Wirtschaftliches Eigentum bei Anbau an selbstgenutzte Wohnung auf fremdem Grundstück
Leitsatz
Die Inanspruchnahme der Eigenheimzulage nach § 2 Abs. 2 EigZulG für die Herstellungskosten eines Anbaus an eine Wohnung durch den wirtschaftlichen Eigentümer der Wohnung (aufgrund Einräumung eines Dauernutzungsrechts) setzt nicht voraus, dass dieser auch die Anschaffungs- oder Herstellungskosten der ursprünglichen (noch nicht erweiterten) Wohnung getragen hat. Wird an einer bereits seit 50 Jahren bestehenden Wohnung ein Dauernutzungsrecht für mindestens 50 Jahre eingeräumt und damit auf die Nutzungsdauer der Wohnung bestellt, kann dies zu wirtschaftlichem Eigentum des Nutzungsberechtigten führen.
Gesetze: EigZulG § 2, AO § 39 Abs. 2 Nr. 1
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) beantragte Eigenheimzulage für den im Jahr 1999 fertiggestellten Anbau an das seit 1950 im Eigentum ihrer Großmutter stehende Wohnhaus, dessen Erdgeschoss diese und dessen Ober- und Dachgeschoss die Klägerin mit ihrer Familie bewohnte. Die von der Klägerin getragenen Herstellungskosten beliefen sich auf ca. 120 000 DM.
Mit Vertrag vom Januar 1998 räumte die Großmutter der im Januar 1964 geborenen Klägerin das alleinige „Dauer-Nutzungsrecht” an der Wohnung im Ober- und Dachgeschoss „auf deren Lebenszeit, mindestens aber für 50 Jahre” ein. Die Klägerin war danach berechtigt, die Räume beliebig zu nutzen und zu verändern; sie war darüber hinaus befugt, die von ihr genutzte Wohnung durch einen Anbau im Bereich des Obergeschosses in der Weise zu erweitern, dass die vorhandene Dachterrasse bebaut wird. Im Übrigen hatte die Eigentümerin im Fall der Nichtinanspruchnahme des Nutzungsrechts der Klägerin den jeweiligen Zeitwert eines etwaigen Anbaus zu ersetzen.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) lehnte die Gewährung von Eigenheimzulage ab 1999 ab. Der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) statt (Urteil in Entscheidungen der Finanzgerichte 2006, 171): Entgegen der Ansicht des FA habe die Klägerin aufgrund des eingeräumten Dauernutzungsrechts wirtschaftliches Eigentum an der von ihr genutzten Wohnung erlangt und auch am späteren Anbau, dessen Herstellungskosten sie getragen habe.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts (§ 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 des Eigenheimzulagengesetzes —EigZulG—, § 39 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung —AO 1977—): Die Begünstigung nach § 2 EigZulG setze voraus, dass der Anspruchsberechtigte zivilrechtlicher oder wirtschaftlicher Eigentümer der ausgebauten oder erweiterten Wohnung sei; folglich seien Ausbauten und Erweiterungen an fremden Wohnungen keine vermögensbildenden Maßnahmen in diesem Sinne. Die obligatorische Nutzungsberechtigung reiche zur Begründung wirtschaftlichen Eigentums der Klägerin an der ausgebauten Wohnung allein nicht aus; zudem habe die Klägerin die Anschaffungs- oder Herstellungskosten der ursprünglichen Wohnung nicht getragen.
Das FA beantragt,
das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Zu Recht hat das FG entschieden, dass die Klägerin als wirtschaftliche Eigentümerin der Obergeschoss-Wohnung Eigenheimzulage ab 1999 für die Herstellungskosten des Anbaus beanspruchen kann.
1. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 EigZulG ist die Herstellung oder Anschaffung einer Wohnung in einem im Inland belegenen eigenen Haus begünstigt; Ausbauten und Erweiterungen an einer Wohnung stehen der Herstellung einer Wohnung i.S. des Absatzes 1 gleich (§ 2 Abs. 2 EigZulG). Der Anspruchsberechtigte kann die Eigenheimzulage im Jahr der Fertigstellung oder Anschaffung und in den sieben folgenden Jahren (Förderzeitraum) für jedes Kalenderjahr der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken (§ 4 EigZulG) in Anspruch nehmen (§ 3 EigZulG).
a) Der Begriff „eigen” bedeutet, dass der Anspruchsberechtigte —wenn nicht zivilrechtlicher— so doch wirtschaftlicher Eigentümer des begünstigten Objekts (hier: der ausgebauten oder erweiterten Wohnung) i.S. von § 39 AO 1977 sein muss (z.B. , BFHE 192, 415, BStBl II 2000, 652; vom III R 50/01, BFHE 206, 551, BStBl II 2005, 80). Wirtschaftlicher Eigentümer ist nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO 1977 derjenige, der die tatsächliche Herrschaft über ein Wirtschaftsgut in der Weise ausübt, dass er den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann (z.B. , BFH/NV 2005, 164, und in BFHE 206, 551, BStBl II 2005, 80, m.w.N.).
b) Der schuldrechtlich wie der dinglich Nutzungsberechtigte hat nach der Rechtsprechung des BFH in der Regel kein wirtschaftliches Eigentum an dem ihm zur Nutzung überlassenen Wirtschaftsgut (vgl. , BFHE 184, 179, BStBl II 1998, 203; vom X R 15/99, BFH/NV 2002, 175, jeweils m.w.N.; s.a. , BFHE 195, 214, BStBl II 2001, 481, unter II. 1. b). Trägt aber der Nutzungsberechtigte statt des zivilrechtlichen Eigentümers die Kosten der Anschaffung oder Herstellung einer von ihm selbstgenutzten Wohnung, ist er wirtschaftlicher Eigentümer, wenn ihm auf Dauer Substanz und Ertrag der Wohnung wirtschaftlich zustehen (z.B. BFH-Urteile in BFH/NV 2005, 164, und in BFHE 206, 551, BStBl II 2005, 80; vom IX R 63/04, BFH/NV 2006, 2225). Das ist nicht der Fall, wenn dem Nutzungsberechtigten das (schuldrechtliche oder dingliche) Nutzungsrecht nicht für die voraussichtliche Nutzungsdauer der Wohnung, sondern auf seine Lebenszeit bestellt wird (z.B. BFH-Urteile in BFHE 206, 551, BStBl II 2005, 80, betr. Nießbrauch; vom X R 20/90, BFH/NV 2001, 9, und in BFH/NV 2005, 164, betr. Wohnungsrecht).
2. Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist das FG zu Recht vom wirtschaftlichen Eigentum der Klägerin an der selbstgenutzten und durch den Anbau erweiterten (Ober- und Dachgeschoss-)Wohnung ausgegangen. Entsprechend steht der Klägerin die Eigenheimzulage ab 1999 auf der Basis der von ihr erbrachten Herstellungskosten zu.
a) Das FG hat zutreffend aufgrund des ihr vertraglich eingeräumten „Dauer-Nutzungsrechts” wirtschaftliches Eigentum der Klägerin für die durch den Anbau erweiterten (Ober- und Dachgeschoss-)Wohnung angenommen. Zwar bewirkt die Bestellung des Nutzungsrechts nur auf die Lebenszeit der Klägerin (statistische Lebenserwartung bei Vertragsabschluss: 45 Jahre) nicht den erforderlichen Ausschluss der zivilrechtlichen Eigentümerin (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2006, 2225, unter II. 1. d, m.w.N.). Indes wurde das Nutzungsrecht vorliegend für „mindestens…50 Jahre” eingeräumt und damit auf die Nutzungsdauer der Wohnung bestellt, so dass Nutzungsdauer und wirtschaftlicher Verbrauch im Streitfall nicht nur zufällig zusammenfallen. Denn ausgehend von einer voraussichtlichen Nutzungsdauer bei Gebäuden (Massivbauten) von 100 Jahren (vgl. , BFH/NV 2004, 474, unter 2.) hat das FG für das seit 1950 —wenn nicht schon früher— existierende Gebäude einen wirtschaftlichen Verbrauch ungefähr mit Ablauf des Nutzungsrechts im Jahre 2048 angenommen, so dass der Klägerin als Nutzungsberechtigter wirtschaftlich Substanz und Ertrag der Wohnung zustehen. Diese Beurteilung des FG ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, sie ist möglich und verstößt nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze.
b) Entgegen der Ansicht des FA ist es nicht erforderlich, dass die Klägerin auch die Anschaffungs- oder Herstellungskosten der ursprünglichen (noch nicht erweiterten) Wohnung getragen hat; entscheidungserheblich ist vielmehr, dass sie aufgrund des eingeräumten Nutzungsrechts bereits deren wirtschaftliche Eigentümerin war. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der vom FA zitierten BFH-Rechtsprechung, die jeweils andere Fallgestaltungen betraf.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 1097 Nr. 6
NWB-Eilnachricht Nr. 31/2007 S. 6
HAAAC-41537