Leitsatz
[1] Hat der Rechtsanwalt Ansprüche seines Mandanten gegen den Architekten wegen mangelhafter Beaufsichtigung des Unternehmers verjähren lassen und entsteht in diesem Zusammenhang Streit über die Höhe der Leistungen, die der gekündigte Unternehmer hätte abrechnen können, so trifft den Anwalt die Beweislast.
Gesetze: BGB § 675; BGB § 249 Hd; BGB § 631; BGB § 635; BGB § 649; ZPO § 286 G
Instanzenzug: LG Duisburg
Tatbestand
Die Klägerin nimmt den beklagten Rechtsanwalt auf Schadensersatz in Anspruch, weil er Ansprüche habe verjähren lassen.
Die Klägerin und A. , den sie 1994 beerbt hat, beauftragten 1989 ein Bauunternehmen mit Arbeiten an zwei ihnen jeweils allein gehörenden Wohnhäusern. Mit der Bauplanung und Bauaufsicht wurden die Architekten K. und S. betraut. Während der Arbeiten kündigten die Bauherren den Bauvertrag und den Architektenvertrag am fristlos unter Berufung auf schwerwiegende Baumängel und fachliche Ungeeignetheit des Bauunternehmers. In zwei Beweissicherungsverfahren wurden zahlreiche Mängel festgestellt. Für diese Verfahren entstanden Kosten von 4.366,10 DM und 3.150,30 DM, die neben dem Mangelbeseitigungsaufwand Grundlage der Schadensersatzklage sind.
Der Beklagte war bis Anfang Juni 1996 anwaltlich für die Klägerin tätig. Erst ihre nachfolgend beauftragten Rechtsanwälte erhoben Schadensersatzklage gegen die Architekten, die in erster Instanz wegen Verjährung abgewiesen wurde. Die dagegen gerichtete Berufung nahm die Klägerin zurück. Sie wirft im gegenwärtigen Rechtsstreit dem Beklagten vor, nicht rechtzeitig gegen den Bauunternehmer und die Architekten wegen der Werkmängel vorgegangen zu sein.
Der Beklagte behauptet, das Schadensersatzbegehren der Klägerin sei in keinem Fall aussichtsreich gewesen, weil den Architekten und dem Bauunternehmer inzwischen gleichfalls verjährte Vergütungsansprüche in übersteigender Höhe zugestanden hätten. Das Landgericht hat den Beklagten unter Abzug eines Honoraranspruchs von 3.738,80 DM zum Schadensersatz verurteilt, das Oberlandesgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der in Höhe von 44.802,31 DM nebst anteiligen Zinsen angenommenen Revision beantragt die Klägerin, das erstinstanzliche Urteil im Umfang der Annahme wiederherzustellen.
Gründe
Die Revision ist im Umfang der Annahme begründet.
I.
Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen, weil die Klägerin nicht ausreichend dargelegt habe, daß ihr aus der anwaltlichen Pflichtverletzung des Beklagten ein Schaden erwachsen sei. Den behaupteten Wert der Bauleistungen in Höhe von 270.000 DM ohne Berücksichtigung der Mängel habe die Klägerin lediglich bestritten, was angesichts ihrer möglichen eigenen Kenntnis nicht ausreiche.
Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat bei der Prüfung der haftungsausfüllenden Kausalität die Darlegungslast für die Forderungshöhe des Bauunternehmers nach Kündigung des Bauwerkvertrages verkannt.
II.
Läßt ein Rechtsanwalt pflichtwidrig einen Anspruch verjähren, obliegt dem Auftraggeber der Schadensnachweis, daß er den Anspruch gegen seinen Schuldner in unverjährter Zeit hätte durchsetzen können. Allerdings darf dem Geschädigten nicht zur Last fallen, daß die Pflichtverletzung des Rechtsanwaltes Tatfragen in den Regreßprozeß verlagert, die sonst unter einer günstigeren Beweislastverteilung im hypothetischen Vorprozeß gegen den Schuldner zu klären gewesen wären. Die Beweislast im Anwaltsregreßprozeß richtet sich daher insoweit nach den Regeln des Ausgangsrechtsverhältnisses zwischen dem Auftraggeber und seinem Schuldner (vgl. BGHZ 133, 110, 115 f; , WM 2000, 189, 192; Zugehör/Fischer, Handbuch der Anwaltshaftung 1999 Rn. 1114 m.w.N.).
1. Die Pflichtwidrigkeit des Beklagten lag darin, daß er Maßnahmen unterlassen hat, um die Verjährung von Schadensersatzansprüchen der Klägerin gegen die von ihr und ihrem Rechtsvorgänger eingeschalteten Architekten zu unterbrechen. Die Klägerin hätte nach ihrem Vorbringen in unverjährter Zeit Ersatz ihres gesamten Mangelschadens einschließlich der Beweissicherungskosten nach § 635 BGB von den haftpflichtversicherten Architekten erlangen können, vorausgesetzt, die verletzte Bauaufsichtspflicht bezog sich auf den gesamten Umfang der zur Schadensberechnung herangezogenen Baumängel. Dagegen hätte sich die Klägerin lediglich das restliche Architektenhonorar von 47.873,18 DM anrechnen lassen müssen, welches mit der teilweisen Nichtannahme der Revision bereits zu ihren Lasten berücksichtigt worden ist.
Ein mit der Objektüberwachung beauftragter Architekt ist verpflichtet, Abschlagsrechnungen des Bauunternehmers darauf zu überprüfen, ob die zugrunde gelegten Leistungen erbracht worden und vertragsgerecht sind. Auf Mängel muß er hinweisen, ihre Ursachen aufklären und den Bauherren über das Ergebnis der Untersuchung und seine rechtlichen Folgen unverzüglich unterrichten (vgl. und VII ZR 295/00,
NJW-RR 2002, 1531, 1532 und WM 2002, 1414, jeweils unter III. 1.).
Für den schlüssigen Vortrag eines, hier als Vorfrage zu prüfenden, Schadensersatzanspruchs gegen den bauaufsichtsführenden Architekten genügt es, wenn die sichtbaren Symptome der Baumängel beschrieben werden, auf die sich die Bauaufsicht des Architekten erstreckte (BGHZ 136, 342, 346; , WM 1989, 278, 281 unter III. 2. a; , NJW-RR 2003, 1239, 1240 unter II. 1. a und b). Dem ist die Klägerin durch Einführung der Beweissicherungsgutachten aus dem erfolglosen Vorprozeß gerecht geworden. Für eine entsprechende Pflichtverletzung der Architekten sprach danach der erste Anschein. In einem solchen Fall braucht der Bauherr nicht anzugeben, inwieweit es der Architekt im einzelnen an der erforderlichen Überwachung hat fehlen lassen. Vielmehr ist es Sache des Architekten, den Beweis des ersten Anscheins dadurch auszuräumen, daß er seinerseits darlegt, was er an Überwachungstätigkeit verrichtet hat (, WM 2002, 2251 f unter II. 1. b). Die Sorgfaltspflichten der bauaufsichtsführenden Architekten minderten sich auch nicht dadurch, daß - wie im Vorprozeß behauptet - die ausgeschriebenen Bauarbeiten von der Klägerin und ihrem Rechtsvorgänger selbst vergeben worden sind (, WM 2001, 373, 374). Zur Beweislast des Beklagten gehörte, das nach § 282 BGB vermutete Verschulden der Architekten für Bauaufsichtsmängel auszuräumen (vgl. aaO).
Die Haftung des Architekten bei Verletzung seiner Bauaufsichtspflicht und Pflicht zur sorgsamen Prüfung der Abschlagsrechnungen umfaßt den Ersatz von Überzahlungen seines Auftraggebers, zu denen es im Ergebnis der Abrechnung der beiderseitigen Leistungen nach mangelbedingter Kündigung des gesamten Bauwerkvertrages aus wichtigem Grund gekommen ist. Denn die verletzten Architektenpflichten dienen dem Zweck, die Entstehung einer solchen Lage für den Auftraggeber zu verhindern. Für diese Haftpflicht des Architekten gilt dabei die Beweislastverteilung des Abrechnungsverhältnisses zwischen Auftraggeber und Bauunternehmer; denn der Architekt darf auch beweisrechtlich keinen Vorteil daraus ziehen, daß er durch seine Pflichtverletzung den Anlaß der Kündigung und mögliche Überzahlungen des Auftraggebers erst hat entstehen lassen. Ein solcher Vorteil würde jedoch eintreten, wenn der gekündigte Bauunternehmer nicht mehr leistungsfähig ist, der Auftraggeber sich dann nur noch an den Architekten halten kann und dabei einer ungünstigeren Beweislastverteilung ausgesetzt wäre als in dem Abrechnungsverhältnis zum Bauunternehmer. Streiten in diesem Zusammenhang Auftraggeber und Architekt darüber, welchen Wert das unvollendete Bauwerk nach Qualität und Umfang - auch des mangelfreien Teils - der Unternehmerleistungen hatte, so trifft daher den Architekten hierfür die Beweislast gegenüber dem Auftraggeber in gleicher Weise wie den gekündigten Bauunternehmer (dazu nachstehend unter 2.).
Diese Haftung des Architekten schließt den hier ebenfalls geltend gemachten Ersatz von Kosten ein, die der Bauherr für eine Beweissicherung gegen den Bauunternehmer aufgewendet hat und die unnötig gewesen wären, wenn der Architekt seine Überwachungs-, Untersuchungs- und Unterrichtungspflicht erfüllt hätte (Werner/Pastor, Der Bauprozeß 10. Aufl. Rn. 1508 a.E.).
2. Wird ein Bauwerkvertrag bürgerlichen Rechts, in dem Abschlagszahlungen erbracht worden sind, aus wichtigem Grund vom Besteller gekündigt, so hat der Unternehmer seine Leistungen abzurechnen. Der Besteller hat einen vertraglichen Anspruch auf Auszahlung des Überschusses. Hierzu muß er die Höhe seiner Abschlagszahlungen darlegen und - wenn nötig - beweisen (BGH, Versurt. v. - VII ZR 196/00, NJW 2002, 1567, 1568). Welcher Vortrag des Bestellers in diesem Fall zum Rechnungsposten der Unternehmervergütung verlangt werden kann, hängt von den Umständen ab. Jedenfalls kann sich der Besteller auf den Vortrag beschränken, der bei zumutbarer Ausschöpfung der ihm zur Verfügung stehenden Quellen seinem Kenntnisstand entspricht (BGH, aaO). Auf eine Auskunftsklage gegen den Unternehmer kann der Besteller nicht verwiesen werden. Zur Vorlage einer eigenen prüffähigen Abrechnung ist er selbst bei einem VOB-Vertrag nicht verpflichtet (BGHZ 140, 365, 375).
Dem Berufungsurteil ist nicht zu entnehmen, von welcher "möglichen eigenen Kenntnis" über den Leistungsumfang des gekündigten Bauunternehmers das Berufungsgericht bei seiner Wertung des Klägervorbringens ausgegangen ist, die Nichtausnutzung welcher Erkenntnismöglichkeit es der Klägerin mithin zur Last gelegt hat. Eine Abrechnung der Bauleistungen durch den gekündigten Unternehmer ist nicht festgestellt. Eigene Ermittlungen zum Leistungsumfang des Unternehmers mußte die Klägerin nicht vornehmen. Der vom Beklagten behauptete Leistungsumfang im Betrag von 270.000 DM ist durch keinen näheren Vortrag untermauert.
