Ansparrücklage nach § 7g EStG bei noch zu eröffnendem Betrieb
Leitsatz
Das Tatbestandsmerkmal "voraussichtlich" des § 7g Abs. 3 Satz 2 EStG, das auch für eine Existenzgründerrücklage nach § 7g Abs. 7 EStG gilt, erfordert eine Prognoseentscheidung über das künftige Investitionsverhalten des Steuerpflichtigen. Die Prognoseentscheidung ist bei Steuerpflichtigen, die den Gewinn nach § 4 Abs. 1, § 5 EStG ermitteln, aus der Sicht des jeweiligen Bilanzstichtags und bei Steuerpflichtigen, die ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln, aus der Sicht des Endes des Gewinnermittlungszeitraums zu treffen. Hieraus folgt, dass die "voraussichtliche" Investition von Gesetzes wegen hinreichend konkretisiert sein muss. Ob dies zutrifft, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Wird die Ansparrücklage für die Anschaffung wesentlicher Betriebsgrundlagen eines noch zu eröffnenden Betriebs gebildet, setzt die hinreichende Konkretisierung voraus, dass diese wesentlichen Betriebsgrundlagen am maßgeblichen Stichtag bereits verbindlich bestellt worden sind.
Gesetze: EStG § 7g
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die für das Streitjahr 2001 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Der Kläger meldete im Streitjahr ein Gewerbe für den Betrieb einer Fotovoltaikanlage an, beschaffte sich die Unterlagen zur Installation einer solchen Anlage auf dem Dach seines Privathauses, schloss einen Finanzierungsvertrag und stellte über seine Hausbank am einen Antrag auf einen Förderkredit bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau. Dem Antrag war ein Kostenvoranschlag für die Fotovoltaikanlage beigefügt, aus dem sich auch die Ausmaße der geplanten Anlage ergaben. Ferner beantragte der Kläger im Streitjahr Fördermittel bei seiner Gemeinde. Nach den Förderrichtlinien der Kreditanstalt für Wiederaufbau und der Gemeinde waren die jeweiligen Anträge vor der Bestellung der Anlage bzw. vor dem Beginn des Vorhabens zu stellen.
Für das Streitjahr 2001 erklärten die Kläger einen Verlust des Klägers aus Gewerbebetrieb in Höhe von 23 278 DM. Der Verlust resultierte aus einer gebildeten Ansparrücklage nach § 7g Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (EStG) für die Anschaffung der Fotovoltaikanlage. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) berücksichtigte die Ansparrücklage nicht bei der Steuerfestsetzung, weil die Fotovoltaikanlage erst im Veranlagungszeitraum 2002 verbindlich bestellt worden sei. Der hiergegen gerichtete Einspruch blieb erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2005, 1675 veröffentlicht.
Mit ihrer Revision rügen die Kläger sinngemäß die Verletzung des § 7g Abs. 3 EStG.
Sie beantragen sinngemäß, die Vorentscheidung sowie die Einspruchsentscheidung aufzuheben und unter Änderung des Einkommensteuerbescheids für das Jahr 2001 die Einkommensteuer unter Berücksichtigung eines Verlustes in Höhe von 23 277,51 DM bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat zu Recht entschieden, dass der Kläger im Streitjahr keine Ansparrücklage bilden durfte.
1. Nach § 7g Abs. 3 EStG können Steuerpflichtige unter den dort geregelten Voraussetzungen für die künftige Anschaffung oder Herstellung eines neuen beweglichen Wirtschaftsguts des Anlagevermögens eine den Gewinn mindernde Rücklage (Ansparabschreibung) bilden. Nach § 7g Abs. 3 Satz 2 EStG darf die Ansparrücklage 40 v.H. der Anschaffungs- oder Herstellungskosten des begünstigten Wirtschaftsguts nicht überschreiten, das der Steuerpflichtige voraussichtlich bis zum Ende des zweiten auf die Bildung der Rücklage folgenden Wirtschaftsjahrs anschaffen oder herstellen wird. Wenn die Rücklage von einem Existenzgründer im Wirtschaftsjahr der Betriebseröffnung und den fünf folgenden Wirtschaftsjahren (Gründungszeitraum) gebildet wird, ist § 7g Abs. 3 EStG u.a. mit der Maßgabe anzuwenden, dass das begünstigte Wirtschaftsgut vom Steuerpflichtigen voraussichtlich bis zum Ende des fünften auf die Bildung der Rücklage folgenden Wirtschaftsjahrs angeschafft oder hergestellt wird (§ 7g Abs. 7 EStG). Eine Ansparrücklage kann auch gebildet werden, wenn dadurch ein Verlust entsteht oder sich erhöht (§ 7g Abs. 3 Satz 4 EStG).
