BFH Urteil v. - V R 43/03 BStBl 2007 II S. 417

Vorsteuerabzug bei Erwerb und erheblichem Umbau eines Gebäudes, das anschließend für steuerpflichtige und steuerfreie Verwendungsumsätze vorgesehen ist

Leitsatz

1. Für den Umfang des Vorsteuerabzugs bei Erwerb und erheblichem Umbau eines Gebäudes, das anschließend vom Erwerber für steuerpflichtige und steuerfreie Verwendungsumsätze vorgesehen ist, ist vorgreiflich zu entscheiden, ob es sich bei den Umbaumaßnahmen nur um Erhaltungsaufwand am Gebäude oder um anschaffungsnahen Aufwand zur Gebäudeanschaffung handelt oder ob insgesamt die Herstellung eines neuen Gebäudes anzunehmen ist.

2. Vorsteuerbeträge, die den Gegenstand selbst (Gebäude) oder die Erhaltung, Nutzung oder Gebrauch des Gegenstandes betreffen, sind gesondert zu beurteilen.

3. Handelt es sich insgesamt um Aufwendungen für das Gebäude selbst, kommt nur eine Aufteilung der gesamten Vorsteuerbeträge nach einem sachgerechten Aufteilungsmaßstab in Betracht (§ 15 Abs. 4 UStG 1991). Dieser kann ein Flächenschlüssel oder ein Umsatzschlüssel sein. Ein sog. Investitionsschlüssel ist nicht zulässig.

4. Der Umfang der abziehbaren Vorsteuerbeträge auf sog. Erhaltungsaufwendungen an dem Gebäude kann sich danach richten, für welchen Nutzungsbereich des gemischt genutzten Gebäudes die Aufwendungen vorgenommen werden.

5. Ein sachgerechter Aufteilungsmaßstab i.S. des § 15 Abs. 4 UStG 1991 für die Vorsteuerbeträge auf den Erwerb (bzw. die Herstellung) eines gemischt genutzten Gegenstands, der einem bestandskräftigen Umsatzsteuerbescheid für den entsprechenden Besteuerungszeitraum zugrunde liegt, ist —auch für nachfolgende Besteuerungszeiträume— bindend und der Besteuerung zugrunde zu legen. Das gilt auch dann, wenn ggf. noch andere „sachgerechte” Ermittlungsmethoden in Betracht kommen, wie z.B. die Aufteilung der Vorsteuerbeträge nach dem Verhältnis der mit dem Gegenstand ausgeführten Umsätze (gegenstandsbezogener Umsatzschlüssel).

6. Der gewählte (sachgerechte) Aufteilungsmaßstab ist auch maßgebend für eine mögliche Vorsteuerberichtung nach § 15a UStG 1991; die Bestandskraft der Steuerfestsetzung für das Erstjahr gestaltet die für das Erstjahr „maßgebende” Rechtslage für die Verwendungsumsätze.

Gesetze: UStG 1991 § 15 Abs. 4UStG 1991 § 15aRichtlinie 77/388/EWG Art. 17 Abs. 2Richtlinie 77/388/EWG Art. 17 Abs. 5

Instanzenzug: (EFG 2003, 1578), ,

Gründe

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine 1991 gegründete Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Gesellschaftszweck war der Erwerb eines bebauten Grundstücks, dessen Instandsetzung, Modernisierung, Dachgeschossausbau, Schaffung neuer Wohnungen sowie die Verwaltung des Grundstücks. Das Grundstück wurde im Dezember 1991 zu einem Preis von 1,5 Mio. DM erworben. Das darauf im Jahr 1903 errichtete Gebäude stand leer.

Ebenfalls noch im Dezember 1991 beauftragte die Klägerin einen Generalübernehmer mit der Durchführung der Ausbau- und Modernisierungsmaßnahmen zu einem Festpreis. U.a. wurden fünf Atelierwohnungen und eine vom vierten Geschoss ins Dachgeschoss erweiterte Maisonette-Wohnung mit insgesamt 450 qm Wohnfläche neu geschaffen. Der Aufwand für die Generalübernehmerleistungen betrug 10 276 443 DM.

Die Bauarbeiten an dem leer stehenden Gebäude begannen Ende 1991; die Fertigstellung war am . Das Gebäude wurde erst ab September 1992 nach Durchführung einzelner Baumaßnahmen sukzessive vermietet. Es hatte nach Fertigstellung folgende Nutzungsflächen:


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Wohnfläche Altbau
2 806 qm  
Dachgeschoss (neu)
450 qm  
Gewerbefläche Altbau (Erdgeschoss und teilweise Keller)
    500 qm  
insgesamt
3 756 qm

Die Klägerin verzichtete hinsichtlich der Vermietung des gewerblich genutzten Teils auf die Umsatzsteuerbefreiung und machte deshalb in ihren Umsatzsteuererklärungen für 1991 und 1992 aus den von ihr in den Jahren 1991 und 1992 insgesamt für das Gebäude bezogenen Eingangsleistungen Vorsteuerbeträge pauschal nach dem Verhältnis der Nutzflächen (Wohnraum und Gewerbefläche) in Höhe von 63 850,14 DM (für 1991) und in Höhe von 119 684,07 DM (für 1992) geltend; diesen Erklärungen folgte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) zunächst.

Im Anschluss an eine Außenprüfung beanstandete das FA, dass die Klägerin die im Generalübernehmervertrag in Rechnung gestellte Umsatzsteuer pauschal nach der Nutzfläche auf Wohnraum oder Gewerberaum aufgeteilt habe, ohne die Baukosten zuvor den verschiedenen Bereichen zuzuordnen. Diese Aufteilung sei nicht sachgerecht, weil der Umfang der Baumaßnahmen zwischen Wohnbereich, einschließlich des Neubaus, und dem Gewerbebereich ausweislich der Baubeschreibungen sehr stark voneinander abweiche. Da die Klägerin selbst die Eingangsleistungen, die den einzelnen Bereichen ausschließlich zuzuordnen waren, nicht selbst bezifferte, ermittelte das FA die Bemessungsgrundlage für diesen Teil der Vorbezüge, die dem gewerblichen und dem für Wohnzwecke genutzten Bereich zuzuordnen waren, im Schätzwege; lediglich die Vorsteuerbeträge der Leistungen, die nicht ausschließlich dem Gewerbebereich bzw. dem Wohnbereich zuzuordnen waren, berücksichtigte das FA nach Maßgabe des Flächenschlüssels. Insgesamt waren nach Auffassung des FA danach für die Jahre 1991 und 1992 Vorsteuerbeträge in Höhe von insgesamt (d.h. für beide Jahrte) 122 128 DM abziehbar. Das FA korrigierte jedoch nicht die Vorsteuerbeträge des jeweiligen Jahres, sondern kürzte lediglich im Umsatzsteuer-Änderungsbescheid für 1992 (das Streitjahr) den bisher von der Klägerin für 1992 geltend gemachten Vorsteuerabzug um 61 400 DM. Die Umsatzsteuer für 1992 setzte es danach auf ./. 58 284 DM fest. Der Umsatzsteuerbescheid für 1991 ist bestandskräftig.

Mit der nach erfolglosem Einspruch eingelegten Klage begehrte die Klägerin zunächst —wie zuvor in ihrer Umsatzsteuererklärung für 1992— die Anerkennung der von ihr nach dem Flächenschlüssel geltend gemachten Vorsteuerbeträge; im Laufe des Klageverfahrens beantragte sie schließlich den Abzug der gesamten Vorsteuerbeträge nach dem sog. Umsatzschlüssel.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es führte im Wesentlichen aus, eine Zuordnung der Bauaufwendungen zu einzelnen Baumaßnahmen (Dachgeschossausbau und Modernisierung und Instandsetzung) scheide deswegen aus, weil die Klägerin einen Generalübernehmervertrag abgeschlossen habe, der die gesamte Baumaßnahme umfasse. Zwar stehe der Aufteilung die Vereinbarung eines Pauschalpreises nicht entgegen; gegen eine Aufteilung spreche aber, dass die Klägerin mit dem Abschluss eines Generalübernehmervertrages sich gerade nicht mit den Einzelheiten der Baumaßnahmen hätte befassen wollen. Auch hätten die Initiatoren einer Bauherrengemeinschaft —wie hier der Klägerin— ein schutzwürdiges Interesse daran, dass die Anleger in ihre Kalkulationsgrundlagen keine Einsichten nehmen können.

Der Wechsel zur —ebenfalls i.S. des § 15 Abs. 4 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1991) sachgerechten— Aufteilung nach dem Umsatzschlüssel sei hinzunehmen.

Das FA trägt mit der (vom FG zugelassenen) Revision gegen das Urteil im Wesentlichen vor: bei Herstellung bzw. Renovierung und Ausbau eines gemischt genutzten Gebäudes dürften Vorsteuerbeträge für Eingangsleistungen, die sich eindeutig einem der beiden Nutzungsteile zuordnen ließen, nicht nach § 15 Abs. 4 UStG 1991 aufgeteilt werden. Im Übrigen habe das FG nicht beachtet, dass die Klägerin an die im bestandskräftigen Umsatzsteuerbescheid für 1991 gewählte Aufteilung nach dem Flächenschlüssel gebunden sei.

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen,

hilfsweise, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) die Frage vorzulegen, ob der Steuerpflichtige über die Aufteilung des Vorsteuerabzuges im Rahmen des Art. 17 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) nach Grund und Umfang bereits im Jahr des Leistungsbezuges und mit bindender Wirkung auch für nachfolgende Kalenderjahre entscheiden muss.

II.

Die Revision des FA ist begründet, sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

1. Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1991 kann der Unternehmer die Vorsteuerbeträge für Lieferungen und Leistungen abziehen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.

2. Ausgeschlossen ist nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1991 der Vorsteuerabzug u.a. für Lieferungen, die der Unternehmer zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet. Verwendet der Unternehmer eine für sein Unternehmen bezogene Leistung (Lieferung oder sonstige Leistung) nur zum Teil zur Ausführung von Umsätzen, die den Vorsteuerabzug ausschließen, so ist nach § 15 Abs. 4 Satz 1 UStG 1991 der Teil der jeweiligen Vorsteuerbeträge nicht abziehbar, der den zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führenden Umsätzen wirtschaftlich zuzurechnen ist. Nach Satz 2 der Vorschrift kann der Unternehmer die nicht abziehbaren Teilbeträge im Wege einer sachgerechten Schätzung ermitteln.

§ 15 UStG 1991 beruht auf Art. 17 der Richtlinie 77/388/EWG. Nach Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG ist der Steuerpflichtige zum Vorsteuerabzug befugt, „soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden”.

a) Nach der Rechtsprechung des EuGH zu dieser Bestimmung kann ein Steuerpflichtiger, der sowohl Umsätze tätigt, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, als auch solche, die nicht dazu berechtigen, die Mehrwertsteuer, mit der die bezogenen Gegenstände oder Dienstleistungen belastet sind, abziehen, sofern diese Leistungen direkt und unmittelbar mit den zum Vorsteuerabzug berechtigenden Ausgangsumsätzen (Verwendungsumsätze) zusammenhängen. Dieser Zusammenhang ergibt sich grundsätzlich daraus, dass die Aufwendungen für den Bezug der Eingangsumsätze Teil der Kosten der Ausgangsumsätze sind (vgl. , Midland Bank plc, Slg. 2000, 4177 RandNr. 33, und vom Rs. C-465/03, Kretztechnik AG, Slg. 2005, 4357 RandNr. 35, mit Nachweisen).

