Verstoß gegen den klaren Akteninhalt durch eine vom Protokoll abweichende Wiedergabe des Inhalts einer Zeugenaussage
FGO § 96 Abs. 1 Satz 1
Instanzenzug:
Gründe
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist Eigentümerin eines mit einem Mehrfamilienhaus bebauten Grundstücks. Mit schriftlichem Mietvertrag vom mietete der Ehemann der Klägerin (E) eine der in diesem Gebäude gelegenen Wohnungen für 1 000 DM monatlich auf 10 Jahre für seine betrieblichen Zwecke an. In dem Mietvertrag war dem E die Durchführung von Umbaumaßnahmen gestattet worden. Hierfür wandte dieser 409 280 DM auf und aktivierte den Nettobetrag (366 094 DM) in seiner Bilanz. Im Rahmen einer bei E durchgeführten Betriebsprüfung wurde dieser Ansatz auf 206 094 DM gekürzt, weil auch die Klägerin einen großen Teil der Aufwendungen als Werbungskosten bei ihren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abgezogen hatte. In diesem Zusammenhang behauptete E, er habe der Klägerin einen Teilbetrag der Aufwendungen (182 400 DM) als zinsloses Darlehen gewährt; ein schriftlicher Darlehensvertrag sei nicht abgeschlossen worden.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) sah in dem Kapitalwert der ersparten Zinsen eine freigebige Zuwendung des E an die Klägerin und setzte mit Bescheid vom —unter Einbeziehung von Vorerwerben und weiterer Zuwendungen— Schenkungsteuer unter dem Vorbehalt der Nachprüfung fest. Nach Ablauf der Einspruchsfrist beantragte die Klägerin die Aufhebung dieses Bescheids, was das FA zunächst ablehnte. Während des anschließenden Einspruchsverfahrens setzte das FA die Schenkungsteuer mit Bescheid vom auf 6 814 DM herab; im Übrigen wies es den Einspruch zurück.
Im Klageverfahren vertrat die Klägerin die Auffassung, ihrem Vorteil aus dem zinslosen Darlehen stehe ein wertgleicher Vorteil des E aus der Nutzungsüberlassung der Wohnung gegenüber. Dazu behauptete sie, im Hinblick auf die Investitionen des E sei mündlich vereinbart worden, die Miete auf 0 DM herabzusetzen.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab und führte zur Begründung aus, die Klägerin habe den ihr obliegenden Nachweis einer synallagmatischen Verknüpfung der Hingabe des zinslosen Darlehens mit der möglicherweise unentgeltlichen Überlassung der Wohnung an E nicht geführt.
Mit ihrer Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensmangels und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.
Das FA tritt der Beschwerde entgegen.
II. Die Beschwerde ist begründet.
Es liegt ein von der Klägerin geltend gemachter Verfahrensmangel vor, auf dem die angefochtene Entscheidung des FG beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Die Klägerin rügt zu Recht, dass das FG seine Überzeugung nicht aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) gewonnen hat.
1. Zum Gesamtergebnis des Verfahrens gehört auch die Auswertung des Inhalts der dem Gericht vorliegenden Akten (, BFH/NV 1986, 288). Ein Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten und damit eine Verletzung des § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO ist gegeben, wenn das FG seiner Entscheidung einen Sachverhalt zugrunde gelegt hat, der dem schriftlichen oder protokollierten Vorbringen der Beteiligten nicht entspricht, oder wenn es eine nach den Akten klar feststehende Tatsache unberücksichtigt gelassen hat und die angefochtene Entscheidung darauf beruht (zusammenfassend , BFH/NV 2003, 337, m.w.N.).
2. Im Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem FG heißt es, der —als Zeuge benannte— Prozessbevollmächtigte der Klägerin habe erklärt, er habe im März 1983 an einer Besprechung mit E und der Klägerin teilgenommen, in der mündlich vereinbart worden sei, dass „der Mietvertrag” in Anbetracht der Investitionen des E nunmehr unentgeltlich sein solle. Damit sei gemeint gewesen, dass keine Mietzahlungen mehr erfolgen sollten.
Demgegenüber hat das FG im Rahmen seiner Beweiswürdigung ausgeführt, der Prozessbevollmächtigte der Klägerin sei bei einer möglichen mündlichen Änderung des Mietvertrags nicht zugegen gewesen, sondern habe sich nur noch an eine Vorbesprechung erinnern können. Von einer tatsächlich vereinbarten Änderung des Mietvertrags habe er keine Kenntnis gehabt. Dieser vom FG seinem Urteil zugrunde gelegte Inhalt der Aussage des Prozessbevollmächtigten der Klägerin steht mit dem protokollierten Inhalt dieser Aussage in Widerspruch.
Das angefochtene Urteil kann auch auf dem gerügten Verfahrensmangel beruhen, da das FG seine Entscheidung allein darauf gestützt hat, dass die Aussagen des Prozessbevollmächtigten der Klägerin und des E unergiebig gewesen seien.
3. Der Senat hält es für angezeigt, nach § 116 Abs. 6 FGO zu verfahren, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 975 Nr. 5
NAAAB-80843