Leitsatz
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: GVG § 17a Abs 5
Instanzenzug: SG Itzehoe vom
Gründe
I
Der Kläger beansprucht Schadenersatz aus einer angeblichen Amtspflichtverletzung der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK), deren Mitglied er ist.
Die beklagte AOK hatte dem Kläger zuletzt im Jahre 1997 eine ambulante Kurmaßnahme gewährt. Erneute Kurbehandlungen vom 31. Januar bis und vom 30. Januar bis zum musste der Kläger auf eigene Kosten durchführen, weil sich die Beklagte unter Berufung auf Stellungnahmen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) auf den Standpunkt stellte, dass die besonderen Voraussetzungen für eine vorgezogene Kur nicht erfüllt seien. Die deshalb erhobenen und später verbundenen Klagen auf Kostenerstattung hatten keinen Erfolg, weil die Ablehnung der Beklagten von den Gerichten als rechtmäßig beurteilt wurde (Urteile des Sozialgerichts Itzehoe <SG> vom und des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts <LSG> vom ; Senatsbeschluss vom - B 1 KR 49/01 B - über die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers).
Im selben Klageverfahren nahm der Kläger die Beklagte aus Amtshaftung auf Schadenersatz dem Grunde nach in Anspruch. Nach seiner Auffassung ist ein am erlittener Herzinfarkt dadurch mitverursacht worden, dass er während der Kur im Februar 1999 auf Grund der Ablehnung durch die Beklagte nicht speziell erarbeitete Behandlungskonzepte, sondern eher Paketlösungen habe in Anspruch nehmen müssen. Diese Schadenersatzklage hat das SG im bereits erwähnten Urteil mangels Durchführung eines Verwaltungsverfahrens als unzulässig abgewiesen. Das LSG hat demgegenüber den Rechtsweg zu den Sozialgerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht (LG) Itzehoe verwiesen; durch das erstinstanzliche Urteil sei über den Rechtsweg nicht verbindlich entschieden, weil § 17a Abs 5 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) für Schadenersatzansprüche aus Amtspflichtverletzung nicht gelte. Diese Frage unterliege nicht der Dispositionsbefugnis der Beteiligten, sodass es auf die ausdrücklichen Einwände des Klägers gegen die Verweisung nicht ankomme.
Der Kläger hat gegen dieses Urteil die vom Senat insoweit zugelassene Revision eingelegt. Er hält § 17a Abs 5 GVG für verletzt, weil diese Vorschrift auch für Amtshaftungsansprüche gelte und wiederholt sein Vorbringen im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde. Im Beschluss vom habe der Senat durch die teilweise Verwerfung der Beschwerde als unzulässig einen unlösbar zusammenhängenden Tatbestand zerteilt; das Gesetz lasse die unterschiedliche Beurteilung des Schadenersatzanspruchs und dessen Grundlage - die Rechtswidrigkeit des Verwaltungshandelns - nicht zu, sodass der fragliche Beschluss verfassungswidrig und nichtig sei. Daneben greift er erneut das Verfahren und die Beweiswürdigung durch das an. Als Schadenersatz seien die nicht übernommenen Kurkosten, ein Schmerzensgeld von mindestens 10.000 €, ein Ausgleich für die Minderung der Arbeitsleistung und den dadurch bedingten Verdienstrückgang von ebenfalls mindestens 10.000 € zu zahlen. Außerdem sei die Verpflichtung der Beklagten auszusprechen, für alle Folgeschäden aufzukommen.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
die vorinstanzlichen Urteile aufzuheben und die Beklagte dem Grunde nach zum Schadenersatz für die Folgen der verweigerten Kostenübernahme für die beiden 1998 und 1999 beantragten Kurmaßnahmen zu verurteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Nach ihrer Auffassung ist Gegenstand des Revisionsverfahrens lediglich der Amtshaftungsanspruch, sodass es auf die im Berufungsverfahren gestellten Beweisanträge nicht ankomme. Das LSG habe den Anspruch zu Recht an das LG verwiesen, da das SG den Rechtsweg zu den Sozialgerichten nicht gemäß § 17a Abs 1 GVG bejaht habe. Hierfür sei eine ausdrückliche Entscheidung erforderlich, die nicht vorliege. In der Sache stehe dem Kläger ein Amtshaftungsanspruch nicht zu, weil die Ablehnung der Beklagten nicht rechtsfehlerhaft sei.
II
Die Revision ist zulässig, aber nur insoweit begründet, als sie die Verweisung des Rechtsstreits an das LG angreift. Im Ergebnis kann sie keinen Erfolg haben.
