Sonderausgabenabzug für ab geleistete Beiträge zu den gesetzlichen Rentenversicherungen verfassungsgemäß
Leitsatz
Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass im zeitlichen Anwendungsbereich des AltEinkG (ab dem ) geleistete Beiträge zu den gesetzlichen Rentenversicherungen (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG) als Sonderausgaben nach näherer Maßgabe der Überleitung in die sog. nachgelagerte Besteuerung (§ 10 Abs. 3 EStG) nur beschränkt abziehbar sind. Gegen diese gesetzliche Regelung bestehen bei summarischer Beurteilung keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken.
Gesetze: EStG § 9 Abs. 1 Satz 1 i.d.F. des AltEinkG,EStG § 10 i.d.F. des AltEinkG ,EStG § 22 Nr. 1 Satz 3 i.d.F. des AltEinkG ,GG Art. 3 Abs. 1,GG Art. 20 Abs. 1,FGO § 69
Instanzenzug:
Gründe
I.
Der im Jahre 1973 geborene Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) ist Angestellter. In seinem das Streitjahr 2005 betreffenden Antrag auf Lohnsteuerermäßigung machte er geltend, die von ihm in diesem Jahr zu leistenden Arbeitnehmeranteile zur gesetzlichen Rentenversicherung von 3 510 € seien als vorweggenommene Werbungskosten zu berücksichtigen. Auf der Lohnsteuerkarte sei ein Freibetrag von 1 888 € einzutragen. Diesen Betrag ermittelte der Antragsteller in der Weise, dass er den gesetzlichen Arbeitnehmeranteil zur Rentenversicherung um einen nach seiner Darstellung als Altersvorsorgeaufwand bei den Sonderausgaben abziehbaren Betrag von 702 € und um den Arbeitnehmer-Pauschbetrag nach § 9a des Einkommensteuergesetzes (EStG) kürzte. Zur Begründung trug er vor, auf Grund der im Rahmen des Alterseinkünftegesetzes (AltEinkG) vom (BGBl I 2004, 1427) getroffenen Regelung sei davon auszugehen, dass er bei einem unterstellten Renteneintritt im Jahre 2038 seine zukünftigen Renteneinnahmen zu 98 v.H. werde versteuern müssen.
Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) lehnte den Antrag ab. Über die hiergegen beim Niedersächsischen Finanzgericht (FG) erhobene Sprungklage hat das FG nach Lage der Akten noch nicht entschieden. Den vom Antragsteller beim FA gestellten Antrag, den Freibetrag im Wege der Aussetzung der Vollziehung (AdV) vorweg auf der Lohnsteuerkarte einzutragen, lehnte das FA ebenfalls ab. Hierauf stellte der Antragsteller beim FG den Antrag, den Betrag von 2 808 € (3 510 € Arbeitnehmeranteil zur gesetzlichen Rentenversicherung als vorweggenommene Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften gemäß § 22 Nr. 1 EStG abzüglich 702 € als Sonderausgaben gemäß § 10c EStG berücksichtigte Aufwendungen) im Wege der AdV auf der Lohnsteuerkarte einzutragen.
Das FG hat den AdV-Antrag abgewiesen. Der Gesetzgeber habe im AltEinkG Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG dem Sonderausgabenabzug zugewiesen. Dass solche Aufwendungen im Streitjahr lediglich mit 60 v.H. berücksichtigungsfähig seien, sei nicht zu beanstanden. Der abziehbare Teil solcher Vorsorgeaufwendungen steige in der Folgezeit jährlich an und erreiche im Jahr 2025 100 v.H. Umgekehrt werde auch die nachgelagerte Rentenbesteuerung stufenweise umgesetzt. Im Jahr 2005 gelte ein Besteuerungsanteil von 50 v.H. Dieser erhöhe sich für Rentner, deren Rente zu einem späteren Zeitpunkt beginne. Erst bei Rentenbeginn im Jahr 2040 betrage der Besteuerungsanteil 100 v.H. Dieses System setze die Vorgaben im (BVerfGE 105, 73, BStBl II 2002, 618) verfassungskonform um. Insbesondere werde bei typisierender Betrachtung eine Doppelbesteuerung vermieden.
Mit seiner Beschwerde macht der Antragsteller weiterhin geltend, die von ihm geleisteten Rentenversicherungsbeiträge seien Werbungskosten i.S. von § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG. Die Aufwendungen dienten objektiv und subjektiv der Erzielung künftiger steuerpflichtiger Renteneinnahmen. Denn auf Grund der durch das AltEinkG geschaffenen Neuregelung seien nicht nur die Erträge des Rentenrechts, sondern grundsätzlich die gesamten Renteneinnahmen der Besteuerung unterworfen. Eine bloße Berücksichtigung als Sonderausgaben scheide aber gemäß dem ausdrücklichen Wortlaut des Einleitungssatzes des § 10 Abs. 1 EStG dann aus, wenn die Aufwendungen materiell-rechtlich Werbungskosten oder Betriebsausgaben seien. Ein unbeschränkter Werbungskostenabzug folge auch aus dem objektiven Nettoprinzip. Durch die Zuordnung zu den —beschränkt abziehbaren— Sonderausgaben verstoße der Gesetzgeber gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG), weil er den Grundsatz der Folgerichtigkeit nicht beachte. Selbst wenn eine Zuordnung zu den Sonderausgaben verfassungsrechtlich zulässig sein sollte, wäre es für den Antragsteller jedenfalls nicht zumutbar, die Abziehbarkeit seiner Rentenversicherungsbeiträge im Jahr 2005 auf 60 v.H. der Aufwendungen zu beschränken. Denn voraussichtlich müsse er nach der auf Grund des AltEinkG gegebenen Rechtslage seine Renteneinnahmen mit 98 v.H. versteuern. Zumindest zu diesem Prozentsatz sei ein steuermindernder Abzug geboten. Erst recht sei es verfassungsrechtlich bedenklich, im Ergebnis lediglich 20 v.H. der von ihm im Jahr 2005 zu leistenden Rentenversicherungsbeiträge zum (Sonderausgaben-)Abzug zuzulassen: Dieser Prozentsatz ergebe sich daraus, dass 60 v.H. des Arbeitgeberanteils zur Rentenversicherung als Altersvorsorgeaufwand behandelt würden, der Gesamtaufwand aber um 100 v.H. dieses Arbeitgeberanteils gekürzt werde. Die volle Abziehbarkeit der Rentenversicherungsbeiträge folge auch aus dem subjektiven Nettoprinzip. Danach seien diejenigen notwendigen Privatausgaben zum Abzug zuzulassen, denen sich der Steuerpflichtige aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen nicht entziehen könne. Eine lediglich beschränkte Abziehbarkeit der Rentenversicherungsbeiträge lasse sich nicht mit der Haushaltslage der öffentlichen Hand rechtfertigen. Diese habe verfassungsrechtlich keinen Vorrang vor den Interessen des Bürgers auf eine sachgerechte Besteuerung.
Der Antragsteller beantragt, den Beschluss der Vorinstanz vom aufzuheben und im Wege der AdV auf seiner Lohnsteuerkarte für 2005 einen Freibetrag von 2 808 € einzutragen.
Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet und daher zurückzuweisen. Das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids über die Ablehnung des Antrags auf Eintragung eines Freibetrags auf der Lohnsteuerkarte 2005 keine ernsthaften Zweifel bestehen. Die vom Antragsteller im Jahr 2005 voraussichtlich zu leistenden Arbeitnehmeranteile zur gesetzlichen Rentenversicherung sind nicht eintragungsfähige Altersvorsorgeaufwendungen i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG. Hiergegen bestehen auch keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken.
1. Der AdV-Antrag ist zulässig.
a) Ein Antrag auf vorläufige Eintragung eines Freibetrags auf der Lohnsteuerkarte ist im AdV-Verfahren statthaft, wenn das FA die Eintragung eines solchen Freibetrags ablehnt (Senatsbeschluss vom X S 20/93, BFH/NV 1994, 783).
b) Auch sind die Zugangsvoraussetzungen des § 69 Abs. 4 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) erfüllt. Nach dieser Vorschrift ist ein beim FG zu stellender AdV-Antrag grundsätzlich nur zulässig, wenn die Behörde einen dort gestellten Antrag auf AdV ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Aus dem Normzweck dieser Vorschrift hat die Rechtsprechung abgeleitet, dass die Voraussetzungen dann nicht erfüllt sind, wenn dem Gericht ein völlig neuer Problembereich unterbreitet wird, der zuvor noch nicht Gegenstand der Prüfung durch die Finanzbehörde gewesen ist (, BFH/NV 2000, 827). Diese Grundsätze lassen sich aber nicht auf den Fall übertragen, dass ein Antragsteller die vorläufige Eintragung eines Freibetrags auf der Lohnsteuerkarte begehrt, diesen Antrag aber betragsmäßig auf den ursprünglichen Antrag begrenzt hat und er ihn nunmehr im Hinblick auf einen anderen rechtlichen Gesichtspunkt betragsmäßig erweitert. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der ursprüngliche Antrag der Finanzbehörde Anlass zu der Überlegung geboten hat, den Antrag auch unter diesem Gesichtspunkt zu überdenken. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall gegeben. Denn der ursprüngliche Antrag ging dahin, die Rentenversicherungsbeiträge als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit einzutragen. Demgegenüber begehrt der Antragsteller nunmehr die Eintragung dieser Beiträge unter dem Gesichtspunkt, sie seien vorweggenommene Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften gemäß § 22 Nr. 1 EStG.
2. Gemäß § 69 Abs. 3 FGO kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines Verwaltungsakts aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit bestehen. Ernstliche Zweifel liegen vor, wenn neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken (ständige Rechtsprechung, z.B. , BFHE 202, 53, BStBl II 2003, 663, m.w.N.).
Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor. Bei der gebotenen summarischen Prüfung hat der Senat keine ernstlichen Zweifel daran, dass die vom Antragsteller im Streitjahr 2005 zu leistenden Arbeitnehmeranteile zur gesetzlichen Rentenversicherung auch im Geltungsbereich des AltEinkG —nichteintragungsfähige— Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG sind.
3. Die hier fraglichen Aufwendungen sind nicht eintragungsfähig.
a) Gemäß § 39a Abs. 1 Nr. 1 EStG können auf der Lohnsteuerkarte u.a. bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit anfallende Werbungskosten eingetragen werden, soweit sie den Arbeitnehmer-Pauschbetrag (§ 9a Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG) übersteigen. Zudem kann als Freibetrag gemäß § 39a Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b EStG die negative Summe der Einkünfte i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3, 6 und 7 EStG und der negativen Einkünfte i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 EStG eingetragen werden. Dagegen sind Sonderausgaben i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG nicht eintragungsfähig, weil § 39 Abs. 1 Nr. 2 EStG nur andere Sonderausgaben anspricht und Sonderausgaben i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG im Wege der Vorsorgepauschale gemäß § 10c Abs. 2 und 3 EStG berücksichtigt werden (Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 24. Aufl., § 39a Rz. 3).
b) Ob Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG i.d.F. des AltEinkG) unbeschränkt abziehbare vorweggenommene Werbungskosten i.S. von § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG bei den sonstigen Einkünften gemäß § 22 Nr. 1 EStG oder lediglich beschränkt abziehbare Sonderausgaben i.S. von § 10 Abs. 3, Abs. 4a EStG darstellen, wird unterschiedlich beurteilt. Die Finanzverwaltung (, BStBl I 2005, 429 Tz. 1 f.; Der Betrieb —DB— 2005, 1250) und ein Teil der Literatur (Jachmann, Deutsche Rentenversicherung-Schriften —DRV-Schriften— Band 51, 125; Myßen, Neue Wirtschafts-Briefe —NWB—, Fach 3, 13095; Musil, Steuer und Wirtschaft —StuW— 2005, 278; Risthaus, DB 2004, 1329; Schmidt/Heinicke, a.a.O., § 10 Rz. 80; Weber-Grellet, Deutsches Steuerrecht —DStR— 2004, 1721) behandeln solche Aufwendungen als lediglich beschränkt abziehbare Sonderausgaben. Von in vollem Umfang berücksichtigungsfähigen Werbungskosten gehen hingegen das , Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 2005, 1184) und ein anderer Teil der Literatur aus (Balke, Finanz-Rundschau —FR— 2005, 1143; Hahn, juris PraxisReport Steuerrecht 35/2005 Anm. 4; Hegemann/Querbach, Die Steuerberatung —Stbg— 2005, 245; Hey, DRV 2004, 1; Intemann/ Cöster, DStR 2005, 1921; Heidrich, FR 2004, 1321; ders. in DStR 2005, 861; Heine, Zeitschrift für Rechtspolitik —ZRP— 2002, 479; Kulosa in Herrmann/Heuer/ Raupach —HHR—, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, Jahresband 2003-2005, § 10 EStG Anm. J 04-8; Kreft, Gestaltende Steuerberatung —GStB— 2005, 279: „grober handwerklicher Fehler des Gesetzgebers; Neufang, Stbg 2004, 551; Ruland, Festschrift für Peter Selmer 2005, 889; H.P. Schneider, Die Information über Steuer und Wirtschaft —Inf— 2002, 289; Seifert, GStB 2005, 240; Söhn, StuW 2003, 332).
c) Der erkennende Senat schließt sich der ersteren Meinung an. Dass die hier fraglichen Vorsorgeaufwendungen im zeitlichen Anwendungsbereich des AltEinkG keine —unbeschränkt abziehbaren— vorweggenommenen Werbungskosten, sondern nach Maßgabe des § 10 Abs. 3 EStG nur beschränkt abziehbare Sonderausgaben sind, folgt aus dem Wortlaut des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, Abs. 3 und Abs. 4a EStG, dem systematischen Zusammenhang dieser Vorschriften mit § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a, aa, Satz 3 EStG sowie dem hinreichend erkennbar gewordenen Willen des Gesetzgebers, der seinen Niederschlag im Gesetz gefunden hat.
4. Einschlägig für die Lösung des hier zur Entscheidung gestellten Rechtsproblems sind die folgenden gesetzlichen Bestimmungen.
a) Die Weichenstellung zwischen den Aufwendungen für die Erwerbssphäre und den der Privatsphäre zuzuordnenden Sonderausgaben wird —zunächst generalisierend (lex generalis)— durch den Einleitungssatz des § 10 Abs. 1 EStG in der Weise gezogen, dass der gesamte Katalog der Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 ff. EStG von vornherein nicht anwendbar ist, wenn die fraglichen Aufwendungen nach ihrer materiellen Rechtsnatur Betriebsausgaben oder Werbungskosten sind. Mit dieser normativen Verzweigung bringt § 10 Abs. 1 Satz 1 EStG zum Ausdruck, dass der Betriebsausgaben- und Werbungskostenabzug gegenüber dem Sonderausgabenabzug vorrangig ist. Die Norm knüpft an § 2 EStG an, wonach im Rahmen der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens zunächst die Einkünfte (§ 2 Abs. 2 EStG) zu ermitteln sind und der Gesamtbetrag der Einkünfte (§ 2 Abs. 3 EStG) u.a. um die Sonderausgaben zu kürzen ist (§ 2 Abs. 4 EStG). Die Zuweisung zur Sphäre der Einkünfteermittlung ist endgültig, wenn und soweit nicht für eine Katalogposition des § 10 Abs. 1 EStG spezialgesetzlich eine Ausnahme normiert wird. Dies ist hier —wie darzulegen sein wird (s. unten 5.)— der Fall.
b) Werbungskosten sind gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Nach Satz 2 dieser Vorschrift sind sie bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind. Bezogen auf den hier zu beurteilenden Streitpunkt wird geltend gemacht, die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung seien ihrer Rechtsnatur nach vorweggenommene Werbungskosten bei den Alterseinkünften.
aa) Ausgehend von der durch das AltEinkG vollzogenen Änderung der Besteuerung von Zuflüssen aus der gesetzlichen Rentenversicherung könnte die Annahme nahe liegen, dass die Arbeitnehmeranteile zur gesetzlichen Rentenversicherung, jedenfalls soweit sie in wirtschaftlichem Zusammenhang mit (voraussichtlich) ab dem Jahr 2040 beginnenden und sodann in vollem Umfang steuerbaren Renten stehen, ihrer Rechtsnatur nach vorab entstandene Werbungskosten i.S. von § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG bei den sonstigen Einkünften gemäß § 22 Nr. 1 EStG sind (z.B. Musil, StuW 2005, 278; Söhn, StuW 2003, 332; Ruland, a.a.O., 2005, 889). Denn die Aufwendungen dienen der Erlangung steuerpflichtiger Einnahmen. Insoweit könnte die Rechtslage vergleichbar sein mit derjenigen bei Zahlungen zur Abwendung von Pensionskürzungen nach bzw. zum Zweck der Durchführung eines Versorgungsausgleichs, weil jene „den ungeschmälerten Zufluss der nachträglichen Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit sicherstellen sollen” (, BStBl I 1981, 567, dort Tz. 2).
bb) Dem könnte auch nicht entgegengehalten werden, dass die Rechtsprechung es nach der bis zum gegebenen Rechtslage abgelehnt hat, Arbeitnehmeranteile zur gesetzlichen Rentenversicherung im Hinblick darauf als vorweggenommene Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften i.S. von § 22 Nr. 1 EStG zu berücksichtigen, dass dem Steuerpflichtigen ab dem Zeitpunkt des Rentenbeginns steuerpflichtige Einnahmen zufließen werden (vgl. , BFHE 147, 176, BStBl II 1986, 747, und vom X R 72/01, BFH/NV 2005, 513; kritisch hierzu Söhn, StuW 2003, 332, und Heidrich, DStR 2005, 861). Denn nicht die Rückzahlung des auf diese Weise angesammelten Rentenkapitals, sondern nur der mittels dieses Kapitals erwirtschaftete Ertrag unterlag der Besteuerung. Dieser Gesichtspunkt ist aber möglicherweise nicht mehr tragfähig, wenn der Gesetzgeber nach seiner neuen gesetzlichen Konzeption bei Renten, die erst nach Ablauf der bis zum Jahr 2039 geltenden Übergangsregelung beginnen, die Rentenzuflüsse im vollem Umfang der Besteuerung unterwirft.
cc) Auch soweit das AltEinkG gesetzliche Altersrenten, die vor dem Jahr 2040 beginnen, nur anteilig der Besteuerung unterwirft (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a, aa Satz 3 EStG), ergeben sich keine Besonderheiten. Das gesetzliche Regelungskonzept strebt an, dass Leistungen aus gesetzlichen Renten, auch wenn diese vor dem Jahr 2040 beginnen, ab dem Jahr 2005 der sog. nachgelagerten Besteuerung unterliegen. Dies zeigt sich auch daran, dass der Gesetzgeber in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a, aa Satz 4 EStG den nicht der Besteuerung unterliegenden Teil der Rente als Freibetrag ausgestaltet hat. Auch dieser Teil der zufließenden Renteneinnahmen stellt mithin steuerbares Einkommen dar, das lediglich deshalb steuerfrei zu lassen ist, um dem Regelungsauftrag des BVerfG in BVerfGE 105, 73, BStBl II 2002, 618 (unter D. II.) zu entsprechen, wonach Rentenzahlungen, die auf versteuertem Einkommen beruhen, insoweit nicht erneut der Besteuerung unterworfen werden dürfen (vgl. Intemann/Cöster, DStR 2005, 1921). Vor diesem Hintergrund kann sich in rechtssystematischer Hinsicht allein die Frage stellen, ob ein —etwaiger— Werbungskostenabzug durch unmittelbare oder analoge Anwendung von § 3c Abs. 1 EStG zu begrenzen ist, wenn die Rentenversicherungsbeiträge im Zusammenhang mit (voraussichtlich) vor dem Jahr 2040 beginnenden gesetzlichen Altersrenten geleistet werden (vgl. hierzu Heidrich, FR 2004, 1321; Kulosa in HHR, a.a.O., § 10 EStG Anm. J 04-8).
dd) Der Senat weist darauf hin, dass im vorliegenden Verfahren eine abschließende Entscheidung über die materielle Rechtsnatur der Vorsorgeaufwendungen nicht zu treffen ist.
c) § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG i.d.F. des AltEinkG regelt die Abziehbarkeit u.a. von Beiträgen zu den gesetzlichen Rentenversicherungen. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG bestimmt: „Zu den Beiträgen nach Buchstabe a und b ist der nach § 3 Nr. 62 steuerfreie Arbeitgeberanteil zur gesetzlichen Rentenversicherung und ein diesem gleichgestellter steuerfreier Zuschuss des Arbeitgebers hinzuzurechnen.” Nach § 10 Abs. 3 Satz 1 EStG sind „Vorsorgeaufwendungen nach Absatz 1 Nr. 2 Satz 2…bis zu 20 000 Euro zu berücksichtigen”. Bei zusammenveranlagten Ehegatten verdoppelt sich der Höchstbetrag (§ 10 Abs. 3 Satz 2 EStG). Der Höchstbetrag nach Satz 1 oder 2 ist bei Steuerpflichtigen, die zum Personenkreis des § 10c Abs. 3 Nr. 1 und 2 EStG gehören oder Einkünfte i.S. des § 22 Nr. 4 EStG erzielen und die ganz oder teilweise ohne eigene Beitragsleistungen einen Anspruch auf Altersversorgung erwerben, um den Betrag zu kürzen, der, bezogen auf die Einnahmen aus der Tätigkeit, die die Zugehörigkeit zum genannten Personenkreis begründen, dem Gesamtbeitrag (Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil) zur allgemeinen Rentenversicherung entspricht (§ 10 Abs. 3 Satz 3 EStG). Gemäß § 10 Abs. 3 Satz 4 EStG sind im Kalenderjahr 2005 die nach § 10 Abs. 3 Sätze 1 bis 3 EStG ermittelten Vorsorgeaufwendungen mit 60 v.H. anzusetzen. § 10 Abs. 3 Satz 5 EStG zieht hieraus die rechtliche und rechnerische Konsequenz wie folgt (Hervorhebung nicht im Original):
„Der sich danach ergebende Betrag, vermindert um den nach § 3 Nr. 62 steuerfreien Arbeitgeberanteil zur gesetzlichen Rentenversicherung und einen diesem gleichgestellten steuerfreien Zuschuss des Arbeitgebers, ist als Sonderausgabe abziehbar.”
Der in § 10 Abs. 3 Satz 4 EStG genannte Vomhundertsatz erhöht sich nach Satz 6 dieser Vorschrift in den folgenden Kalenderjahren bis zum Kalenderjahr 2025 um je 2 vom-Hundert-Punkte je Kalenderjahr.
d) § 10 Abs. 4a EStG sieht eine sog. Günstigerprüfung vor: Hiernach sind Vorsorgeaufwendungen nach Abs. 1 Nr. 2 und 3 mit den zum Abzug zugelassenen Beträgen der Vorsorgeaufwendungen i.S. von § 10 Abs. 3 EStG in der für das Kalenderjahr 2004 geltenden Fassung anzusetzen, wenn dies günstiger ist als ein Abzug nach § 10 Abs. 3 und 4 EStG i.d.F. des AltEinkG. Hierdurch will der Gesetzgeber gewährleisten, dass Arbeitnehmer mit kleinem Einkommen, die nach der bisherigen Rechtslage in der Lage waren, ihre Sozialversicherungsbeiträge in vollem Umfang als Sonderausgaben geltend zu machen, weil diese die damaligen gesetzlichen Höchstbeträge nicht überstiegen haben, sich durch die Neuregelung nicht steuerlich verschlechtern (BTDrucks 15/2150, S. 35).
e) Die ab dem Rentenbeginn zugeflossenen Leibrenten und anderen Leistungen (u.a.) aus gesetzlichen Rentenversicherungen gehören nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a, aa Satz 1 ff. EStG i.d.F. des AltEinkG zu den sonstigen Einkünften. Der der Besteuerung unterliegende Teil dieser Zuflüsse richtet sich nach Satz 3 dieser Vorschrift nach dem Jahr des Rentenbeginns. Dieser Besteuerungsanteil beträgt für Renten, die bis 2005 beginnen, nach der in Satz 3 eingefügten Tabelle 50 v.H. Er erhöht sich schrittweise für später beginnende Renten und wächst für 2040 und später beginnende Renten auf 100 v.H. an.
f) Diese gesetzliche Regelung hat den folgenden Hintergrund:
aa) Das BVerfG hat die unterschiedliche Besteuerung der Beamtenpensionen nach § 19 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 EStG i.d.F. vor dem AltEinkG einerseits und von Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung andererseits teilweise für verfassungswidrig erklärt. Die Verfassungswidrigkeit ergab sich daraus, dass zufließende Versorgungsbezüge grundsätzlich in vollem Umfang der Besteuerung unterliegen. Hingegen waren Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung nur mit dem in den Zuflüssen enthaltenen Zinsertrag (dem sog. Ertragsanteil) besteuert worden. Der nicht vom Ertragsanteil erfasste Teil des Zuflusses war als Rückzahlung des Rentenkapitals und damit als Vorgang im Bereich der nichtsteuerbaren Umschichtung von Privatvermögen beurteilt worden. Demgegenüber ergab sich die „beträchtliche” und daher verfassungsrechtlich nicht hinnehmbare unterschiedliche steuerliche Belastung aus der Zusammenschau der folgenden drei Aspekte: der unterschiedlichen einkommensteuerlichen Belastung beider Vergleichsgruppen in der Nacherwerbsphase, der Realitätsferne des bei der Ertragsanteilsbesteuerung gesetzlich unterstellten Anteils eines Kapitalrückflusses sowie schließlich der unterschiedlichen steuerlichen Belastung in der Erwerbsphase (BVerfG in BVerfGE 105, 73, BStBl II 2002, 618, unter A. I. 5.). Die vollumfängliche Besteuerung der Versorgungsbezüge einerseits und die bloße Besteuerung des Ertragsanteils der Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung andererseits führte zu einer wegen Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich nicht hinnehmbaren unterschiedlichen Behandlung, soweit die Zahlungen der Rentenversicherung auf dem Arbeitgeberanteil zur gesetzlichen Rentenversicherung und auf staatlichen Transferzahlungen beruhten und damit nicht auf versteuertes Einkommen des Versicherungsnehmers zurückgeführt werden konnten.
Das BVerfG hat dem Gesetzgeber aufgegeben, die Rechtslage bis zum Jahresbeginn 2005 zu bereinigen. Im 3. Leitsatz seines Urteils hat es entschieden: „Der Gesetzgeber hat im Rahmen der gebotenen Neuregelung die Besteuerung von Vorsorgeaufwendungen für die Alterssicherung und die Besteuerung von Bezügen aus dem Ergebnis der Vorsorgeaufwendungen so aufeinander abzustimmen, dass eine doppelte Besteuerung vermieden wird.” In den Entscheidungsgründen ist vermerkt, es werde Aufgabe des Gesetzgebers sein, „sich vor dem Hintergrund des breiten Spektrums der seit langem aufbereiteten Reformalternativen für ein Lösungsmodell zu entscheiden und dieses folgerichtig auszugestalten”. Insoweit werde der Gesetzgeber sich an ökonomisch sachverständigen Berechnungen orientieren können. Das BVerfG hat dem Gesetzgeber in diesem Zusammenhang die Befugnis zu vertrauensschützenden Übergangsregelungen eingeräumt.
bb) Der Gesetzgeber hat in § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a EStG i.d.F. des AltEinkG angeordnet, dass zu den als Sonderausgaben abzugsfähigen Vorsorgeaufwendungen u.a. Beiträge zu den gesetzlichen Rentenversicherungen gehören. Er ist nicht dem Vorschlag der vom BMF eingesetzten Sachverständigenkommission zur Neuordnung der steuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen (künftig: Kommission) gefolgt, diese Aufwendungen zum Werbungskostenabzug zuzulassen. Die Kommission hatte in ihrem Abschlussbericht deren Abzug als vorweggenommene Werbungskosten vorgeschlagen (Kommissionsbericht, Schriftenreihe des BMF, Band 74, insbesondere S. 4 f., 13, 21). Die Abziehbarkeit sollte nach einem Stufenplan für im Jahr 2005 geleistete Altersvorsorgeaufwendungen mit 60 v.H. beginnen. Der steuerlich freizustellende Anteil sollte jährlich um zwei Punkte ansteigen und im Jahr 2025 eine vollständige Freistellung erreichen (Kommissionsbericht, a.a.O., S. 35 f.). Der Gesetzgeber hat den Vorschlag der Berücksichtigungsfähigkeit solcher Aufwendungen als Werbungskosten nicht aufgegriffen, hingegen den von der Kommission vorgeschlagenen Stufenplan im Rahmen des bis zum Jahr 2025 prozentual beschränkten Sonderausgabenabzugs (§ 10 Abs. 3 Satz 4 ff. EStG) verwirklicht.
Der Ablauf des Gesetzgebungsverfahrens des mit textgleichen Entwürfen der Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen (BTDrucks 15/2150) und der Bundesregierung (BTDrucks 15/2563, BTDrucks 15/2592) eingeleiteten Gesetzgebungsverfahrens ist dargestellt im Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestags vom (BTDrucks 15/3004, S. 1 ff., 6).
cc) Den lediglich beschränkten Abzug u.a. von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung hat der Gesetzgeber „mit untragbaren Haushaltsrisiken” begründet (vgl. Begründung des Gesetzesentwurfs der Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen vom , BTDrucks 15/2150, S. 22 - künftig: Gesetzesentwurf; ebenso Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestags vom , BTDrucks 15/3004, S. 8, 13). Dem u.a. von der Fraktion der FDP eingebrachten Entschließungsantrag vom (BTDrucks 15/2988), die ab dem Jahr 2005 geleisteten Altersvorsorgebeiträge bis zu den der Beitragsbemessungsgrenze entsprechenden Höchstbeträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung in vollem Umfang zum Abzug zuzulassen, ist der Gesetzgeber nicht gefolgt (vgl. Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestags, BTDrucks 15/3004, S. 13).
dd) Den für die Abzugsfähigkeit von Altersvorsorgeaufwendungen geltenden Stufenplan hat der Gesetzgeber mit der in § 22 Nr. 1 Satz 3, Buchst. a, aa Satz 3 EStG getroffenen Regelung inhaltlich abgestimmt, wonach sich der Besteuerungsanteil der Rente schrittweise von zunächst 50 v.H. auf 100 v.H. erhöht. Diese Abstimmung ist nicht in der Weise erfolgt, dass der nach der gesetzlichen Regelung abziehbare Teil der Altersvorsorgeaufwendungen mit dem (voraussichtlich) der Besteuerung unterliegenden Teil der Rente korrelieren würde (kritisch aus diesem Grund Kulosa in HHR, a.a.O., Vor § 22 EStG Anm. J 04-8). Stattdessen hat der Gesetzgeber im Ergebnis auf die von der Kommission angestellten Modellrechnungen (Kommissionsbericht, S. 50 ff.) zurückgegriffen. In diesen ist die Kommission zu dem Ergebnis gelangt, die stufenweise Anhebung des abziehbaren Teils der Altersvorsorgeaufwendungen abhängig vom Jahr der jeweiligen Leistung der Aufwendungen einerseits und des vom Jahr des Rentenbeginns abhängigen Besteuerungsanteils andererseits bewirke, dass unter Zugrundelegung realistischer Annahmen die nach den Vorgaben des BVerfG verbotene Zweifachbesteuerung vermieden werde (Kommissionsbericht, S. 50 f.; Gesetzesentwurf, BTDrucks 15/2150, S. 2, 39 f.). Hierbei geht der Gesetzesentwurf davon aus, „dass § 22 Nr. 1 Satz 3, Buchst. a, aa, S. 3 EStG spiegelgleich zu § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und b EStG den Systemwechsel hin zu einer vollständigen nachgelagerten Besteuerung von Leibrenten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen (u.a.) regelt”. Zugleich wird berücksichtigt, dass in einer Übergangsphase ein Teil der Rentenbeiträge aus versteuertem Einkommen geleistet wurde und aus verfassungsrechtlichen Gründen keine sofortige Vollbesteuerung der Renten zulässig ist. Diese verfassungsrechtlichen Vorgaben sieht der Gesetzgeber durch das Zusammenwirken beider Vorschriften als gewahrt an (Gesetzesentwurf, BTDrucks 15/2150, S. 39 f.). Ob diese Annahme des Gesetzgebers zutrifft, insbesondere ob dieser von realitätsgerechten und einer verfassungsrechtlichen Überprüfung standhaltenden Annahmen ausgegangen ist, kann zunächst dahinstehen (vgl. hierzu unten bei 7. b), weil es vorliegend darum geht, in einem ersten Schritt dem gesetzgeberischen Willen zur Abziehbarkeit der Altersvorsorgeaufwendungen Rechnung zu tragen.
5. Der erkennende Senat lässt die Frage nach dem Charakter der Vorsorgeaufwendungen „gemäß ihrer Rechtsnatur” dahingestellt. Denn der Gesetzgeber hat die hier fraglichen Vorsorgeaufwendungen jedenfalls mit konstitutiver Wirkung durch § 10 Abs. 3 Satz 5 EStG den Sonderausgaben (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG i.d.F. des AltEinkG) zugewiesen. Er hat mithin für diese Aufwendungen eine Sonderregelung getroffen, die Sperrwirkung gegenüber der Anwendung der generellen Regelung des § 10 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG entfaltet. Dies wird durch § 10 Abs. 4a EStG sowie durch den Willen des historischen Gesetzgebers bestätigt, der im Gesetzeswortlaut einen hinreichend deutlichen Ausdruck gefunden hat. Ein anderes Auslegungsergebnis würde dem vom Gesetzgeber erkennbar gewollten Verhältnis der Korrespondenz zwischen Abziehbarkeit von Vorsorgeaufwendungen und der Steuerbarkeit der entsprechenden Alterseinkünfte keinen relevanten Anwendungsbereich belassen und wäre schon deswegen nicht zu befürworten.
a) § 10 EStG i.d.F. des AltEinkG enthält in Bezug auf Vorsorgeaufwendungen i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG sich scheinbar widersprechende Aussagen. Einerseits ordnet § 10 Abs. 1 Satz 1 EStG an, dass die in § 10 EStG genannten Aufwendungen dann keine Sonderausgaben sind, wenn sie Werbungskosten oder Betriebsausgaben sind. Sofern man Arbeitnehmeranteile zur gesetzlichen Rentenversicherung und andere Vorsorgeaufwendungen i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG als vorweggenommene Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften beurteilt —was indes nicht für alle im Anwendungsbereich des AltEinkG in Betracht kommenden Fallgestaltungen zweifelsfrei ist— kommt ein Sonderausgabenabzug nicht in Betracht; diese „Verzweigung” würde zu einer grundsätzlich unbeschränkten Abziehbarkeit von Werbungskosten führen.
Andererseits qualifiziert § 10 Abs. 3 Satz 5 EStG den steuerlich abziehbaren (End-)Betrag ausdrücklich als Sonderausgabe und ordnet damit den rechnerisch ermittelten Betrag der Vorsorgeaufwendungen den Sonderausgaben zu. Das widerstreitende Verhältnis zu § 10 Abs. 1 Satz 1 EStG ist nach dem Grundsatz vom Vorrang der speziellen Norm in der Weise aufzulösen, dass die in § 10 Abs. 3 Satz 5 EStG enthaltene spezielle Zuweisung zu den Sonderausgaben dem Einleitungssatz des § 10 Abs. 1 EStG vorgeht. Den gesetzgeberischen Willen, in der ab dem Jahr 2005 beginnenden Übergangsphase Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung und andere Altersvorsorgeaufwendungen nicht in vollem Umfang als Werbungskosten, sondern prozentual begrenzt als Sonderausgaben zum Abzug zuzulassen, belegt auch die in § 10 Abs. 4a EStG vorgesehene Günstigerprüfung: Auch diese hätte keinen sinnvollen Anwendungsbereich, wenn die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung ohnehin in vollem Umfang als vorweggenommene Werbungskosten abziehbar wären.
b) Die von Teilen der Literatur befürwortete Auffassung, ein in § 10 Abs. 1 Satz 1 EStG angeordneter Vorrang der Werbungskosten sei auch auf Aufwendungen i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG zu erstrecken (so z.B. Balke, FR 2005, 1143; Intemann/Cöster, DStR 2005, 1921, 1923; Kreft, GStB 2005, 279; Kulosa in HHR, a.a.O., § 10 EStG Anm. J 04-8; Seifert, GStB 2005, 240, 241; ebenso FG Niedersachsen, Beschluss in EFG 2005, 1184 zu der bis zum geltenden Rechtslage) würde dazu führen, dass der Sonderausgabenabzug für solche Altersvorsorgeaufwendungen entgegen der erkennbaren Intention des Gesetzgebers insofern leer liefe, als für diese Regelung kein eigener Anwendungsbereich mehr verbliebe (in dieser Hinsicht zutreffend Intemann/ Cöster, DStR 2005, 1921). Eine solche Auslegung würde den Willen des historischen Gesetzgebers missachten und der Regelungskonzeption des „schonenden” Übergangs in die sog. nachgelagerte Besteuerung, welche im Gesetz ihren Niederschlag gefunden hat, keinen relevanten Anwendungsbereich belassen. Dies widerspräche nicht nur dem Wortlaut des § 10 Abs. 3 Satz 5 EStG. Es würde auch das gesamte auf Erlass des AltEinkG gerichtete Gesetzgebungsverfahren desavouieren.
aa) Es mag zweifelhaft sein, welcher Erkenntniswert etwa der Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes oder der persönlichen Stellungnahme eines Mitglieds eines parlamentarischen Gremiums beizumessen ist (vgl. Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, 2. Aufl. 1991, S. 428 ff., 449 ff.). Vorliegend kann indes nicht unberücksichtigt bleiben, dass —angestoßen durch den Auftrag des BVerfG zur Neuregelung des Steuerrechts der Altersvorsorge und Alterseinkünfte— auf der Grundlage von umfangreichen, u.a. durch die sog. Rürup-Kommission erarbeiteten Vorüberlegungen und im Rahmen einer vom Finanzausschuss des Bundestags durchgeführten Anhörung über die gesamten Entstehungsphasen des AltEinkG hinweg nachweislich ein bestimmter parlamentarischer Konsens organisiert worden ist, der u.a. zum Ziel hatte, eine haushaltsschonende Überleitung in die nachgelagerte Besteuerung zu normieren. Das Gesetzgebungsverfahren als „Verhandlungs- und Entscheidungsprozess” zur politischen Entscheidung über Alternativen (Schulze-Fielitz, Theorie und Praxis der parlamentarischen Gesetzgebung, 1988, S. 255 ff., 301 ff., 371 ff.) und das in den Beschlüssen der parlamentarischen Gremien konkretisierte Ergebnis dürfen vom Rechtsanwender nicht negiert werden, wenn dieses Ergebnis eindeutig ist. Dies gilt insbesondere dann, wenn wie im Gesetzgebungsverfahren des AltEinkG (oben 4. f cc) eine Gesetzesinitiative, die auf eine grundlegende Änderung des Regierungsentwurfs abzielt, abgelehnt wird. Auch durch die Ablehnung zur Entscheidung gestellter Alternativen wird der „Wille des Gesetzgebers” geformt, ohne dass —der Natur der Sache nach— dieser Verfahrensschritt im Gesetzeswortlaut seinen Niederschlag finden würde (vgl. P. Fischer, Auslegungsziele und Verfassung, in Festschrift für Klaus Tipke, 1995, S. 187 ff., 198 ff.).
bb) Einem allgemeinen Grundsatz der Methodenlehre zufolge darf ein Gesetz nicht in der Weise ausgelegt werden, dass es keinen relevanten Regelungsbereich hätte (vgl. z.B. , 2 BvR 1714/92, 2 BvR 1508/95, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung —HFR— 1997, 512). Anderenfalls wären die aus Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitenden Grenzen der richterlichen Auslegungsbefugnis überschritten. Solches ist der Fall, wenn die Rechtsprechung sich an die Stelle des Gesetzgebers setzt, indem die Auslegung zu einem Ergebnis führt, das in Widerspruch steht zu dem auslegungsfähigen und auslegungsbedürftigen Wortlaut der gesetzlichen Vorschrift, ihrer Systematik und ihrem erkennbaren Sinn (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 2 BvR 72/90, BStBl II 1992, 212, und vom 1 BvR 1333/89, DStR 1993, 603).
6. Anders als § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG in der bis zum geltenden Fassung entfaltet § 10 Abs. 3 Satz 5 EStG eine Sperrwirkung, die den Abzug von Werbungskosten ausschließt. Insofern ist die Rechtsprechung des VI. Senats des , BFHE 201, 211, BStBl II 2003, 407, und vom VI R 33/01, BFHE 202, 314, BStBl II 2004, 884) für die vorliegende Entscheidung ohne Bedeutung.
7. Gegen die gesetzliche Zuweisung der Beiträge zur Rentenversicherung zu den Sonderausgaben bestehen keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken.
a) Art. 3 Abs. 1 GG verbietet die Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem und die Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem (BVerfG-Entscheidungen vom 1 BvR 1341/90, BVerfGE 84, 133, 157 f.; vom 1 BvR 1554/89 u.a., BVerfGE 98, 365, 385). Art. 3 Abs. 1 GG ist jedenfalls dann verletzt, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonst einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt (BVerfG-Urteil in BVerfGE 105, 73, BStBl II 2002, 618, unter C. I., m.w.N.). Verletzt der Gesetzgeber das allgemeine Gebot der folgerichtigen Ausgestaltung steuerlicher Grundentscheidungen (BVerfG-Beschlüsse vom 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88, 95, und vom 2 BvL 10/95, BVerfGE 99, 280, 295, BStBl II 1999, 502), dann indiziert dies einen solchen Verstoß. Ausnahmen von einer solchen folgerichtigen Umsetzung bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes.
Zu den das Einkommensteuerrecht tragenden Grundprinzipien rechnet das objektive Nettoprinzip. Danach werden Einnahmen nicht brutto, sondern gekürzt um damit im Zusammenhang stehende Erwerbsaufwendungen der Besteuerung unterworfen (BVerfG-Entscheidungen vom 1 BvL 12/68, BVerfGE 27, 58, BStBl II 1970, 140, und vom 1 BvL 4/87, 1 BvL 5/87, 1 BvL 6/87, 1 BvL 7/87, BVerfGE 81, 228, BStBl II 1990, 483). Dieser verfassungsrechtliche Aspekt könnte allenfalls dann berührt sein, wenn man eine den Werbungskostenabzug begründende betragsmäßige Relation herstellt zu der ab dem Jahre 2040 geltenden Besteuerung der Alterseinkünfte mit dem vollen Nennbetrag des Zuflusses. Dies führt indes nicht zur Verfassungswidrigkeit des vorgelagerten beschränkten Abzugs der Vorsorgeaufwendungen, weil die bis zum Jahre 2024 beschränkte Abziehbarkeit der Vorsorgeaufwendungen integraler Bestandteil der Übergangsregelung ist, die das BVerfG als verfassungsrechtlich unbedenklich akzeptiert hat; insoweit hat das BVerfG dem Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum zugestanden (BVerfG-Urteil in BVerfGE 105, 73, BStBl II 2002, 618, unter D. II.). Ausgehend von diesem für sich gesehen verfassungsrechtlich unbedenklichen Datum kann die Stimmigkeit des vom Gesetzgeber verwirklichten Systems der nachgelagerten Besteuerung nur daran gemessen werden, ob der nachgelagerte steuerliche Zugriff auf die —später zufließenden— Alterseinkünfte gegen das vom BVerfG ausgesprochene Verbot einer Doppelbesteuerung von Lebenseinkünften verstößt. M.a.W.: Die Versagung des vollen Abzugs der Vorsorgeaufwendungen in den Jahren 2005 bis 2024 ist nicht isoliert betrachtet verfassungsrechtlich problematisch, sondern nur in der Gesamtschau mit der späteren Rentenbesteuerung. Insoweit wird später der Umfang der Rentenbesteuerung auf dem Prüfstand stehen, denn erst durch diesen wird gegebenenfalls eine verfassungsrechtlich unzulässige Überbesteuerung bewirkt werden. Aus diesem Grund hat der erkennende Senat im vorliegenden Verfahren auch noch nicht über die verfassungsrechtlichen Schranken der Besteuerung der zufließenden Renteneinnahmen zu entscheiden (vgl. auch , HFR 2005, 353, 355).
b) Im Rahmen einer späteren Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a, aa EStG wird der Senat das Grundsystem der nachgelagerten Rentenbesteuerung zu überdenken haben.
aa) Insoweit wird zu erwägen sein, ob der Gesetzgeber wegen des Gebots der folgerichtigen Umsetzung des Prinzips der grundsätzlichen Nichtsteuerbarkeit privater Vermögensumschichtungen überhaupt berechtigt ist, Rentenzuflüsse, soweit sie auf eigenen Beitragszahlungen des Steuerpflichtigen beruhen, über den Ertragsanteil hinausgehend der Besteuerung zu unterwerfen (P. Fischer, Deutsche Steuerjuristische Gesellschaft —DStJG— 24, 463, 488; ders., Betriebs-Berater —BB— 2003, 873; Jachmann, DRV-Schriften Band 51, 125, 130; a.A. Söhn, StuW 2003, 332). Die Gesichtspunkte des „Einkaufens” in ein —privates oder staatliches— Transfersystem und des hiermit korrespondierenden Abzugs vorweggenommener Aufwendungen (vgl. oben 4. b aa) hindern eine Besteuerung jedenfalls nicht, wenn und soweit der Steuerpflichtige mit seinen Beiträgen keinen versicherungsrechtlich begründeten „eigenen” Anspruch bzw. eine Anwartschaft hierauf „erwirbt”, es sich bei den (späteren) Rentenbezügen vielmehr um staatliche Transferleistungen handelt, die grundsätzlich einkommensteuerbares Einkommen sind (vgl. BVerfG in BVerfGE 105, 73, BStBl II 2002, 618, unter C. V. 1. c). Es liegt auf der Hand, dass der Anteil solcher Transferleistungen abhängig ist von der Art und vor allem von der Finanzierung des jeweiligen Versorgungssystems: Es ist hier zu unterscheiden etwa zwischen Renten aus berufsständischen Versorgungseinrichtungen, die nach dem Versicherungsprinzip und dem Grundsatz der Kapitaldeckung arbeiten einerseits (vgl. für das Versorgungswerk der Rechtsanwälte im Land NRW, Seer, StuW 1996, 323, 330), und landwirtschaftlichen Alterskassen andererseits. Soweit der Steuerpflichtige hingegen mit seinen Beiträgen einen „eigenen” Versicherungsanspruch erwirbt, der zu einer Ablaufleistung führt, die als Einmalbetrag nicht steuerbar wäre (Senatsurteil vom X R 64/01, BFHE 210, 281, DStR 2005, 1764), wird sich die Frage stellen, ob hier die Grundsätze der BFH-Rechtsprechung über die „Anschaffung von Rentenrechten” (z.B. , BFHE 197, 114) durch die gesetzliche Anordnung einer „nachgelagerten Besteuerung” ausgeblendet werden können. Denn man kann daran denken, die zwingenden Folgerungen aus der zeitlich gestreckten Auszahlung eigenen Vermögens auch dann zu ziehen, wenn die Anschaffung des Versicherungsanspruchs durch den Sonderausgabenabzug begünstigt war. Dann müsste die vom BVerfG geforderte Verhinderung der Entstehung von „weißem” Lebenseinkommen rechtstechnisch in der Weise „konstruiert” werden, dass die in der Erwerbsphase steuerfrei belassenen Versicherungsbeiträge in der Auszahlungsphase —gegebenenfalls typisierend— nachversteuert werden.
bb) Hält man hingegen eine grundsätzlich die gesamten Renteneinnahmen umfassende Besteuerung für zulässig, weil der rentenversicherungspflichtige Arbeitnehmer wirtschaftlich gesehen ebenso wie der Beamte auf Grund seiner nichtselbständigen Tätigkeit als Gegenleistung im weitesten Sinn Anwartschaftsrechte auf Versorgung im Alter und bei Erwerbsunfähigkeit aus anderen Gründen erwirbt (BVerfG-Urteil in BVerfGE 105, 73, BStBl II 2002, 618, unter C. III. 2.), hat auch eine solche die gesamten Renteneinnahmen umfassende Besteuerung verfassungsrechtliche Grenzen. Sie ist unter der vorgenannten Prämisse dann grundsätzlich verfassungsrechtlich zulässig, wenn sie Beitragszahler betrifft, deren Aufwendungen steuermindernd berücksichtigt worden sind. Insoweit ist es dann unerheblich, dass diese Minderung nicht im Rahmen des Werbungskostenabzugs, sondern durch den Sonderausgabenabzug bewirkt worden ist. In verfassungsrechtlicher Hinsicht ist nicht die zutreffende systematische Zuordnung dieser Aufwendungen entscheidend, sondern der Gesichtspunkt der am Maßstab des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) zu beurteilenden Ergebnisrichtigkeit.
Werden hingegen die Beitragszahlungen teilweise aus versteuertem Einkommen erbracht, ist das zwingende Gebot des BVerfG zu beachten, dass hierauf beruhende Rentenzahlungen nicht erneut der Besteuerung unterworfen werden dürfen (BVerfG-Urteil in BVerfGE 105, 73, BStBl II 2002, 618, unter D. II.). Insoweit wird insbesondere zu überprüfen sein, ob der Gesetzgeber dieses Gebot des BVerfG zutreffend interpretiert hat (vgl. hierzu Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestags, BTDrucks 15/3004, S. 13; Kommissionsbericht, S. 51; kritisch hierzu und zu anderen Fragen insbesondere Hey, DRV 2004, 1, 8; Ruland, a.a.O., 2005, 889, 901).
cc) Es ist davon auszugehen, dass die Problematik der zutreffenden Besteuerung der dem AltEinkG unterfallenden Renteneinkünfte in Fällen von ab dem Jahr 2005 zufließenden Renteneinnahmen i.S. von § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a, aa EStG die Gerichte der Finanzgerichtsbarkeit in überschaubarer Zeit erreichen und sodann einer verfassungsrechtlichen Klärung zugeführt werden wird.
8. Die lediglich beschränkte Abzugsfähigkeit des Arbeitnehmeranteils zur Rentenversicherung verletzt auch nicht das aus dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) abzuleitende subjektive Nettoprinzip. Danach muss dem Steuerpflichtigen ein „staatsfreies Existenzminimum” verbleiben; bestimmte zwangsläufige Aufwendungen müssen, auch wenn sie in den Bereich der privaten Lebensführung fallen, steuerlich verschont werden (, 2 BvR 1735/00, BVerfGE 107, 27, BStBl II 2003, 534; Senatsbeschluss vom X R 20/04, BFH/NV 2006, 431).
Der Senat kann offen lassen, ob der Gesetzgeber gehalten ist, den Arbeitnehmeranteil zur gesetzlichen Rentenversicherung deshalb in vollem Umfang steuerlich freizustellen, weil dieser Aufwand zwangsläufig entsteht und die hierfür verwendeten Einkünfte dem Arbeitnehmer aktuell nicht zur Verfügung stehen (so Söhn, StuW 1985, 395; Söhn/Müller-Franken, StuW 2000, 442; Wernsmann, StuW 1998, 317). Denn das BVerfG hat den Gesetzgeber angewiesen, die steuerliche Behandlung des Abzugs von Vorsorgeaufwendungen im Rahmen der Neuordnung der Rentenbesteuerung mit zu regeln (BVerfG-Beschlüsse vom 1 BvR 121/76, 1 BvR 122/76, BVerfGE 54, 11, BStBl II 1980, 545, und vom 1 BvR 1523/88, HFR 1998, 397). Diese Entscheidung hat der Gesetzgeber im AltEinkG in der Weise getroffen, dass im Jahr 2005 geleistete Rentenversicherungsbeiträge mit 60 v.H. und die in Folgejahren geleisteten Beiträge mit einem um jeweils 2 vom-Hundert-Punkte höheren Prozentsatz abziehbar sind (§ 10 Abs. 3 Satz 6 EStG). Im Jahr 2025 geleistete Rentenversicherungsbeiträge sind demgemäß im Rahmen des Sonderausgabenabzugs vollständig freigestellt, denn die Gesamtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung erreichen auch nicht annähernd den gesetzlichen Höchstbetrag des § 10 Abs. 3 Satz 1 EStG von 20 000 €. Aus diesem Grund kann es der Senat offen lassen, ob die Aussage im (BFH/NV 2005, Beilage 3, 260), wonach im Rahmen des Grenzbetrags des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG Einkünfte des (volljährigen) Kinds um von diesem geleistete Sozialversicherungsbeiträge zu kürzen sind, weil dem Kind in dieser Höhe die Einkünfte nicht zur Verfügung stehen, in dem Sinne zu verallgemeinern ist, dass solche Aufwendungen stets steuerlich freizustellen sind.
9. Nach Ansicht des erkennenden Senats ist auch die Regelung des § 10 Abs. 3 Satz 5 EStG i.d.F. des AltEinkG verfassungsrechtlich unbedenklich. Hierbei kann der Senat offen lassen, ob diese Frage im vorliegenden Streitfall deshalb nicht erheblich ist, weil Vorsorgeaufwendungen i.S. von § 10 Abs. 2 EStG wie dargelegt (unter 3. a) nicht auf der Lohnsteuerkarte eingetragen werden können. Im Streitfall kann es auf die Verfassungsmäßigkeit der Regelung des § 10 Abs. 3 Satz 5 EStG nur ankommen, wenn man in Erwägung zieht, dieses Eintragungsverbot unterliege insoweit verfassungsrechtlichen Bedenken. Der Senat braucht dieser Frage nicht weiter nachzugehen, weil gegen § 10 Abs. 3 Satz 5 EStG keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen.
a) Nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG ist den vom Steuerpflichtigen geleisteten Vorsorgeaufwendungen i.S. von Satz 1 dieser Vorschrift u.a. der von seinem Arbeitgeber geleistete Anteil zur gesetzlichen Rentenversicherung hinzuzurechnen. Dieser Gesamtbeitrag wirkt sich im Jahr 2005 nur mit 60 v.H. aus (§ 10 Abs. 3 Satz 4 EStG). Gleichwohl ist der sich hierbei ergebende Betrag gemäß § 10 Abs. 3 Satz 5 EStG um 100 v.H. dieses Arbeitgeberanteils zu kürzen. Nur die Differenz ist als Sonderausgabe abziehbar.
b) Diese Regelung beruht auf einem sachgerechten Grund und verstößt daher nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Der Gesetzgeber will im Jahr 2005 geleistete Vorsorgeaufwendungen i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG mit 60 v.H. von der Besteuerung freistellen. Da der Arbeitgeberanteil bereits auf Grund von § 3 Nr. 62 EStG nicht der Besteuerung unterliegt, ist es gerechtfertigt, den Sonderausgabenabzug um diesen Betrag zu kürzen. Hierdurch wird gewährleistet, dass zwei Steuerpflichtige, bei denen jeweils solche Vorsorgeaufwendungen in Höhe des gesetzlichen Höchstbetrags von 20 000 € angefallen sind, von denen jedoch nur einer einen solchen steuerfreien Arbeitgeberanteil erhalten hat, steuerlich in gleichem Umfang freigestellt werden. Der Steuerpflichtige, der selbst den Gesamtbeitrag zur Rentenversicherung und/oder zu anderen Altersvorsorgeaufwendungen i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG leistet, kann im Jahr 2005 60 v.H. der Aufwendungen, also 12 000 € als Sonderausgaben abziehen. Der andere Steuerpflichtige, dessen Vorsorgeaufwendungen sich aus eigenen Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung, Vorsorgeaufwendungen i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG und aus dem anzusetzenden Arbeitgeberanteil von beispielsweise 2 000 € zusammensetzen, erhält eine Steuerfreistellung über § 3 Nr. 62 EStG von 2 000 €. Umgekehrt kann er als Sonderausgaben 60 v.H. von 20 000 € = 12 000 € abzüglich 2 000 € Arbeitgeberanteil geltend machen (vgl. Risthaus, DB 2004, 1329, 1332). Die steuerliche Freistellung beider Steuerpflichtiger ist daher im Ergebnis gleich.
c) Dem steht nicht entgegen, dass die sozialgerichtliche Rechtsprechung diesen Arbeitgeberanteil nicht als Arbeitslohn beurteilt und auch der BFH der Vorschrift des § 3 Nr. 62 EStG nur deklaratorischen Charakter beimisst (, BSGE 86, 262; , BFHE 199, 524, BStBl II 2003, 34). Denn nach der Rechtsprechung des BVerfG liegt in Gestalt des Arbeitgeberanteils ein Beitrag zum Erwerb der Vorsorgungsanwartschaft vor, der unmittelbar wirtschaftliches Ergebnis der Arbeitsleistung ist (BVerfG-Urteil in BVerfGE 105, 73, BStBl II 2002, 618, unter C. V. 1. b).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2006 II Seite 420
BB 2006 S. 475 Nr. 9
BBV-Kurznachricht Nr. 3/2006 S. 74
BFH/NV 2006 S. 876 Nr. 4
DB 2006 S. 482 Nr. 9
DStR 2006 S. 313 Nr. 8
DStRE 2006 S. 317 Nr. 5
DStZ 2006 S. 211 Nr. 7
EStB 2006 S. 89 Nr. 3
FR 2006 S. 512 Nr. 11
GStB 2006 S. 10 Nr. 3
GStB 2006 S. 155 Nr. 5
GStB 2006 S. 155 Nr. 5
HFR 2006 S. 456 Nr. 5
INF 2006 S. 211 Nr. 6
NJW 2006 S. 1088 Nr. 15
NWB-Eilnachricht Nr. 10/2006 S. 733
NWB-Eilnachricht Nr. 8/2006 S. 553
SJ 2006 S. 4 Nr. 6
StBW 2006 S. 3 Nr. 5
StuB-Bilanzreport Nr. 4/2006 S. 160
WPg 2006 S. 387 Nr. 6
BAAAB-77014