Nachträgliche Bildung einer Ansparabschreibung
Gesetze: EStG § 7g
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Die Beteiligten streiten über die Zulässigkeit einer Bilanzänderung zur nachträglichen Bildung einer sog. Ansparabschreibung.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, betreibt den Großhandel mit Holz und Baustoffen. Für das Streitjahr 2000 folgte aus der Steuererklärung ein negatives Ergebnis, womit sich —im Wege des Verlustrücktrags— auch für das Jahr 1999 eine Steuerfestsetzung von 0 DM ergab. Nach einer Außenprüfung kam es zu einer Verminderung des negativen Ergebnisses für 2000 (und damit des Verlustrücktrags für 1999) mit der Folge, dass für 1999 eine Körperschaftsteuer festzusetzen war.
Im Einspruchsverfahren gegen den Änderungsbescheid des Streitjahres begehrte die Klägerin erstmals, im Jahresabschluss zum Sonderabschreibungen nach § 7g Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes 1997 (i.d.F. vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung —Steuersenkungsgesetz— vom , BGBl I 2000, 1433, BStBl I 2000, 1428 —EStG 1997 a.F.—) in Höhe von 43 958 DM und eine Ansparabschreibung gemäß § 7g Abs. 3 EStG 1997 a.F. —jeweils i.V.m. § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG 1996)— in Höhe von 104 600 DM für Investitionen zu berücksichtigen, die sie zwischen Juli und Dezember 2001 tatsächlich vorgenommen hatte, und das zu versteuernde Einkommen entsprechend festzustellen.
Während der Ansatz der Sonderabschreibungen zwischen den Beteiligten unstreitig war, lehnte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) es sowohl wegen fehlenden Finanzierungszusammenhanges mit den getätigten Investitionen als auch unter Hinweis auf § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG 1997 i.d.F. des Gesetzes zur Bereinigung von steuerlichen Vorschriften (Steuerbereinigungsgesetz —StBereinG—) vom (BGBl I 1999, 2601, BStBl I 2000, 13) —EStG 1997 n.F.— ab, die Ansparabschreibung zu berücksichtigen, soweit die Bildung der Rücklage in ihrer Auswirkung den Rahmen der Einkommensänderung infolge der Außenprüfung überstieg. Die Klägerin begrenzte daraufhin ihren Einspruch auf den durch die Änderung ausgelösten Einkommensbetrag und reichte einen entsprechend korrigierten Jahresabschluss zum am beim FA ein.
Das Finanzgericht (FG) Köln wies die gegen den Bescheid über die Feststellung des zu versteuernden Einkommens des Streitjahres gemäß § 47 Abs. 2 KStG 1996 gerichtete Klage durch Urteil vom 13 K 1147/05 (Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 2005, 1922) ab.
Die Klägerin rügt eine fehlerhafte Anwendung materiellen Rechts.
Sie beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und das zu versteuernde Einkommen um einen Betrag von 65 462 DM (auf ./. 208 272 DM) niedriger festzustellen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Das FG hat die nachträgliche Bildung der Rücklage (Ansparabschreibung) im Wege der Bilanzänderung zu Recht versagt und damit das zu versteuernde Einkommen der Klägerin im angefochtenen Bescheid in zutreffender Höhe festgestellt.
In diesem Zusammenhang kann offenbleiben, ob im Streitfall die in § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG 1997 n.F. bestimmten Voraussetzungen für eine Bilanzänderung vorliegen. Denn es fehlt schon an der Grundvoraussetzung der von der Klägerin begehrten Bilanzänderung; im Zeitpunkt des Einreichens der geänderten Bilanz (im Januar 2004) war eine Rücklagenbildung i.S. des § 7g Abs. 3 EStG 1997 nach materiellem Recht ausgeschlossen.
1. Gemäß § 7g Abs. 3 Satz 1 EStG 1997 a.F. (i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG 1996) können Steuerpflichtige für die künftige Anschaffung oder Herstellung eines neuen beweglichen Wirtschaftsguts des Anlagevermögens eine den Gewinn mindernde Rücklage bilden (Ansparabschreibung). Die Rücklage darf 50 v.H. der Anschaffungs- oder Herstellungskosten des begünstigten Wirtschaftsguts nicht überschreiten, das der Steuerpflichtige voraussichtlich bis zum Ende des zweiten auf die Bildung der Rücklage folgenden Wirtschaftsjahrs anschaffen oder herstellen wird. Die Rücklage ist gemäß § 7g Abs. 4 Satz 1 EStG 1997 a.F. in Höhe von 50 v.H. der Anschaffungs- oder Herstellungskosten aufzulösen, sobald für das begünstigte Wirtschaftsgut Abschreibungen vorgenommen werden dürfen.
2. Der Tatbestand des § 7g Abs. 3 EStG 1997 a.F. bezieht sich auf eine „künftige Anschaffung oder Herstellung eines Wirtschaftsguts”. Die Rücklage (Ansparabschreibung) hat nach der Gesetzesbegründung den Zweck, die Wettbewerbssituation kleiner und mittlerer Betriebe dadurch zu verbessern, dass deren Liquidität und Eigenkapitalbildung unterstützt und ihre Investitions- und Innovationskraft gestärkt werden. Mit Hilfe der Rücklage, die zu einer Steuerstundung führt, sollen Mittel angespart werden können, um dem Unternehmen die Finanzierung der Investition zu erleichtern (BTDrucks 12/4487, S. 33). Die Rücklage nach § 7g Abs. 3 EStG 1997 a.F. bewirkt die Vorverlagerung des Abschreibungspotentials und fördert die Innenfinanzierung einer Investition, indem der Kreditbedarf verringert wird (Lambrecht in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 7g Rz A 1). Der durch die Vorverlagerung des Aufwands entstehende Steuerstundungseffekt erhöht die Liquidität und den finanziellen Spielraum des Steuerpflichtigen. Während der Steuerstundung können die liquiden Mittel produktiv verwendet oder zur Tilgung von Verbindlichkeiten eingesetzt werden (, BFHE 198, 415, BStBl II 2004, 181).
3. Auf dieser Grundlage ist zur „nachträglichen” erstmaligen Bildung der Rücklage entschieden worden, dass § 7g Abs. 3 EStG 1997 a.F. nicht eine nur durch die Bestandskraft begrenzte, im Übrigen aber voraussetzungslose Rücklagenbildung ermöglicht. Vielmehr können die materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Norm einer nachträglichen Berücksichtigung entgegenstehen (BFH-Urteil in BFHE 198, 415, BStBl II 2004, 181). Diese Maßgabe bezieht sich nicht nur auf die konkret entschiedene Situation der Gewinnermittlung durch Überschussrechnung, sondern auch auf die Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich (nachträgliche Rücklagenbildung im Wege einer Bilanzänderung).
a) Nach der Rechtsprechung des BFH ist dabei die der Rücklage zugewiesene Funktion der Finanzierungserleichterung entscheidend. Sie verlangt deswegen einen Finanzierungszusammenhang zwischen der Bildung der Rücklage und der tatsächlichen Investition (vgl. BFH-Urteil in BFHE 198, 415, BStBl II 2004, 181; ebenso , BFHE 212, 208, BStBl II 2006, 462; offengelassen im , BFHE 200, 343, BStBl II 2004, 184 zu II.6. der Gründe). Das schließt es zwar nicht aus, die Rücklage auch dann noch zu bilden, wenn die Bilanz für das Jahr der Rücklage zeitlich nach der Investition aufgestellt wird; der Finanzierungszusammenhang stellt keine zahlungsflussorientierte Größe im Sinne eines tatsächlichen Ansparens oder einer Finanzierung zur Anschaffung oder Herstellung in Gestalt einer Steuererstattung dar (s. auch Kanzler, Finanz-Rundschau —FR— 2002, 938, 939; Hoffmann, EFG 2005, 1924, 1925; Weßling/ Romswinkel, Der Steuerberater —StB— 2004, 251, 252 f.). Die nachträgliche Inanspruchnahme der Rücklage erfordert jedoch zum einen die hinreichende Konkretisierung der seinerzeit geplanten Investition (vgl. , BFHE 202, 250, BStBl II 2004, 187). Sie soll überdies —zum anderen— ausgeschlossen sein, wenn sie erstmals später als zwei Jahre nach Anschaffung oder Herstellung der Wirtschaftsgüter geltend gemacht wird. Nach Ablauf dieses zweijährigen Zeitraums, welcher sich ersichtlich an der Investitionsfrist des § 7g Abs. 3 Satz 2 EStG 1997 a.F. orientiert, wird typisierend und unwiderleglich das Fehlen des verlangten Finanzierungszusammenhangs vermutet (vgl. z.B. BFH-Urteile in BFHE 198, 415, BStBl II 2004, 181; in BFHE 212, 208, BStBl II 2006, 462; vom XI R 44/05, BStBl II 2006, 903). Die Verwaltungspraxis hat sich dem angeschlossen ( BStBl I 2004, 337, Tz. 9 ff.).
