Grunderwerbsteuerliche Gegenleistung bei symbolischem Kaufpreis von 1 DM; kein Verfahrensmangel bei Verletzung von Erfahrungssätzen und Denkgesetzen
Gesetze: GrEStG § 8; GrEStG § 9; FGO § 96; FGO § 115
Instanzenzug: GE
Gründe
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) und die L-GmbH, deren alleiniger Geschäftsführer der Kläger ist, schlossen am einen aus drei Teilen bestehenden notariell beurkundeten Kauf- und Übertragungsvertrag mit der G-GmbH. In Teil A (Grundstückskaufvertrag) verkaufte die G-GmbH an den Kläger ein mit einem Bürogebäude und einer Produktions- und Lagerhalle bebautes Grundstück zu einem Kaufpreis von 1 DM. In Teil B (Unternehmenskaufvertrag) verkaufte die G-GmbH an die L-GmbH näher bezeichnetes Inventar und Vorratsvermögen. Ferner gingen alle von der G-GmbH begründeten und dem Produktionsbetrieb zuzuordnenden Arbeitsverhältnisse auf die L-GmbH über. Die L-GmbH übernahm ferner eine Sozialplanverpflichtung der G-GmbH gegenüber ihren Mitarbeitern in Höhe von ca. 3 Mio. DM. Der von der L-GmbH für den Unternehmenskauf zu zahlende Kaufpreis betrug ebenfalls 1 DM. Nach Teil C bildeten die Teile A und B des Vertrags ein einheitliches Ganzes. Durch Erbbaurechtsvertrag vom bestellte der Kläger an dem erworbenen Grundstück ein Erbbaurecht zugunsten eines Dritten.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) erkannte dem für den Grundstückserwerb vereinbarten Kaufpreis nur symbolischen Charakter zu und setzte gegen den Kläger unter Zugrundelegung des Grundbesitzwerts gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) durch Änderungsbescheid vom Grunderwerbsteuer fest. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Im Verlauf des Klageverfahrens stellte das FA durch geänderten Bescheid über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwerts auf den den Grundbesitzwert der von dem Kläger erworbenen wirtschaftlichen Einheit auf 1 512 912 € fest. Unter Zugrundelegung dieses Grundbesitzwerts als Bemessungsgrundlage setzte das FA durch Änderungsbescheid vom die Grunderwerbsteuer gegen den Kläger auf 52 951 € fest. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage wegen des nur symbolischen Charakters des vereinbarten Kaufpreises ab.
Das FG hat die Revision nicht zugelassen. Mit seiner Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision macht der Kläger Notwendigkeit einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative der Finanzgerichtsordnung —FGO—) und Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) geltend.
II. Die Beschwerde ist unbegründet.
1. Die Rüge, das FG habe seinem Urteil nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde gelegt (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO), indem es den baulichen Zustand der auf dem Kaufgrundstück aufstehenden Baulichkeiten und die nach dem Vorbringen des Klägers hohen Sanierungs- und Abrisskosten unberücksichtigt gelassen habe, ist nicht in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erforderlichen Weise schlüssig dargelegt.
a) Das FG hat, wie der Kläger selbst vorträgt, den baulichen Zustand der auf dem erworbenen Grundstück aufstehenden Gebäude sowohl im Tatbestand des angefochtenen Urteils erwähnt als auch in den Urteilsgründen die vom Kläger behauptete Baufälligkeit des Gebäudes angesprochen. Ein Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO liegt jedoch nicht etwa schon deshalb vor, weil das FG den ihm vorliegenden Akteninhalt nicht entsprechend den Vorstellungen des Klägers gewürdigt hat. Die vom Kläger im Ergebnis allein gerügte sachliche Richtigkeit des Urteils ergibt keinen Zulassungsgrund i.S. von § 115 Abs. 2 FGO (BFH-Beschlüsse vom III B 117/02, BFH/NV 2003, 810, und vom III B 143/05, BFH/NV 2006, 1058, jeweils m.w.N.).
