Leitsatz
[1] 1. Die für Berufsausbildungsverhältnisse geltenden Vorschriften des Berufsbildungsgesetzes (§§ 3 ff. BBiG) finden auf ein Rechtsverhältnis auch dann Anwendung, wenn das Ziel der Ausbildung mit dem Bestehen der Abschlußprüfung zum Kaufmann/zur Kauffrau im Einzelhandel zwar noch nicht erreicht ist, die Ausbildung danach aber nicht mehr fortgesetzt wird.
2. Dem Auszubildenden dürfen nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 BBiG keine Kosten auferlegt werden, die dem Auszubildenden bei der Ausbildung entstehen. Dazu gehören nicht Kosten, die im Zusammenhang mit dem Besuch der staatlichen Berufsschule des berufsschulpflichtigen Auszubildenden stehen. Veranlaßt der Ausbildende den Auszubildenden zum Besuch einer anderen Bildungseinrichtung als der staatlichen Berufsschule und fallen deshalb Kosten an, hat der Ausbildende diese zu tragen. Eine Vereinbarung, nach der der Auszubildende diese Kosten zu erstatten hat, wird von § 5 Abs. 2 Nr. 1 BBiG erfaßt.
Gesetze: BBiG § 5 Abs. 2 Nr. 1; BBiG § 1 Abs. 2 Satz 1; BBiG § 1 Abs. 3; BBiG § 1 Abs. 4; BBiG § 3 Abs. 1; BBiG § 6 Abs. 1 Nr. 1; BBiG § 7; BBiG § 10 Abs. 1 Satz 1; BBiG § 12 Abs. 1 Nr. 1; BBiG § 18; BBiG § 25 Abs. 1; VO ü. d. Berufsausbildung zum Kaufmann im Einzelhandel/zur Kauffrau im Einzelhandel vom (BGBl. I S 153) § 1; MTV f. d. Hamburger Einzelhandel v. § 1 Nr. 3 d; MTV f. d. Hamburger Einzelhandel v. § 20 Abs. 1; MTV f. d. Hamburger Einzelhandel v. § 20 Abs. 2; MTV f. d. Hamburger Einzelhandel v. § 20 Abs. 3; MTV f. d. Hamburger Einzelhandel v. § 20 Abs. 4; MTV f. d. Hamburger Einzelhandel v. § 22 Abs. 7; Gehaltstarifvertrag f. d. Hamburger Einzelhandel v. § 3 Nr. 1; ZPO § 92 Abs. 1 Satz 1; ZPO § 850 a Nr. 6; ZPO § 850 c Abs. 1
Instanzenzug: ArbG Hamburg 11 Ca 445/98 vom LAG Hamburg 4 Sa 107/99 vom
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Erstattung von Kosten für eine Bildungsmaßnahme. Außerdem verlangt die Beklagte von der Klägerin im Wege der Widerklage die Zahlung von Vergütung.
Die Beklagte schloß nach Ablegung ihres Abiturs mit der Klägerin für die Zeit vom bis zum einen "Fortbildungsvertrag als Einarbeiterin zur Handelsassistentin". § 1 dieses Vertrags lautet:
"§ 1
Fortbildungszeit
Die Fortbildung beträgt 36 Monate. Sie beginnt am und endet am . Besteht der/die Einarbeiter/in vor Ablauf der vereinbarten Fortbildungszeit die Abschlußprüfung, so endet die Fortbildung mit dem letzten Tag der Abschlußprüfung.
Die ersten 3 Monate des Fortbildungsverhältnisses gelten als Probezeit. Während der Probezeit kann das Fortbildungsverhältnis beiderseits jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden.
Spätestens nach 24 Monaten wird die Externen-Prüfung zum Kaufmann/zur Kauffrau im Einzelhandel vor der Industrie- und Handelskammer abgelegt. Das Bestehen dieser Prüfung ist Voraussetzung für die Zulassung zur Handelsassistenten-Prüfung.
Firma und Einarbeiter/in klären ca. 2 Monate vor Ablauf der Fortbildung zum Handelsassistenten/zur Handelsassistentin eine etwaige Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis ab."
In § 2 Satz 1 des Vertrags ist vereinbart, daß die Fortbildung in der Filiale 148/Harburg, in der Region Hamburg, stattfindet. Unter § 3 des Vertrags verpflichtete sich die Klägerin ua. dazu, dafür zu sorgen, daß der Beklagten die zum Erreichen des Fortbildungsziels notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten vermittelt werden. Die Beklagte hatte zur Erreichung des Bildungsziels gemäß § 4 Nr. 2 des Fortbildungsvertrags an den internen und externen Fortbildungsmaßnahmen und an den Prüfungen teilzunehmen, für die sie von der Klägerin freigestellt wurde. Nach der in § 5 des Vertrags getroffenen Vergütungsabrede erhielt sie im ersten Jahr monatlich 1.250,00 DM brutto, im zweiten Jahr 1.400,00 DM brutto und im dritten Jahr 1.800,00 DM brutto. Die tarifliche Ausbildungsvergütung betrug ab dem gemäß § 3 Nr. 1 des Gehaltstarifvertrags für den Hamburger Einzelhandel vom im ersten Ausbildungsjahr monatlich 965,00 DM brutto, im zweiten Ausbildungsjahr 1.155,00 DM brutto und im dritten Ausbildungsjahr 1.340,00 DM brutto.
In § 9 des Vertrags heißt es:
"§ 9
Sonstige Vereinbarungen
Die Betriebsordnung, die innerbetrieblichen Richtlinien und Sonderbestimmungen, der geltende Manteltarifvertrag für den Einzelhandel sowie die Verordnung über die Prüfung zum staatlich anerkannten Abschluß Geprüfte/r Handelsassistent/in - Einzelhandel sind Bestandteile des Vertrages.
Endet die Fortbildung vorzeitig wegen Eigenkündigung oder fristloser Kündigung, so sind die bis zu diesem Zeitpunkt angefallenen Weiterbildungskosten bis zu einem Höchstbetrag von DM 4.000,-- von dem/der Einarbeiter/in zu erstatten. Zu den Weiterbildungskosten zählen auch die während der Teilnahme an Seminaren aufgewendeten Gehaltskosten.
Löst der/die Einarbeiter/in innerhalb von 1 Jahr nach erfolgreichem Abschluß der Fortbildung das Arbeitsverhältnis, oder wird in dieser Zeit das Arbeitsverhältnis wirksam fristlos gekündigt, so sind die aufgewendeten Weiterbildungskosten bis zu einem Höchstbetrag von DM 4.000,-- von dem/der Einarbeiter/in zu erstatten. Der Betrag verringert sich für jeden vollen Monat der Tätigkeit nach erfolgreichem Abschluß der Fortbildung um 1/12 des Gesamtbetrages.
Rechtswirksame Nebenabreden bedürfen der Schriftform."
Die Beklagte besuchte in der Zeit vom bis zum sechs vom Bildungszentrum des Einzelhandels N in S durchgeführte Seminare. Zu diesen jeweils knapp zwei Wochen dauernden Lehrgängen hatte sie die Klägerin angemeldet. Diese bezahlte auch die Lehrgangskosten. Die Kosten für die Unterbringung und Verpflegung der Beklagten in S betrugen insgesamt 4.982,00 DM. Außerdem fielen anteilige Kosten für Referenten in Höhe von 4.699,00 DM an. Hinzu kamen Prüfungsgebühren in Höhe von 590,00 DM sowie Reisekosten in Höhe eines Betrags von insgesamt 825,40 DM. Für die Zeiten der Teilnahme der Beklagten an den Seminaren in S zahlte ihr die Klägerin Vergütung in Höhe von 5.044,38 DM.
Nachdem sie vor der Industrie- und Handelskammer Hannover die Prüfung zur Kauffrau im Einzelhandel mit Erfolg abgelegt hatte, kündigte die Beklagte mit Schreiben vom das Vertragsverhältnis zum .
Die Klägerin errechnete für die Zeit vom 1. bis zum einen Vergütungsanspruch der Beklagten in Höhe von 654,38 DM netto, zahlte diese Vergütung jedoch nicht an die Beklagte aus, sondern erklärte die Aufrechnung mit einem Anspruch auf Erstattung von Weiterbildungskosten. Die Beklagte hat mit Schriftsatz ihres Prozeßbevollmächtigten vom erstmals schriftlich von der Klägerin die Zahlung der Vergütung für Januar 1998 verlangt.
Die Klägerin hat gemeint, die Beklagte habe ihr wegen der vorzeitigen Beendigung des Fortbildungsverhältnisses auf Grund der Kündigung vom nach § 9 Abs. 2 Satz 1 des Fortbildungsvertrags Weiterbildungskosten in Höhe von 4.000,00 DM zu erstatten. Wegen der im Wege der Aufrechnung einbehaltenen Vergütung für Januar 1998 in Höhe von 654,38 DM habe die Beklagte ihr noch 3.345,62 DM zu zahlen. Der Fortbildungsvertrag sei kein Berufsausbildungsvertrag iSd. Berufsbildungsgesetzes. Die Prüfung zur Kauffrau im Einzelhandel sei bei der Fortbildung zur Handelsassistentin lediglich eine Zwischenprüfung. Ihr sei es nicht möglich, die Lehrinhalte, die der Beklagten im Rahmen ihrer Ausbildung zur Kauffrau im Einzelhandel vermittelt worden seien, von dem Lehrstoff zu trennen, der der Fortbildung der Beklagten zur Handelsassistentin gedient habe. Ebensowenig könne sie die angefallenen Kosten in Aufwendungen für die Ausbildung der Beklagten zur Einzelhandelskauffrau und in Aufwendungen zur Vorbereitung der Beklagten auf die Prüfung zur Handelsassistentin aufteilen. Die Lehrinhalte der Fortbildung zur Handelsassistentin, die sie nur Abiturienten anbiete, seien jedoch weit über den Inhalt der Ausbildung zur Kauffrau im Einzelhandel hinausgegangen. Die Beklagte habe auf Grund des Besuchs der Seminare des Bildungszentrums des Einzelhandels in S einen geldwerten Vorteil erlangt.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 3.345,62 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und widerklagend den Antrag gestellt,
die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte 654,38 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem zu zahlen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, ihr Vertrag mit der Klägerin sei ein Berufsausbildungsvertrag. Die ihr vermittelten Kenntnisse hätten sich ausschließlich auf die Ausbildung zur Kauffrau im Einzelhandel bezogen. Die getroffene Abrede über die Erstattung von Ausbildungskosten sei nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 BBiG nichtig. Deshalb sei nicht nur die Klage unbegründet, sondern auch die Aufrechnung der Klägerin unwirksam. Diese habe ihr für die Zeit vom 1. bis zum Vergütung in Höhe von 654,38 DM netto zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Widerklage abzuweisen.
Sie hat gemeint, der Anspruch der Beklagten auf anteilige Vergütung für Januar 1998 sei auf Grund ihrer Aufrechnung erloschen. Im übrigen habe die Beklagte die tarifliche Ausschlußfrist nicht gewahrt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage der Beklagten stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Zahlungsantrag sowie ihren Antrag auf Abweisung der Widerklage weiter.
Gründe
Die Revision hat teilweise Erfolg. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts war in der Kostenentscheidung und insoweit aufzuheben, als es die Berufung der Klägerin hinsichtlich der Widerklage zurückgewiesen hat. Auf die Berufung der Klägerin war das Urteil des Arbeitsgerichts in der Kostenentscheidung und insoweit abzuändern, als es der Widerklage stattgegeben hat. Die Widerklage war abzuweisen. Soweit die Klägerin mit der Revision ihren Zahlungsantrag weiter verfolgt, ist die Revision unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen.
A. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Klage sei unbegründet, weil die in § 9 Abs. 2 des Vertrags getroffene Vereinbarung über die Erstattung von "Weiterbildungskosten" nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 BBiG nichtig sei. Die Beklagte habe bei Beginn des Vertragsverhältnisses am keine Berufsausbildung gehabt. Um die für die Zulassung zur Handelsassistenten-Prüfung erforderliche Prüfung zur Kauffrau im Einzelhandel vor der Industrie- und Handelskammer Ha mit Erfolg ablegen zu können, habe zwangsläufig eine Berufsausbildung iSd. Berufsbildungsgesetzes stattfinden müssen. Nicht die Beklagte, sondern die Klägerin habe die Kosten für die Ausbildung der Beklagten zur Kauffrau im Einzelhandel zu tragen. Die Klägerin verlange von der Beklagten eine Entschädigung für diese Berufsausbildung. Eine Vereinbarung über die Verpflichtung des Auszubildenden, für die Berufsausbildung eine Entschädigung zu zahlen, sei gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 1 BBiG nichtig. Selbst wenn sich nicht sämtliche von der Klägerin geforderten Erstattungsbeträge auf die Ausbildung der Beklagten zur Kauffrau im Einzelhandel beziehen sollten, sei die Klage insgesamt unschlüssig. Die Klägerin habe nicht dargelegt, welche Ausbildungsinhalte und -zeiten der Ausbildung der Beklagten zur Kauffrau im Einzelhandel und welche der Vorbereitung der Beklagten auf die Prüfung zur Handelsassistentin gedient hätten. Wenn die Klägerin nicht in der Lage sei, die Lehrinhalte, die der Beklagten im Rahmen der Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau vermittelt worden seien, von dem Lehrstoff zu trennen, der ihrer Fortbildung zur Handelsassistentin gedient habe, und auch die angefallenen Kosten nicht entsprechend aufteilen könne, gehe dies zu ihren Lasten.
Die Widerklage sei begründet. Da die Klägerin keinen Anspruch auf Erstattung von Ausbildungskosten habe, habe sie auch nicht mit einem Erstattungsanspruch gegen die Entgeltforderung der Beklagten für Januar 1998 wirksam aufrechnen können. Etwaige tarifliche Ausschlußfristen erforderten wegen der Unpfändbarkeit des Vergütungsanspruchs der Beklagten keine Beachtung.
B. Dem ist zu folgen, soweit das Landesarbeitsgericht angenommen hat, daß die Klägerin keinen Anspruch auf Erstattung von Ausbildungskosten hat. Dagegen halten die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts zur Widerklage der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Widerklage ist unbegründet.
I. Der Klageanspruch ergibt sich nicht aus § 9 Abs. 2 Satz 1 des Fortbildungsvertrags. Nach der dort getroffenen Vereinbarung hat die Beklagte zwar bei vorzeitiger Beendigung der Fortbildung wegen Eigenkündigung bis zu diesem Zeitpunkt angefallene Weiterbildungskosten bis zu einem Höchstbetrag von 4.000,00 DM zu tragen. Die Klägerin ist jedoch trotz der von ihr vor Abschluß ihrer Fortbildung zur Handelsassistentin mit Schreiben vom ausgesprochenen Kündigung nicht verpflichtet, der Beklagten "Weiterbildungskosten" zu erstatten. Die in § 9 Abs. 2 Satz 1 des Fortbildungsvertrags getroffene Abrede ist gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 1 BBiG nichtig. Die Verlagerung von "Weiterbildungskosten" auf die Beklagte stellt eine Entschädigungszahlung für die Berufsausbildung im Sinne dieser Vorschrift dar. Zuungunsten der Beklagten ist § 5 BBiG nicht abdingbar (§ 18 BBiG). Bei den Kosten, deren Erstattung die Klägerin verlangt, handelt es sich um Kosten der Berufsausbildung, die dem Ausbildenden zugewiesen sind. Diese dürfen dem Auszubildenden nicht auferlegt werden.
1. Entgegen der Auffassung der Revision sind die für Berufsausbildungsverhältnisse geltenden Vorschriften des Berufsbildungsgesetzes (§§ 3 ff. BBiG) auf das Rechtsverhältnis der Parteien anzuwenden. Dieses Gesetz erfaßt die Berufsausbildung, die berufliche Fortbildung und die berufliche Umschulung (§ 1 Abs. 1 BBiG). Da die Beklagte bei der Klägerin erstmals für einen Beruf ausgebildet worden ist, kommt eine berufliche Umschulung (§ 1 Abs. 4 BBiG) von vornherein nicht in Betracht. Mit der Ausbildung zur Kauffrau im Einzelhandel hat die Beklagte eine Berufsausbildung erhalten und keine berufliche Fortbildung iSv. § 1 Abs. 3 BBiG. Ihr wurden in einem geordneten Ausbildungsgang eine breit angelegte berufliche Grundbildung vermittelt und die für die Ausübung einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit notwendigen fachlichen Fertigkeiten und Kenntnisse verschafft (§ 1 Abs. 2 Satz 1 BBiG).
a) Maßgebend ist, daß die Klägerin die Beklagte, die keine Berufsausbildung hatte, auf privatrechtlicher Vertragsgrundlage zur Ausbildung in einem staatlich anerkannten Ausbildungsberuf (§ 25 Abs. 1 BBiG iVm. § 1 der Verordnung über die Berufsausbildung zum Kaufmann im Einzelhandel/zur Kauffrau im Einzelhandel vom - BGBl. I S 153) in eine ihrer Filialen eingestellt hat (§ 3 Abs. 1 BBiG). Das Bestehen der Abschlußprüfung zur Kauffrau im Einzelhandel war nach § 1 Abs. 3 Satz 2 des Vertrags Voraussetzung für die Zulassung der Beklagten zur Handelsassistenten-Prüfung. Aus diesem Grund war es erforderlich, daß die Klägerin der Beklagten gemäß den Lerninhalten der Verordnung über die Ausbildung zum Kaufmann im Einzelhandel/zur Kauffrau im Einzelhandel die zum Bestehen dieser Abschlußprüfung notwendigen Fertigkeiten und Kenntnisse vermittelt (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 BBiG). Dazu hat sich die Klägerin auch in § 3 des Vertrags gegenüber der Beklagten verpflichtet. Dies reichte zusammen mit der von der Beklagten in § 4 Nr. 1 und Nr. 2 des Vertrags eingegangenen Verpflichtung, die für das gesteckte Ausbildungsziel - und damit auch die für den erfolgreichen Abschluß der Berufsausbildung zur Kauffrau im Einzelhandel - erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten zu erwerben und an den Prüfungen teilzunehmen, zur Begründung eines Berufsausbildungsverhältnisses iSd. §§ 3 ff. BBiG aus.
b) Dem steht nicht entgegen, daß die Beklagte nach dem Vertrag zur Handelsassistentin ausgebildet werden sollte und dieses Ziel mit dem Bestehen der Prüfung zur Kauffrau im Einzelhandel noch nicht erreicht war. Unerheblich ist auch, daß der Vertrag als "Fortbildungsvertrag" und nicht als "Berufsausbildungsvertrag" bezeichnet ist und in § 9 Abs. 2 Satz 1 des Vertrags der Begriff "Weiterbildungskosten" und nicht "Berufsausbildungskosten" aufgeführt ist. Schließlich spricht auch die Höhe der Vergütung der Beklagten, die deutlich über der tariflichen Ausbildungsvergütung im H Einzelhandel lag, nicht entscheidend gegen die Einordnung des Rechtsverhältnisses der Parteien als Berufsausbildungsverhältnis.
Die Frage, ob die für Berufsausbildungsverhältnisse geltenden Vorschriften des Berufsbildungsgesetzes noch Anwendung gefunden hätten, wenn die Beklagte nach dem Bestehen der Abschlußprüfung zur Kauffrau im Einzelhandel entsprechend der Vereinbarung der Parteien das Vertragsverhältnis fortgesetzt hätte und zur Handelsassistentin fortgebildet worden wäre, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Die Klägerin verlangt nur die Erstattung von Kosten, die vor der erfolgreichen Ablegung der Abschlußprüfung zur Kauffrau im Einzelhandel entstanden sind.
2. Die in § 9 Abs. 2 Satz 1 des Vertrags getroffene Abrede über die Erstattung bei der Ausbildung der Beklagten zur Einzelhandelskauffrau angefallener Kosten stellt eine Vereinbarung über die Verpflichtung des Auszubildenden dar, für die Berufsausbildung eine Entschädigung zu zahlen. Diese ist gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 1 BBiG nichtig.
a) Dem Auszubildenden dürfen nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 BBiG keine Kosten auferlegt werden, die dem Ausbildenden bei der Ausbildung entstehen (ständige Rechtsprechung, vgl. - BAGE 45, 349; - 5 AZR 450/87 - EzB BBiG § 5 Nr. 25; - 5 AZR 509/99 - BAGE 97, 333). Durch diese Vorschrift sollen finanzielle Belastungen des Auszubildenden im Rahmen des Berufsausbildungsverhältnisses vermieden oder jedenfalls so gering wie möglich gehalten werden ( - aaO). Die Entscheidung des Gesetzgebers gegen das früher vielfach übliche "Lehrgeld" will gewährleisten, daß der Zugang zu einer durch das Berufsbildungsgesetz geregelten Ausbildung nicht von dem finanziellen Leistungsvermögen und -willen des Auszubildenden abhängt ( - BAGE 39, 226). An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten.
b) Zu den von der Klägerin zu tragenden Kosten der Berufsausbildung gehört die Vergütung, die die Klägerin der Beklagten für die Zeit der Lehrgänge in S gezahlt hat.
aa) Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 BBiG hat der Ausbildende dem Auszubildenden eine angemessene Vergütung zu gewähren. Diese ist dem Auszubildenden auch für die Zeit der Freistellung wegen Teilnahme am Berufsschulunterricht oder an Prüfungen und auch bei Durchführung von Ausbildungsmaßnahmen außerhalb der Ausbildungsstätte zu zahlen (§ 12 Abs. 1 Nr. 1 BBiG iVm. § 7 BBiG). Davon kann nach § 18 BBiG nicht zuungunsten des Auszubildenden abgewichen werden. Eine Abrede über die Verpflichtung des Auszubildenden, Kosten zu erstatten, die dem Ausbildenden wegen der Zahlung der angemessenen Ausbildungsvergütung während der Freistellung des Auszubildenden entstanden sind, wird von § 5 Abs. 2 Nr. 1 BBiG erfaßt.
bb) Die Parteien haben in § 5 ihres so bezeichneten Fortbildungsvertrags Bezüge der Beklagten vereinbart, die erheblich über der Vergütung der Auszubildenden nach § 3 Nr. 1 des Gehaltstarifvertrags für den Hamburger Einzelhandel vom lagen. Diese Entgeltabrede wurde nur wegen der vereinbarten Fortbildung der Beklagten zur Handelsassistentin getroffen. Es ist nicht anzunehmen, daß die Parteien eine Vergütungsvereinbarung dieses Inhalts auch für den Fall geschlossen hätten, daß sich das Rechtsverhältnis als Berufsausbildungsverhältnis darstellt und die Beklagte die vereinbarte Ausbildung zur Handelsassistentin nach dem Bestehen der Abschlußprüfung zur Kauffrau im Einzelhandel nicht fortsetzt. Die Frage, ob die Beklagte deshalb nur Anspruch auf eine angemessene Ausbildungsvergütung iSv. § 10 Abs. 1 Satz 1 BBiG hat, nicht aber auf die ihr von der Beklagten bezahlten wesentlich höheren Bezüge, braucht der Senat jedoch nicht zu entscheiden. Die Klägerin hat die Rückzahlung des Unterschiedsbetrags zwischen der geleisteten und der angemessenen Ausbildungsvergütung nicht verlangt.
c) Auch soweit die Erstattungsabrede der Parteien Kosten betrifft, die im Zusammenhang mit der Teilnahme der Beklagten an den Seminaren des Bildungszentrums des Einzelhandels N in S stehen, ist sie gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 1 BBiG nichtig.
aa) Zu den vom Ausbildenden zu tragenden Kosten der Ausbildung zählen alle im Rahmen der Berufsausbildung notwendigen Kosten, insbesondere die betrieblichen Sach- und Personalkosten. Zu den Ausbildungskosten gehören auch die Aufwendungen für solche Ausbildungsmaßnahmen und -veranstaltungen außerhalb der Ausbildungsstätte, die in den Ausbildungsgang integriert sind. Ist der Auszubildende zur Teilnahme an solchen Ausbildungsmaßnahmen gesetzlich oder vertraglich verpflichtet oder bezieht der Ausbilder sie im Einverständnis mit dem Auszubildenden in seine Ausbildungspflicht ein, dürfen dem Auszubildenden die durch die außerhalb der Ausbildungsstätte durchgeführte Ausbildung verursachten Kosten nicht auferlegt werden ( - aaO; - 5 AZR 994/94 - BAGE 81, 62). Dementsprechend hatte der Ausbildende die einem Auszubildenden erwachsenen Kosten für Unterkunft und Verpflegung zu tragen, die auf der Teilnahme an Kursen einer privaten Berufsschule beruhten ( - aaO).
bb) Zu den vom Ausbildenden zu tragenden Ausbildungskosten gehören zwar grundsätzlich nicht die im Zusammenhang mit dem Berufsschulunterricht entstehenden Kosten. Das Berufsbildungsgesetz geht für die Berufsausbildung vom Grundsatz des dualen Systems aus, das durch ein Zusammenwirken von betrieblicher und schulischer Ausbildung gekennzeichnet ist ( - AP BBiG § 1 Nr. 1). Die in § 1 Abs. 5 BBiG und in § 3 Abs. 2 BBiG getroffenen Regelungen lassen keinen Zweifel daran, daß das Berufsbildungsgesetz die vertraglichen Regelungen zwischen Ausbildendem und Auszubildendem bei der Berufsausbildung nur insoweit ordnen will, als es sich um die betriebliche Berufsausbildung handelt ( - aaO). Besucht der Auszubildende die staatliche Berufsschule, ist der "schulische" und nicht der betriebliche Bereich der Berufsausbildung betroffen. Im dualen Berufsbildungssystem müssen die Kosten für den theoretischen Ausbildungsteil grundsätzlich vom Auszubildenden selbst aufgebracht werden. Der Ausbildende hat selbst dann, wenn der Auszubildende am Blockunterricht einer auswärtigen staatlichen Berufsschule teilnehmen muß, diesem nicht die dadurch verursachten Fahrt-, Verpflegungs- und Unterbringungskosten zu erstatten (Gedon/Spiertz Berufsbildungsrecht Stand Juni 2002 § 5 BBiG Rn. 21 a).
cc) Hier liegen die Dinge jedoch anders. Die Beklagte hat während ihrer Ausbildung zur Kauffrau im Einzelhandel nicht den für sie nicht mit Kosten verbundenen Teilzeitunterricht der staatlichen Berufsschule in H besucht. Vielmehr hat sie auf Veranlassung der Klägerin an sechs vom Bildungszentrum des Einzelhandels Niedersachsen in S durchgeführten Seminaren teilgenommen, die jeweils knapp zwei Wochen dauerten. Zum Besuch des Blockunterrichts in S war die Beklagte nach § 4 des Vertrags verpflichtet. Die Reisekosten, die Aufwendungen für die Unterbringung und Verpflegung der Beklagten in S, die Kosten für Referenten und die Prüfungsgebühren wären bei einem Besuch der staatlichen Berufsschule in Hamburg nicht angefallen. Deshalb hat die Klägerin diese Kosten zu tragen. Besucht ein Auszubildender auf Veranlassung des Ausbildenden eine andere Bildungseinrichtung als die zuständige staatliche Berufsschule, ist dieser zur Übernahme der Mehrkosten verpflichtet (Götz Berufsbildungsrecht Rn. 280; Herkert Berufsbildungsgesetz Stand § 12 Rn. 7; Wohlgemuth Berufsbildungsgesetz 2. Aufl. § 12 Rn. 5). Die Kosten für den Besuch einer anderen Bildungseinrichtung als der zuständigen staatlichen Berufsschule sind in diesem Fall nicht dem "schulischen" Bereich der Ausbildung zuzuordnen. Die entstandenen Mehrkosten beruhen nicht auf der vom Berufsbildungsgesetz nicht erfaßten schulischen Ausbildung. Diese Kosten sind vielmehr nur deshalb entstanden, weil der Ausbildende den Auszubildenden veranlaßt hat, eine andere als die zuständige staatliche Berufsschule zu besuchen. Nur dann, wenn der Auszubildende die durch den Besuch der privaten Bildungseinrichtung verursachten Mehrkosten nicht zu tragen hat, werden finanzielle Belastungen des Auszubildenden im Rahmen seiner Berufsausbildung vermieden oder doch jedenfalls so gering wie möglich gehalten. Auch dieser Gesichtspunkt spricht dafür, daß eine Vereinbarung von § 5 Abs. 2 Nr. 1 BBiG erfaßt wird, in der sich der Auszubildende zur Erstattung von Kosten verpflichtet, die bei einem Besuch der zuständigen staatlichen Berufsschule nicht angefallen wären.
II. Die Widerklage ist unbegründet. Die Klägerin schuldet der Beklagten nicht für die Zeit vom 1. bis zum nach § 10 Abs. 1 Satz 1 BBiG Vergütung in Höhe von 654,38 DM netto.
1. Die Beklagte hat den Anspruch auf Zahlung anteiliger Ausbildungsvergütung für Januar 1998 nicht innerhalb der tariflichen Ausschlußfrist erhoben. Der Manteltarifvertrag für den Hamburger Einzelhandel vom (künftig: MTV) findet jedenfalls wegen der von den Parteien in § 9 Abs. 1 des Vertrags getroffenen Abrede auf das Ausbildungsverhältnis Anwendung.
2. Er enthält ua. folgende Bestimmungen:
"§ 1 Geltungsbereich
Dieser Tarifvertrag gilt:
...
3. Persönlich:
...
d) für Auszubildende.
...
§ 20 Verwirkung von Ansprüchen
1. Ansprüche aus bestehenden Arbeitsverhältnissen müssen innerhalb folgender Ausschlußfristen geltend gemacht werden:
a) Ansprüche auf Bezahlung von Mehrarbeits-, Nachtarbeits-, Sonntags- und Feiertagsstunden spätestens innerhalb von 2 Monaten nach Fälligkeit,
b) Ansprüche auf rückständigen Urlaub und Urlaubsgeld innerhalb von 3 Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres,
c) Ansprüche aus Eingruppierung oder Einstufung in andere Gehalts- und Lohngruppen sowie alle sonstigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis spätestens innerhalb von 6 Monaten nach Fälligkeit.
2. Bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses können alle aus dem Arbeitsverhältnis entstandenen Ansprüche nur innerhalb von 2 Monaten nach der Auflösung und rückwirkend nur für die in Absatz 1 genannten Ausschlußfristen geltend gemacht werden.
3. Die Ansprüche aus den Ziffern 1a, 1b und 2 sind schriftlich anzumelden.
4. Ansprüche, die nach Ablauf dieser Fristen erhoben werden, gelten als verwirkt, wenn § 22 Ziffer 7 erfüllt ist oder die geltenden Tarife den Beschäftigten bekannt waren.
...
§ 22 Schlußbestimmungen
...
7. Allen Beschäftigten ist eine Ausfertigung der Tarifverträge auszuhändigen oder in geeigneter Weise im Betrieb zugänglich zu machen. ..."
3. Der Anspruch der Beklagten auf Zahlung von Ausbildungsvergütung für die Zeit vom 1. bis zum gilt nach § 20 Abs. 4 MTV als verwirkt. Die Beklagte hat diesen Anspruch nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Beendigung des Ausbildungsverhältnisses mit Ablauf des schriftlich gegenüber der Klägerin erhoben (§ 20 Abs. 2 und Abs. 3 MTV). Sie hat ihn vielmehr nach Ablauf dieser Ausschlußfrist erstmals mit Schriftsatz ihres Prozeßbevollmächtigten vom geltend gemacht. Daß ihr die Tarifbestimmungen nicht bekannt gewesen sind, hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt. Die Beklagte hat dies auch nicht behauptet.
4. Dem Eingreifen der tariflichen Ausschlußfrist steht die Unpfändbarkeit der Forderung (§ 850 a Nr. 6 ZPO, § 850 c Abs. 1 ZPO) nicht entgegen. Auch soweit Ansprüche auf Grund gesetzlicher Bestimmungen nicht der Pfändung unterliegen, müssen sie innerhalb der tariflichen Ausschlußfristen geltend gemacht werden. § 20 Abs. 2 MTV erfaßt "alle aus dem Arbeitsverhältnis entstandenen Ansprüche" und somit auch solche, die unpfändbar sind und gegen die nach § 394 Satz 1 BGB nicht wirksam aufgerechnet werden kann.
C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BB 2003 S. 316 Nr. 6
PAAAB-94482
1Für die Amtliche Sammlung: Nein; Für die Fachpresse: Ja