b) Auch der erkennende Senat folgt dieser Rechtsprechung. Zwar ist ihren Kritikern im Schrifttum (z.B. B. Meyer in Herrmann/ Heuer/Raupach, EStG, § 7g Rz 89; Kratzsch in Frotscher, EStG, § 7g Rz 50; Weßling/Romswinkel, StB 2004, 251, 252 f.; Vogelgesang, Betriebs-Berater 2004, 640, 642, jew. m.w.N.) einzuräumen, dass das Merkmal des Finanzierungszusammenhangs und insbesondere die damit verbundene zeitliche Begrenzung sich nicht unmittelbar aus dem Regelungstext ergebe. Einzuräumen ist auch, dass dem geschilderten Regelungszweck auch dann Rechnung getragen wird, wenn die Bildung der Rücklage dem Steuerpflichtigen (nachträglich) die (beispielsweise durch eine Außenprüfung bedingte) Steuerzahlung erspart. Das gilt vor allem dann, wenn —wie im Streitfall— die beabsichtigte Investition tatsächlich getätigt wurde. Dennoch spricht mehr für das restriktive Regelungsverständnis der Rechtsprechung (ebenso z.B. Pohl, Der Betrieb 2003, 960, 963; Rosarius, Die Information über Steuer und Wirtschaft 2003, 775, 777; Lambrecht in Kirchhof, EStG, 6. Aufl., § 7g Rz 42): Dieses lässt sich eher mit dem namentlich im Wortlaut zum Ausdruck kommenden Regelungszweck vereinbaren, wonach die Rücklage der Finanzierungserleichterung in erster Linie der künftig zu tätigenden Investition dienen soll. Das Gesetz knüpft also an die Investitionsabsicht an, die sich auf einen ins Auge gefassten, in der Zukunft liegenden Vorgang —die Investition— bezieht; diese Absicht soll die Bildung der Rücklage auslösen, nicht aber ein allgemeines Liquiditäts- und Steuerstundungsbedürfnis, das sich erst im Nachhinein herausstellt. Das aber rechtfertigt es, die Gewährung der Steuervergünstigung von einem zeitlichen und damit auch sachlichen Zusammenhang zwischen der Investition (und der ihr vorangehenden Investitionsabsicht) einerseits und der Rücklagenbildung andererseits abhängig zu machen. Dieser Zusammenhang ist so gesehen der gesetzlich eingeräumten Möglichkeit, die Ansparrücklage bilden zu können, immanent. Mit der in § 7g Abs. 4 Satz 2 EStG 1997 a.F. enthaltenen Begrenzung von zwei Jahren für die gewinnerhöhende Auflösung der Rücklage bei unterbliebener Investition gibt das Gesetz dafür den zeitlichen Rahmen vor, innerhalb dessen noch von dem notwendigen Finanzierungszusammenhang ausgegangen werden kann. Zugleich trägt diese objektivierte Typisierung praktischen Bedürfnissen Rechnung und hilft, die „innere Tatsache” der ursprünglichen Investitionsabsicht im Gesetzesvollzug handhabbar zu machen.
c) Im Streitfall hat die Klägerin diese Zeitgrenze von zwei Jahren nicht eingehalten. Ihr Klagebegehren blieb deshalb zu Recht erfolglos.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 671 Nr. 4
EStB 2007 S. 133 Nr. 4
KÖSDI 2007 S. 15418 Nr. 2
KÖSDI 2007 S. 15418 Nr. 2
StuB-Bilanzreport Nr. 11/2007 S. 432
SAAAC-38792