Leitsatz
[1] a) Der Insolvenzverwalter einer GmbH hat die Voraussetzungen für eine Haftung des Geschäftsführers nach § 43 Abs. 3 GmbHG wegen verbotswidriger Zahlungen an die Gesellschafter darzulegen und zu beweisen.
b) Den Geschäftsführer trifft insoweit eine sekundäre Darlegungslast. Das gilt auch dann, wenn er vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus dem Amt ausgeschieden ist, ihm aber - anders als dem Insolvenzverwalter - entsprechende Unterlagen oder Erkundigungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen oder er einschlägige Kenntnisse hat.
Gesetze: GmbHG § 43 Abs. 3; GmbHG § 30 Abs. 1; ZPO § 138 Abs. 1; ZPO § 138 Abs. 2
Instanzenzug: LG Frankfurt/Main 3/1 O 185/01 vom OLG Frankfurt/Main 5 U 115/02 vom
Gründe
I. Der Kläger ist Verwalter in dem aufgrund eines Vergleichsantrags vom am eröffneten Konkursverfahren über das Vermögen der M. GmbH. Die Gemeinschuldnerin war von fünf Familienstämmen gegründet worden, die jeweils Unternehmen im Getränkehandel betrieben. Diese fünf Unternehmen waren an die Gemeinschuldnerin verkauft worden. Der Beklagte zu 2 ist Gesellschafter der Gemeinschuldnerin. Außerdem war er - ebenso wie der Beklagte zu 1 - Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin. Die Geschäftsführer-Ämter endeten für den Beklagten zu 1 am und für den Beklagten zu 2 am .
Bis April 1995 betrug das Stammkapital der Gemeinschuldnerin 800.000,00 DM. Außerdem war eine Kapitalrücklage i.S. des § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB i.H.v. 7,2 Mio. DM vorhanden. Mit Beschluss vom vereinbarten die Gesellschafter eine Erhöhung des Stammkapitals auf 4,4 Mio. DM und zugleich eine Herabsetzung der Kapitalrücklage auf 5,2 Mio. DM. Einer der Gesellschafter, nämlich die B. GmbH, trat hinsichtlich der Kapitalerhöhung für die anderen Gesellschafter teilweise in Vorlage und zahlte 2,52 Mio. DM auf ein Notaranderkonto, über das die Geschäftsführer nach der Eintragung der Kapitalerhöhung sollten verfügen dürfen. Im zeitlichen Zusammenhang damit zahlte die Gemeinschuldnerin insgesamt 2,5 Mio. DM an die B. GmbH zurück, davon 2 Mio. DM aus der Herabsetzung der Kapitalrücklage.
Mit der Klage hat der Kläger von dem Beklagten zu 1 Ersatz der an die B. GmbH gezahlten 2,5 Mio. DM und von dem Beklagten zu 2 als Gesamtschuldner Zahlung eines Teilbetrages i.H.v. 220.000,00 DM verlangt. Das Landgericht hat der Klage mit der Begründung stattgegeben, die Beklagten seien gemäß § 43 Abs. 3, § 30 Abs. 1 GmbHG zum Schadensersatz verpflichtet, weil sie die Zahlungen an die B. GmbH trotz einer bestehenden Unterbilanz geleistet hätten. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die Beschwerde des Klägers.
II. Die Beschwerde ist begründet und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Das Berufungsgericht hat den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, indem es den Vortrag des Klägers aus dem Schriftsatz vom zu der Bewertung von Aktivposten in den Bilanzen der Gemeinschuldnerin zum und in fehlerhafter Anwendung des § 296 a ZPO nicht zugelassen und das Vorbringen des Klägers nicht vollständig zur Kenntnis genommen hat.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts war dieser Vortrag von dem Schriftsatznachlass umfasst, der dem Kläger in der mündlichen Verhandlung vom gemäß § 139 Abs. 5 ZPO gewährt worden war. Der Kläger war in diesem Termin von dem Berufungsgericht darauf hingewiesen worden, "dass die Unterbilanz zu den bezeichneten Auszahlungszeitpunkten durch eine Unterbilanzrechnung vorzutragen" sei. Ihm war "zu dem Hinweis" eine Erklärungsfrist eingeräumt worden. Aufgrund des Hinweises hat er dann seinen Vortrag zu der Unterbilanz im Zeitpunkt der Auszahlungen an die B. GmbH ergänzt, und zwar um die Behauptung, in den Bilanzen sei der Aktivposten B. III. 1. "Anteile an verbundenen Unternehmen - 2.713.971,37 DM" zu streichen, da dieser Posten den Unternehmenswert der in die Gemeinschuldnerin eingebrachten Gesellschafter-Unternehmen B. B. GmbH und B. W. GmbH betreffe, deren Vermögenswerte aber schon als Einzel-Sachwerte bilanziert worden seien, so dass es sich bei den bilanzierten Anteilen nur noch um leere "Mäntel" gehandelt habe.
Dieser Vortrag war gemäß § 139 Abs. 5, § 296 a Satz 2 ZPO zu berücksichtigen. Wenn der Kläger im Rahmen der ihm eingeräumten Erklärungsfrist eine "Unterbilanzrechnung" vortragen durfte, dann durfte - und musste - er sich auch mit der Bewertung der einzelnen Bilanzansätze befassen. Im Übrigen verkennt das Berufungsgericht, dass der Kläger vom Beginn des Prozesses an die Richtigkeit der Beteiligungsbewertung in der vorgelegten Bilanz in Abrede gestellt hat und deswegen in dem nachgelassenen Schriftsatz weder "erstmals" noch "in Abweichung von dem erstinstanzlichen Vortrag" die entsprechende Behauptung aufgestellt hat.
Unerheblich ist, dass der Kläger keine Bilanzen zu den Stichtagen der Auszahlungen an die B. GmbH vorgelegt hat. Angesichts der Fehlbeträge in den beiden Bilanzen 1994 und 1995 gab es keinen Anhaltspunkt für die Annahme, in der Zwischenzeit könnte die Unterbilanz - wie erforderlich - nachhaltig beseitigt worden sein.
2. Ob auch die weiteren Rügen der Nichtzulassungsbeschwerde begründet sind, braucht im derzeitigen Verfahrensstadium nicht abschließend entschieden zu werden. Wenn aufgrund des Vortrags des Klägers festgestellt werden kann, dass die Beklagten die Zahlungen an die B. GmbH trotz einer Ende 1994 und Ende 1995 und dann auch während des Jahres 1994 bestehenden Unterbilanz geleistet haben, ist die Klage gemäß § 43 Abs. 3, § 30 Abs. 1 GmbHG begründet.
Vorsorglich weist der Senat auf folgendes hin:
a) Der Insolvenzverwalter hat die Voraussetzungen für eine Haftung des Geschäftsführers nach § 43 Abs. 3 GmbHG darzulegen und zu beweisen.
Wegen der damit verbundenen Schwierigkeiten besteht allerdings eine sekundäre Darlegungslast des Geschäftsführers (vgl. Sen.Urt. v. - II ZR 281/00, ZIP 2003, 625, 627, zur vergleichbaren Unterbilanzhaftung der Gründungsgesellschafter). Ob der Geschäftsführer davon befreit ist, wenn er - wie hier - vor Insolvenzeröffnung aus dem Amt ausgeschieden ist, muss aufgrund der Umstände des Einzelfalles entschieden werden. Dabei ist in erster Linie darauf abzustellen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang dem Geschäftsführer auch nach seinem Ausscheiden aus dem Amt - anders als dem Insolvenzverwalter - Unterlagen oder Erkundigungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen oder ob er einschlägige Kenntnisse hat.
b) Die Annahme des Berufungsgerichts, ein etwaiger Schadensersatzanspruch wegen unterlassener Einziehung der erhöhten Stammeinlage sei verjährt, trifft auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen zu. In dem Parallelverfahren OLG Frankfurt 5 U 211/99 hat sich der Kläger zwar entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch auf die Verletzung von Kapitalaufbringungsvorschriften berufen. Damit mag die Verjährung seines diesbezüglichen Schadensersatzanspruchs gemäß § 209 Abs. 1 BGB a.F. unterbrochen worden sein. Das die Feststellungsklage als unzulässig verwerfende Urteil des OLG Frankfurt vom ist dem Kläger aber nach seinem Vortrag am zugestellt worden, folglich mit Ablauf des rechtskräftig geworden. Die damit gemäß § 212 Abs. 2 BGB a.F. beginnende sechsmonatige Verjährungsfrist lief am ab. Die Klage in dem vorliegenden Verfahren ist dagegen erst am Mittwoch, dem , eingereicht worden.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.278.229,70 € festgesetzt, wovon 112.484,21 € auf die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2 entfallen.
Fundstelle(n):
BB 2006 S. 1070 Nr. 20
DB 2006 S. 1101 Nr. 20
DStR 2006 S. 1051 Nr. 24
NWB-Eilnachricht Nr. 27/2006 S. 2243
SJ 2006 S. 39 Nr. 14
StuB-Bilanzreport Nr. 17/2006 S. 690
WM 2006 S. 858 Nr. 18
WPg 2006 S. 729 Nr. 11
ZIP 2006 S. 805 Nr. 17
TAAAB-97774
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja