BGH Urteil v. - XII ZR 192/01

Leitsatz

[1] Auch bei einem für längere Zeit als ein Jahr geschlossenen Mietvertrag bedarf die nachträgliche Vereinbarung der - auch unbefristeten - Herabsetzung des Mietzinses nicht der Schriftform, wenn der Vermieter sie jederzeit zumindest mit Wirkung für die Zukunft widerrufen darf.

Gesetze: BGB § 566 a.F.

Instanzenzug: OLG Rostock vom LG Neubrandenburg

Tatbestand

Die Parteien streiten um rückständigen Mietzins und Nebenkostenvorauszahlungen sowie um die vorzeitige Beendigung eines Mietvertrages.

Mit schriftlichem Vertrag vom 8. / mietete die Beklagte unter Ausschluß der Kündigung bis Ende Januar 2006 ein Ladenlokal in einem von der Klägerin erstellten Einkaufszentrum zum Betrieb eines Kosmetikstudios und einer Parfümerie zu einem monatlichen Mietzins von 2.079 DM zuzüglich 246,40 DM Nebenkostenvorauszahlung, jeweils nebst Mehrwertsteuer.

In der Folgezeit bat die Beklagte um eine Herabsetzung des Mietzinses, da das Einkaufszentrum weniger attraktiv sei als vor Vertragsschluß von der Klägerin angepriesen; außerdem sei mehrfach in ihr Ladenlokal eingebrochen worden.

Nach längeren Verhandlungen unterbreitete die Klägerin ihr mit Schreiben vom folgendes Angebot:

"Rückwirkend ab zunächst bis zum wollen wir Ihre Miete auf 15,00 DM/qm netto-kalt reduzieren. Dieses Angebot erfolgt ohne Präjudiz und kann von uns jederzeit widerrufen werden. Über eine Fortsetzung über den hinaus, müßten wir zu gegebener Zeit sprechen."

Daraufhin zahlte die Beklagte - auch über das Jahresende 1997 hinaus - nur noch den auf monatlich 1.155,00 DM + 16 % MWSt. = 1.339,80 DM ermäßigten Mietzins zuzüglich Nebenkostenvorauszahlungen.

Mit Schreiben vom kündigte die Beklagte das Mietverhältnis außerordentlich zum , hilfsweise fristgemäß zum nächstzulässigen Termin. Die außerordentliche Kündigung begründete sie mit unzureichender Attraktivität des Einkaufszentrums und zahlreichen Einbrüchen in ihr Ladenlokal. Im September 1999 räumte sie das Mietobjekt und stellte ihre Zahlungen zum Oktober 1999 ein.

Das Landgericht gab der Klage in Höhe eines Betrages von 4.876,86 DM (Mietzins und Nebenkostenvorauszahlungen für Oktober bis Dezember 1999) statt. Die weitergehende Klage (Mietzins und Nebenkostenvorauszahlung für die Monate Januar bis April 2000) wies es ab. Ferner stellte es auf die Widerklage der Beklagten entsprechend dem Hilfsantrag fest, daß das Mietverhältnis durch die Kündigung der Beklagten zum beendet wurde; den auf Feststellung der Beendigung schon zum gerichteten Hauptantrag wies es ab.

Die dagegen eingelegte Berufung der Klägerin und die Anschlußberufung der Beklagten wies das Oberlandesgericht zurück, die Berufung der Klägerin jedoch aufgrund deren einseitiger Erledigungserklärung mit der Maßgabe, daß der Rechtsstreit hinsichtlich der Nebenkostenvorauszahlungen für die Monate Oktober bis Dezember 1999 (857,46 DM) nebst 4 % Zinsen seit dem in der Hauptsache erledigt ist.

Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin, mit der diese ihre Anträge auf Zahlung des Mietzinses und der Nebenkostenvorauszahlungen für die Monate Januar bis April 2000 sowie auf Abweisung der Feststellungswiderklage der Beklagten weiterverfolgt.

Gründe

Die Revision hat Erfolg.

1. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, die Voraussetzungen eines außerordentlichen Kündigungsrechts der Beklagten hätten nicht vorgelegen. Dies wird von der Revision als ihr günstig nicht angegriffen, auch von der Revisionserwiderung nicht gerügt und läßt Rechtsfehler nicht erkennen.

2. Das Berufungsgericht ist jedoch der Ansicht, die Kündigungserklärung der Beklagten vom habe - als ordentliche Kündigung - das Mietverhältnis gemäß §§ 566, 565 Abs. 1a BGB a.F. vorzeitig zum beendet, da der Mietvertrag nach Herabsetzung des Mietzinses nicht mehr der Schriftform entsprochen habe.

Es geht davon aus, daß der Mietvertrag aufgrund fester körperlicher Verbindung der zugehörigen Anlagen mit der Vertragsurkunde ursprünglich der Schriftform entsprach, was die Revision als ihr günstig nicht angreift und auch keinen Rechtsfehler erkennen läßt.

Das Berufungsgericht läßt zwar dahinstehen, ob die zunächst nur für 1997 vereinbarte Absenkung des Mietzinses der Schriftform bedurft hätte, stellt aber fest, die Parteien hätten später Einigkeit darüber erzielt, daß auch nach 1997 nur noch der reduzierte Mietzins zu zahlen war, ohne diese nachträgliche Vereinbarung in einer der erforderlichen Schriftform genügenden Weise getroffen zu haben. Die Beklagte verstoße auch nicht gegen Treu und Glauben, wenn sie sich auf den Mangel der Schriftform berufe, da die Vereinbarung des geringeren Mietzinses sie nicht einseitig begünstige. Mit dieser Vereinbarung habe sie nämlich zugleich darauf verzichtet, wegen der von ihr zur außerordentlichen Kündigung vorgebrachten Gründe Gewährleistungsansprüche geltend zu machen oder sich auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage zu berufen.

3. Das hält der revisionsrechtlichen Prüfung und den Angriffen der Revision nicht stand.

Es bedarf keiner Entscheidung, ob die Vereinbarung der Herabsetzung des Mietzinses die Beklagte - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - einseitig begünstigte mit der Folge, daß diese sich nach Treu und Glauben nicht auf einen darauf beruhenden Mangel der Schriftform berufen darf. Denn diese Vereinbarung bedurfte der Schriftform nicht.

a) Die Beklagte hat das im Schreiben der Klägerin vom enthaltene Angebot auf "zunächst" bis Ende 1997 befristete Herabsetzung des Mietzinses durch entsprechend herabgesetzte Zahlungen konkludent angenommen.

Diese Vereinbarung bedurfte indes - was das Berufungsgericht aus seiner Sicht folgerichtig dahinstehen läßt - schon deshalb nicht der Schriftform, weil die Klägerin sich den jederzeitigen Widerruf des Mietzinsnachlasses vorbehalten hatte. Deshalb wäre ein nach § 571 BGB a.F. auf Vermieterseite in den Vertrag eintretender Grundstückserwerber, dessen Schutz § 566 BGB a.F. bezweckt, auch bei einem Erwerb im Jahre 1997 nicht an die vereinbarte Änderung gebunden gewesen, weil das Recht, sie jederzeit zu widerrufen, ebenfalls mit dem Erwerb auf ihn übergegangen wäre.

Deshalb bedarf es hier auch keiner Entscheidung, ob eine nachträgliche Herabsetzung des Mietzinses nur dann nicht der Schriftform bedarf, wenn sie das erste Mietjahr betrifft (vgl. - LM § 126 BGB Nr. 7 Bl. 2 = WM 1969, 920 f.), oder - wozu der Senat neigt - auch dann nicht, wenn sie zwar einen späteren Zeitraum betrifft, ihre Geltungsdauer aber ein Jahr nicht übersteigt (h.M., vgl. Müller JR 1970, 86, 87; Staudinger/Emmerich BGB [2003] § 550 Rdn. 31 m.N.; Palandt/Weidenkaff BGB 64. Aufl. § 550 Rdn. 16; MünchKomm-BGB/Schultz 3. Aufl. § 566 Rdn. 197; Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 9. Aufl. Rdn. 118; Heile in Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete 3. Aufl. Rdn. 763, 773; Kellendorfer in Müller/Walther Miet- und Pachtrecht § 550 Rdn. 40; juris PK/Tonner 2. Aufl. § 550 Rdn. 13; HOLG Hamburg OLGR 2003, 153 f.; vgl. auch Senatsurteil BGHZ 154, 171, 180: § 566 BGB a.F. soll einen potentiellen Grundstückserwerber nur davor schützen, beim Eintritt in einen ihm nicht bekannten Vertrag an dessen Bedingungen länger als ein Jahr gebunden zu sein).

b) Auch die Feststellung des Berufungsgerichts, zwischen den Parteien bestehe "Einigkeit, daß auch nach 1997 nur der reduzierte Mietzins zu zahlen war", rechtfertigt nicht den Schluß, daß die Schriftform des Mietvertrages jedenfalls vom Zeitpunkt dieser Einigung an nicht mehr gewahrt gewesen sei.

Das Berufungsgericht hat nicht etwa festgestellt, die Parteien hätten vereinbart, daß der Mietzins - in erneuter Änderung der 1997 getroffenen Vereinbarung - unwiderruflich bis zum vereinbarten Vertragsende herabgesetzt wird. Eine solche Feststellung hätte auch jeder tatsächlichen Grundlage entbehrt. Der Umstand, daß die Beklagte auch über 1997 hinaus nur den herabgesetzten Mietzins zahlte und die Klägerin dies unwidersprochen hinnahm, kann allenfalls als stillschweigende Einigung darüber angesehen werden, daß die ursprüngliche Befristung des Mietnachlasses bis Ende 1997 entfallen sollte. Eine weitergehende Änderung der 1997 erzielten Übereinkunft, insbesondere der Wegfall des Vorbehalts ihres Widerrufs, konnte dem Verhalten der Klägerin in den Folgejahren auch aus der Sicht der Beklagten nicht entnommen werden. Sie ist auch nicht Bestandteil der das Revisionsgericht bindenden Feststellung des Berufungsgerichts. Denn die Feststellung, daß die Parteien sich über die Zahlung des reduzierten Mietzinses auch nach 1997 einig waren, trifft zu, weil die Klägerin ihr Entgegenkommen nicht widerrufen hat; sie beinhaltet aber nicht, daß die Parteien sich auch darüber einig gewesen seien, daß die Klägerin es nicht mehr hätte widerrufen dürfen. Damit verblieb es bei dem im Angebot der Klägerin vom ausdrücklich erklärten Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs des gewährten Mietnachlasses.

Aufgrund dieser nach wie vor bestehenden Möglichkeit des jederzeitigen Widerrufs konnte auch durch einen Wegfall der Befristung in der ursprünglichen Änderungsvereinbarung eine längerfristige künftige Bindung der Klägerin an den gewährten Mietnachlaß nicht eintreten, mag dieser der Beklagten auch tatsächlich länger als ein Jahr gewährt worden sein. Auch ein potentieller Grundstückserwerber wäre daran nicht längerfristig gebunden gewesen, weil auch er nach seinem Eintritt in den Mietvertrag gemäß § 571 BGB a.F. von diesem Recht zum Widerruf jederzeit hätte Gebrauch machen können.

c) Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, daß nur die Klägerin bzw. ein späterer Grundstückserwerber sich durch einseitige Erklärung von der vereinbarten Herabsetzung des Mietzinses lösen konnte, denn diese begünstigte allein die Beklagte. Dieser wäre es jedenfalls unbenommen geblieben, zur Zahlung des ursprünglichen Mietzinses zurückzukehren; es erscheint nach der Lebenserfahrung ausgeschlossen, daß ihr Vertragspartner sich dem widersetzt hätte. Nichts anderes gilt, wenn die Beklagte mit Rücksicht auf die Herabsetzung des Mietzinses auf Gewährleistungsansprüche wegen der eingetretenen Geschäftsentwicklung verzichtet hätte, was das Berufungsgericht hat dahinstehen lassen. Denn der Verzicht auf Gewährleistungsansprüche wegen eines bestimmten, bereits eingetretenen Mangels bedarf nicht der Schriftform, weil er nicht den Inhalt des Mietvertrages ändert, auch nicht den Umfang des geschuldeten Mietgebrauchs, sondern nur die rechtlichen Folgen seiner nicht vertragsgemäßen Gewährung betrifft; abgesehen davon bedarf ein potentieller Grundstückserwerber als neuer Vermieter insoweit keines Schutzes.

4. Die angefochtene Entscheidung kann nach alledem keinen Bestand haben, soweit sie die Klägerin beschwert.

Da weitere tatsächliche Feststellungen nicht zu erwarten sind, kann der Senat in der Sache selbst entscheiden.

Die Anschlußberufung der Beklagten ist zurückzuweisen, weil der damit weiterverfolgte Antrag auf Feststellung der vorzeitigen Beendigung des Mietvertrages unbegründet ist. Die Vereinbarung in § 4 Abs. 2 des Mietvertrages, daß das Mietverhältnis frühestens zum gekündigt werden kann, ist wirksam, weil die Schriftform des Mietvertrages gewahrt ist.

Da das Mietverhältnis somit fortbestand, ist die Berufung der Klägerin auch insoweit begründet, als sie sich gegen die Abweisung der Klage auf Mietzins und Nebenkostenvorauszahlung für die Monate Januar bis April 2000 in Höhe von 4 x 1.625,62 DM = 6.502,48 DM nebst Zinsen richtet.

Fundstelle(n):
TAAAC-06460

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: ja; BGHR: ja