BGH Beschluss v. - IX ZR 160/03

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: ZPO § 544 Abs. 7; GesO § 13; BGB § 181 Fall 1; BGB § 208 a.F.; BGB § 242; BGB § 366 Abs. 2; BGB § 367 Abs. 1; HGB § 128; GesO § 8; GesO § 13 Abs. 1 Nr. 1

Instanzenzug: LG Hamburg 329 O 150/01 vom OLG Hamburg 11 U 200/01 vom

Gründe

I.

Der Kläger ist Verwalter im Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen der V. F. Z. GmbH (im Folgenden: VFZ). Die VFZ lieferte Fleischwaren an F. W. , handelnd unter der Firma L. F. I. (im Folgenden: LFI). Die LFI zerlegte die Fleischwaren und verkaufte die Waren weiter an Dritte, unter anderem an die O. R. W. GmbH (im Folgenden: ORW). Die ORW wurde zahlungsunfähig und der Beklagte zu 2 mit Eröffnung des Verfahrens zum Gesamtvollstreckungsverwalter bestellt.

F. W. und die ORW, vertreten durch den Beklagten zu 2, vereinbarten, die R. I. F. GmbH (im Folgenden: RIF) zu gründen. Zu einer notariellen Beurkundung des Gesellschaftsvertrages der RIF kam es trotz Aufnahme der Geschäfte nicht.

In der Zeit vom 25. April bis lieferte die VFZ Fleischwaren in einem Gesamtwert von 217.472,52 € (425.339,29 DM) an die LFI.

Am wurde der Beklagte zu 2 als Gesamtvollstreckungsverwalter der ORW entlassen und der Beklagte zu 1 zum neuen Gesamtvollstreckungsverwalter bestellt.

Der Kläger hat unter Antritt von Zeugenbeweis behauptet, den Verkäufen der Fleischwaren an die LFI hätten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen von VFZ mit einem verlängerten Eigentumsvorbehalt zugrunde gelegen. Danach seien die Kaufpreisforderungen von der LFI in voller Höhe an die VFZ abgetreten worden. Die LFI habe sämtliche nach dem von der VFZ bezogenen Fleischwaren an die RIF weiter verkauft. Die daraus entstandenen Kaufpreisforderungen beliefen sich auf insgesamt 230.531,13 € (450.879,71 DM).

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers führte gegenüber dem Beklagten zu 1 zur Feststellung einer Masseschuld in Höhe von 13.741,71 €.

Im Übrigen ist sie ohne Erfolg geblieben. Das Berufungsgericht hat angenommen, das Vorbringen des Klägers sei unsubstantiiert, den von ihm angebotenen Beweisen deshalb nicht nachzugehen.

II.

Die Revision ist, soweit die Nichtzulassungsbeschwerde den Feststellungshilfsantrag gegen den Beklagten zu 1 betrifft, zuzulassen, da das angegriffene Urteil den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt. In diesem Umfang ist es nach § 544 Abs. 7 ZPO aufzuheben und der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

1. Die Nichtberücksichtigung eines als erheblich angesehenen Beweisangebots verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (vgl. BVerfGE 50, 32, 36; 60, 250, 252; 65, 305, 307; 69, 141, 144). Das ist inbesondere der Fall, wenn eine Beweiswürdigung prozessual unzulässig vorweggenommen wird (BVerfG NJW-RR 1995, 441; NJW-RR 2001, 1006, 1007; , WM 2004, 2365, 2366). Der Sachvortrag zur Begründung eines Klageanspruchs ist schlüssig, wenn der Kläger Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person des Klägers entstanden erscheinen zu lassen. Grundsätzlich ohne Bedeutung für die Substantiierungslast ist der Grad der Wahrscheinlichkeit der Sachverhaltsschilderung (, VersR 1990, 656, 657). Der Sachvortrag einer Partei bedarf im Rahmen des Beibringungsgrundsatzes nur dann der Ergänzung, wenn infolge der Einlassung des Gegners die Darstellung unklar wird und nicht mehr den Schluss auf die Entstehung des geltend gemachten Rechts zulässt. Es ist demgegenüber Sache des Tatrichters, im Rahmen der Beweisaufnahme die Zeugen nach allen Einzelheiten zu fragen, die zur Prüfung der Glaubhaftigkeit von Bekundungen erforderlich erscheinen. Fehlen solche Würdigungsumstände im Parteivortrag, so darf deswegen ein zulässiger Beweisantritt nicht abgelehnt werden (, WM 2005, 804, 805 unter II. 2. a; Beschl. v. - XII ZR 275/02, NJW 2005, 2710, 2711 unter II. 2. a).

