BFH Beschluss v. - VIII B 239/05

Zurechnung von verdeckten Gewinnausschüttungen; Durchführung eines Feststellungsverfahrens

Gesetze: EStG § 20; AO § 180

Instanzenzug:

Gründe

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob bei der Veranlagung der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) zur Einkommensteuer 1976 (Streitjahr) eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) zu berücksichtigen ist.

Der Kläger war im Streitjahr Gesellschafter der X-S.A., einer in der Schweiz ansässigen Kapitalgesellschaft, die niedrig besteuerte passive Einkünfte i.S. von § 8 des Außensteuergesetzes (AStG) erzielte. Im Anschluss an eine Außenprüfung gelangte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) zu der Auffassung, dass die X-S.A. im Jahre 1976 ihre Beteiligung an einer anderen Kapitalgesellschaft (Y-Ltd.) zu einem unangemessen niedrigen Preis (unterhalb des Buchwertansatzes) an die Z-KG veräußert habe, an der der Kläger als Kommanditist beteiligt war.

Auf der Grundlage dieser Feststellungen erließ zum einen das FA einen geänderten Einkommensteuerbescheid 1976, mit dem es die Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 des EinkommensteuergesetzesEStG—) um die anteiligen vGA (161 469 DM) erhöhte. Zum anderen erging ein geänderter Feststellungsbescheid nach § 18 AStG, der für den Kläger zum einen Hinzurechnungsbetrag in Höhe von 8 296 DM sowie Ausschüttungen gemäß § 11 Abs. 1 AStG (a.F.) in Höhe von 161 468 DM auswies. Die gegen den Feststellungsbescheid erhobene Klage wurde vom Finanzgericht (FG) abgewiesen. Auf die Revision entschied der (BFHE 183, 496, BStBl II 1998, 176), dass eine vGA die festzustellenden Zwischeneinkünfte erhöhe (hier: auf den ), die hierdurch bei wortgetreuer Anwendung des § 11 Abs. 1 AStG (a.F.) eintretende Doppelbesteuerung jedoch dadurch zu vermeiden sei, dass für das Jahr der Hinzurechnung die vGA vom Hinzurechnungsbetrag entsprechend § 11 Abs. 1 AStG (a.F.) abgesetzt werden müsse.

Im Anschluss hieran wurden die Bescheide nach § 18 AStG dahin geändert, dass für den Kläger die gemäß § 11 Abs. 1 AStG (a.F.) anzurechnenden Gewinnanteile auf den in Höhe von 0 DM sowie auf den in Höhe von 159 106 DM festgestellt wurden.

Darüber hinaus passte das FA den Einkommensteuerbescheid 1976, gegen den gleichfalls Klage erhoben wurde, an und ging auch im geänderten Bescheid vom , den die Kläger gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) a.F. zum Gegenstand des Gerichtsverfahrens erklärten, von vGA in Höhe von (nur noch) 159 106 DM aus. Die Klage blieb ohne Erfolg.

II. Die hiergegen erhobene Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision hat keinen Erfolg.

1. Soweit die Kläger geltend machen, es sei von grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), ob die vGA dem Kläger entsprechend seiner Beteiligungsquote an der X-S.A. oder entsprechend dem —hiervon abweichenden— Anteil an der Z-KG zuzurechnen sei, genügt ihr Vortrag nicht den nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO zu beachtenden Darlegungserfordernissen. Die Prozessbevollmächtigten haben insoweit nicht berücksichtigt, dass zwar nach ständiger Rechtsprechung auch Personengesellschaften, d.h. die Gesellschafter in ihrer gesellschaftsrechtlichen Verbundenheit, Einkünfte aus Kapitalvermögen (hier: vGA gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG) erzielen können; Voraussetzung hierfür ist aber, dass die Gesellschafter gemeinschaftlich die hierfür erforderlichen Tatbestandsmerkmale erfüllen (vgl. z.B. Beschluss des Großen Senats des , BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, 762). Werden die Kapitalgesellschaftsanteile hingegen —wie im Streitfall vom Kläger— im (privaten) Eigenvermögen einer natürlichen Person gehalten, so ist diese —als Einzelperson, d.h. als Anteilseigner i.S. von § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG 1976— zugleich auch individuelles Subjekt der Einkunftserzielung (Wassermeyer in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 20 Rdnr. B 1 ff., m.w.N.). Demgemäß kann auch im Streitfall nicht fraglich sein, dass die vom FG angenommenen vGA bei den Anteilseignern der X-S.A. entsprechend der jeweiligen Beteiligungsquote im Jahr des Zuflusses der Einnahmen zu erfassen waren und die Vorteile wirtschaftlich gesehen im Wege von —ggf. disquotalen— Einlagen in das Vermögen der Z-KG weitergeleitet wurden (vgl. zu Leistungen an nahe stehende Personengesellschaften , BFHE 149, 33, BStBl II 1987, 459; zum Zufluss bei sog. mittelbaren Zuwendungen , BFH/NV 1992, 19; vom VIII R 24/03, BFH/NV 2005, 1266; , BFHE 182, 184, BStBl II 1997, 301).

2. Nicht durchzugreifen vermag ferner die Rüge, unter den Voraussetzungen des Streitfalles sei die Frage von grundsätzlicher Bedeutung, ob die nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG anzusetzenden vGA gesondert festzustellen seien. Der beschließende Senat versteht diesen Vortrag zwar zu Gunsten der Kläger dahin, dass mit ihm ein Verfahrensverstoß gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO —hier: Vorgreiflichkeit eines Feststellungsverfahrens für die Einkommensteuerveranlagung (§ 74 FGO; dazu Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 74 Rz. 12, § 115 Rz. 80)— geltend gemacht wird mit der Folge, dass die Handhabung durch das FG auch im Hinblick auf Rechtsfragen, die in der Rechtsprechung des BFH bereits geklärt worden sind und denen somit keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, der Überprüfung durch den beschließenden Senat unterliegt. Auch unter diesem —erweiterten— Prüfungsrahmen kann die Revision indessen nicht zugelassen werden.

a) Soweit sich die Beschwerde auf die Vorschrift des § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a der Abgabenordnung (AO 1977) stützt, nach der eine gesonderte Feststellung dann durchzuführen ist, „wenn an den Einkünften mehrere Personen beteiligt sind”, verkennen die Erwägungen des Prozessbevollmächtigten die zu Abschn. II.1. dieses Beschlusses aufgezeigten Regelungszusammenhänge.

b) Ebenso wenig vermag der —insoweit hilfsweise geltend gemachte— Verweis auf § 18 AStG die Folgerung zu tragen, dass in das hiernach durchzuführende Feststellungsverfahren die —auf der Grundlage der Rechtsauffassung der Vorinstanz— für den Kläger im Zuflussjahr (1976) anzusetzenden vGA einzubeziehen wären.

Besteuerungsgrundlagen werden nach § 179 Abs. 1 AO 1977 nur dann gesondert —und ggf. einheitlich— festgestellt, soweit dies in den Steuergesetzen ausdrücklich bestimmt ist. Die mit der Durchführung eines solchen Feststellungsverfahrens verbundene Durchbrechung des Grundsatzes der Einheit des Steuerfestsetzungsverfahrens steht demgemäß zum einen unter dem Vorbehalt des Gesetzes, der selbst durch Zweckmäßigkeitserwägungen nicht ersetzt werden kann (vgl. Beschluss des Großen Senats des , BFHE 209, 399, BStBl II 2005, 679; , BFHE 211, 277, BStBl II 2006, 253), zum anderen ist nach § 182 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 der Umfang der Bindungswirkung hierauf beschränkt (vgl. auch §§ 213 ff. der Reichsabgabenordnung —AO—). Hiernach aber kann es keinem Zweifel unterliegen, dass —entsprechend dem unmissverständlichen Wortlaut des § 18 Abs. 1 Satz 1 AStG (a.F.)— ein Feststellungsverfahren nach dieser Vorschrift nur für Zwecke der „Anwendung der §§ 7 bis 14 (AStG)” durchzuführen ist (vgl. , BFHE 153, 530, BStBl II 1988, 868 unter II.A.3. der Gründe). Nicht hiervon erfasst werden mithin die im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung anzusetzenden Gewinnausschüttungen. Nichts anderes ergibt sich aus dem Urteil des BFH in BFHE 183, 496, BStBl II 1998, 176; auch nach dieser Entscheidung sind im Bescheid gemäß § 18 Abs. 1 AStG (lediglich) die nach § 7 Abs. 1 AStG steuerpflichtigen Einkünfte, die nach § 10 Abs. 1 Satz 1 AStG abziehbaren bzw. nach § 12 Abs. 1 AStG anrechenbaren Steuern, die nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a und b AStG vom Hinzurechnungsbetrag auszunehmenden Gewinnanteile und die nach § 11 Abs. 1 AStG den Hinzurechnungsbetrag kürzenden Gewinnanteile festzustellen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 2228 Nr. 12
IAAAC-18573