Das Gesetz enthält keine ausdrückliche Regelung darüber, ob und ggf. wie nachzuweisen oder glaubhaft zu machen ist, dass eine Investition i.S. von § 7g Abs. 7 i.V.m. Abs. 3 und 1 EStG „beabsichtigt” ist. Der Steuerpflichtige ist nicht gehalten, die Absicht einer Investition nachzuweisen bzw. glaubhaft zu machen. Allerdings muss die Investition bei Bildung der Rücklage so genau bezeichnet werden, dass im Investitionsjahr festgestellt werden kann, ob eine Investition derjenigen entspricht, für deren Finanzierung die Rücklage gebildet wurde. Dazu sind Angaben insbesondere zur Funktion des Wirtschaftsguts sowie zu den voraussichtlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten erforderlich (, BFHE 197, 448, BStBl II 2002, 385, und vom X R 51/00, BFHE 200, 343, BStBl II 2004, 184).
Das Tatbestandsmerkmal „voraussichtlich” des § 7g Abs. 3 Satz 2 EStG, das auch für eine Existenzgründerrücklage nach § 7g Abs. 7 EStG gilt, erfordert eine Prognoseentscheidung über das künftige Investitionsverhalten des Steuerpflichtigen. Die Prognoseentscheidung ist bei Steuerpflichtigen, die den Gewinn nach § 4 Abs. 1, § 5 EStG ermitteln, aus der Sicht des jeweiligen Bilanzstichtags und bei Steuerpflichtigen, die ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln, aus der Sicht des Endes des Gewinnermittlungszeitraums zu treffen. Hieraus folgt, dass die „voraussichtliche” Investition von Gesetzes wegen hinreichend konkretisiert sein muss. Ob dies zutrifft, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles (vgl. , BFH/NV 2005, 846, und in BFHE 200, 343, BStBl II 2004, 184). Wird die Ansparrücklage für die Anschaffung wesentlicher Betriebsgrundlagen eines noch zu eröffnenden Betriebes gebildet, setzt die hinreichende Konkretisierung voraus, dass diese wesentlichen Betriebsgrundlagen am maßgeblichen Stichtag bereits verbindlich bestellt worden sind. Denn es soll eine ungerechtfertigte Förderung durch gleichsam „ins Blaue hinein” gebildete Ansparrücklagen vermieden werden (vgl. , BFHE 199, 170, BStBl II 2004, 182, und in BFH/NV 2005, 846, sowie BFH-Beschlüsse vom III B 65/03, BFH/NV 2004, 632; vom XI B 210/03, BFH/NV 2005, 204, und vom VIII B 134/04, BFH/NV 2005, 2186).
2. Nach diesen Grundsätzen hat das FG zutreffend angenommen, dass der Kläger die streitige Rücklage nicht bilden durfte. Die Rücklage wurde im Streitfall für die einzige wesentliche Betriebsgrundlage, die Fotovoltaikanlage, des noch zu eröffnenden Betriebes des Klägers gebildet. Zur hinreichenden Konkretisierung dieser Investition i.S. des § 7g Abs. 3 Satz 2 EStG wäre daher die verbindliche Bestellung der Fotovoltaikanlage im Streitjahr erforderlich gewesen.
Die vom Kläger im Streitjahr durchgeführten Maßnahmen führen zu keiner anderen Beurteilung, da es sich dabei lediglich um erste Vorbereitungshandlungen für die Betriebseröffnung handelt. Auch kann die Stellung des Antrags auf einen Förderkredit für die Anschaffung der Fotovoltaikanlage bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau nicht mit einer verbindlichen Bestellung gleichgesetzt werden. Unabhängig davon, dass zum Bilanzstichtag des Streitjahrs ungewiss war, ob der Förderkredit tatsächlich gewährt werden würde, ließ der Antrag die Möglichkeit des Klägers, von der Anschaffung wieder Abstand zu nehmen, —ungeachtet damit möglicherweise verbundener Stornierungskosten— unberührt. Seine Investitionsentscheidung hatte er demzufolge zum Bilanzstichtag noch nicht verbindlich getroffen. Die Investitionsentscheidung muss aber für alle wesentlichen Betriebsgrundlagen verbindlich getroffen sein, weil anderenfalls die Entstehung des Betriebes, welche die Existenz aller wesentlichen Betriebsgrundlagen voraussetzt, nicht gesichert und damit eine ungerechtfertigte Förderung nicht ausgeschlossen ist (so auch Wendt, Deutsche Steuer-Zeitung 2005, 777, 780).
Schließlich ist unerheblich, ob sich der Kläger —wie er vorträgt— an der verbindlichen Bestellung der Fotovoltaikanlage im Streitjahr deshalb gehindert sah, weil nach den Förderrichtlinien der Kreditanstalt für Wiederaufbau und der Gemeinde des Klägers die jeweiligen Anträge vor der Bestellung der Anlage bzw. vor dem Beginn des Vorhabens zu stellen waren.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 2058 Nr. 11
DB 2007 S. 3 Nr. 27
KÖSDI 2006 S. 15305 Nr. 11
KÖSDI 2006 S. 15305 Nr. 11
NAAAB-97199