Ableitung des Bodenrichtwerts aus der angegebenen Geschossflächenzahl
Leitsatz
Der auf der Grundlage des Bodenrichtwerts festzustellende Wert eines unbebauten Grundstücks ist entsprechend der Geschossflächenzahl unter Zugrundelegung des maßgeblichen Umrechnungskoeffizienten anzupassen, wenn der Gutachterausschuss den Bodenrichtwert und die dazugehörige Geschossflächenzahl bestimmt hat.
Gesetze: BewG § 145 Abs. 3
Instanzenzug: (EFG 2004, 552) (Verfahrensverlauf),
Gründe
I.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erhielt am durch zwei Schenkungen jeweils 23 948/100 000 Miteigentumsanteile an einem 3 428 qm großen unbebauten Grundstück. Mit Bescheiden über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwertes vom stellte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) den Wert der dem Kläger geschenkten Miteigentumsanteile auf den auf jeweils 1 017 790 DM (520 387 €) fest. Das FA ging bei der Wertermittlung von dem in der Richtwertkarte bei einer Geschossflächenzahl (GFZ) von 0,4 ausgewiesenen Wert von 890 DM/qm aus, den es aufgrund der für das zu bewertende Grundstück tatsächlich erreichbaren GFZ von 1,32 auf 1 550 DM erhöhte.
Einspruch und Klage, mit denen der Kläger geltend machte, § 145 Abs. 3 des Bewertungsgesetzes (BewG) lasse eine Anpassung des Bodenrichtwerts an die erhöhte bauliche Nutzung nicht zu, hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) vertrat in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2004, 552 veröffentlichten Urteil die Auffassung, bei der Anwendung des § 145 Abs. 3 BewG sei der sich auf eine vom Gutachterausschuss angegebene GFZ beziehende Bodenrichtwert auf die baurechtlich mögliche Nutzung des zu bewertenden Grundstücks umzurechnen.
Mit seiner Revision rügt der Kläger Verletzung von § 145 Abs. 3 BewG.
Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung sowie die Einspruchsentscheidung aufzuheben und unter Abänderung der Bescheide über die gesonderte Feststellung der Grundbesitzwerte diese auf jeweils 584 331 DM (298 763 €) festzustellen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, dass der nach § 145 Abs. 3 BewG zu bestimmende Wert eines unbebauten Grundstücks bei Abweichung von der für das Bodenrichtwertgrundstück angegebenen GFZ durch Ableitung aus dem Bodenrichtwert zu ermitteln ist.
1. Nach § 145 Abs. 3 Satz 1 BewG bestimmt sich der Wert unbebauter Grundstücke nach ihrer Fläche und den um 20 v.H. ermäßigten Bodenrichtwerten i.S. von § 196 des Baugesetzbuches (BauGB). Es handelt sich um eine verfassungsrechtlich unbedenkliche typisierende Bewertungsmethode, die der Vereinfachung der Bedarfsbewertung dient. Die Bodenrichtwerte sind für die am Steuerrechtsverhältnis Beteiligten verbindlich und einer gerichtlichen Überprüfung regelmäßig nicht zugänglich (, BFHE 210, 48, BStBl 2005, 686, und vom II R 58/04, Betriebs-Berater —BB— 2006, 1725). Sie sind deswegen von den Finanzbehörden und -gerichten ungeprüft und ohne eigenen Bewertungsspielraum der Ermittlung des Bedarfswerts zugrunde zu legen (, BFHE 210, 368, BStBl II 2006, 5).
2. Mit einem Bodenrichtwert i.S. des § 196 BauGB, für den eine GFZ angegeben ist, liegt ein vom Gutachterausschuss festgelegter und damit nach § 145 Abs. 3 Satz 1 BewG verbindlicher Bodenrichtwert auch für solche Grundstücke in der Bodenrichtwertzone vor, deren GFZ nicht der für das Bodenrichtwertgrundstück angegebenen entspricht. In diesem Fall ist der Bodenrichtwert des zu bewertenden Grundstücks unter Zugrundelegung des maßgeblichen Umrechnungskoeffizienten anzupassen.
a) Diese Anpassung beruht entgegen der Auffassung der Revision nicht auf einer —dem FA bei der Bedarfsbewertung nach § 145 Abs. 3 BewG untersagten— Schätzung des maßgebenden Bodenwerts, sondern auf einer vom Gutachterausschuss durch Angabe einer GFZ selbst vorgegebenen Differenzierung (BFH-Urteil in BFHE 210, 368, BStBl II 2006, 5).
Die Gutachterausschüsse haben gemäß § 196 Abs. 1 Satz 1 BauGB „durchschnittliche Lagewerte für den Boden” zu ermitteln. Die Wertermittlungsverordnung (WertV), die auf der Grundlage des § 199 Abs. 1 BauGB Vorschriften über die Anwendung gleicher Grundsätze „bei der Ableitung der für die Wertermittlung erforderlichen Daten” enthält, sieht in § 10 Abs. 1 die Anwendung von Umrechnungskoeffizienten vor. Durch diese sollen Wertunterschiede von Grundstücken, die sich aus Abweichungen bestimmter wertbeeinflussender Merkmale sonst gleichartiger Grundstücke ergeben, insbesondere aus dem unterschiedlichen Maß der baulichen Nutzung, erfasst werden. Vorhandene Umrechnungskoeffizienten sollen gemäß § 14 Satz 3 WertV zur Ermittlung u.a. von Zu- und Abschlägen herangezogen werden, wenn die wertbeeinflussenden Merkmale der Vergleichsgrundstücke, für die Bodenrichtwerte abgeleitet worden sind, vom Zustand des zu bewertenden Grundstücks abweichen.
Zur Berechnung der für das zu bewertende Grundstück anzusetzenden Zu- oder Abschläge können die Gutachterausschüsse von ihnen selbst ermittelte eigenständige Umrechnungskoeffizienten angeben. Soweit diese fehlen, ist auch die Anwendung der in der Anlage 23 der Wertermittlungs-Richtlinien angegebenen Umrechnungskoeffizienten möglich, die ihrerseits auf gesicherten Erfahrungswerten beruhen (vgl. Gürsching/Stenger, Bewertungsrecht, § 145 BewG Rz. 70 ff.; Kleiber/Simon/Weyers, Verkehrswertermittlung von Grundstücken, 4. Aufl. 2002, § 10 WertV Rz. 7 ff., § 14 WertV Rz. 52 ff.).
b) Die Anpassung des Bodenwerts des zu bewertenden Grundstücks entsprechend seiner GFZ steht mit Wortlaut und Zweck des § 145 Abs. 3 Satz 1 BewG in Einklang. Mit dieser Anpassung wird dem der Bedarfsbewertung unbebauter Grundstücke zugrunde liegenden Willen des Gesetzgebers Rechnung getragen, wonach der Bodenwert durch das Lagefinanzamt, falls erforderlich, nur noch an eine abweichende mögliche bauliche Nutzung angepasst werden sollte (BRDrucks 390/96, 50). Dem zum Gesetz gewordenen Wortlaut des § 145 Abs. 3 BewG, der —anders als die im Entwurf des Jahressteuergesetzes 1997 (BRDrucks 390/96) ursprünglich vorgesehene Fassung eines § 146 BewG— nicht ausdrücklich eine Feststellung des Bodenrichtwerts „unter Berücksichtigung der möglichen baulichen Nutzung” vorsieht, kann eine davon abweichende Zielsetzung des Gesetzgebers nicht entnommen werden. Die in den Erbschaftsteuer-Richtlinien (ErbStR) 1998 in R 161 Abs. 2 vorgesehene „Ableitung” des Bodenwerts in Fällen, in denen in der Bodenrichtwertkarte eine GFZ angegeben ist und die GFZ des zu bewertenden Grundstücks von der des Bodenrichtwertgrundstücks abweicht, ist daher mit § 145 Abs. 3 BewG vereinbar.
3. Rechtsfehler der angegriffenen Feststellungsbescheide bei der Ableitung des Bodenwerts aus der für das Bodenrichtwertgrundstück angegebenen GFZ sind nach Aktenlage nicht ersichtlich und auch nicht geltend gemacht. Von der Möglichkeit des Nachweises eines niedrigeren gemeinen Werts gemäß § 145 Abs. 3 Satz 3 BewG hat der Kläger keinen Gebrauch gemacht.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
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Fundstelle(n):
BStBl 2006 II Seite 742
BB 2006 S. 2178 Nr. 40
BFH/NV 2006 S. 2156 Nr. 11
BStBl II 2006 S. 742 Nr. 18
DB 2006 S. 2217 Nr. 41
DStR 2006 S. 1745 Nr. 39
DStRE 2006 S. 1240 Nr. 19
DStZ 2006 S. 682 Nr. 20
HFR 2006 S. 1199 Nr. 12
INF 2006 S. 802 Nr. 21
KÖSDI 2006 S. 15275 Nr. 10
NWB-Eilnachricht Nr. 39/2006 S. 3273
StB 2006 S. 409 Nr. 11
StBW 2006 S. 6 Nr. 21
StuB-Bilanzreport Nr. 22/2006 S. 892
UVR 2006 S. 331 Nr. 11
WPg 2006 S. 1508 Nr. 23
GAAAC-09347