Den hiernach maßgebenden Anforderungen entspricht der Vortrag des Klägers. Er hat behauptet, die LFI habe die von der VFZ gelieferten Fleischwaren ab dem sämtlich an die RIF verkauft und diesen Vortrag unter Beweis gestellt. Das genügt in Verbindung mit der von ihm ebenfalls behaupteten und unter Beweis gestellten Einbeziehung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, um Masseansprüche der VFZ gegen die ORW im Rahmen des bekannten verlängerten Eigentumsvorbehalts schlüssig zu begründen (siehe unten 2.). Hingegen ist es zur Subsumtion unter § 13 GesO nicht notwendig zu erläutern, warum die vom Kläger benannten Zeugen etwas von den behaupteten Verkäufen wissen sollen. Überdies sind die angebotenen Zeugen ehemalige Angestellte der LFI, RIF und ORW.

Das Berufungsgericht hat auch gegen das Verbot der vorweggenommenen Beweiswürdigung verstoßen. Die LFI hat in der fraglichen Zeit auch andere Kunden mit Fleischwaren beliefert. Das schließt aber nicht aus, dass die LFI gleichwohl sämtliche von der VFZ gelieferten Fleischwaren an die RIF - und die anderer Lieferanten an andere Abnehmer - verkauft hat. Das Berufungsgericht wird dem bei der Befragung der Zeugen nachzugehen haben.

2. Die Feststellungsklage gegen den Beklagten zu 1 ist schlüssig und der unter Beweis gestellte Vortrag damit entscheidungserheblich. Falls F. W. auch für die RIF gehandelt haben sollte (vgl. § 125 HGB), hätte die ORW die gemäß § 181 Fall 1 BGB schwebend unwirksamen Verträge mit dem Ankauf der Waren von der RIF genehmigt. Die aus den Verkäufen an die RIF stammenden Kaufpreisforderungen der LFI stehen nach dem verlängerten Eigentumsvorbehalt der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der VFZ in voller Höhe dem Kläger zu. Die Abtretung ist hinreichend bestimmt. Für eine Übersicherung hat der darlegungs- und beweisbelastete Beklagte zu 1 nichts vorgetragen. Für die Erfüllung der Kaufpreisforderungen haftet die ORW nach § 128 HGB (vgl. BGHZ 91, 148, 151; , WM 1983, 861; Urt. v. - II ZR 30/91, WM 1992, 1432, 1433; Urt. v. - II ZR 366/96, WM 1998, 817). Die Haftung der Masse nach § 128 HGB führt auch zu Masseschulden. Nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 GesO begründet der Verwalter Masseschulden, wenn er die Ansprüche persönlich oder durch ihm selbst zuzurechnende Handlungen (vgl. § 59 Abs. 1 Nr. 1 KO, § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO) auslöst (vgl. BGHZ 148, 252, 257). Das ist der Fall, wenn aus seinem Tun oder Lassen eine bis dahin nicht begründete Haftung der Masse "entsteht" (vgl. Jaeger/Lent, KO 8. Aufl. § 59 Rn. 1). So liegt es hier. Der Beklagte zu 2 vereinbarte formlos mit W. die Gründung der RIF und ließ es zu, dass dieser bereits vor ihrer Gründung für sie unternehmerisch tätig wurde.

3. Das Berufungsgericht wird auch die vom Beklagten zu 1 erhobene Einrede der Verjährung zu prüfen haben. Zwar hat der Beklagte zu 2 für die Masse auf sie verzichtet. Zum Zeitpunkt des Verzichts waren die Forderungen aber bereits verjährt (vgl. § 159 Abs. 1 Fall 2 HGB iVm § 196 Abs. 1 Nr. 1 Abs. 2 BGB a.F.). Es fehlt insoweit Vortrag des darlegungs- und beweisbelasteten Klägers, dass der Beklagte zum Zeitpunkt des Verzichts ernsthaft mit der bereits eingetretenen Verjährung rechnete (vgl. BGHZ 83, 382, 389). Das liegt hier fern, weil die Parteien auch in diesem Verfahren noch von einer fünfjährigen Verjährungsfrist ausgegangen sind. Der Beklagte zu 1 kann sich auch auf die Einredewirkungen berufen, ohne daran nach § 242 BGB gehindert zu sein. Denn die Verzichtserklärung seines Amtsvorgängers vom war für die Fristversäumung des Klägers nicht ursächlich. Falls ansonsten Verjährung eingetreten sein sollte, wird das Berufungsgericht auch ihre vom Kläger behauptete Unterbrechung im Hinblick auf § 208 BGB a.F. zu prüfen haben.

4. Die Zahlungen, welche der Amtsvorgänger des Beklagten zu 1 erbracht hat, sind nach dem Vortrag des Klägers gemäß § 366 Abs. 2 BGB zutreffend zunächst auf die Entgelte der älteren Lieferungen angerechnet worden. Inwieweit eine Anrechnung der Zahlungen auch auf Kosten und Zinsen möglich ist, die dem Kläger gegen die LFI zustehen, hängt von dem Sicherungszweck des verlängerten Eigentumsvorbehaltes und der Überweisungswirkung der Beschlüsse vom und ab. Dem Berufungsgericht ist zuzustimmen, dass der Rechtsgrund für die Leistungen, die der Amtsvorgänger des Beklagten zu 1 durch Zahlung an die VFZ erbracht hat, nur in seinem Rechtsverhältnis zur LFI besteht. Mithin kann § 367 Abs. 1 BGB hier bezogen auf Kosten und Zinsen des Klägers gegenüber dem Beklagten zu 1 nicht angewendet werden, sondern nur gegenüber der LFI.

5. Weil der Kläger nur einen Teil der an die VFZ abgetretenen Kaufpreisforderungen einklagt, nämlich nur bis zur Höhe der Forderungen gegen die LFI, ist die vorliegende Klage eine Teilklage. Den eingeklagten Teil hat der Kläger bislang nicht hinreichend spezifiziert. Die daraus folgende - derzeitige - Unzulässigkeit der Klage rechtfertigt aber keine Zurückweisung der Beschwerde, weil er auf diesen Umstand bisher nicht hingewiesen worden ist (§ 139 ZPO).

III.

Die Nichtzulassungsbeschwerde gegen die Abweisung der Klage im Verhältnis zu dem Beklagten zu 2 ist unbegründet. Die Verletzung des rechtlichen Gehörs des Klägers durch das Berufungsgericht ist hier nicht entscheidungserheblich. Der Verwalter haftet nach § 8 GesO ebenso wie nach § 82 KO für die Nichterfüllung von Masseschulden nur, wenn er bei deren Begründung hätte erkennen können, dass die Erfüllung nicht möglich sein wird (vgl. BGHZ 99, 151, 156). Die Darlegungs- und Beweislast für das Verschulden des Verwalters trifft im Rahmen der Haftung nach § 82 KO und § 8 GesO - anders als jetzt nach § 61 Satz 2 InsO - den Gläubiger (BGHZ 99, 151, 156; Hess/Binz/Wienberg, GesO 4. Aufl. § 8 Rn. 215; Smid/Rattunde, GesO § 8 Rn. 330). Zur Vermögenssituation der ORW im Jahr 1993 hat der Kläger nichts vorgetragen. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 ZPO abgesehen.

IV.

Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf § 4 Abs. 1 und 2 ZPO.

Fundstelle(n):
PAAAC-35773

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein