BFH Urteil v. - I R 58/04 BStBl 2006 II S. 707

Wesentliche Verbesserung eines Wirtschaftsguts führt zu Herstellungskosten

Leitsatz

Eine wesentliche Verbesserung eines Wirtschaftsguts i.S. des § 255 Abs. 2 Satz 1 Alternative 3 HGB kann auch in einer Veränderung mit dem Ziel einer neuen betrieblichen Gebrauchs- oder Verwendungsmöglichkeit begründet sein. Die dahin gehenden Feststellungen sind im Einzelfall vom FG zu treffen.

Gesetze: EStG 1992 § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1HGB § 255 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1

Instanzenzug: (EFG 2004, 1126) (Verfahrensverlauf), ,

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die bilanzielle Behandlung von Abbruchkosten mit dem Ziel einer geänderten Gebrauchs- oder Verwendungsmöglichkeit betrieblich genutzter Hallen.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) wurde im Juni 1990 errichtet. Gegenstand ihres Unternehmens ist die Entsorgung von Abfällen, der Umweltschutz und die Durchführung von Transporten.

Im März 1993 erwarb die Klägerin von der Z ein Grundstück, auf dem sich u.a. eine kohlebetriebene Heizkraftanlage befand. Das Grundstück war mit mehreren Gebäuden sowie zwei Schornsteinen bebaut. Der Kaufpreis betrug 395 000 DM, wovon 144 000 DM auf die Gebäude entfielen. Diesem Kauf war bereits ein Kaufvertrag im April 1992 ebenfalls mit der Z vorausgegangen, bei dem für die Klägerin allerdings eine vollmachtlose Vertreterin aufgetreten und der von der Klägerin nicht genehmigt worden war. Bereits in ihrer Bilanz zum aktivierte die Klägerin jedoch den Grund und Boden mit 200 475 DM, die Gebäude mit 144 000 DM und die Außenanlagen mit 50 525 DM. Sie passivierte zudem eine „Rückstellung für Abbruchkosten”. Betriebsvorrichtungen aktivierte die Klägerin nicht.

Im Juli 1992 schloss die Klägerin mit der Z eine Vereinbarung über die Lieferung von Wärmeenergie, im November 1992 erteilte das zuständige Gewerbeaufsichtsamt eine bis zum befristete Ausnahmegenehmigung zum Betrieb der vorhandenen Dampfkessel. Aus der Wärmelieferung erzielte die Klägerin in den Jahren 1992 und 1993 Erlöse von insgesamt ca. 2,35 Mio. DM.

Im März 1993 teilte die Klägerin der zuständigen Behörde mit, dass sie große Teile der Heizungsanlage einer anderen Verwendung zuführen werde. Zudem stehe die Entwicklung bzw. Umsetzung einer geänderten Betriebskonzeption bevor. In den Jahren 1993 und 1994 erfolgte die Stilllegung der Heizkraftanlagen, die der letzten Dampferzeuger Ende Mai 1994. Die Abrisskosten beliefen sich für die Energieerzeugungsanlagen auf insgesamt 588 221 DM, für einen gesprengten Schornstein auf 9 250 DM. Nach dem Abriss der bisherigen Anlagen wurden diese durch technische Anlagen und Maschinen zur Müllbehandlung und -entsorgung ersetzt. Die Abrisskosten behandelte die Klägerin als Betriebsausgaben.

In den Veranlagungszeiträumen 1993 und 1994 nahm die Klägerin Abschreibungen auf das Gebäude und die Außenanlagen vor und löste die Rückstellung für Abbruchkosten weitgehend auf. Zudem aktivierte sie im ehemaligen Heizhaus einen Sozialtrakt als Anlage im Bau mit 120 248 DM.

Nach einer Betriebsprüfung gelangte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) zu der Auffassung, die Abbruchkosten seien als anschaffungsnaher Aufwand zu behandeln und die Buchwerte des Gebäudes und der Außenanlagen entsprechend zu erhöhen. Die Abbruchkosten seien kurze Zeit nach dem Erwerb des Grundstücks angefallen; die Absicht der Klägerin zum Umbau der Hallen und Abriss der Energieerzeugungsanlagen habe offenbar schon beim Erwerb bestanden. Zudem hätten die Abbruchkosten nahezu das Doppelte des Kaufpreises für das gesamte Grundstück betragen. Mangels Außenverpflichtung könne eine Rückstellung für Abbruchkosten nicht anerkannt werden. Im Übrigen habe die Klägerin im Jahre 1992 noch kein wirtschaftliches Eigentum am streitigen Grundstück gehabt.

Dementsprechend erließ das FA geänderte Steuerbescheide.

Die hiergegen gerichtete Klage blieb im Wesentlichen erfolglos. Das Finanzgericht (FG) nahm zwar an, die Klägerin sei bereits im April 1992 wirtschaftliche Eigentümerin des streitbefangenen Grundstücks geworden. Für den zu erwartenden Aufwand zum Abriss der Energieerzeugungsanlagen und des Schornsteins habe sie jedoch keine Rückstellung bilden dürfen.

Das FA habe die Abbruchkosten, mit Ausnahme derjenigen, die auf den Abriss des Schornsteins entfielen, zutreffend nicht als Betriebsausgaben anerkannt; sie seien als Herstellungskosten der Gebäude zu aktivieren. Das ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2004, 1126 abgedruckt.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzung von § 255 Abs. 2 Satz 1 des Handelsgesetzbuchs (HGB) i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der für die Streitjahre geltenden Fassung.

Sie beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die streitbefangenen Bescheide insoweit zu ändern, als die Kosten für die Entfernung der Betriebsvorrichtungen aus den Hallen als Betriebsausgaben berücksichtigt werden.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II.

1. Die Revision der Klägerin ist zulässig.

Zwar setzt die Zulässigkeit einer Revision deren Zulassung voraus (§ 115 Abs. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—); das FG hat dem Wortlaut der Entscheidung gemäß die Revision nur hinsichtlich der Frage zugelassen, „ob auch im Falle eines Betriebsgebäudes der Begriff der Betriebsbereitschaft i.S.d. § 255 Abs. 1 HGB inhaltsgleich mit dem Begriff der wesentlichen Verbesserung i.S.d. § 255 Abs. 2 HGB ist”. Diese Frage betrifft aber die Beurteilung der Kosten des Umbaus der Hallen der Klägerin als Herstellungskosten dem Grunde nach und damit deren Bewertung i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Letztere bildet einen nicht teilbaren Streitgegenstand, in dessen Rahmen —entgegen der Auffassung des FA— eine beschränkte Zulassung der Revision im Hinblick auf einzelne damit zusammenhängende Rechtsfragen nicht in Betracht kommt. Eine solche wäre nur hinsichtlich solcher Teile des Streitstoffs zulässig, über die in einem besonderen Verfahrensabschnitt durch Teilurteil entschieden werden könnte (, BFHE 133, 189, BStBl II 1981, 470; vom VI R 157/89, BFHE 162, 290, BStBl II 1991, 86; vgl. auch Ruban in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz. 112).

2. Die Revision der Klägerin ist aber unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Zu Recht hat das FG die streitigen Kosten des Abbruchs der Energieerzeugungsanlagen als aktivierungspflichtige Herstellungskosten der umschließenden Hallen behandelt.

a) Gemäß § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) und § 7 des Gewerbesteuergesetzes i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG hat die Klägerin in ihrer jeweiligen Bilanz das Betriebsvermögen anzusetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen ist. Die Bewertung des Anlagevermögens erfolgt gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG u.a. mit den Herstellungskosten.

b) Herstellungskosten sind nach § 255 Abs. 2 Satz 1 Alternative 1 HGB Aufwendungen, die durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung eines Wirtschaftsguts entstehen. Dieser handelsrechtliche Begriff ist auch der Bewertung von Wirtschaftsgütern in der Steuerbilanz zugrunde zu legen (, BFHE 174, 136, BStBl II 1994, 512; Beschluss des Großen Senats des , BFHE 160, 466, BStBl II 1990, 830, 833). § 255 Abs. 2 HGB fordert zwar nicht den Einbezug von Nebenkosten in die Herstellungskosten und nicht allgemein die Erfassung nachträglich anfallender Kosten. Jedoch liegen Herstellungskosten bei Veränderung eines bereits bestehenden Wirtschaftsguts im Rahmen eines weiteren Herstellungsvorgangs vor (, BFHE 197, 58, BStBl II 2002, 349, m.w.N.). Davon ist im Falle einer Erweiterung oder einer über den ursprünglichen Zustand des betreffenden Wirtschaftsguts hinausgehenden wesentlichen Verbesserung auszugehen (§ 255 Abs. 2 Satz 1 Alternativen 2 und 3 HGB). Im Streitfall kommt die genannte letztere Alternative in Betracht.

c) Eine Verbesserung ist in diesem Sinne wesentlich, wenn über die zeitgemäße Erneuerung hinaus nach objektiven Maßstäben der Gebrauchswert des Wirtschaftsguts im Ganzen deutlich erhöht wird (, BFHE 204, 135; vom IX R 61/99, BFH/NV 2003, 148; vom IX R 116/92, BFHE 177, 454, BStBl II 1996, 632). Dies ist der Fall, wenn die Veränderungen zu einer höherwertigen Nutzbarkeit des Wirtschaftsguts führen, durch die Maßnahmen somit ein höheres „Nutzungspotential” des Wirtschaftsguts geschaffen wird (, BFHE 183, 470, BStBl II 1997, 802; vom I R 9/91, BFHE 169, 31, BStBl II 1993, 41; vgl. auch Ellrott/Brendt in Beck Bil-Komm., 6. Aufl., § 255 HGB Anm. 386). Dies ist vor dem Hintergrund der betrieblichen Zielsetzung des Unternehmens zu beurteilen und zu bejahen, wenn das Wirtschaftsgut so verändert wird, dass die bisherige Nutzbarkeit nicht nur erhalten, sondern verbessert, aber auch wenn eine andere Gebrauchs- oder Verwendungsmöglichkeit des Wirtschaftsguts geschaffen wird (Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl., HGB § 255 Tz. 125; Ehmcke in Blümich, § 6 EStG Rz. 405; Glanegger in Schmidt, EStG, 24. Aufl., § 6 Rz. 199, m.w.N.). Im letzteren Falle der Änderung seiner Wesensart kann von einer „Umschaffung” des jeweiligen Wirtschaftsguts ausgegangen werden (vgl. Stobbe in Herrmann/Heuer/ Raupach, § 6 EStG Anm. 482 „Zweckänderung”). Eine solche wird etwa bejaht, wenn eine Mühle in ein Wohnhaus (Ehmcke in Blümich, § 6 EStG Rz. 405) oder —ähnlich dem Streitfall— ein Lagerhaus in ein Verwaltungsgebäude umgebaut wird (Adler/ Düring/Schmaltz, a.a.O., HGB § 255 Tz. 125).

d) Die Beurteilung, ob eine wesentliche Verbesserung eines Wirtschaftsguts gegeben ist, obliegt im jeweiligen Einzelfall dem FG im Rahmen seiner tatsächlichen Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO). An diese Wertung ist das Revisionsgericht gebunden, wenn dagegen keine zulässigen und begründeten Revisionsrügen vorgebracht worden sind und sie auch weder Denkgesetze verletzt noch gegen allgemeine Erfahrungssätze verstößt.

Im Streitfall gehen die Feststellungen des FG dahin, dass die Klägerin in den erworbenen Hallen zwar (bis zum ) zunächst die Energieerzeugungsanlagen betrieben und Wärmeenergie erzeugt hat. Diesen Betrieb hat die Klägerin jedoch aufgegeben und die Anlagen zur Energieerzeugung nach deren Abriss durch technische Anlagen und Maschinen zur Müllbehandlung und -entsorgung ersetzt. Zur Aufnahme der neuen Anlagen mussten die Hallen in einen anderen Zustand versetzt werden. Die sich im Boden befindenden Schächte für den Aschetransport sind verfüllt und der gesamte Hallenboden gepflastert worden. Diese Maßnahmen dienten —einschließlich des vorbereitenden Abrisses der bestehenden Betriebsvorrichtungen— der Verwendbarkeit der Hallen für die geänderten betrieblichen Zwecke der Klägerin als Unternehmen für die Entsorgung von Abfällen, für Umweltschutz und die Durchführung von Transporten.

e) Die vorstehenden Feststellungen des FG werden von der Klägerin auch nicht bestritten. Allerdings macht sie geltend, dass der Abriss der Betriebsvorrichtungen lediglich diese, nicht hingegen die Bewertung der Hallen als davon getrennt zu betrachtende Wirtschaftsgüter betroffen habe.

Diesem Einwand ist nicht zu folgen. Eine wesentliche Verbesserung eines Wirtschaftsguts kann auch darin liegen, dass einzelne —einer vorgesehenen geänderten Gebrauchs- und Verwendungsmöglichkeit entgegenstehende— Betriebsvorrichtungen im räumlichen Zusammenhang mit dem betreffenden Wirtschaftsgut entfernt werden. In diesem Falle ist nicht die entfernte Betriebsvorrichtung, sondern das „übergeordnete” Wirtschaftsgut Gegenstand der geänderten steuerlichen Betrachtung und Bewertung. Dementsprechend hat auch die Klägerin selbst bereits in ihrer Bilanz zum die (noch) vorhandenen Betriebsvorrichtungen zur Energieerzeugung nicht aktiviert und ist von einer (zu passivierenden) Verpflichtung zum Abriss dieser Anlagen ausgegangen. Auf den vom FA hervorgehobenen Umstand, dass die auf den Abbruch der Energieerzeugungsanlagen entfallenden Aufwendungen die ursprünglichen Anschaffungskosten der Hallen erheblich überstiegen, kommt es daneben nicht entscheidend an.

f) Nachdem somit von den bezeichneten Voraussetzungen für die Annahme einer wesentlichen Verbesserung der Hallen i.S. des § 255 Abs. 2 Satz 1 Alternative 3 HGB auszugehen ist, sind jedenfalls die hierfür erforderlichen vorbereitenden Aufwendungen für den Abbruch der Energieerzeugungsanlagen in Höhe von 588 221 DM als Herstellungskosten der Hallen zu aktivieren. Damit war die Revision der Klägerin zurückzuweisen. Der vom FG für entscheidend gehaltenen Rechtsfrage, ob auch im Falle eines Betriebsgebäudes der Begriff der Herstellung der Betriebsbereitschaft i.S. des § 255 Abs. 1 HGB inhaltsgleich mit dem Begriff der wesentlichen Verbesserung i.S. des § 255 Abs. 2 HGB ist, braucht der Senat daneben nicht näher nachzugehen.

Fundstelle(n):
BStBl 2006 II Seite 707
BB 2006 S. 1960 Nr. 36
BB 2007 S. 35 Nr. 1
BBK-Kurznachricht Nr. 18/2006 S. 977
BFH/NV 2006 S. 1907 Nr. 10
BStBl II 2006 S. 707 Nr. 17
DB 2006 S. 1872 Nr. 35
DB 2007 S. 18 Nr. 27
DB 2007 S. 18 Nr. 27
DStR 2006 S. 1545 Nr. 35
DStRE 2007 S. 67 Nr. 1
DStZ 2006 S. 606 Nr. 18
EStB 2006 S. 318 Nr. 9
HFR 2006 S. 978 Nr. 10
INF 2006 S. 725 Nr. 19
KÖSDI 2006 S. 15224 Nr. 9
NWB-Eilnachricht Nr. 35/2006 S. 2911
NWB-Eilnachricht Nr. 43/2007 S. 3786
SJ 2006 S. 25 Nr. 20
StB 2006 S. 361 Nr. 10
StBW 2006 S. 2 Nr. 18
StBp. 2006 S. 328 Nr. 10
StuB-Bilanzreport Nr. 17/2006 S. 681
WPg 2006 S. 1223 Nr. 19
EAAAB-92656