Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, ist Rechtsnachfolgerin der C-GmbH. Deren Geschäftsanteile wurden am von den bisherigen Gesellschaftern auf die Klägerin zu einem Kaufpreis von 1 DM übertragen. Anschließend wurde die C-GmbH mit Vertrag vom auf die Klägerin nach § 2 Nr. 1 des Umwandlungsgesetzes (UmwG 1995) rückwirkend zum und unter Zugrundelegung ihrer Schlussbilanz zu diesem Tag verschmolzen. Das Vermögen der C-GmbH wurde der Klägerin mit der Maßgabe übertragen, dass alle ab dem (Verschmelzungsstichtag) abgeschlossenen Geschäfte als für Rechnung der Klägerin abgeschlossen galten. Auf die Erstellung eines Verschmelzungsberichts, die Durchführung einer Verschmelzungsprüfung und die Erstellung eines Prüfungsberichts wurde verzichtet. Die Beteiligten meldeten die Verschmelzung am zur Eintragung in das Handelsregister an.
In ihrer am bei dem zuständigen Finanzamt (FA-D) eingereichten (und am erstellten) Bilanz zum setzte die C-GmbH die aus der Vorjahresbilanz fortentwickelten Buchwerte an. Die Konzessionen, gewerblichen Schutzrechte und ähnlichen Rechte und Werte sowie Lizenzen an solchen Rechten und Werten wurden in Höhe von 2 502 DM aktiviert. Der Bilanzverlust wurde mit 17 907 DM ausgewiesen. Die nichtabziehbaren Aufwendungen wurden mit 2 369 DM angegeben, der Verlustvortrag zum in Höhe von 4 503 906 DM. Das FA-D erließ für das Streitjahr 1996 einen entsprechenden unter Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Körperschaftsteuerbescheid.
Am reichte die Klägerin beim FA-D eine geänderte Steuererklärung sowie eine geänderte „Übertragungsbilanz” zum ein, in denen sie von einem Steuerbilanzgewinn von 1 001 555 DM und einem Gesamtbetrag der Einkünfte von 1 003 924 DM ausging. Grund hierfür war eine Wertaufstockung bei der C-GmbH. Auf dieser Basis begehrte sie die Änderung des ergangenen Steuerbescheides gemäß § 164 Abs. 2 Satz 2 der Abgabenordnung (AO 1977).
Das FA-D leitete die Erklärungen an den für die Besteuerung der Klägerin zuständigen Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt —FA—) weiter, der die beantragte Änderung der Steuerfestsetzung unter Hinweis auf das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom (BStBl I 1998, 267 Tz. 11.01) ablehnte: Aufgrund des handelsrechtlichen Maßgeblichkeitsprinzips komme der Ansatz von den Buchwerten abweichender Werte nicht in Betracht; der Klägerin als Rechtsnachfolgerin der C-GmbH stehe deswegen trotz § 3 Satz 1 i.V.m. § 11 Abs. 1 Satz 2 des Umwandlungssteuergesetz (UmwStG 1995) kein Bewertungswahlrecht zu.
Die Klägerin stellte ihre zunächst dagegen gerichtete Verpflichtungsklage auf Bescheidsänderung während des Klageverfahrens um und beantragte, das FA zu verpflichten, der Änderung der Bilanz zum gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG 1990) i.V.m. § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) zuzustimmen. Die Klage hatte mit diesem Begehren Erfolg. Das Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg, Außensenate Stuttgart, gab ihr durch Urteil vom 6 K 103/99 statt. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2004, 858 abgedruckt.
Seine dagegen gerichtete Revision stützt das FA auf Verletzung materiellen Rechts.
Es beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Klageabweisung. Dabei kann im Ergebnis dahinstehen, ob es der Klägerin möglich war, die im Rahmen der verschmelzenden Umwandlung (vgl. § 24 i.V.m. § 1 Abs. 1 und § 5 UmwG 1995) übergegangenen Wirtschaftsgüter steuerlich abweichend von den handelsrechtlichen Ansätzen mit höheren Werten als den Buchwerten auszuweisen. Denn nachdem die C-GmbH in ihrer beim FA eingereichten Schlussbilanz zum die Buchwerte ausgewiesen hat, war die Klägerin als Rechtsnachfolgerin hieran jedenfalls gebunden. Das FG hat zu Unrecht die Möglichkeit einer Änderung der Bilanz gemäß § 4 Abs. 2 EStG 1990 bejaht.
1. Nach § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG 1997 (i.d.F. des Gesetzes zur Bereinigung von steuerlichen Vorschriften —StBereinG 1999— vom , BGBl I 1999, 2601, BStBl I 2000, 13) ist eine Änderung der Bilanz nur zulässig, wenn sie in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit einer Bilanzberichtigung nach § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG 1997 steht und soweit die Auswirkung der Änderung durch die Bilanzberichtigung auf den Gewinn reicht. Diese die zustimmungsbedürftige Bilanzänderung nach § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG 1990/1997 a.F. einerseits und das durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom (BGBl I 1999, 402, BStBl I 1999, 304) eingeführte totale Bilanzänderungsverbot andererseits ablösende Regelung ist auch für Veranlagungszeiträume vor 1999 anzuwenden (§ 52 Abs. 9 EStG 1997 i.d.F. des StBereinG 1999). Die im Wortlaut unklare Übergangsregelung erfasst ihrem Sinn entsprechend alle nach dem gestellten Anträge auf Bilanzänderung (, BFHE 194, 135, BStBl II 2001, 282, m.w.N.). Allerdings hat der BFH in jenem Urteil in BFHE 194, 135, BStBl II 2001, 282 auf der Basis einer verfassungskonformen Auslegung der als solcher unmissverständlichen Übergangsvorschrift entschieden, dass § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG 1990/1997 a.F. jedenfalls dann bis einschließlich des Veranlagungszeitraums 1998 anzuwenden ist, wenn der Antrag auf Zustimmung zur Bilanzänderung vor dem gestellt wurde und ein Rechtsanspruch des Steuerpflichtigen auf Erteilung der Zustimmung bestand. Der Senat schließt sich dem unter den gegebenen zeitlichen Vorgaben auch für den Fall an, dass dem Steuerpflichtigen lediglich ein Rechtsanspruch auf eine Verbescheidung durch das FA im Rahmen des diesem gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG 1990/1997 a.F. eingeräumten Zustimmungsermessens zusteht.
2. Ist ein Bilanzansatz nicht fehlerhaft i.S. des hiernach anzuwendenden § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG 1990 (i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG), so kann er durch einen anderen, gesetzlich wahlweise zulässigen Ansatz ersetzt werden (vgl. , BFHE 133, 278, BStBl II 1981, 620; vom VIII R 72/87, BFHE 169, 219, BStBl II 1992, 958). Nach Einreichen der Bilanz beim FA kann der Steuerpflichtige die Bilanz, sofern sich ihre Änderung auf das steuerliche Ergebnis auswirkt, nur noch mit Zustimmung des FA (vgl. , BFHE 144, 353, BStBl II 1986, 84) und nach Eintritt der Bestandskraft der auf der Bilanz beruhenden Steuerveranlagung nur bei Bestehen einer „Möglichkeit der Berichtigung” der Steuerfestsetzung ändern. Letzteres gilt auch für die im Streitfall gegebene Änderungsmöglichkeit gemäß § 164 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 (vgl. BFH-Urteil in BFHE 169, 219, BStBl II 1992, 958, 959; anders Kanzler, Finanz-Rundschau —FR— 1999, 833, 836; Strahl in Korn, Einkommensteuergesetz, § 4 Rz. 441).
3. Die Ermessensentscheidung des FA darüber, ob es einer Bilanzänderung zustimmt, ist nur dann rechtswidrig, wenn die Behörde die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (§ 102 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Im Streitfall hat das FA die beantragte Zustimmung zur Änderung der Steuerbilanz ermessensfehlerfrei versagt.
a) Bilanzänderung i.S. des § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG 1990 ist der Ersatz eines handels- und steuerrechtlich zulässigen Bilanzansatzes durch einen anderen ebenfalls zulässigen Bilanzansatz. Die Bilanzänderung darf sich nur auf die Bewertung von Betriebsvermögensgegenständen beziehen. Es handelt sich vor allem um Fälle, in denen der Steuerpflichtige einen Bilanzansatz im Rahmen eines Bewertungswahlrechts ändert, er nachträglich eine Bewertungsfreiheit ausübt oder auf deren Ausübung verzichtet. Von der Bilanzänderung sind solche Maßnahmen zu unterscheiden, die dazu dienen sollen, nach Ablauf des Geschäftsjahres Betriebsvorgänge wieder rückgängig zu machen. Sie enthalten rückwirkende Sachverhaltsgestaltungen und sind steuerrechtlich grundsätzlich nicht anzuerkennen.
b) In diesem Sinne hat der Senat in seinem Urteil in BFHE 133, 278, BStBl II 1981, 620 (dem folgend , BFHE 173, 338, BStBl II 1994, 458, m.w.N.) eine rückwirkende Sachverhaltsgestaltung und nicht eine Bilanzänderung für den Fall angenommen, dass die übernehmende Kapitalgesellschaft begehrt, die Einbringung des Betriebsvermögens einer Personengesellschaft zu Buchwerten in eine Einbringung zu höheren Werten und damit in eine gewinnrealisierende Betriebsveräußerung umzuändern. Die Verknüpfung des Wertansatzes bei der Kapitalgesellschaft mit dem dafür anzusetzenden Veräußerungspreis bei dem Einbringenden führt danach dazu, dass eine nachträgliche Änderung der einmal getroffenen Wahl für den Wertansatz des eingebrachten Betriebsvermögens einer Bilanzänderung i.S. des § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG 1990 prinzipiell nicht zugänglich ist.
Der Senat hält an dieser Rechtsprechung fest. Sie ist auf die hier zu beurteilende verschmelzende Umwandlung einer Kapitalgesellschaft auf eine andere Kapitalgesellschaft uneingeschränkt zu übertragen (Patt in Dötsch/Eversberg/Jost/Pung/Witt, Die Körperschaftsteuer, § 20 UmwStG n.F. Rz. 170; anders Widmann in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 11 UmwStG Rz. 24 i.V.m. § 3 UmwStG Rz. 55 ff., sowie § 20 UmwStG Rz. 689 ff.; Weber-Grellet in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 4 Rdnr. C 185; Meurer in Lademann, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 4 EStG Anm. 857 a.E.). Auch hier beschränkt sich die Änderung des ausgeübten Wahlrechts —mit der Klägerin unterstellt, dass ein solches besteht— nicht auf die Bewertung des eingebrachten Betriebsvermögens und deren Ausübung. Vielmehr bestimmt der gewählte Ansatz über das Entstehen eines Verschmelzungsgewinns, der sich einerseits in der steuerlichen Übertragungsbilanz und in der Schlussgliederung des verwendbaren Eigenkapitals (vEK) bei der übertragenden Kapitalgesellschaft (vgl. § 11 UmwStG 1995) und andererseits in der Übernahmebilanz sowie der Gliederung des vEK bei der übernehmenden Kapitalgesellschaft (vgl. § 12 UmwStG 1995) niederschlägt. Zwar wirkt sich die Bewertungsänderung für die Verschmelzung abweichend von der Einbringung nicht auf die Besteuerung der Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft aus; die Steuerneutralität des Anteilstauschs wird dadurch erreicht, dass § 13 Abs. 1 UmwStG 1995 eine Verknüpfung des Buchwerts der Anteile am übertragenden Rechtsträger mit den als Gegenleistung erhaltenen Anteilen am übernehmenden Rechtsträger fingiert. Auch können die in der Schlussbilanz des übertragenden Rechtsträgers angesetzten Werte in der Jahresbilanz des übernehmenden Rechtsträgers als Anschaffungskosten i.S. des § 253 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs angesetzt werden (§ 24 UmwG 1995). Ebenso tritt die Übernehmerin in die steuerliche Rechtsstellung der übertragenen Körperschaft hinsichtlich der in § 12 Abs. 3 Satz 1 UmwStG 1995 genannten Merkmale ein. Dennoch bleibt es dabei, dass sich der Bewertungsansatz auf die Besteuerung unterschiedlicher Rechtssubjekte auswirkt. Änderungen des Bewertungsansatzes bei der übertragenden Gesellschaft bedingen deswegen, worauf auch das FG hinweist, Änderungen der Einbringungswerte bei der übernehmenden Gesellschaft und der in diesem Zusammenhang ergangenen Steuerbescheide.
Deutlich werden die personenübergreifenden Auswirkungen namentlich bei dem Hinzurechnungsbetrag gemäß § 12 Abs. 2 UmwStG 1995 und nicht zuletzt bei der vorrangigen Verrechnung eines Übertragungsgewinns mit Verlusten der übertragenden Gesellschaft, wodurch sich der Umfang des gemäß § 12 Abs. 3 Satz 2 UmwStG 1995 auf den Rechtsnachfolger übergehenden verbleibenden Verlustvortrags reduziert. Das wiederum hat im Rahmen der laufenden Verlustverrechnung und des vortragsfähigen Verlusts Auswirkungen auf die Besteuerung der übernehmenden Gesellschaft (vgl. Senatsurteil vom I R 68/03, BFHE 209, 535) und ihrer Gesellschafter. Schließlich wird die Verschmelzung aufgrund eines Verschmelzungsbeschlusses und einer Verschmelzungsbilanz in das Handelsregister eingetragen und mit diesem Inhalt und Rechtsfolgen auch für Dritte wirksam (vgl. §§ 16 ff., §§ 20 ff. UmwG 1995). Auch dadurch wird ein tatsächlicher Zustand geschaffen, der einer Neuausübung des Bewertungswahlrechts entgegensteht (vgl. Mathiak, Lexikon des Steuer- und Wirtschaftsrechts Gruppe 3, 1602).
c) Wird die Verschmelzung zu Buchwerten in die zu übernehmende Kapitalgesellschaft vorgenommen, haben sich die bisherigen Gesellschafter der einbringenden Gesellschaft entsprechend festgelegt; sie haben von ihrem —hier unterstellten— Wahlrecht Gebrauch gemacht. So verhält es sich auch im Streitfall, obwohl sich die Wertfestlegung aus der Jahresabschlussbilanz der C-GmbH zum ergibt, die zwar erst nach Abschluss des Verschmelzungsvertrags beim FA eingereicht wurde, nach Darlegung der Klägerin aber bereits am —also vor der vertraglichen Verschmelzung am — aufgestellt worden ist. Indem die Vertragsbeteiligten diese Bilanz im Verschmelzungsvertrag jedoch als Schlussbilanz bestimmt haben, wurde damit auch das Wahlrecht verbindlich ausgeübt. Die Klägerin will nach Ablauf des maßgeblichen Veranlagungszeitraums die hiernach festgelegten Werte und zugleich den im Zeitpunkt der Einbringung für die Bilanzierung maßgeblichen Sachverhalt rückwirkend verändern. Eine derartige rückwirkende Sachverhaltsgestaltung kann nicht als Bilanzänderung i.S. des § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG 1990 anerkannt und dementsprechend steuerrechtlich nicht zugelassen werden.
Das FA durfte daher schon aus Rechtsgründen der begehrten Bilanzänderung der Klägerin nicht zustimmen.
4. Das FG hat eine abweichende Rechtsauffassung vertreten. Sein Urteil war deswegen aufzuheben. Da die Sache spruchreif ist, war die Klage als unbegründet abzuweisen.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 1099 Nr. 6
DB 2007 S. 31 Nr. 27
GmbHR 2006 S. 613 Nr. 11
HFR 2006 S. 586 Nr. 6
FAAAB-81715