Das LSG hat den Rechtsweg zu den Sozialgerichten zu Unrecht verneint. § 17a Abs 5 GVG verbietet dem Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache zu entscheiden hat, die Prüfung der Zulässigkeit des Rechtswegs. Die Berufung des Klägers, über die das LSG zu befinden hatte, richtete sich auch in Bezug auf den geltend gemachten Amtshaftungsanspruch gegen eine Entscheidung in der Hauptsache. Das SG hatte die Klage zwar mangels Durchführung eines Verwaltungsverfahrens als unzulässig abgewiesen und somit nicht in der Sache entschieden; trotzdem greift das Verbot des § 17a Abs 5 GVG. Nach dem Zweck dieser Vorschrift soll sich das Rechtsmittelgericht nur dann mit der Frage des Rechtswegs befassen, wenn auch die Entscheidung der Vorinstanz ausschließlich darauf beruht. Hat die erste Instanz den Rechtsweg demgegenüber auch nur sinngemäß bejaht, soll der Rechtsstreit von der Rechtswegfrage in allen höheren Instanzen entlastet bleiben. Dies verkennt die Beklagte, wenn sie die Bindung von einer ausdrücklichen Entscheidung über den Rechtsweg abhängig machen will. Infolgedessen trifft die Vorinstanz nur dann keine Entscheidung in der Hauptsache im Sinne dieser Bestimmung, wenn sie die Unzulässigkeit der Klage mit der fehlenden Rechtswegzuständigkeit begründet (Albers in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO 60. Aufl 2002, § 17a GVG RdNr 15; BGHZ 119, 246 = LM GVG § 17a Nr 3 = NJW 1993, 470). Ist der Rechtsweg im bisherigen Verfahren gerügt worden, greift die Bindungswirkung des § 17a Abs 5 GVG allerdings nur unter der Voraussetzung, dass die Rüge später fallen gelassen wird; ansonsten muss die unterlassene Vorabentscheidung nach § 17a Abs 3 Satz 2 GVG - eventuell auch im höheren Rechtszug - nachgeholt werden (im Einzelnen vgl Albers aaO RdNr 16 mwN).
Die dargestellten Regeln für die Bindungswirkung des § 17a Abs 5 GVG gelten entgegen der Auffassung des LSG auch dann, wenn das Klagebegehren unter dem Gesichtspunkt der Amtshaftung zu überprüfen ist. Der Senat schließt sich insoweit der rechtlichen Bewertung an, die dem ) zu Grunde liegt. Darin war über den Rechtsweg für eine Schadenersatzklage zu entscheiden, die außer auf Amtshaftung auch auf die Verletzung von Fürsorgepflichten nach arbeitsrechtlichen und beamtenrechtlichen Grundsätzen gestützt worden war. Das ursprünglich angegangene LG hatte die Klage entgegen § 17 Abs 2 Satz 2 GVG an das Arbeitsgericht (ArbG) verwiesen; dieses hatte sachlich entschieden. Auf Vorlage des Landesarbeitsgerichts (LArbG) hat das BAG dieses zum zuständigen Gericht bestimmt und zur Begründung ausgeführt, die Verweisung an das ArbG sei grundsätzlich auch im Zuständigkeitsbestimmungsverfahren durch einen Gerichtshof des Bundes zu beachten; die ausnahmsweise zu erörternde Unverbindlichkeit einer willkürlichen Verweisung könne wegen § 17a Abs 5 GVG nicht (mehr) Platz greifen, wenn das Gericht, an das verwiesen worden sei, sachlich entschieden habe und das Rechtsmittelgericht mit der Sache befasst sei. Das gelte auch dann, wenn der Verweisungsbeschluss des ordentlichen Gerichts gegen § 17 Abs 2 Satz 2 GVG verstoßen habe, weil ein Amtshaftungsanspruch in Rede stehe. In Rechtsprechung und Literatur sei anerkannt, dass Art 34 Satz 3 Grundgesetz (GG) der auf diesem Wege begründeten Prüfungskompetenz eines Gerichts außerhalb der Zivilgerichtsbarkeit nicht entgegenstehe (BAG AP Nr 38 zu § 17a GVG = NZA 1999, 390 mwN).
Aus dieser Argumentation ergibt sich ein Vorrang des § 17a Abs 5 GVG gegenüber der Regelung des § 17 Abs 2 Satz 2 GVG, der auch die Entscheidung im jetzigen Fall trägt. Um die Zuständigkeit des LArbG zu begründen, hat das BAG zwar zunächst auf die Verbindlichkeit der Verweisung durch das LG nach § 48 Abs 1 Arbeitsgerichtsgesetz, § 17a Abs 2 Satz 3 GVG hingewiesen. Daran hat es jedoch die Prüfung angeschlossen, ob der Verweisungsbeschluss wegen Verletzung von § 17 Abs 2 Satz 2 GVG dennoch unbeachtlich gewesen sein könnte, und ist zu Recht zum Ergebnis gekommen, dass sich darauf allenfalls das ArbG hätte berufen können. Nach dessen Entscheidung in der Sache sei das LArbG durch § 17a Abs 5 GVG an einer Prüfung der Zulässigkeit des Rechtswegs gehindert gewesen; dies gelte auch im Falle der Missachtung von § 17 Abs 2 Satz 2 GVG. Darin liege kein Verstoß gegen Art 34 Satz 3 GG, wie sich aus der früheren Rechtsprechung zur Verbindlichkeit von rechtswidrigen Verweisungsbeschlüssen und der überwiegenden Meinung in der Literatur ergebe.
Maßgebend für dieses Ergebnis ist die bereits vom BAG zu Grunde gelegte gesetzgeberische Erwägung für die Einführung von § 17a GVG, dass die verschiedenen Rechtswege grundsätzlich gleichwertig sind und die Frage der Rechtswegzuständigkeit in einem möglichst frühen Stadium des Verfahrens abschließend geklärt werden soll (BT-Drucks 11/7030 S 36 f); eine Ausnahme für Amtshaftungsansprüche ist der Gesetzesbegründung nicht zu entnehmen (aaO S 38). In ähnliche Richtung weist das Argument, dass alle Gerichte gleichermaßen berufen sind, über die Frage einer verfassungsrechtlich garantierten Rechtswegregelung verbindlich zu entscheiden (Windel, ZZP 111, 3, 26). Schließlich hat das BAG zu Recht darauf hingewiesen, dass Art 34 Satz 3 GG lediglich verbietet, den ordentlichen Rechtsweg von vornherein auszuschließen; das Verbot einer durch allgemeine Verfahrensvorschriften ausnahmsweise begründeten Zuständigkeit ist darin nicht enthalten. Die Rechtsprechung zur Aufrechnung mit einer rechtswegfremden Forderung (vgl Meyer-Ladewig, SGG 7. Aufl, § 51 RdNr 39 mwN) ist hier nicht übertragbar, denn sie betrifft eine andere Fallgestaltung. Während hier zu entscheiden ist, ob es für denselben prozessualen Anspruch beim falschen Rechtsweg bleibt, wenn eine Instanz ihre Zuständigkeit bejaht hat, geht es dort darum, ob die Rechtswegzuständigkeit des mit der Sache befassten Gerichts mit Rücksicht auf die Aufrechnungslage auf einen anderen prozessualen Anspruch ausgedehnt werden darf.
Das LSG hätte demnach den Rechtsstreit nicht an das LG verweisen dürfen und selbst sachlich entscheiden müssen. Eine Zurückverweisung braucht dennoch nicht ausgesprochen zu werden, weil es keiner weiteren Feststellungen bedarf, um über den Amtshaftungsanspruch zu entscheiden. Die Schadenersatzklage scheitert allerdings nicht schon daran, dass die Beklagte insoweit keinen Verwaltungsakt erlassen hat. Die Einstandspflicht der Anstellungskörperschaft für ihre Bediensteten nach Art 34 GG, § 839 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist einer hoheitlichen Regelung nicht zugänglich, weil sich in dieser Beziehung Bürger und Verwaltung gleichgeordnet gegenüberstehen, wie die systematische Zugehörigkeit des Anspruchs zum Zivilrecht deutlich macht. Ob der Klage entgegenzuhalten ist, dass der Kläger allenfalls in der Revisionsbegründung aufgezeigt hat, welchen Schaden er erstattet haben möchte, brauchte der Senat nicht zu klären. Denn eine Einstandspflicht der Beklagten besteht jedenfalls deshalb nicht, weil die Ablehnung der erneuten Kurmaßnahmen als rechtmäßig zu beurteilen ist. Der Senat hat mit Beschluss vom die entsprechende Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im angefochtenen Berufungsurteil als unzulässig verworfen, soweit sie den Kostenerstattungsanspruch des Klägers wegen rechtswidriger Ablehnung betraf. Damit steht auch für die Beurteilung des Anspruchs aus Amtspflichtverletzung fest, dass die Ablehnungsbescheide der Beklagten rechtmäßig sind. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) sind die Zivilgerichte im Rahmen der Rechtskraftwirkung an ein verwaltungs- oder sozialgerichtliches Urteil gebunden, das die Wirksamkeit und Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bejaht und deshalb aus sachlichen Gründen eine Anfechtungs-, Verpflichtungs-, Leistungs- oder Feststellungsklage abweist (BGHZ 103, 242, 245 = NJW 1988, 1776 unter Hinweis auf BGHZ 77, 338, 341; 90, 4, 12; 93, 87, 91; 95, 28, 35). Dieser Grundsatz muss entsprechend gelten, wenn über den Amtshaftungsanspruch wegen § 17a Abs 5 GVG ausnahmsweise im sozialgerichtlichen Verfahren zu entscheiden ist. Die Einwände des Klägers gegen getrennte Entscheidungen des Senats über die Anfechtungs- und Leistungsklage einerseits und die Amtshaftungsklage andererseits sind nicht nachzuvollziehen; eine solche Trennung ist bei Beachtung der in § 17 Abs 2 Satz 2 GVG getroffenen Regelung durch das erstinstanzliche Gericht die Regel, wie die bereits zitierte zivilgerichtliche Rechtsprechung zeigt.
Im Ergebnis zutreffend hat das SG infolgedessen auch die Amtshaftungsklage abgewiesen; allerdings ist die Klage insoweit nicht unzulässig, sondern ebenso wie hinsichtlich der Kostenerstattung unbegründet. Da der Tenor des erstinstanzlichen Urteils hierzu keine Aussage enthält, konnte der Senat die erstinstanzliche Entscheidung durch Zurückweisung der Berufung bestätigen und sich darauf beschränken, wegen des genauen Inhalts auf seine eigenen Urteilsgründe zu verweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BAAAC-15619