EuGH Urteil v. - C-408/98

Vorsteuerabzug für Dienstleistungen bei teilweiser Mehrwertsteuerpflicht (hier: Übertragung eines Gesamtvermögens oder eines Teilvermögens)

Leitsatz

[1] Hat ein Mitgliedstaat von der in Artikel 5 Absatz 8 der Sechsten Richtlinie 77/388 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht, so dass die Übertragung eines Gesamtvermögens oder eines Teilvermögens so behandelt wird, als ob keine Lieferung von Gegenständen vorliegt, so gehören die Ausgaben des Übertragenden für die Dienstleistungen, die er zur Durchführung der Übertragung in Anspruch nimmt, zu seinen allgemeinen Kosten; sie weisen damit grundsätzlich einen direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit seiner gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit auf. Führt der Übertragende sowohl Umsätze aus, für die ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, als auch Umsätze, für die dieses Recht nicht besteht, kann er deshalb gemäß Artikel 17 Absatz 5 der Sechsten Richtlinie 77/388 nur den Teil der Mehrwertsteuer abziehen, der auf den Betrag der erstgenannten Umsätze entfällt. Weisen jedoch die verschiedenen Dienstleistungen, die der Übertragende für die Durchführung der Übertragung in Anspruch genommen hat, einen direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit einem klar abgegrenzten Teil seiner wirtschaftlichen Tätigkeit auf, so dass die Kosten dieser Dienstleistungen zu den allgemeinen Kosten dieses Unternehmensteils gehören, und unterliegen alle Umsätze dieses Unternehmensteils der Mehrwertsteuer, so kann der Steuerpflichtige die gesamte Mehrwertsteuer abziehen, die seine Ausgaben für die Vergütung dieser Dienstleistungen belastet.

( vgl. Randnr. 42 und Tenor )

Gesetze: Richtlinie 77/388 Art. 5 Abs. 8 ; Richtlinie 77/388 Art. 17 Abs. 5

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

1 Der High Court of Justice (England & Wales), Queen's Bench Division (Divisional Court), hat mit Beschluss vom , beim Gerichtshof eingegangen am , gemäß Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) drei Fragen nach der Auslegung des Artikels 5 Absatz 8 und des Artikels 17 Absatz 2 Buchstabe a der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1, im Folgenden: Sechste Richtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen der Abbey National plc (im Folgenden, Abbey National) und den Commissioners of Customs & Excise (Behörde für indirekte Abgaben; im Folgenden: Commissioners) wegen des Vorsteuerabzugs für die Honorare für Dienstleistungen, die zur Durchführung einer Grundstücksübertragung mit Fortsetzung der Nutzung (as a going concern") in Anspruch genommen wurden.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

3 Gemäß Artikel 2 Absatz 2 der Ersten Richtlinie 67/227/EWG des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer (ABl. S. 1301, im Folgenden: Erste Richtlinie) wird bei allen Umsätzen... die Mehrwertsteuer, die nach dem auf den Gegenstand oder die Dienstleistung anwendbaren Steuersatz auf den Preis des Gegenstands oder der Dienstleistung errechnet wird, abzüglich des Mehrwertsteuerbetrags geschuldet, der die verschiedenen Kostenelemente unmittelbar belastet hat".

4 Nach Artikel 2 Nummer 1 der Sechsten Richtlinie unterliegen der Mehrwertsteuer die Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt.

5 Artikel 5 Absatz 8 der Sechsten Richtlinie lautet:

Die Mitgliedstaaten können die Übertragung des Gesamtvermögens oder eines Teilvermögens, die entgeltlich oder unentgeltlich oder durch Einbringung in eine Gesellschaft erfolgt, so behandeln, als ob keine Lieferung von Gegenständen vorliegt[,] und den Begünstigten der Übertragung als Rechtsnachfolger des Übertragenden ansehen. Die Mitgliedstaaten treffen gegebenenfalls die erforderlichen Maßnahmen, um Wettbewerbsverzerrungen für den Fall zu vermeiden, dass der Begünstigte nicht voll steuerpflichtig ist."

6 Gemäß Artikel 13 Teil C Absatz 1 Buchstabe a können die Mitgliedstaaten ihren Steuerpflichtigen das Recht einräumen, für eine Besteuerung zu optieren... bei der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken".

7 Artikel 17 Absatz 2 Buchstabe a der Sechsten Richtlinie bestimmt:

Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige befugt, von der von ihm geschuldeten Steuer folgende Beträge abzuziehen:

a) die geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert wurden oder geliefert werden bzw. erbracht wurden oder erbracht werden."

8 Soweit ein Steuerpflichtiger Gegenstände und Dienstleistungen sowohl für Umsätze verwendet, für die ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, als auch für Umsätze, für die dieses Recht nicht besteht, ist gemäß Artikel 17 Absatz 5 Unterabsatz 1 der Sechsten Richtlinie der Vorsteuerabzug nur für den Teil der Mehrwertsteuer zulässig, der auf den Betrag der erstgenannten Umsätze entfällt". Nach Artikel 17 Absatz 5 Unterabsatz 2 der Sechsten Richtlinie wird dieser Pro-rata-Satz... nach Artikel 19 für die Gesamtheit der vom Steuerpflichtigen bewirkten Umsätze festgestellt".

Nationales Recht

9 Laut dem Vorlagebeschluss erließ das Vereinigte Königreich, das von der in Artikel 5 Absatz 8 der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch machte, u. a. Regulation 5 (1) der Value Added Tax (Special Provisions) Order (Verordnung mit besonderen Vorschriften über die Mehrwertsteuer, SI 1995, S. 1268, im Folgenden: Regulation 5 (1), der Value Added Tax (Special Provisions) Order (SI 1992, S. 3129) ersetzte. Überträgt eine Person einen Betrieb oder den Teil eines Betriebes und wird der Betrieb fortgeführt (as a going concern"), so gilt die Übertragung gemäß Regulation 5 (1) weder als Lieferung von Gegenständen noch als Dienstleistung. Nach der Bestimmung muss der Begünstigte der Übertragung die übertragenen Sachen für einen Betrieb derselben Art wie der Übertragende nutzen und selbst steuerpflichtig sein oder unmittelbar werden; wird der Teil eines Betriebes übertragen, muss dieser gesondert nutzbar sein.

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

10 Die Scottish Mutual Assurance plc (im Folgenden: Scottish Mutual), eine Lebensversicherungsgesellschaft, ist eine 100%ige Tochtergesellschaft von Abbey National, die sie in Mehrwertsteuerangelegenheiten vertritt.

11 Neben ihrem Versicherungsgeschäft verpachtet Scottish Mutual Gewerbeimmobilien. Im Rahmen dieser Tätigkeit hatte sie für die Dauer von 125 Jahren das Geschäftsgebäude Atholl House in Aberdeen gepachtet, das sie an Gewerbetreibende weiterverpachtete. Gemäß den Rechtsvorschriften des Vereinigten Königreichs zur Umsetzung von Artikel 13 Teil C Absatz 1 Buchstabe a der Sechsten Richtlinie hatte Scottish Mutual dafür optiert, für die von ihr für Atholl House vereinnahmten Mieten Mehrwertsteuer in Rechnung zu stellen, und konnte so die gesamte Vorsteuer für die Kosten, die ihr aus dem Besitz des Gebäudes entstanden, zurückerlangen.

12 Mit Vertrag vom verkaufte Scottish Mutual ihre Rechte aus dem Pachtvertrag über 125 Jahre und aus den Mietverträgen für 5,4 Millionen GBP an ein konzernfremdes Unternehmen. Die Commissioners waren der Auffassung, dass der Verkauf eine Übertragung unter Fortführung des Betriebs im Sinne von Regulation 5 (1) sei, dass die weiteren Voraussetzungen dieses Artikels erfuellt seien und dass deshalb keine Mehrwertsteuer auf den Verkaufspreis anfalle.

13 Um den Verkauf durchzuführen, nahm Scottish Mutual verschiedene Dienstleistungen in Anspruch und zahlte für sie Honorare, für die sie 4 365 GBP Mehrwertsteuer entrichten musste.

14 Da die Commissioners den Vorsteuerabzug für diese Ausgaben nur teilweise zuließen, Abbey National ihn aber in voller Höhe beanspruchte, erhob diese Klage beim VAT and Duties Tribunal in London (Vereinigtes Königreich). Die Klage wurde mit Entscheidung vom 9. Juni 1997 abgewiesen. Dagegen legte Abbey National Berufung beim High Court of Justice ein.

15 Der High Court of Justice hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Sind wegen der Worte den Begünstigten der Übertragung als Rechtsnachfolger des Übertragenden ansehen" in Artikel 5 Absatz 8 der Sechsten Richtlinie unter Berücksichtigung von deren Artikel 17 Absatz 2 die Lieferungen des Begünstigten für die Zwecke des Vorsteuerabzugs des Übertragenden so zu behandeln, als habe sie der Übertragende erbracht?

2. Kann der Steuerpflichtige, wenn ein Mitgliedstaat kraft nationalen, gemäß Artikel 5 Absatz 8 der Sechsten Richtlinie erlassenen Rechts die Übertragung des Gesamtvermögens oder eines Teilvermögens" so behandelt, als liege weder eine Lieferung von Gegenständen noch eine Erbringung von Dienstleistungen vor, bei richtiger Auslegung der Artikel 5 Absatz 8 und 17 Absatz 2 die gesamte für Übertragungskosten angefallene Vorsteuer abziehen, wenn er ohne Anwendung des Artikels 5 Absatz 8 Mehrwertsteuer für die Übertragung in Rechnung stellen müßte?

3. Ist Vorsteuer für eine Zahlung im Zusammenhang mit der Beendigung einer wirtschaftlichen Tätigkeit abzugsfähig, wenn diese Tätigkeit des Übertragenden vor der unter Artikel 5 Absatz 8 fallenden Übertragung in vollem Umfang steuerbar war?

Zu den Vorlagefragen

16 Mit diesen drei Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob der Übertragende, wenn ein Mitgliedstaat von der in Artikel 5 Absatz 8 der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, so dass die Übertragung eines Gesamtvermögens oder eines Teilvermögens so behandelt wird, als ob keine Lieferung von Gegenständen vorliegt, die Vorsteuer für Ausgaben für solche Dienstleistungen abziehen kann, die für die Durchführung der Übertragung in Anspruch genommen wurden.

Vorbringen der Parteien

17 Nach Ansicht von Abbey National darf bei Übertragung eines Gesamtvermögens oder eines Teilvermögens der Übertragende die Vorsteuer abziehen, die für seine Ausgaben für die zur Durchführung der Übertragung erlangten Dienstleistungen angefallen ist.

18 Wenn sowohl der Übertragende als auch der Begünstigte der Übertragung - der eine vor dieser, der andere danach - die Aktiva des übertragenen Betriebes zur Erbringung in vollem Umfang steuerpflichtiger Lieferungen nutzten, dürfe der Übertragende gemäß Artikel 5 Absatz 8 der Sechsten Richtlinie die steuerpflichtigen Lieferungen des Erwerbers so berücksichtigen, dass er die gesamte Vorsteuer zurückerlange. Obwohl also kein steuerbarer Umsatz als solcher vorliege, bestehe, was die gezahlte Vorsteuer anbelange, ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang mit der steuerpflichtigen wirtschaftlichen Nutzung der übertragenen Aktiva durch den Begünstigten fort.

19 Die niederländische Regierung führt aus, dass dann, wenn sich ein Mitgliedstaat für die Anwendung von Artikel 5 Absatz 8 der Sechsten Richtlinie entscheide, von den an sich steuerpflichtigen, im Rahmen der Übertragung eines Gesamt- oder Teilvermögens erbrachten Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen abstrahiert" werde. Eine solche für die Zwecke der Mehrwertsteuererhebung neutrale" Ersetzung eines Steuerpflichtigen durch einen anderen könne nur mit der gewöhnlichen wirtschaftlichen Tätigkeit des Übertragenden in Zusammenhang gebracht werden. Diese wirtschaftliche Tätigkeit müsse auch maßgebend sein für das Recht zum Vorsteuerabzug hinsichtlich der Ausgaben, die er zur Durchführung der Übertragung geleistet habe. Habe der Steuerpflichtige nur steuerfreie Umsätze, so bestehe kein Abzugsrecht. Habe er sowohl besteuerte als auch steuerfreie Umsätze, so sei die Pro-rata-Regel gemäß Artikel 17 Absatz 5 und Artikel 19 der Sechsten Richtlinie anzuwenden. Wenn die gewöhnliche wirtschaftliche Tätigkeit des Übertragenden vor einer Übertragung im Sinne von Artikel 5 Absatz 8 der Sechsten Richtlinie vollständig besteuert worden sei, so sei die Vorsteuer für die zur Beendigung dieser Tätigkeit geleisteten Ausgaben abzugsfähig.

20 Die Regierung des Vereinigten Königreichs meint, da die Ausgaben für die Durchführung der Übertragung für Zwecke eines Umsatzes gemacht worden seien, der nicht besteuert worden sei, könne der Abzug der für diese Ausgaben entrichteten Vorsteuer nicht beansprucht werden. Die gegenteilige Lösung würde die Neutralität der Mehrwertsteuer beeinträchtigen, da dem Steuerpflichtigen dann für ein und denselben Umsatz der finanzielle Vorteil eines Vorsteuerabzugs ohne die entsprechende Pflicht zugute käme, für den Umsatz Mehrwertsteuer zu berechnen.

21 Hilfsweise führt die Regierung des Vereinigten Königreichs aus, dass Ausgaben wegen der Beendigung einer steuerpflichtigen Tätigkeit im Rahmen einer wirtschaftlichen Haupttätigkeit, die sowohl steuerpflichtige als auch steuerfreie Lieferungen umfasse, als allgemeine Kosten betrachtet werden könnten. Da es sich um eine nicht zuordenbare Vorsteuer handele, sei ihr abzugsfähiger Teil nach einer gemäß Artikel 17 Absatz 5 der Sechsten Richtlinie zulässigen Methode zu bestimmen.

22 Nach Meinung der Kommission ist zu prüfen, ob die vom Übertragenden für die Durchführung der Übertragung in Anspruch genommenen Dienstleistungen einen hinreichend direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit einer steuerpflichtigen wirtschaftlichen Tätigkeit aufwiesen. Insoweit lasse sich Artikel 5 Absatz 8 der Sechsten Richtlinie entnehmen, dass bei der Übertragung eines Gesamt- oder Teilvermögens keine Lieferung von Gegenständen erfolge und dass dieselbe wirtschaftliche Tätigkeit fortgeführt werde. Die Ausgaben zur Vergütung der fraglichen Dienstleistungen seien deshalb für Zwecke dieser Tätigkeit verausgabte Kosten, d. h. allgemeine Kosten der übertragenen Tätigkeit.

23 Zur Anwendung von Artikel 17 Absatz 5 der Sechsten Richtlinie führt die Kommission indessen nur aus, dass die Ausgaben für die fraglichen Dienstleistungen entweder als allgemeine Kosten der übertragenen wirtschaftlichen Tätigkeit angesehen werden könnten, womit der Übertragende die auf ihnen lastende Mehrwertsteuer voll abziehen dürfe, oder aber als allgemeine Kosten der gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit des Übertragenden.

Würdigung durch den Gerichtshof

24 Durch die Regelung über den Vorsteuerabzug soll der Unternehmer vollständig von der im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuer entlastet werden. Das gemeinsame Mehrwertsteuersystem gewährleistet daher völlige Neutralität hinsichtlich der steuerlichen Belastung aller wirtschaftlichen Tätigkeiten unabhängig von ihrem Zweck und ihrem Ergebnis, sofern diese Tätigkeiten selbst der Mehrwertsteuer unterliegen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom in der Rechtssache 268/83, Rompelman, Slg. 1985, 655, Randnr. 19, vom in der Rechtssache C-37/95, Ghent Coal Terminal, Slg. 1998, I-1, Randnr. 15, vom in den verbundenen Rechtssachen C-110/98 und C-147/98, Gabalfrisa u. a., Slg. 2000, I-1577, Randnr. 44, und vom in der Rechtssache C-98/98, Midland Bank, Slg. 2000, I-4177, Randnr. 19).

25 Artikel 17 Absatz 5 der Sechsten Richtlinie, der bei der Auslegung des Absatzes 2 dieser Bestimmung zu beachten ist, regelt das Recht auf Abzug der Mehrwertsteuer auf Eingangsumsätze, die von dem Steuerpflichtigen sowohl für Umsätze verwendet werden, für die nach den Absätzen 2 und 3 ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, als auch für Umsätze, für die dieses Recht nicht besteht". Die Verwendung der Worte verwendet werden" in dieser Bestimmung zeigt, dass das in Absatz 2 vorgesehene Recht auf Vorsteuerabzug nur entsteht, wenn die bezogenen Gegenstände oder Dienstleistungen direkt und unmittelbar mit Ausgangsumsätzen, die das Recht auf Vorsteuerabzug eröffnen, zusammenhängen, und dass dabei der vom Steuerpflichtigen letztlich verfolgte Zweck unerheblich ist (vgl. Urteil vom in der Rechtssache C-4/94, BLP Group, Slg. 1995, I-983, Randnrn. 18 und 19, und Urteil Midland Bank, Randnr. 20).

26 Wie der Gerichtshof in Randnummer 24 des Urteils Midland Bank entschieden hat, muss nach Artikel 2 der Ersten Richtlinie und Artikel 17 Absätze 2, 3 und 5 der Sechsten Richtlinie grundsätzlich ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren Ausgangsumsätzen, die das Recht auf Vorsteuerabzug eröffnen, bestehen, damit der Steuerpflichtige zum Vorsteuerabzug berechtigt ist und der Umfang dieses Rechts bestimmt werden kann.

27 Nach dem Grundprinzip des Mehrwertsteuersystems, das sich aus Artikel 2 der Ersten und Artikel 2 der Sechsten Richtlinie ergibt, wird die Mehrwertsteuer auf jeden Produktions- oder Vertriebsvorgang erhoben, abzüglich der Mehrwertsteuer, mit der die verschiedenen Kostenelemente unmittelbar belastet worden sind (Urteil Midland Bank, Randnr. 29).

28 Nach diesem Prinzip und dem Grundsatz, dass ein Recht auf Vorsteuerabzug nur entsteht, wenn die bezogenen Gegenstände oder Dienstleistungen direkt und unmittelbar mit besteuerten Umsätzen zusammenhängen, setzt das Recht auf Abzug der für diese Gegenstände oder Dienstleistungen entrichteten Mehrwertsteuer voraus, dass die für den Bezug dieser Leistungen getätigten Aufwendungen zu den Kostenelementen der besteuerten Umsätze gehören. Die Aufwendungen müssen somit Teil der Kosten der Ausgangsumsätze sein, für die die Gegenstände und Dienstleistungen verwendet werden. Daher müssen die Kostenelemente in der Regel entstanden sein, bevor der Steuerpflichtige die besteuerten Umsätze ausführt, denen sie zuzurechnen sind (Urteil Midland Bank, Randnr. 30).

29 Es ist demgemäß zu prüfen, ob ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen den verschiedenen Dienstleistungen, die der Übertragende zur Durchführung der Übertragung eines Gesamtvermögens oder eines Teilvermögens in Anspruch nimmt, und einem oder mehreren besteuerten Ausgangsumsätzen besteht.

30 Gemäß Artikel 5 Absatz 8 der Sechsten Richtlinie können die Mitgliedstaaten die Übertragung eines Gesamtvermögens oder eines Teilvermögens so behandeln, als ob keine Lieferung von Gegenständen vorliegt, und den Begünstigten der Übertragung als Rechtsnachfolger des Übertragenden ansehen. Wenn ein Mitgliedstaat von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, ist die Übertragung eines Gesamtvermögens oder eines Teilvermögens folglich nicht als eine Lieferung von Gegenständen im Sinne der Sechsten Richtlinie anzusehen. Nach Artikel 2 der Sechsten Richtlinie unterliegt eine solche Übertragung damit nicht der Mehrwertsteuer und ist deshalb kein besteuerter Umsatz im Sinne von Artikel 17 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie.

31 Da gemäß Artikel 5 Absatz 8 der Sechsten Richtlinie der Begünstigte der Übertragung als Rechtsnachfolger des Übertragenden angesehen wird, kann jedoch nach Auffassung von Abbey National der Übertragende die steuerpflichtigen Lieferungen des Begünstigten berücksichtigen, um in voller Höhe die Vorsteuer abzuziehen, die die Ausgaben für die zur Durchführung der Übertragung in Anspruch genommenen Dienstleistungen belastet.

32 Dem kann nicht gefolgt werden. Zum einen ergibt sich aus Artikel 17 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie, dass ein Steuerpflichtiger die Mehrwertsteuer nur für die Gegenstände und Dienstleistungen abziehen kann, die für Zwecke seiner eigenen besteuerten Umsätze verwendet werden. Zum anderen belastet jedenfalls der Mehrwertsteuerbetrag, den der Übertragende auf die Ausgaben für beanspruchte Dienstleistungen zur Durchführung der Übertragung eines Gesamtvermögens oder eines Teilvermögens entrichtet hat, nicht unmittelbar die verschiedenen Kostenelemente der Ausgangsumsätze des Begünstigten der Übertragung, wie es nach Artikel 2 der Ersten Richtlinie erforderlich ist. Diese Ausgaben gehören nämlich nicht zu den Kosten der Ausgangsumsätze, für die die erworbenen Gegenstände und Dienstleistungen verwendet werden.

33 Gleichfalls nicht stichhaltig ist das Vorbringen von Abbey National, wenn es sich bei der Transaktion um die gewöhnliche Übertragung der Aktiva eines Unternehmens und damit um einen steuerbaren Umsatz gehandelt hätte, hätte Scottish Mutual die Mehrwertsteuer für die Ausgaben für die verschiedenen Dienstleistungen zur Durchführung der Übertragung gemäß Artikel 17 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie abziehen können. Dass die Übertragung eines Gesamtvermögens oder eines Teilvermögens für die Zwecke dieses Artikels keinen besteuerten Umsatz darstellt, ist zwingende Folge des Umstands, dass sich der betroffene Mitgliedstaat für die Anwendung von Artikel 5 Absatz 8 der Sechsten Richtlinie entschieden hat und dass deshalb die Übertragung nicht als eine Lieferung von Gegenständen angesehen wird. Es ist deshalb unerheblich, ob die Übertragung der Unternehmensaktiva einen zum Abzug der fraglichen Ausgaben berechtigenden steuerbaren Umsatz dargestellt hätte, wenn der Mitgliedstaat von der in diesem Artikel vorgesehenen Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht hätte.

34 Demnach weisen die verschiedenen Dienstleistungen, die der Übertragende zur Durchführung der Übertragung eines Gesamtvermögens oder eines Teilvermögens in Anspruch nimmt, keinen direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit einem oder mehreren Ausgangsumsätzen auf, die das Recht zum Vorsteuerabzug eröffneten.

35 Die Kosten dieser Dienstleistungen gehören jedoch zu den allgemeinen Kosten des Steuerpflichtigen und gehen als solche in den Preis der Produkte eines Unternehmens ein. Selbst im Fall der Übertragung eines Gesamtvermögens, in dem der Steuerpflichtige nach der Inanspruchnahme der fraglichen Dienstleistungen keine Umsätze mehr tätigt, sind nämlich die Kosten für diese Dienstleistungen als Bestandteil der gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit des Unternehmens vor der Übertragung anzusehen. Eine andere Auslegung von Artikel 17 der Sechsten Richtlinie liefe dem Grundsatz zuwider, dass das Mehrwertsteuersystem völlige Neutralität hinsichtlich der steuerlichen Belastung aller wirtschaftlichen Tätigkeiten eines Unternehmens gewährleistet, sofern diese der Mehrwertsteuer unterliegen, und belastete den Wirtschaftsteilnehmer mit den Mehrwertsteuerkosten seiner wirtschaftlichen Tätigkeit, ohne dass er sie abziehen könnte (vgl. in diesem Sinne Urteil Gabalfrisa u. a., Randnr. 45). Damit würde zwischen Ausgaben für die Zwecke eines Unternehmens vor der tatsächlichen Aufnahme seiner Tätigkeit sowie während dieser Tätigkeit und Ausgaben zum Zweck der Beendigung dieser Tätigkeit willkürlich unterschieden.

36 Die Dienstleistungen, die der Übertragende für die Zwecke der Übertragung eines Gesamtvermögens oder eines Teilvermögens in Anspruch nimmt, weisen deshalb grundsätzlich einen direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit der gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit dieses Steuerpflichtigen auf.

37 Gemäß Artikel 17 Absatz 5 der Sechsten Richtlinie kann ein Steuerpflichtiger, der sowohl Umsätze ausführt, für die ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, als auch Umsätze, für die dieses Recht nicht besteht, den Vorsteuerabzug nur für den Teil der Mehrwertsteuer vornehmen, der auf den Betrag der erstgenannten Umsätze entfällt.

38 Wie jedoch der Gerichtshof in Randnummer 26 des Urteils Midland Bank entschieden hat, kann ein Steuerpflichtiger, der sowohl Umsätze tätigt, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, als auch solche, die nicht dazu berechtigen, dennoch die Mehrwertsteuer abziehen, mit der die von ihm bezogenen Gegenstände oder Dienstleistungen belastet sind, sofern diese Leistungen mit den Ausgangsumsätzen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, direkt und unmittelbar zusammenhängen, ohne dass es darauf ankommt, ob Absatz 2, 3 oder 5 des Artikels 17 der Sechsten Richtlinie anzuwenden ist.

39 Diese Regel gilt auch für die Kosten von Gegenständen und Dienstleistungen, die zu den allgemeinen Kosten eines Teils der wirtschaftlichen Tätigkeit eines Steuerpflichtigen gehören, der klar abgegrenzt ist und dessen sämtliche Umsätze der Mehrwertsteuer unterliegen, denn damit weisen diese Gegenstände und Dienstleistungen einen direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit diesem Teil seiner wirtschaftlichen Tätigkeit auf.

40 Wenn die verschiedenen Dienstleistungen, die der Übertragende zur Durchführung der Übertragung eines Gesamtvermögens oder eines Teilvermögens in Anspruch nimmt, einen direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit einem klar abgegrenzten Teil seiner wirtschaftlichen Tätigkeit aufweisen, so dass die Kosten dieser Dienstleistungen zu den allgemeinen Kosten dieses Unternehmensteils gehören, und wenn alle Umsätze aus diesem Tätigkeitsbereich der Mehrwertsteuer unterliegen, so kann der Steuerpflichtige die gesamte Mehrwertsteuer abziehen, die seine Ausgaben für die Vergütung dieser Dienstleistungen belastet.

41 Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, festzustellen, ob diese Kriterien im Ausgangssachverhalt erfuellt sind.

42 Auf die Vorlagefragen ist deshalb wie folgt zu antworten: Hat ein Mitgliedstaat von der in Artikel 5 Absatz 8 der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht, so dass die Übertragung eines Gesamtvermögens oder eines Teilvermögens so behandelt wird, als ob keine Lieferung von Gegenständen vorliegt, so gehören die Ausgaben des Übertragenden für die Dienstleistungen, die er zur Durchführung der Übertragung in Anspruch nimmt, zu seinen allgemeinen Kosten; sie weisen damit grundsätzlich einen direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit seiner gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit auf. Führt der Übertragende sowohl Umsätze aus, für die ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, als auch Umsätze, für die dieses Recht nicht besteht, kann er deshalb gemäß Artikel 17 Absatz 5 der Sechsten Richtlinie nur den Teil der Mehrwertsteuer abziehen, der auf den Betrag der erstgenannten Umsätze entfällt. Weisen jedoch die verschiedenen Dienstleistungen, die der Übertragende für die Durchführung der Übertragung in Anspruch genommen hat, einen direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit einem klar abgegrenzten Teil seiner wirtschaftlichen Tätigkeit auf, so dass die Kosten dieser Dienstleistungen zu den allgemeinen Kosten dieses Unternehmensteils gehören, und unterliegen alle Umsätze dieses Unternehmensteil der Mehrwertsteuer, so kann der Steuerpflichtige die gesamte Mehrwertsteuer abziehen, die seine Ausgaben für die Vergütung dieser Dienstleistungen belastet.

Kostenentscheidung:

Kosten

43 Die Auslagen der Regierung des Vereinigten Königreichs, der niederländischen Regierung und der Kommission, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Fundstelle(n):
BFH/NV-Beilage 2001 S. 48 Nr. 1
QAAAB-72794

1Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg