Leitsatz
Ein Erlass von Nachzahlungszinsen aus sachlichen Billigkeitsgründen kommt bei nachträglicher Zuordnung von Einkünften zu einem anderen Veranlagungszeitraum nicht in Betracht.
Gesetze: AO 1977 § 233aAO 1977 § 227FGO § 102
Instanzenzug: (EFG 2004, 1020) (Verfahrensverlauf)
Gründe
I.
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind verheiratet und wurden im Streitjahr 1991 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Klägerin ist an einer KG beteiligt. Anlässlich des Eintritts des Klägers als weiterem Beteiligten in diese KG wurden bei den bisherigen Gesellschaftern die in der Gesellschaft vorhandenen stillen Reserven aufgedeckt und in der Eröffnungsbilanz zum offen gelegt. Im Gewinnfeststellungsverfahren der KG war streitig, ob der dadurch bei den Altgesellschaftern entstandene Gewinn angesichts des vom 1. Juli bis 30. Juni laufenden Wirtschaftsjahres der KG bereits im Veranlagungszeitraum 1991 oder erst im Veranlagungszeitraum 1992 zu erfassen war.
Mit Bescheid vom wurden u.a. der Gewinn der KG und die auf die Klägerin entfallenden Gewinnanteile 1992 gesondert und einheitlich festgestellt. Im geänderten Einkommensteuer-Vorauszahlungsbescheid vom setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) die voraussichtliche Einkommensteuerschuld 1992 auf 2 106 779 DM fest. Die Nachforderung zur Einkommensteuer 1992 in Höhe von 1 746 012 DM entrichteten die Kläger am bzw. .
Die Einkommensteuererklärung für 1991 gaben die Kläger am ab. Der erstmalige Einkommensteuerbescheid für 1991 erging am .
Im erstmaligen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1992 vom wurden die Gewinne aus der Beteiligung an der KG entsprechend der Ermittlung der Einkommensteuervorauszahlungen im Bescheid vom erfasst.
Anlässlich einer bei der KG durchgeführten Außenprüfung kam das FA zu dem Ergebnis, die aufgedeckten stillen Reserven der KG seien nicht im Veranlagungszeitraum 1992, sondern bereits im Veranlagungszeitraum 1991 zu versteuern. Die Änderungsbescheide vom führten zu folgenden Festsetzungen (Beträge jeweils in DM):
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Jahr | festgesetzte Einkommensteuer | verbleibende Beträge (nach Abzug anrechenbarer Steuern) | Erstattungsbetrag/Nachzahlung | Zinsen zur Einkommensteuer | ||||
1991 | 2 089 286 | 2 070 615 | 1 516 778 | 158 151 | ||||
1992 | 838 815 | 794 479 | ./. 1 536 791 | ./. 68 201 | ||||
Ob die Einkommensteuerbescheide und die Bescheide über die Zinsen zur Einkommensteuer beider Jahre bestandskräftig geworden sind, ist zwischen den Beteiligten streitig.
Mit Schreiben vom beantragte der Prozessbevollmächtigte der Kläger, die für den Veräußerungsgewinn festgesetzte Vorauszahlung 1992 in Höhe von 1 317 801 DM bei der Festsetzung der Zinsen für das Jahr 1991 für den Zeitraum vom bis zu berücksichtigen, hilfsweise auf die Festsetzung von Zinsen insoweit zu verzichten. Die Entscheidung über diesen Antrag stellte das FA mit Zustimmung der Kläger zurück, da der Abschluss eines Parallelverfahrens abgewartet und das Ergebnis auf den Streitfall übertragen werden sollte.
Nach Abschluss des Parallelverfahrens, in dem das FA den Erlass der Nachzahlungszinsen zugesagt hatte, lehnte das FA mit Bescheid vom den teilweisen Erlass der Nachzahlungszinsen ab, weil die Oberfinanzdirektion (OFD) die notwendige Zustimmung zu einem Billigkeitserlass verweigert hatte.
Die Klage hatte Erfolg (Finanzgericht —FG— Baden-Württemberg, Urteil vom 1 K 330/02, Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 2004, 1020). Das FG verpflichtete das FA unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides, die mit Zinsbescheid für die Einkommensteuer 1991 festgesetzten Nachforderungszinsen in Höhe eines Teilbetrages von 24 368,18 € zu erlassen.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung von §§ 227, 233a der Abgabenordnung (AO 1977).
Es beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Das dem Verfahren beigetretene Bundesministerium der Finanzen (BMF) ist der Auffassung, dass im Streitfall die Zinsfestsetzung den Wertungen des Gesetzes entspreche und ein Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen daher nicht in Betracht komme. Der Gesetzgeber habe die Verzinsung ausdrücklich mit der jahrgangsbezogenen Steuerfestsetzung verknüpft (§ 233a Abs. 1 Satz 1 AO 1977 i.V.m. §§ 155, 157 AO 1977). Wechselwirkungen mit anderen Besteuerungszeiträumen seien deshalb unbeachtlich und würden keine sachliche Billigkeitsmaßnahme rechtfertigen. Führe eine Außenprüfung sowohl zu einer Steuernachforderung als auch zu einer Steuererstattung, sei bei der Verzinsung folglich auf die Steueransprüche der einzelnen Jahre abzustellen. Ein Ausklammern von sog. Gewinnverlagerungen aus der Verzinsung nach § 233a AO 1977 würde dem Willen des Gesetzgebers zuwiderlaufen. In der Anhörung zum Steuerreformgesetz (StRG) 1990 vom (BGBl I 1988, 1093, BStBl I 1988, 224), mit dem die Verzinsung nach § 233a AO 1977 eingeführt worden ist, sei u.a. eingewendet worden, dass die Verzinsung auch „bloße Gewinnverlagerungen” erfasse (BTDrucks 11/2529). Dennoch habe der Gesetzgeber in Kenntnis dieses Umstands an der Einführung der Verzinsung nach § 233a AO 1977 festgehalten. Einen Billigkeitserlass habe der Bundesfinanzhof (BFH) daher bisher nur ausnahmsweise für geboten erachtet, wenn zunächst vor 1989 besteuerte Einkünfte nachträglich in einem Veranlagungszeitraum nach 1988 der Einkommensteuer unterworfen worden seien; ferner im Fall der Verzinsung von Umsatzsteuer, wenn sich aufgrund abweichender zeitlicher Zuordnung eines Umsatzes für ein Kalenderjahr eine Steuernachforderung und für ein späteres Kalenderjahr oder einen späteren Voranmeldungszeitraum eine Steuererstattung ergeben hätten. Dies sei u.a. mit den unterschiedlichen Verhältnissen bei der Umsatz- bzw. Gewinnverlagerung begründet worden. Nachzahlungszinsen seien zwar auch dann aus sachlichen Billigkeitsgründen zu erlassen, wenn und soweit der Steuerpflichtige auf die sich aus der Steuerfestsetzung ergebende Steuerzahlungsforderung bereits vor Wirksamkeit der Steuerfestsetzung freiwillige Leistungen erbracht und das FA diese Leistungen angenommen und behalten habe. Im Streitfall seien die Zahlungen jedoch nicht als freiwillige Leistungen zu werten, da formeller Zahlungsgrund (§ 218 Abs. 1 AO 1977) der Einkommensteuer-Vorauszahlungsbescheid für das Jahr 1992 gewesen sei. Erst mit Aufhebung bzw. Änderung dieser Steuerfestsetzung habe ein Erstattungsanspruch zur Tilgung anderer Steueransprüche verwendet werden können. Eine Verrechnung sei daher erst mit Bekanntgabe der korrigierten Steuerfestsetzung möglich gewesen.
Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
Das FG hat der Klage zu Unrecht in Höhe eines Teilbetrages von 24 368,18 € stattgegeben. Die Ablehnung dieses Teilerlasses durch das FA war nicht ermessensfehlerhaft. Die Einziehung der streitigen Nachforderungszinsen ist nicht unbillig i.S. des § 227 AO 1977. Sachliche Billigkeitsgründe, die hier allein in Betracht kommen, sind nicht gegeben.
1. Nach § 227 AO 1977 können die Finanzbehörden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre.
a) Nachforderungszinsen sind Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis i.S. des § 37 Abs. 1 AO 1977, denn sie gehören nach § 3 Abs. 3 AO 1977 zu den steuerlichen Nebenleistungen. Sie können nach § 227 AO 1977 aus Billigkeitsgründen erlassen werden (Senatsurteil vom X R 234/93, BFHE 180, 240, BStBl II 1996, 503, m.w.N.).
b) Die Entscheidung über den Erlass ist eine Ermessensentscheidung der Behörde (Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom GmS-OGB 3/70, BFHE 105, 101, BStBl II 1972, 603) und unterliegt deshalb gemäß § 102 FGO nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle. Im Einzelfall kann der Ermessensspielraum aber so eingeengt sein, dass nur eine Entscheidung ermessensgerecht ist (sog. Ermessensreduzierung auf Null). Ist nur der Erlass eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis ermessensgerecht, kann das Gericht gemäß § 101 Satz 1 FGO die Verpflichtung zum Erlass aussprechen (ständige Rechtsprechung, vgl. zuletzt , BFHE 185, 94, BStBl II 1998, 550, m.w.N.).
2. Das FG hat nach diesem Prüfungsmaßstab zu Unrecht eine Verletzung des Ermessens bejaht und das FA zu einem Teilerlass verurteilt. Die angefochtene Verwaltungsentscheidung lässt weder Rechts- noch Ermessensfehler erkennen. Die Annahme des FA, dass die Erhebung der Nachforderungszinsen zur Einkommensteuer 1991 im Streitfall nicht sachlich unbillig ist, ist rechtsfehlerfrei.
a) Eine Unbilligkeit aus sachlichen Gründen ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH dann anzunehmen, wenn ein Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis zwar nach dem gesetzlichen Tatbestand besteht, seine Geltendmachung aber mit dem Zweck des Gesetzes nicht oder nicht mehr zu rechtfertigen ist und dessen Wertungen zuwiderläuft (vgl. z.B. Senatsurteil vom X R 104/92, BFHE 176, 3, BStBl II 1995, 297, m.w.N.). Umstände, die der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des gesetzlichen Tatbestands bewusst in Kauf genommen hat, können jedoch nicht einen Billigkeitserlass rechtfertigen. Die generelle Geltungsanordnung des Gesetzes darf durch eine Billigkeitsmaßnahme nicht unterlaufen werden.
Diese Grundsätze gelten auch für den Erlass festgesetzter Zinsen nach § 233a AO 1977 (vgl. , BFH/NV 2002, 545, m.w.N.).
b) Zweck der Regelungen in § 233a AO 1977 ist es, einen Ausgleich dafür zu schaffen, dass die Steuern bei den einzelnen Steuerpflichtigen zu unterschiedlichen Zeitpunkten festgesetzt und fällig werden (Begründung zum Gesetzentwurf, BTDrucks 11/2157, S. 194). Liquiditätsvorteile, die dem Steuerpflichtigen oder dem Fiskus aus dem verspäteten Erlass eines Steuerbescheides objektiv oder typischerweise entstanden sind, sollen mit Hilfe der sog. Vollverzinsung ausgeglichen werden (BFH-Urteile in BFHE 185, 94, BStBl II 1998, 550, und vom I R 7/96, BFHE 182, 293, BStBl II 1997, 446). Ob die möglichen Zinsvorteile tatsächlich gezogen worden sind, ist grundsätzlich unbeachtlich.
Für nachträgliche Verschiebungen von Einkünften zwischen verschiedenen Veranlagungszeiträumen hat das im Rahmen des Verzinsungszeitraums gemäß § 233a Abs. 2 AO 1977 zur Folge, dass die zu erstattende Einkommensteuer für das eine Jahr zugunsten des Steuerpflichtigen zu verzinsen ist, während dem Fiskus Zinsen für die Einkommensteuernachforderung des anderen Jahres zustehen. Dabei ist es ohne Bedeutung, ob ein Gewinn in einem früheren oder späteren Veranlagungszeitraum als bisher zu besteuern ist (, BFHE 187, 198).
c) Auch wenn der Zinslauf im Streitfall nur drei Monate betragen hätte, wenn der Veräußerungsgewinn von Anfang an dem „richtigen” Veranlagungszeitraum 1991 zugeordnet und im Zeitpunkt des Ergehens des Vorauszahlungsbescheides für das Jahr 1992 in einem Steuerbescheid für 1991 erfasst worden wäre, war die Ablehnung eines Teilerlasses durch das FA nicht ermessensfehlerhaft (ebenso Anwendungserlass zur Abgabenordnung —AEAO— Zu § 233a Anm. 70.3; Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 233a AO 1977 Rz. 96; Kögel in Beermann/Gosch, Steuerliches Verfahrensrecht, § 233a AO 1977 Rz. 108; Schwarz, Abgabenordnung, § 233a Rz. 27a; Rüsken in Klein, Abgabenordnung, 8. Aufl., § 233a Rz. 55 a.E.; Pahlke/ Koenig, Abgabenordnung, § 233a Rz. 100; Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 233a AO 1977 Rz. 61).
Das FA hat seine ablehnende Entscheidung zu Recht darauf gestützt, dass das Ausklammern von Gewinnverlagerungen aus der Vollverzinsung nach § 233a AO 1977 dem Willen des Gesetzgebers zuwiderlaufen würde. In der öffentlichen Anhörung zum StRG 1990, mit dem die Verzinsung nach § 233a AO 1977 eingeführt worden war, hat der Bundesverband der Deutschen Industrie u.a. eingewendet, dass die Verzinsung auch „bloße Gewinnverlagerungen” —solche sind entgegen der Auffassung der Kläger stets bei nachträglichen Verschiebungen von Einkünften zwischen verschiedenen Veranlagungszeiträumen anzunehmen— erfasse und daher Auseinandersetzungen zwischen Finanzverwaltung und Unternehmen zur Folge haben werde (BTDrucks 11/2536, S. 22). Gleichwohl hat der Gesetzgeber in Kenntnis dieses Umstands an der Verknüpfung der Vollverzinsung nach § 233a AO 1977 mit der jahrgangsbezogenen Steuerfestsetzung festgehalten und keine Sonderregelung für Fälle getroffen, in denen Steuernachforderungen in einem engen sachlichen Zusammenhang mit Steuererstattungen stehen (vgl. bereits Kruse, Finanz-Rundschau —FR— 1988, 1, 10).
d) Aus den BFH-Urteilen vom V R 18/95 (BFHE 180, 524, BStBl II 1997, 259) und in BFHE 187, 198 kann nichts Gegenteiliges abgeleitet werden.
Die Entscheidung in BFHE 180, 524, BStBl II 1997, 259, wonach dem Gesetzesplan des § 233a AO 1977 nicht entnommen werden kann, dass bei einer von den ursprünglichen Steuerfestsetzungen abweichenden zeitlichen Zuordnung eines Umsatzes durch das FA, die gleichzeitig zu einer Steuernachforderung und zu einer Steuererstattung führt, (in Wirklichkeit nicht vorhandene) Zinsvorteile abgeschöpft werden sollen, beruht entscheidend auf den Besonderheiten der Umsatzsteuer. Der BFH hat darauf abgestellt, dass der für das Jahr 1990 eingetretene Liquiditätsvorteil bereits vor Beginn des Zinslaufs nach § 233a AO 1977 für die Umsatzsteuer 1990 durch die Zahlung der höheren Umsatzsteuer für Januar 1991 wieder entfallen sei. Der Kläger habe während des Zinslaufs keinen Liquiditätsvorteil gehabt. Die Änderung der zeitlichen Zuordnung eines Umsatzes sei zudem grundsätzlich aufkommensneutral, während eine Gewinnverlagerung bei der Einkommensteuer regelmäßig nicht zu einer betragsmäßig genau entsprechenden Steuernachforderung bzw. -erstattung führe. Zudem würden sich Vorauszahlungen zur Umsatzsteuer wesentlich von den übrigen in § 233a Abs. 1 Satz 2 AO 1977 genannten Vorauszahlungen unterscheiden. Weil die Umsatzsteuer nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) schon mit Ablauf des jeweiligen Voranmeldungszeitraums entstehe, lägen den Umsatzsteuervorauszahlungen jeweils bereits erfüllte Steuertatbestände zugrunde. Die Einkommensteuer entstehe hingegen erst mit Ablauf des Veranlagungszeitraums; einer Einkommensteuervorauszahlung lägen daher keine bereits erfüllten Steuertatbestände, sondern lediglich prognostizierte Besteuerungsgrundlagen zugrunde.
Die Entscheidung in BFHE 187, 198 beruht auf der Besonderheit, dass zwar die Nachzahlung für den späteren Veranlagungszeitraum (1989) zur Festsetzung von Nachforderungszinsen führte, die korrespondierende Steuererstattung für den Veranlagungszeitraum der ursprünglichen Berücksichtigung des Veräußerungsgewinns (1988) jedoch mangels zeitlicher Anwendbarkeit des erst ab 1989 geltenden § 233a AO 1977 keine Festsetzung von Erstattungszinsen nach sich zog.
e) Zudem haben Steuerpflichtige, die den Gewinn für einen späteren Veranlagungszeitraum erklären, im Regelfall den Steuerbetrag tatsächlich ein Jahr länger zur Verfügung, als wenn der Gewinn von Anfang an dem zutreffenden Jahr zugeordnet worden wäre. Auch im Streitfall ist davon auszugehen, dass das FA —hätten die Kläger den Veräußerungsgewinn unmittelbar nach Aufstellung der steuerlichen Einbringungsbilanz zum Ende September 1992 für den Feststellungszeitraum 1991 erklärt— nachträgliche Vorauszahlungen für 1991 so festgesetzt und erhoben hätte, dass sie dem FA erheblich früher zur Verfügung gestanden hätten.
f) Auch der Gesichtspunkt, dass die Finanzverwaltung sachliche Billigkeitsgründe bejaht, wenn Steuerpflichtige bereits vor Wirksamkeit der Steuerfestsetzung freiwillige Leistungen erbringen und das FA diese Leistungen angenommen und behalten hat (vgl. AEAO, Zu § 233a Anm. 70.1.1), führt im Streitfall nicht zu dem von den Klägern begehrten Erlass der Nachforderungszinsen. Die Kläger haben gerade keine freiwillige Zahlung geleistet, sondern die nachträglich festgesetzte Vorauszahlung für 1992 entrichtet. Mit dieser wirksamen Festsetzung der Vorauszahlung —und später der Jahreseinkommensteuer— für 1992 bestand bis zum Ergehen der Änderungsfestsetzung ein formeller Zahlungsgrund i.S. des § 218 Abs. 1 AO 1977 für die von den Klägern geleistete Zahlung. Erst mit Aufhebung oder Änderung einer Steuerfestsetzung kann ein sich daraus ggf. ergebender Erstattungsanspruch zur Tilgung anderer Steueransprüche, insbesondere im Wege einer Verrechnung, verwendet werden. Diese Verrechnung wirkt aber erst ab Fälligkeit des Erstattungsanspruchs, d.h. ab Bekanntgabe der korrigierten Steuerfestsetzung (§ 220 Abs. 2 Satz 2 AO 1977).
g) Dass das FA im Streitfall nicht verpflichtet war, einen Billigkeitserlass auszusprechen, ergibt sich auch aus Gründen der verfahrensrechtlichen Symmetrie („Waffengleichheit”). Führen nachträgliche Erkenntnisse aufgrund einer Außenprüfung oder im finanzgerichtlichen Verfahren dazu, dass positive Einkünfte in einem späteren Veranlagungszeitraum zu erfassen sind, übersteigen die dem Steuerpflichtigen zu zahlenden Erstattungszinsen die von diesem zu entrichtenden Nachforderungszinsen.
h) Der vom FG angesprochene Gesichtspunkt, wonach es im Streitfall im Hinblick auf die unmittelbare Verrechnung der sich aus der Gewinnverlagerung ergebenden korrespondierenden Zahlungs- und Erstattungsansprüche von vornherein nicht zu einer „Steuernachforderung” i.S. des § 233a Abs. 1 Satz 1 AO 1977 in der Fassung des StRG 1990 komme, kann nicht im Billigkeitsverfahren berücksichtigt werden, weil er bereits die materielle Rechtmäßigkeit der Festsetzung der Nachzahlungszinsen betrifft (vgl. zur Trennung von Festsetzungs- und Billigkeitsverfahren , BFH/NV 2000, 1178, unter II.2.c; , BFH/NV 2003, 1531, unter II.2.b aa, m.w.N.).
i) Schließlich war das FA auch nicht wegen der „Zusage”, das Ergebnis des finanzgerichtlichen Verfahrens in einem gleichgelagerten Fall auf den Streitfall zu übertragen, verpflichtet, einen Billigkeitserlass auszusprechen. Nach der Rechtsprechung des BFH ist zwar anerkannt, dass die Finanzbehörden auch außerhalb einer Außenprüfung eine Zusage geben können, deren Verbindlichkeit aus den Grundsätzen von Treu und Glauben abzuleiten ist (vgl. z.B. , BFHE 159, 114, BStBl II 1990, 274; vom IV R 39/90, BFHE 169, 290, BStBl II 1993, 218; vom III R 159/85, BFH/NV 1989, 420). Aus einer solchen Auskunft können aber Rechtswirkungen nur abgeleitet werden, wenn —unter weiteren Voraussetzungen— der Steuerpflichtige die (verbindliche) Zusage beantragt und das FA eine solche ohne Einschränkung erteilt hat (vgl. BFH in BFHE 169, 290, BStBl II 1993, 218; Tipke/Kruse, a.a.O., Vor § 204 AO 1977 Rz. 14). Im Streitfall fehlt es schon an einem Antrag der Kläger auf verbindliche Auskunft. Ein vom FA mitgeteilter Erledigungsvorschlag (hier: „möchte ich folgendes vorschlagen”) kann daher nicht als verbindliche Auskunft verstanden werden. Zudem wurde die „Zusage” nicht vom Vorsteher oder dem zuständigen Sachgebietsleiter erteilt (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Urteil in 169, 290, BStBl II 1993, 218, unter 2. der Gründe). Davon abgesehen ist das FA nach der Rechtsprechung des BFH nur dann nach Treu und Glauben gebunden, wenn es einem Steuerpflichtigen zusichert, einen konkreten Sachverhalt, dessen steuerrechtliche Beurteilung zweifelhaft erscheint und der für die wirtschaftliche Disposition des Steuerpflichtigen bedeutsam ist, bei der Besteuerung in einem bestimmten Sinne zu beurteilen (vgl. z.B. , BFHE 133, 144, BStBl II 1981, 538, und vom IV R 36/79, BFHE 138, 223, BStBl II 1983, 459). Jedenfalls fehlt es im Streitfall an wirtschaftlichen Dispositionen der Steuerpflichtigen. Infolge des Schreibens des FA haben die Kläger lediglich die außergerichtliche bzw. gerichtliche Weiterverfolgung ihres Begehrens —den Erlass der Nachforderungszinsen aus Billigkeitsgründen— zurückgestellt. Ohne Rechtsverlust konnten sie nach der endgültigen Ablehnung des Billigkeitserlasses durch das FA diesen Antrag weiterverfolgen.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
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Fundstelle(n):
BStBl 2006 II Seite 155
AO-StB 2006 S. 33 Nr. 2
BB 2006 S. 87 Nr. 2
BFH/NV 2006 S. 387 Nr. 2
BStBl II 2006 S. 155 Nr. 5
DB 2006 S. 23 Nr. 1
DStRE 2006 S. 309 Nr. 5
DStZ 2006 S. 62 Nr. 3
GStB 2006 S. 5 Nr. 2
HFR 2006 S. 233 Nr. 3
INF 2006 S. 121 Nr. 4
KÖSDI 2006 S. 14938 Nr. 1
NWB-Eilnachricht Nr. 1/2006 S. 9
NWB-Eilnachricht Nr. 52/2007 S. 4756
SJ 2006 S. 9 Nr. 3
StB 2006 S. 44 Nr. 2
StuB-Bilanzreport Nr. 5/2006 S. 205
AAAAB-73527