verstehen, zum Abschlussstichtag sei nicht erkennbar gewesen, dass die Forderung uneinbringlich sein solle. Diese Überlegung beschreibt einen nach Auffassung des FG gegebenen objektiven Befund und ist nicht Ausdruck einer subjektiven Wertaufhellungstheorie. Die behauptete Divergenz ist daher zu verneinen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 1138 Nr. 6
YAAAC-42619