b) Soweit der Kläger einen Verstoß der Vorentscheidung gegen Erfahrungssätze und Denkgesetze geltend macht, ist ein Verfahrensfehler ebenfalls nicht schlüssig dargelegt. Die Verletzung von Erfahrungssätzen und Denkgesetzen durch das FG ist der Anwendung materiellen Rechts zuzuordnen und damit der Rüge eines Verfahrensmangels entzogen (BFH-Beschlüsse vom XI B 124/95, BFH/NV 1996, 700; vom X B 144/01, BFH/NV 2002, 1336; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 83).
c) Auch mit der Rüge, das FG habe den Erbbaurechtsvertrag vom unzutreffend zitiert und gewürdigt, ist ein Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO nicht hinreichend dargelegt. Es fehlt insoweit an einem schlüssigen Vortrag, inwiefern das angefochtene Urteil auf dem behaupteten Verfahrensmangel beruht, es also ohne den Verfahrensfehler möglicherweise anders ausgefallen wäre.
Tragender Entscheidungsgrund für das Vorliegen einer symbolischen Gegenleistung war für das FG, dass dem Grundstück bei einer Gesamtbetrachtung der zusammengefassten Verträge ein deutlich höherer Wert als 1 DM beigemessen und der vereinbarte Kaufpreis von 1 DM nicht ernsthaft vereinbart worden sei. Das FG ist mit seinem Hinweis auf den Inhalt des Erbbaurechtsvertrags lediglich der Einlassung des Klägers entgegengetreten, die Abrisskosten des Gebäudes hätten den Bodenwert des erworbenen Grundstücks überstiegen. Dem Erbbaurechtsvertrag kann jedoch, zumal er erst eineinhalb Jahre nach Übertragung des Grundstücks abgeschlossen wurde, auch nach dem eigenen Vorbringen des Klägers nichts dafür entnommen werden, dass der Grundstückskaufpreis von 1 DM ernsthaft vereinbart wurde. Damit kann die Entscheidung des FG nicht auf dem behaupteten Verfahrensmangel beruhen, weil dieser unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des FG hinweggedacht werden kann, ohne dass die Entscheidung ihren Bestand verlöre (dazu z.B. , BFH/NV 1988, 576).
Im Übrigen macht der Kläger mit seiner Rüge, das FG habe aus dem Erbbaurechtsvertrag unzutreffende Folgerungen gezogen, eine fehlerhafte Sachverhaltswürdigung geltend. Damit wird jedoch kein Verfahrensfehler, sondern ein nicht zur Revisionszulassung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO führender materiell-rechtlicher Fehler geltend gemacht (vgl. etwa , BFH/NV 2006, 1658).
2. Der Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO) ist nicht gegeben.
a) Das FG ist nicht von der BFH-Rechtsprechung (Urteile vom II R 9/92, BFHE 176, 456, BStBl II 1995, 268, und vom II R 46/93, BFH/NV 1996, 578) und den vom Kläger bezeichneten Urteilen des (Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 1998, 1352), des (EFG 2004, 632) und des (EFG 2005, 890) abgewichen. Hiernach ist ein Kaufpreis von 1 DM nur symbolischer Natur und nicht als Gegenleistung i.S. des § 8 Abs. 1 GrEStG anzuerkennen, wenn er in einem so krassen Missverhältnis zum Wert des Grundstücks steht, dass er sich dazu in keinerlei Relation bringen lässt und daher nicht ernsthaft vereinbart ist.
Das FG ist diesen Rechtsprechungsgrundsätzen ausdrücklich gefolgt und in deren Anwendung zum Ergebnis gelangt, dass der vereinbarte Kaufpreis angesichts des Grundstückswerts und der sonstigen Umstände lediglich symbolischer Natur sei. Es hat —anders als der Kläger meint— insoweit auch nicht den Rechtssatz aufgestellt, dass es für die Feststellung einer Gegenleistung nicht auf den Zustand bzw. Wert der aufstehenden Gebäudesubstanz ankomme. Daher käme vorliegend allenfalls eine fehlerhafte Anwendung der BFH-Rechtsprechungsgrundsätze auf die Besonderheiten des Streitfalles in Betracht; eine solche führt jedoch nicht zur Revisionszulassung wegen Divergenz i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom VIII B 28/04, BFH/NV 2006, 1855; vom I B 167/05, BFH/NV 2006, 1673).
b) Eine Divergenz der Vorentscheidung zu dem Urteil des FG Mecklenburg-Vorpommern in EFG 1998, 1352 liegt auch insoweit nicht vor, als das FG die Einlassung des Klägers, das aufstehende Gebäude sei so baufällig gewesen, dass die Abrisskosten höher gewesen wären als der Bodenwert des Grundstücks, mangels einer vom Kläger übernommenen Abrissverpflichtung als unerheblich angesehen hat.
aa) Sollte die Vorentscheidung dahin zu verstehen sein, dass die Abrisskosten mangels einer vom Kläger übernommenen Abrissverpflichtung nicht als (sonstige) Gegenleistung i.S. des § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG erfasst werden können, so läge eine Divergenz bereits deshalb nicht vor, weil dieser Rechtssatz mit dem des Urteils des FG Mecklenburg-Vorpommern in EFG 1998, 1352 vollständig in Einklang steht.
bb) Im Übrigen ist die in der vorbezeichneten Divergenzentscheidung im Zusammenhang mit dem Vorliegen einer nur symbolischen Gegenleistung getroffene Aussage, dass der Verkehrswert eines Baugrundstücks durch Abrisskosten beeinflusst wird, die für seine Nutzbarmachung Voraussetzung sind, nicht zu einem gleichen oder vergleichbaren Sachverhalt ergangen.
Das Urteil des FG Mecklenburg-Vorpommern in EFG 1998, 1352 betraf einen Sachverhalt, in dem die Grundstücksveräußerin wegen hoher Abrisskosten zunächst einen negativen Verkehrswert des Grundstücks errechnet und die Vertragsbeteiligten sodann einen Kaufpreis von 1 DM ernsthaft vereinbart hatten. Der vorliegende Streitfall weist den demgegenüber entscheidungserheblichen Unterschied auf, dass nicht bereits die Verkäuferin wegen hoher Abrisskosten einen negativen Verkehrswert errechnet hatte, die vom Kläger behaupteten Abrisskosten nicht Voraussetzung einer Nutzbarmachung des Grundstücks waren und nach den vom FG getroffenen Feststellungen keine konkreten Anhaltspunkte für einen tatsächlichen Wert des Grundstücks von 1 DM oder weniger bestanden. Sind jedoch die einem Erwerber künftig entstehenden Abrisskosten nicht Grundlage bzw. Bestandteil einer ernsthaften Kaufpreiskalkulation und -vereinbarung, kann die vom Kläger herausgestellte Wertlosigkeit der auf einem Grundstück vorhandenen Gebäudesubstanz keine Divergenz begründen.
cc) Die Revision ist auch nicht im Hinblick auf das erst nach der angefochtenen Vorentscheidung ergangene (BFH/NV 2006, 2128) wegen sog. nachträglicher Divergenz (dazu z.B. , BFH/NV 2006, 2139, m.w.N.) nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO zuzulassen. Soweit nach dieser Entscheidung ein Grundstückskaufpreis von 1 DM wegen eines baufälligen Gebäudes als „Verursacher künftiger Abbruchkosten” als ernsthaft vereinbart beurteilt werden kann, lag dem eine —nach den Feststellungen des FG im Streitfall fehlende— nachvollziehbare Kalkulation der Vertragsparteien über die Höhe der Abrisskosten einerseits und des Werts des Grund und Bodens andererseits zugrunde.
3. Das FG ist schließlich auch nicht von dem (BFH/NV 1990, 394) abgewichen, wonach es für das Vorliegen einer Gesamtgegenleistung nicht erforderlich ist, dass an jedem der abgeschlossenen Rechtsgeschäfte jeweils dieselben Parteien beteiligt sind. Das FG ist für den Streitfall nicht davon ausgegangen, dass eine Gesamtgegenleistung vorlag.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
DAAAC-40348