Rechtlich obliegt es bei Kündigung aus wichtigem Grund in der Regel dem gekündigten Unternehmer, die Mangelfreiheit seiner Leistung (vgl. BGHZ 136, 33, 39; , NJW 1999, 3554, 3556 unter IV. 2.) ebenso wie den Umfang des vertraglich vereinbarten Werkes und der tatsächlich erbrachten Leistungen zu beweisen (vgl. hierzu , WM 1994, 1856, 1858 unter II. 2. b; v. - VII ZR 263/01, WM 2003, 37, 38 unter II. 2. - zum Pauschalpreisvertrag). Nach den Ergebnissen der Beweissicherungsverfahren bestanden bei den Bauarbeiten an beiden Gebäuden erhebliche Mängel. Deshalb ist es zumindest dann nicht gerechtfertigt, bei einer Klage des Bestellers weiteren eigenen Vortrag zur bestrittenen Unternehmervergütung zu verlangen, wenn sich das Vorgehen - wie hier auf seiten der Klägerin - in der Geltendmachung eines Mangelschadens erschöpft und eine Abrechnung des gekündigten Unternehmers fehlt.
3. Endlich läßt das Berufungsurteil keinen Rechtsfehler in der Annahme erkennen, daß die Verjährung der Architektenhaftpflicht auf einer Pflichtverletzung des Beklagten beruhte, und wird darin von der Revisionserwiderung auch nicht bekämpft. Der Klägerin kann folglich nicht entgegengehalten werden, der Verlust des Architektenhaftpflichtprozesses sei nur darauf zurückzuführen, daß sie das auf die Verjährung gestützte landgerichtliche Urteil jenes Verfahrens (trotz eines Rechtsfehlers) hingenommen habe, was dann nicht von dem Beklagten zu verantworten gewesen wäre. Das gilt auch für die Beweissicherungskosten, weil sie gleichfalls als Mangelschaden des Architektenwerks der Verjährung nach den §§ 635, 638 BGB a.F. unterlagen (vgl. , ZIP 2003, 2161, 2162 - für die als enge Mangelfolgeschäden gewerteten Prozeßkosten aus Streitigkeiten des Auftraggebers über mangelbedingte Mietausfälle).
III.
Das Berufungsurteil kann nicht aus anderen Gründen aufrechterhalten werden (§ 563 ZPO a.F.).
Zwar hat der Beklagte unter Umständen nicht dafür einzustehen, daß Ansprüche der Klägerin und ihres Rechtsvorgängers gegen den gekündigten Bauunternehmer verjährt sind, falls nämlich dessen Vermögenslage ohnehin eine Verfolgung dieser Ansprüche schon vor dem Verjährungszeitpunkt aussichtslos erscheinen ließ. Jedenfalls hat die Klägerin nicht ausgeräumt, daß sie durch die Verjährungsfolgen insoweit keinen Schaden mehr erlitten hat, weil die Ansprüche bereits aus tatsächlichen Gründen nicht mehr durchsetzbar gewesen sind. Eine Schadensersatzpflicht des Beklagten könnte dann in diesem Punkt nur begründet sein, wenn er Anlaß und Möglichkeit gehabt hat, noch rechtzeitig die Ansprüche der Klägerin gegen den Bauunternehmer wenigstens zu sichern. Dazu fehlt - wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat - ausreichender Vortrag. Das trägt jedoch seine Entscheidung im Hinblick auf das Verjährenlassen der Architektenhaftpflicht nicht, die sich der Beklagte gleichfalls vorwerfen lassen muß.
IV.
Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil der Beklagte Gelegenheit erhalten muß, die bis zur Kündigung der Verträge am verdienten Vergütungen des Bauunternehmers unter Berücksichtigung der von ihm zu widerlegenden Mängel substantiiert darzulegen und unter Beweis zu stellen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
FAAAC-00468
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: nein