Wie der EuGH im Midland-Urteil in Slg. 2000, 4177 RandNr. 33 weiter ausführt, kommt es für die Bestimmung des Zusammenhangs zwischen Eingangsumsätzen und Ausgangsumsätzen (Verwendungsumsätze) nicht darauf an, ob Art. 17 Abs. 2, 3 oder —wie im Streitfall für gemischt genutzte Leistungsbezüge— Abs. 5 dieser Vorschrift anzuwenden ist. Art. 17 Abs. 5 der Richtlinie 77/388/EWG ist gemeinschaftsrechtliche Grundlage zu § 15 Abs. 4 UStG 1991 und regelt den Umfang der Berechtigung zum Vorsteuerabzug bei „gemischter” Verwendung von Eingangsumsätzen.

b) Das Merkmal „Verwendung eines Gegenstands” gemäß Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG verlangt nach der EuGH-Rechtsprechung für die steuerneutrale Anwendung des Mehrwertsteuersystems eine enge Auslegung. Insbesondere ist zwischen der Verwendung des Gegenstands selbst und der von Gegenständen und Dienstleistungen zur Erhaltung oder zum Gebrauch des Gegenstands (bzw. für seine Nutzung und Wartung) zu unterscheiden (vgl. zu Art. 6 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG: , Mohsche Gerhard, Slg. 1993, I-2615, Umsatzsteuer-Rundschau —UR— 1993, 309, und vom Rs. C-415/98, Bakcsi, Slg. 2001, I-1831, BFH/NV Beilage 2001, 52, UR 2001, 149 RandNr. 33).

Bei Anschaffung oder Herstellung eines Gegenstands „als solchem” sind die Vorsteuerbeträge auf die Aufwendungen für den Gegenstand abziehbar, „soweit der Gegenstand” für Zwecke besteuerter Umsätze verwendet wird.

Vorsteuerbeträge auf Leistungsbezüge (Gegenstände oder sonstige Leistungen), die Nutzung, Gebrauch oder Erhaltung des Gegenstands betreffen, sind gesondert zu beurteilen.

Die Auswirkungen der getrennten Beurteilung zeigen sich u.a. bei der Besteuerung der Entnahme eines Gegenstands (vgl. Art. 5 Abs. 6 der Richtlinie 77/388/EWG und die dazu ergangene, vorbezeichnete EuGH-Rechtsprechung) als auch bei der Vorsteuerberichtigung bei Wirtschaftsgütern (Investitionsgütern) mit mehrjähriger Nutzungsdauer. Für den Vorsteuerabzug aus den Anschaffungs- oder Herstellungskosten solcher Gegenstände (sowie aus deren nachträglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten) gilt die Vorsteuerberichtigungsregelung nach § 15a UStG 1991/Art. 20 der Richtlinie 77/388/EWG. Für Erhaltungsaufwendungen an diesen Gegenständen (Wirtschaftsgütern) greift die Regelung (nach der im Streitjahr geltenden Fassung des § 15a UStG 1991) nicht ein.

aa) Wird z.B. ein Gebäude (als Gegenstand) angeschafft oder hergestellt, das „gemischt” für steuerfreie und steuerpflichtige Umsätze verwendet werden soll, kann nicht darauf abgestellt werden, welche Aufwendungen in bestimmte Teile des Gebäudes eingehen (z.B. Wohnungsteil oder Gewerbeteil). Die Zurechnung der Vorsteuerbeträge ist weder nach einem sog. „Investitionsschlüssel” (vgl. , BFHE 208, 461, BStBl II 2005, 503) noch nach einer räumlichen (sog. „geographischen”) Anbindung zulässig; maßgebend ist vielmehr die „prozentuale” Aufteilung der Verwendung des gesamten Gebäudes zu steuerfreien und steuerpflichtigen Umsätzen (vgl. , Armbrecht, Slg. 1995, I-2775 RandNr. 21, BStBl II 1996, 392). Daraus folgt regelmäßig eine Ermittlung der nicht abziehbaren Vorsteuerbeträge gemäß § 15 Abs. 4 UStG 1991 im Wege einer sachgerechten Schätzung. Sachgerechte Aufteilungsmaßstäbe können der Umsatzschlüssel oder der Flächenschlüssel sein (vgl. BFH-Urteil in BFHE 208, 461, BStBl II 2005, 503, unter II. 3.).

bb) Aufwendungen zur Nutzung, Erhaltung oder Unterhaltung des Gegenstands gehören nicht zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten für das Wirtschaftsgut (den „Gegenstand selbst”). Vorsteuerbeträge auf derartige Erhaltungsaufwendungen sind sofort —nach Maßgabe der Besonderheiten der Verwendung— abziehbar. Hier sind die Besonderheiten der Verwendungsumsätze, denen sie dienen, maßgebend. Betreffen z.B. die Erhaltungsaufwendungen nur den zur steuerfreien Vermietung vorgesehenen Wohnteil, scheidet der Vorsteuerabzug in vollem Umfang gemäß § 15 Abs. 2 UStG 1991 aus.

3. Mit diesen Grundsätzen decken sich die vom FG im Streitfall angewandten Kriterien zur Zuordnung und Aufteilung der Vorsteuerbeträge nicht. Das Urteil war daher aufzuheben.

Das FG lehnte eine Zuordnung der einzelnen Bauaufwendungen zu einzelnen Baumaßnahmen (Dachgeschossausbau um 450 qm Wohnfläche mit zusätzlichen Wohnungen, Modernisierung und Instandsetzung) zu Unrecht allein mit der Begründung ab, die Klägerin habe einen Generalübernehmervertrag für die gesamte Baumaßnahme abgeschlossen, von „Einzelheiten” entlastet sein wollen und könne überdies die Kalkulation des Generalübernehmers nicht einsehen. Zur Frage, ob die Generalübernehmerleistungen Herstellungsleistungen für das Gebäude selbst oder lediglich Erhaltungsaufwendungen daran waren, hat es keine Feststellungen getroffen. Wie unter 2. ausgeführt, ist jedoch entscheidungserheblich, ob die Klägerin mit dem Erwerb des Altbaus und den Bauarbeiten daran aufgrund des zugleich abgeschlossenen Generalübernehmervertrags insgesamt ein „neues Gebäude” angeschafft oder hergestellt hat.

Diese Möglichkeit wird jedenfalls durch die vorhandenen Feststellungen nahe gelegt, nach denen die Klägerin das Grundstück mit dem leer stehenden (also noch nicht zweckbestimmt genutzten) Altbau (1903) für 1,5 Mio. DM erwarb und sofort mit einem vielfachen Aufwand (über 10 Mio. DM) „renovierte” und um insgesamt sechs Wohnungen erweiterte. Nach der neueren BFH-Rechtsprechung zu Anschaffungs- und Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern i.S. von § 255 Abs. 2 Satz 1 des HandelsgesetzbuchsHGB— (grundlegend: Urteil vom IX R 39/97, BFHE 198, 74, BStBl II 2003, 569) kann in solchen Fällen sog. anschaffungsnaher Aufwand zur Anschaffung eines Gebäudes oder auch Herstellung als neues Gebäude angenommen werden. Maßgebend ist im Wesentlichen, dass das erworbene (bei Anschaffung nicht verwendete) Gebäude erst durch Aufwendungen zur Erweiterung und wesentlichen Verbesserung ein anschließend für den Erwerber verwendbares Gebäude wird. Entscheidend ist die Zweckbestimmung durch den Erwerber.

Diese Grundsätze können auch für die umsatzsteuerrechtliche Abgrenzung der Anschaffung oder Herstellung eines Wirtschaftsguts von den Erhaltungsmaßnahmen an dem Wirtschaftsgut herangezogen werden (vgl. Senatsurteil vom V R 32/02, BFHE 203, 200, BStBl II 2004, 28).

4. Die danach erforderlichen Feststellungen und deren Gesamtwürdigung kann der Senat nicht vornehmen. Die Sache ist an das FG zurückzuverweisen, das diese Würdigung vorzunehmen hat.

a) Bliebe es dann bei dem vom FG (bisher aus anderen Gründen) gefundenen Ergebnis, so käme grundsätzlich nur eine Aufteilung aller angefallenen Vorsteuerbeträge nach den Verwendungsumsätzen der Klägerin mit dem Gebäude (steuerpflichtige und steuerfreie Vermietung) in Betracht (zum Aufteilungsmaßstab s.u. 4. b).

Die vom FA mit seiner Revision angestrebte Zuordnung und Aufteilung der Vorsteuerbeträge nach (vorweg) ausschließlicher Zurechnung von einzelnen Bauleistungen zu Vermietungsumsätzen, die den Vorsteuerabzug ausschließen (neu geschaffene Wohnungen) und solchen, die ihn nicht ausschließen, käme grundsätzlich nur in Betracht, wenn die Bauaufwendungen durch den Generalübernehmer im Wesentlichen bloße „Erhaltungsmaßnahmen” an dem erworbenen Gebäude oder eigenständige „nachträgliche Herstellungskosten” (z.B. ein Anbau) gewesen sein sollten. Erhaltungsmaßnahmen können den verschiedenen Nutzungsanteilen am Gegenstand (hier: Gebäude) verhältnismäßig einfach unmittelbar zugeordnet werden (wie z.B. Renovierungsmaßnahmen entweder in steuerfrei vermieteten Räumen oder in steuerpflichtig verwendeten gewerblichen Räumen). Diese Alternative wird das FG ggf. zu prüfen haben, falls die im Streitfall nahe liegende einheitliche Herstellung nicht vorgelegen haben sollte.

b) Bei seiner erneuten Entscheidung wird das FG insbesondere auch —entgegen seiner im angefochtenen Urteil vertretenen Ansicht— zu berücksichtigen haben, dass ein sachgerechter Aufteilungsmaßstab i.S. des § 15 Abs. 4 UStG 1991 für die Vorsteuerbeträge aus dem Erwerb eines Gegenstands (also für das sog. Abzugsjahr), der einem bestandskräftigen Umsatzsteuerbescheid für diesen Besteuerungszeitraum zugrunde liegt, sowohl den Unternehmer als auch das FA bindet.

aa) Ist die Umsatzsteuerfestsetzung für das Jahr der Anschaffung oder Herstellung eines gemischt genutzten Gegenstandes formell bestandskräftig und hat der Unternehmer oder —bei Fehlen oder Abweichung von der Umsatzsteuererklärung— das FA ein i.S. des § 15 Abs. 4 UStG 1991 sachgerechtes Aufteilungsverfahren angewandt, ist dieser Maßstab (auch für die nachfolgenden Kalenderjahre des Berichtigungszeitraumes) bindend. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat auf sein Urteil vom V R 49/05 (BFH/NV 2006, 2004).

bb) Unerheblich ist insoweit, ob ggf. noch andere „sachgerechte” Ermittlungsmethoden in Betracht kommen, wie z.B. die Aufteilung der Vorsteuerbeträge nach dem Verhältnis der mit dem Gegenstand ausgeführten Umsätze (gegenstandsbezogener Umsatzschlüssel).

cc) Die Frage, ob und inwieweit der Steuerpflichtige, der ein Wahlrecht ausgeübt hat, an die ausgeübte Wahl gebunden ist, kann —entgegen der Auffassung der Klägerin— nicht allgemein und für alle in Betracht kommenden Fälle einheitlich beantwortet werden (, BFHE 165, 75). Sofern diese Frage nicht ausdrücklich im Gesetz geregelt ist (wie z.B. in § 19 Abs. 2 UStG 1991), kommt es auf die materiell-rechtliche Eigenart und Wirkungsweise des einzelnen Wahlrechts an. Einer nachträglichen Änderung des ausgeübten Wahlrechts stehen die Grundsätze zum Sofortabzug der Vorsteuer bei Bezug der entsprechenden Leistungen entgegen (ausführlich Senatsurteil in BFH/NV 2006, 2004).

dd) Der festgesetzte (sachgerechte) Aufteilungsmaßstab ist auch maßgebend für eine mögliche Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG 1991 (BFH-Urteile in BFH/NV 2006, 2004, sowie vom V R 101/96, BFHE 185, 524, BStBl II 1998, 492; vom V R 1/01, BFHE 196, 345, BStBl II 2002, 833; , BFH/NV 2005, 584, m.w.N.). Die Bindung an den einmal gewählten —sachgerechten— Aufteilungsschlüssel wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Unternehmer bei der Ermittlung des Aufteilungspotentials selbst nicht „sachgerecht” verfahren ist.

c) Bei seiner Entscheidung wird das FG auch zu berücksichtigen haben, in welchem Umfang die Vorsteuerbeträge bereits in dem bestandskräftigen Umsatzsteuerbescheid für 1991 berücksichtigt worden sind.

5. Eine Vorlage an den EuGH kommt nicht in Betracht. An der Auslegung des Gemeinschaftsrechts bestehen keine „vernünftigen Zweifel”. Denn durch EuGH-Rechtsprechung ist bereits geklärt, dass Art. 17 der Richtlinie 77/388/EWG den Zeitpunkt festlegt, in dem das Recht auf Vorsteuerabzug entsteht, dass maßgeblich insoweit allein der Zeitpunkt des Leistungsbezuges ist (vgl. z.B. , Waterschap Zeeuws Vlaandern, Slg. 2005, 4685 RandNr. 37f, m.w.N.), sowie dass nationale verfahrensrechtliche Änderungsmöglichkeiten (wie § 164 der AbgabenordnungAO 1977—) den entstandenen Anspruch auf Vorsteuer (abgesehen von Missbrauch oder falscher Erklärung) nicht mehr berühren können (vgl. z.B. , Schloßstraße, Slg. 2000, 4279, Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht 2000, 308 RandNr. 52). Im Übrigen haben die Mitgliedstaaten hinsichtlich der Aufteilungsmodalitäten die in Art. 17 Abs. 5 der Richtlinie 77/388/EWG bezeichneten Spielräume.

Fundstelle(n):
BStBl 2007 II Seite 417
BB 2006 S. 2682 Nr. 49
BB 2006 S. 2797 Nr. 51
BFH/NV 2007 S. 178 Nr. 1
BStBl II 2007 S. 417 Nr. 9
DB 2006 S. 2724 Nr. 50
DStR 2006 S. 2172 Nr. 48
DStRE 2007 S. 68 Nr. 1
DStZ 2007 S. 47 Nr. 3
GStB 2007 S. 3 Nr. 1
HFR 2007 S. 157 Nr. 2
INF 2007 S. 10 Nr. 1
KÖSDI 2006 S. 15352 Nr. 12
KÖSDI 2007 S. 15426 Nr. 2
KÖSDI 2007 S. 15426 Nr. 2
KÖSDI 2007 S. 15621 Nr. 7
NWB-Eilnachricht Nr. 48/2006 S. 4044
StB 2007 S. 3 Nr. 1
UR 2007 S. 27 Nr. 1
UStB 2007 S. 4 Nr. 1
UVR 2007 S. 34 Nr. 2
HAAAC-25619