Unzulässigkeit einer proportionalen Registersteuer in Fällen „umgekehrter„ Fusionen
Leitsatz
[1] Unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens steht die Richtlinie 69/335/EWG des Rates vom betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital in der Fassung der Richtlinien 73/80/EWG des Rates vom betreffend die Festsetzung gemeinsamer Sätze der Gesellschaftsteuer und 85/303/EWG des Rates vom einer proportionalen Registersteuer in Höhe von 1 % entgegen, die im Fall einer "umgekehrten" Fusion - d. h. einer Fusion durch Aufnahme, bei der die aufgenommene Gesellschaft sämtliche Anteile an der aufnehmenden Gesellschaft hält - auf den Wert eines solchen Vorgangs erhoben wird.
Gesetze: Richtlinie 69/335/EWG Art. 4;Richtlinie 69/335/EWG Art. 7;Richtlinie 69/335/EWG Art. 10
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft im Wesentlichen die Auslegung der Artikel 4, 7 und 10 der Richtlinie 69/335/EWG des Rates vom 17. Juli 1969 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital (ABl. L 249, S. 25) in der Fassung der Richtlinien 73/80/EWG des Rates vom 9. April 1973 betreffend die Festsetzung gemeinsamer Sätze der Gesellschaftsteuer (ABl. L 103, S. 15) und 85/303/EWG des Rates vom (ABl. L 156, S. 23) (im Folgenden: Richtlinie 69/335).
2 Dieses Ersuchen wurde im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Gesellschaft Aro Tubi Trafilerie SpA (im Folgenden: Aro Tubi, aufnehmende Gesellschaft) und dem Ministero dell'Economia e delle Finanze gestellt, der die Erhebung von Registersteuern in Zusammenhang mit einer doppelten Fusion betrifft, mit der Aro Tubi zwei Gesellschaften aufgenommen hat, und zwar zum einen ihre Tochtergesellschaft Aro Tubi Estrusi e Profilati SpA (im Folgenden: Aro Tubi Estrusi, aufgenommene Gesellschaft) und zum anderen ihre Muttergesellschaft Fratelli Gaggini SpA (im Folgenden: Fratelli Gaggini, aufgenommene Gesellschaft).
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsregelung
3 Mit der Richtlinie 69/335 soll, wie sich aus ihrer ersten und ihrer zweiten Begründungserwägung ergibt, der freie Kapitalverkehr, eine der für die Schaffung eines Binnenmarktes wesentlichen Grundfreiheiten, gefördert werden. Diese Richtlinie soll die steuerrechtlichen Hindernisse beseitigen, die auf dem Gebiet der Ansammlung von Kapital bestehen, insbesondere was Kapitalzuführungen anbelangt.
4 Zu diesem Zweck sehen die Artikel 1 bis 9 der Richtlinie 69/335 die Erhebung einer harmonisierten Abgabe auf Kapitalzuführungen (im Folgenden: Gesellschaftsteuer) vor.
5 Artikel 4 der Richtlinie 69/335 listet die Vorgänge auf, die die Mitgliedstaaten der Gesellschaftsteuer unterwerfen können oder müssen (im Folgenden: Kapitalzuführungen).
6 So bestimmt Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe c der Richtlinie, dass die Mitgliedstaaten Gesellschaftsteuer auf "die Erhöhung des Kapitals einer Kapitalgesellschaft durch Einlagen jeder Art" erheben.
7 Gemäß Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe b der Richtlinie können die Mitgliedstaaten Gesellschaftsteuer erheben auf "die Erhöhung des Gesellschaftsvermögens einer Kapitalgesellschaft durch Leistungen eines Gesellschafters, die keine Erhöhung des Kapitals mit sich bringen, sondern ihren Gegenwert in einer Änderung der Gesellschaftsrechte finden oder geeignet sind, den Wert der Gesellschaftsanteile zu erhöhen".
8 In Artikel 7 der Richtlinie 69/335 werden die Sätze der Gesellschaftsteuer festgelegt.
9 Für Fusionen war in der ursprünglichen Fassung von Artikel 7 Absatz 1 der Richtlinie 69/335 unter bestimmten Bedingungen ein ermäßigter Steuersatz vorgesehen:
"Bis zum Inkrafttreten der vom Rat gemäß Absatz 2 zu erlassenden Bestimmungen
...
b) wird [der] Satz um 50 v. H. oder mehr ermäßigt, wenn eine oder mehrere Kapitalgesellschaften ihr gesamtes Gesellschaftsvermögen oder einen oder mehrere Zweige ihrer Tätigkeit in eine oder mehrere Kapitalgesellschaften einbringen, die gegründet werden oder bereits bestehen.
Die Ermäßigung hängt davon ab,
- dass für die Einlagen ausschließlich Gesellschaftsanteile gewährt werden, ...
- dass die an dem Vorgang beteiligten Gesellschaften den Ort ihrer tatsächlichen Geschäftsleitung oder ihren satzungsmäßigen Sitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben;
..."
10 Der damit festgelegte Steuersatz wurde zweimal geändert.
11 Zunächst wurden durch Artikel 2 der Richtlinie 73/80 "[d]ie in Artikel 7 Absatz 1 Buchstaben b) ... der ... Richtlinie [69/335] genannten ermäßigten Steuersätze ... ab auf 0 bis 0,50 v. H. festgesetzt".
12 Sodann bestimmte Artikel 1 Absatz 2 der ab geltenden Richtlinie 85/303, dass Artikel 7 Absatz 1 der Richtlinie 69/335 folgende Fassung erhält:
"Mit Ausnahme der in Artikel 9 genannten Vorgänge befreien die Mitgliedstaaten von der Gesellschaftsteuer die Vorgänge, die am steuerfrei waren oder einem Gesellschaftsteuersatz von 0,50 v. H. oder weniger unterlagen.
Für die Befreiung gelten die zu diesem Zeitpunkt anwendbaren Bedingungen für die Gewährung der Befreiung oder gegebenenfalls für die Anwendung eines Steuersatzes von 0,50 v. H. oder weniger.
..."
13 Artikel 7 Absatz 1 der Richtlinie 69/335 sieht somit nunmehr nach den genannten Änderungen eine Befreiung von der Gesellschaftsteuer vor, wenn drei Bedingungen erfüllt sind, und zwar, (i) dass das gesamte Gesellschaftsvermögen einer Kapitalgesellschaft oder einer oder mehrere Zweige ihrer Tätigkeit in eine oder mehrere Kapitalgesellschaften eingebracht werden, die gegründet werden oder bereits bestehen, (ii) dass als Gegenleistung dafür ausschließlich Gesellschaftsanteile gewährt werden und (iii) dass die an dem Vorgang beteiligten Gesellschaften den Ort ihrer tatsächlichen Geschäftsleitung oder ihren satzungsmäßigen Sitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben. Bei solchen Fusionen wurde der Satz der Gesellschaftsteuer daher im Lauf der Zeit auf Null reduziert.
14 Außerdem sieht Artikel 10 der Richtlinie 69/335 im Licht ihrer letzten Begründungserwägung den Wegfall von Steuern oder Abgaben mit den gleichen Merkmalen wie die Gesellschaftsteuer (im Folgenden: "gesellschaftsteuerähnliche Abgaben") vor.
Nationale Regelung
15 Nach Artikel 1 des Dekrets Nr. 131/1986 des Präsidenten der Republik vom (Supplemento ordinario zu GURI Nr. 99 vom 30. April 1986) in seiner zur maßgebenden Zeit anwendbaren Fassung galt die Registersteuer "für eintragungspflichtige Rechtsakte sowie für Rechtsakte, die freiwillig zur Eintragung vorgelegt werden".
16 Gemäß Artikel 2 Buchstabe a des Dekrets Nr. 131/1986 sind nach Maßgabe der folgenden Artikel die im beigefügten Tarif genannten Rechtsakte eintragungspflichtig, sofern sie im Staatsgebiet schriftlich niedergelegt wurden.
17 Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe b des ersten Teils dieses Tarifs sieht vor, dass die Fusionen von Gesellschaften einer proportionalen Registersteuer von 1 % unterliegen.
Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage
18 Aro Tubi ist eine Aktiengesellschaft italienischen Rechts, deren sämtliche Anteile von einer anderen Aktiengesellschaft italienischen Rechts, Fratelli Gaggini, gehalten wurden. Aro Tubi hielt ihrerseits sämtliche Anteile an einer dritten Aktiengesellschaft italienischen Rechts, Aro Tubi Estrusi.
19 Mit Rechtsakt vom nahm Aro Tubi im Wege der Fusion ihre Tochtergesellschaft Aro Tubi Estrusi auf (so genannte "unechte Fusion").
20 Mit demselben Rechtsakt wurde zudem Fratelli Gaggini, die Muttergesellschaft von Aro Tubi, von dieser aufgenommen (so genannte "umgekehrte Fusion"). Aro Tubi erwarb dadurch das Gesellschaftsvermögen von Fratelli Gaggini, zu dem u. a. Immobilien, Patente und Marken gehörten. Im Gegenzug erhielten die Aktionäre von Fratelli Gaggini sämtliche Anteile an Aro Tubi.
21 Für diese beiden Fusionen musste Aro Tubi am Registersteuern in Höhe von 1 % des Vermögens der beiden aufgenommenen Gesellschaften Aro Tubi Estrusi und Fratelli Gaggini entrichten, insgesamt 54 761 000 LIT.
22 Am beantragte Aro Tubi beim Ufficio Atti Pubblici in Mailand die Rückerstattung der gezahlten Registersteuern. Gegen die stillschweigende Ablehnung ihres Antrags durch die Steuerbehörden erhob sie Klage, mit der sie die Rechtmäßigkeit der Besteuerung in Frage stellte. Der Klage wurde zunächst durch die Commissione Tributaria Provinciale Mailand stattgegeben, sodann wurde sie aber auf Berufung der Amministrazione Finanziaria dello Stato von der Commissione Tributaria Regionale der Lombardei abgewiesen. Gegen die Berufungsentscheidung legte Aro Tubi Kassationsbeschwerde ein.
23 Da die Corte Suprema di Cassazione Zweifel hat, ob die italienische Regelung, nach der im Fall einer "umgekehrten" Fusion - d. h. einer Fusion durch Aufnahme, bei der die aufgenommene Gesellschaft sämtliche Anteile an der aufnehmenden Gesellschaft hält - eine Registersteuer erhoben wird, mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist, hat sie beschlossen, das Verfahren in der bei ihr anhängigen Rechtssache auszusetzen und den Gerichtshof zu fragen, ob die Richtlinie 69/335 einer solchen Regelung entgegensteht.
Zur Vorlagefrage
24 Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Richtlinie 69/335 unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens einer proportionalen Registersteuer in Höhe von 1 % entgegensteht, die im Fall einer "umgekehrten" Fusion - d. h. einer Fusion durch Aufnahme, bei der die aufgenommene Gesellschaft sämtliche Anteile an der aufnehmenden Gesellschaft hält - auf den Wert eines solchen Vorgangs erhoben wird.
25 Hierbei ist zunächst zu prüfen, ob die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Registersteuer die Merkmale einer "Gesellschaftsteuer" im Sinne der Artikel 1 bis 9 der Richtlinie 69/335 aufweist oder ob sie als "gesellschaftsteuerähnliche Abgabe" im Sinne von Artikel 10 der Richtlinie anzusehen ist.
26 Wie sich insoweit aus einer ständigen Rechtsprechung ergibt, ist die gemeinschaftsrechtliche Qualifizierung einer Steuer, Abgabe oder Gebühr vom Gerichtshof anhand ihrer objektiven Merkmale unabhängig von ihrer Qualifizierung im nationalen Recht vorzunehmen (vgl. Urteil vom in den Rechtssachen C-197/94 und C-252/94, Bautiaa und Société française maritime, Slg. 1996, I-505, Randnr. 39).
27 Handelt es sich wie im vorliegenden Fall um eine proportionale Steuer in Höhe von 1 %, die auf den Wert von Kapitalzuführungen erhoben wird, so ist davon auszugehen, dass der Entstehungstatbestand einer solchen Steuer in der Kapitalzuführung selbst besteht und nicht in einem anderen, ihr vorausgehenden Vorgang oder Formerfordernis, so dass eine solche Steuer grundsätzlich als "Gesellschaftsteuer" und nicht als "gesellschaftsteuerähnliche Abgabe" im Sinne der Richtlinie 69/335 einzustufen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil Bautiaa und Société française maritime, Randnr. 40).
28 Die Zulässigkeit der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Steuer ist somit anhand der Artikel 1 bis 9 der Richtlinie 69/335 zu prüfen.
29 Zunächst ist daran zu erinnern, dass die Vorgänge, die der Gesellschaftsteuer unterliegen oder ihr von den Mitgliedstaaten unterworfen werden können, in Artikel 4 der Richtlinie 69/335 definiert sind (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteil vom in der Rechtssache C-280/91, Viessmann, Slg. 1993, I-971, Randnr. 12, Urteil Bautiaa und Société française maritime, Randnrn. 31 und 32, und Urteil vom in der Rechtssache C-152/97, Agas, Slg. 1998, I-6553, Randnrn. 19 und 20).
30 Bei dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Vorgang handelt es sich um eine Fusion durch Aufnahme. Eine solche Fusion könnte grundsätzlich im Licht von Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe c der Richtlinie 69/335 oder von Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe b der Richtlinie geprüft werden.
31 Nach Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe c der Richtlinie 69/335 wird Gesellschaftsteuer erhoben auf die Erhöhung des Kapitals einer Kapitalgesellschaft durch Einlagen jeder Art.
32 Nach Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe b der Richtlinie können die Mitgliedstaaten Gesellschaftsteuer erheben auf die Erhöhung des Gesellschaftsvermögens einer Kapitalgesellschaft durch Leistungen eines Gesellschafters, die keine Erhöhung des Kapitals mit sich bringen, sondern geeignet sind, den Wert der Gesellschaftsanteile zu erhöhen.
33 Ein Vergleich dieser beiden Bestimmungen ergibt, dass die "Erhöhung des Kapitals" im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe c der Richtlinie 69/335 eine förmliche Erhöhung des Kapitals der Gesellschaft impliziert, entweder durch Ausgabe neuer Anteile oder durch Erhöhung des Nennwerts der bestehenden Anteile (vgl. in diesem Sinne Urteile vom in der Rechtssache 270/81, Felicitas Rickmers-Linie, Slg. 1982, 2771, Randnr. 15, und vom in der Rechtssache C-494/03, Senior Engineering Investments, Slg. 2006, I-00000, Randnr. 33).
34 Da unter dem "Gesellschaftsvermögen" die Gesamtheit der Wirtschaftsgüter, die die Gesellschafter zu einem gemeinsamen Ganzen vereinigt haben, einschließlich ihres Zuwachses zu verstehen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom in der Rechtssache C-38/88, Siegen, Slg. 1990, I-1447, Randnr. 12), umfasst die "Erhöhung des Gesellschaftsvermögens" im Sinne von Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe b der Richtlinie 69/335 indessen grundsätzlich jede Form der Erhöhung des Gesellschaftsvermögens einer Kapitalgesellschaft (Urteil Senior Engineering Investments, Randnr. 34). So hat der Gerichtshof als "Erhöhung des Gesellschaftsvermögens" im Sinne dieser Vorschrift beispielsweise folgende Vorgänge angesehen: eine Gewinnabführung (vgl. Urteil vom in der Rechtssache C-49/91, Weber Haus, Slg. 1992, I-5207, Randnr. 10), die Gewährung eines zinslosen Darlehens (vgl. insbesondere Urteil vom in der Rechtssache C-392/00, Norddeutsche Gesellschaft zur Beratung und Durchführung von Entsorgungsaufgaben bei Kernkraftwerken, Slg. 2002, I-7397, Randnr. 18), eine Übernahme von Verlusten (vgl. Urteil Siegen, Randnr. 13) und den Verzicht auf eine Forderung (vgl. Urteil vom in der Rechtssache C-15/89, Deltakabel, Slg. 1991, I-241, Randnr. 12).
35 Im Ausgangsverfahren ist unstreitig, dass die in Rede stehende Fusion nicht zu einer "Erhöhung des Kapitals" der aufnehmenden Gesellschaft (Aro Tubi) geführt hat. Sie kann daher nicht unter Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe c der Richtlinie 69/335 fallen.
36 Sie fällt jedoch in den Anwendungsbereich von Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe b der Richtlinie.
37 Erstens geht nämlich aus der Fusionsurkunde hervor, dass die aufgenommene Gesellschaft (Fratelli Gaggini) nicht überschuldet war und nicht nur Aktien der aufnehmenden Gesellschaft (Aro Tubi) hielt, sondern auch über andere Aktiva wie Immobilien, Patente und Marken verfügte. Mit der Fusion gingen diese Wirtschaftsgüter auf die aufnehmende Gesellschaft (Aro Tubi) über. Die Fusion führte somit zu einer "Erhöhung des Gesellschaftsvermögens" von Aro Tubi.
38 Angesichts dieser Erhöhung des Gesellschaftsvermögens war die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Fusion zweitens dazu geeignet, "den Wert der Gesellschaftsanteile [der aufnehmenden Gesellschaft (Aro Tubi)] zu erhöhen". Nach der Fusion hatten deren Aktien de facto einen höheren Wert.
39 Drittens handelt es sich bei der fraglichen Fusion um eine "Leistung eines Gesellschafters" im Sinne von Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe b der Richtlinie 69/335.
40 Folglich stellt die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Fusion eine Kapitalzuführung im Sinne von Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe b der Richtlinie 69/335 dar, auf die grundsätzlich Gesellschaftsteuer erhoben werden kann.
41 Nach Artikel 7 Absatz 1 der Richtlinie 69/335 sind jedoch bestimmte Vorgänge, die am einem Steuersatz von 0,50 v. H. oder weniger unterlagen, von der Gesellschaftsteuer befreit.
42 Wie aus den (in den Randnrn. 9 und 11 des vorliegenden Urteils dargestellten) früheren Fassungen dieser Bestimmung hervorgeht, wurden Fusionen zum letztgenannten Zeitpunkt, dem , mit einem Satz von 0 bis 0,50 v. H. besteuert, wenn sie drei Bedingungen erfüllten, und zwar, (i) dass das gesamte Gesellschaftsvermögen einer Kapitalgesellschaft oder einer oder mehrere Zweige ihrer Tätigkeit in eine oder mehrere Kapitalgesellschaften eingebracht werden, die gegründet werden oder bereits bestehen, (ii) dass als Gegenleistung dafür ausschließlich Gesellschaftsanteile gewährt werden und (iii) dass die an dem Vorgang beteiligten Gesellschaften den Ort ihrer tatsächlichen Geschäftsleitung oder ihren satzungsmäßigen Sitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben.
43 In Bezug auf die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Fusion ist erstens festzustellen, dass eine Kapitalgesellschaft, Fratelli Gaggini, ihr gesamtes Gesellschaftsvermögen in eine andere, bereits bestehende Kapitalgesellschaft, Aro Tubi, einbrachte.
44 Als Gegenleistung dafür wurden zweitens ausschließlich Anteile an der aufnehmenden Gesellschaft (Aro Tubi) gewährt. Die eigenen Anteile, die Aro Tubi mit dem Vermögen von Fratelli Gaggini erworben hatte, wurden nämlich anschließend auf die Gesellschafter von Fratelli Gaggini (rück)übertragen.
45 Drittens haben die beiden beteiligten Gesellschaften, Aro Tubi und Fratelli Gaggini, ihren Sitz in Italien.
46 Folglich fällt die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Fusion unter Artikel 7 Absatz 1 der Richtlinie 69/335. Sie ist daher von der Gesellschaftsteuer befreit.
47 Nach alledem ist auf die vorgelegte Frage zu antworten, dass die Richtlinie 69/335 unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens einer proportionalen Registersteuer in Höhe von 1 % entgegensteht, die im Fall einer "umgekehrten" Fusion - d. h. einer Fusion durch Aufnahme, bei der die aufgenommene Gesellschaft sämtliche Anteile an der aufnehmenden Gesellschaft hält - auf den Wert eines solchen Vorgangs erhoben wird.
Kostenentscheidung:
Kosten
48 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
IAAAB-83185
1Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg