Abtretung der Rechte aus Kaufangebot
Leitsatz
Der Grunderwerbsteuer unterliegt u. a. die Abtretung der Rechte aus einem Kaufangebot, soweit es sich auf ein inländisches Grundstück bezieht, wenn kein Rechtsgeschäft vorausgegangen ist, das den Anspruch auf diese Abtretung begründet hat. Dieser Tatbestand ist nicht nur dann erfüllt, wenn derjenige, dem ein Kaufangebot unterbreitet wurde, die daraus resultierenden Rechte an einen Dritten abtritt, sondern auch dann, wenn das Kaufangebot alternativ an den Angebotsempfänger oder einen von diesem zu benennenden Dritten gerichtet ist und der Dritte das Kaufangebot infolge der Benennung durch den Angebotsempfänger (unmittelbar) annimmt.
Eine Verwertung des Kaufangebots, die den eigenen wirtschaftlichen Interessen des Benennungsberechtigten nützt, reicht aus, um auch das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal des § 1 Abs. 1 Nr. 7 GrEStG zu erfüllen. Der Benennungsberechtigte muss wie ein Eigentümer oder Zwischenhändler verfahren und sich einen Vorteil aus der Weitergabe des Grundstücks verschaffen wollen.
Gesetze: GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 7
Instanzenzug: GrE (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), ein Kreditinstitut, hatte dem Kaufmann S ein Darlehen über 4,5 Mio. DM zur Errichtung eines Gebäudes, das bereits in 18 Wohnungseigentumsrechte aufgeteilt war, gewährt. Das Darlehen war an allen Wohnungseigentumsrechten dinglich gesichert. Über das Vermögen des S wurde Ende 1997 das Konkursverfahren eröffnet; die Eigentumswohnungen waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht vollständig fertig gestellt. Der Konkursverwalter gab das Gesamtobjekt aufgrund der Höhe der dinglichen Belastungen frei.
Am gab S eine notariell beurkundete Erklärung ab. Darin bot er der Klägerin unwiderruflich und zunächst befristet bis zum den Abschluss eines Kaufvertrags über die neun sich noch in seinem Eigentum befindlichen Eigentumswohnungen an. Das Angebot sollte auch von einer durch die Klägerin zu benennenden dritten Person, zu einem höheren als dem im Vertrag genannten Kaufpreis (2 000 DM/qm, insgesamt 1 390 540 DM) und auf einzelne Eigentumswohnungen beschränkt angenommen werden können. Zur Sicherung der Klägerin oder der durch diese zu benennenden Person sollte eine Auflassungsvormerkung eingetragen werden, die tatsächlich zugunsten der Klägerin eingetragen wurde. Der Kaufpreisanspruch wurde —unabhängig davon, ob die Klägerin das Angebot selbst annehmen oder durch Dritte annehmen lassen würde— vorweg an die Klägerin abgetreten.
Am schloss die Klägerin mit den Eheleuten K einen notariell beurkundeten, als „Kaufvertrag” bezeichneten Vertrag. Darin nahmen die Eheleute K „als die von der…(Klägerin) benannten dritten Personen” das Angebot des S auf Abschluss eines Kaufvertrags hinsichtlich der Wohnung Nr. 4 an. Der Kaufpreis für die 61 qm große Wohnung sollte 215 000 DM (3 525 DM/qm) betragen. Die Klägerin trat ihre Rechte aus der Auflassungsvormerkung an die Eheleute K ab.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) setzte nicht nur gegen die Eheleute K, sondern auch gegen die Klägerin Grunderwerbsteuer fest. Das FA sah insoweit den Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 7 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) als erfüllt an.
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 1266 veröffentlicht.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 1 Abs. 1 Nr. 7 GrEStG, ferner erhebt sie Verfahrensrügen.
Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil, den Grunderwerbsteuerbescheid und die Einspruchsentscheidung aufzuheben.
Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
Zwar hat das FG das Vorliegen der geschriebenen Tatbestandsmerkmale des § 1 Abs. 1 Nr. 7 GrEStG zu Recht bejaht. Seine Feststellungen tragen aber nicht seine Würdigung, auch das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der Verwertung des Kaufangebots zur Verfolgung eigener wirtschaftlicher Interessen der Klägerin sei erfüllt. Die Feststellungen des FG ergeben auch keine Verwertungsbefugnis (§ 1 Abs. 2 GrEStG).
1. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 7 GrEStG unterliegt der Grunderwerbsteuer u.a. die Abtretung der Rechte aus einem Kaufangebot, soweit es sich auf ein inländisches Grundstück bezieht, wenn kein Rechtsgeschäft vorausgegangen ist, das den Anspruch auf diese Abtretung begründet hat.
Dieser Tatbestand ist nach ständiger Rechtsprechung nicht nur dann erfüllt, wenn derjenige, dem ein Kaufangebot unterbreitet wurde, die daraus resultierenden Rechte an einen Dritten abtritt, sondern auch dann, wenn das Kaufangebot alternativ an den Angebotsempfänger oder einen von diesem zu benennenden Dritten gerichtet ist und der Dritte das Kaufangebot infolge der Benennung durch den Angebotsempfänger (unmittelbar) annimmt (sog. „Oder-Angebot”, grundlegend , BFHE 113, 474, BStBl II 1975, 86; zuletzt , BFHE 201, 319, BStBl II 2003, 356, unter II.2.; ebenso bereits Urteil des Reichsfinanzhofs vom GrS 1/22, RFHE 9, 19, 23 und Begründung zum GrEStG 1940, RStBl 1940, 387, 391).
Vorliegend hat S der Klägerin ein rechtswirksames Kaufangebot über ein inländisches Grundstück unterbreitet, die Klägerin hat die Rechte aus diesem Angebot an die Eheleute K abgetreten, indem sie diese als Annehmende benannt hat (vgl. dazu auch , BFHE 191, 419, BStBl II 2000, 359), und der Kaufvertrag ist zwischen S und den Eheleuten K tatsächlich zustande gekommen (vgl. dazu , BFHE 106, 367, BStBl II 1972, 828, unter 2.). Damit sind alle in § 1 Abs. 1 Nr. 7 GrEStG genannten Tatbestandsmerkmale erfüllt.
Auf das Vorbringen der Klägerin, sie habe das Angebot nie in eigener Person annehmen wollen, kommt es nicht an, da nach ständiger Rechtsprechung der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 7 GrEStG selbst dann erfüllt ist, wenn eine Annahme des Angebots durch den Benennungsberechtigten in eigener Person schon zivilrechtlich ausgeschlossen ist (BFH-Urteile in BFHE 113, 474, BStBl II 1975, 86; vom II R 89/89, BFHE 170, 468, BStBl II 1993, 453, und in BFHE 191, 419, BStBl II 2000, 359), was hier noch nicht einmal der Fall ist.
Das weitere Vorbringen der Revision, die notarielle Erklärung des S vom sei entgegen ihrem Wortlaut schon zivilrechtlich nicht als Kaufangebot zugunsten der Klägerin, sondern lediglich als Einräumung einer Vertretungsmacht zur Vermittlung der Grundstücke auszulegen, zeigt keine Gründe auf, die zum Wegfall der Bindung des Senats an die durch das FG vorgenommene Vertragsauslegung (§ 118 Abs. 2 FGO) führen können. Denn der Wille der Klägerin —und damit des von ihr zur Abgabe der Erklärung bestimmten S— kann nicht darauf gerichtet gewesen sein, lediglich als Vertreterin des S zu fungieren, weil dann die von ihr angestrebte Wirkung, dritte Gläubiger von der Eintragung weiterer dinglicher Belastungen auszuschließen, nicht erreichbar gewesen wäre. Aus demselben Grund beruhte die der Klägerin eingeräumte Rechtsmacht auch nicht etwa auf einem Scheingeschäft, das nach § 117 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) als nichtig anzusehen wäre und Dritte nicht an der Eintragung weiterer Belastungen gehindert hätte. Vielmehr war gerade diese Rechtsmacht der Klägerin für den Eintritt der erstrebten zivilrechtlichen Wirkungen erforderlich und daher auch von den Beteiligten gewollt.
2. Die höchstrichterliche Rechtsprechung fasst einen Lebenssachverhalt nur dann unter § 1 Abs. 1 Nr. 7 GrEStG, wenn zusätzlich ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal erfüllt ist, das sich aus der Zielsetzung der Vorschrift ergibt, den „Handel mit Kaufangeboten” erfassen zu wollen (, BFHE 158, 135, BStBl II 1989, 984, unter II.2.). Das FG hat den Sachverhalt insoweit dahin gehend gewürdigt, dass die Klägerin in Verfolgung eigener wirtschaftlicher Interessen gehandelt habe. Diese Würdigung wird indes nicht durch hinreichende tatsächliche Feststellungen getragen.
a) Im Ausgangspunkt zutreffend geht das FG davon aus, dass eine Verwertung des Kaufangebots, die den eigenen wirtschaftlichen Interessen des Benennungsberechtigten nützt, ausreicht, um auch das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal des § 1 Abs. 1 Nr. 7 GrEStG zu erfüllen (vgl. , BFHE 130, 428, BStBl II 1980, 525). Dabei ist unter der Verfolgung wirtschaftlicher Interessen die Möglichkeit zu verstehen, bei der Weitergabe des Grundstücks unter Ausnutzung der Rechtsstellung als Benennungsberechtigter wirtschaftliche Vorteile aus dem Handel mit einem Grundstück zu ziehen. Der Benennungsberechtigte muss wie ein Eigentümer oder Zwischenhändler verfahren und sich einen Vorteil aus der Weitergabe des Grundstücks verschaffen wollen (BFH-Urteil in BFHE 201, 319, BStBl II 2003, 356, unter II.3.a).
Dies ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung hauptsächlich dann bejaht worden, wenn der Benennungsberechtigte die —sonst dem Veräußerer gegebene— Möglichkeit ausgenutzt hat, den Benannten zum Abschluss weiterer Verträge zu bestimmen (BFH-Urteile in BFHE 130, 428, BStBl II 1980, 525: Bauerrichtungsvertrag; vom II R 109/80, BFHE 135, 90, BStBl II 1982, 269, unter 1.a: Kaufvertrag über ein Fertighaus; in BFHE 158, 135, BStBl II 1989, 984, unter II.2.: Dienst- und Baubetreuungsverträge, und in BFHE 170, 468, BStBl II 1993, 453: Treuhand- und Steuerberatungsvertrag). Umgekehrt reicht das allgemeine Interesse eines Grundpfandgläubigers an einem Mittelzufluss beim Schuldner allein nicht aus, um einen Grundstückshandel i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 7 GrEStG zu bejahen (BFH-Urteil in BFHE 201, 319, BStBl II 2003, 356, unter II.4.a).
b) Das FG hat seine Auffassung, die Klägerin habe mit der Benennung eigene wirtschaftliche Interessen verfolgt, zunächst darauf gestützt, dass die Klägerin bei jedem Verkauf an Dritte die Möglichkeit gehabt habe, den Käufern Kredite aus dem eigenen Hause zu verschaffen. Nähere Feststellungen dazu hat es nicht getroffen, obwohl die Klägerin behauptet hatte, keinem der Käufer einen Kredit angeboten oder gewährt zu haben. Die Vorinstanz hat sich dazu auf die Rechtsprechung berufen, wonach es unerheblich sei, ob der wirtschaftliche Erfolg im Einzelfall auch tatsächlich eintrete, dabei aber übersehen, dass der Erfolg auch in derartigen Fällen jedenfalls erhofft oder angestrebt werden muss (BFH-Urteile in BFHE 158, 135, BStBl II 1989, 984, unter II.2.; in BFHE 170, 468, BStBl II 1993, 453, und vom II R 97/94, BFHE 182, 222, BStBl II 1997, 411, unter II.1.b). Feststellungen zu der Frage, ob die Klägerin mit Grundstückskäufern Kreditgeschäfte angestrebt oder den Abschluss solcher Geschäfte wenigstens erhofft hat, fehlen indes.
Ferner hat das FG ausgeführt, die Klägerin habe aufgrund des Kaufangebots die Möglichkeit gehabt, verbleibende, zur Tilgung des Darlehens nicht mehr benötigte Wohnungen zum vereinbarten Mindestpreis anzukaufen, auf eigene Rechnung zu einem höheren Marktpreis zu verkaufen und dadurch einen über die bloße Abwicklung des Kreditengagements hinaus gehenden Gewinn zu erzielen. Auch insoweit fehlt es aber an Feststellungen zu der Frage, ob derartige Zusatzgeschäfte von der Klägerin erhofft oder angestrebt worden sind. Entsprechende Feststellungen wären vor allem deshalb erforderlich gewesen, weil die von der Klägerin behaupteten Wertverhältnisse —Wert der Grundstücke 2,2 Mio. DM, Darlehensvaluta 4,1 Mio. DM— die Möglichkeit einer vollen Tilgung der Darlehen aus den erzielten Verkaufserlösen und damit das Anstreben eines darüber hinaus gehenden Gewinns nicht nahelegen.
3. Die Entscheidung des FG stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig dar. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des FG könnte die Besteuerung nicht auf § 1 Abs. 2 GrEStG gestützt werden. Denn die Stellung als Grundpfandrechtsgläubiger vermittelt keine Verwertungsbefugnis i.S. des § 1 Abs. 2 GrEStG, wenn die Verwertung nicht für Rechnung des Gläubigers, sondern für Rechnung des Eigentümers (Schuldners) erfolgt (, BFH/NV 1995, 269, unter 2.c).
Zwar hat das FG festgestellt, dass die Klägerin durch Ankauf der Grundstücke und eine anschließende Weiterveräußerung für eigene Rechnung einen über die gesicherte Forderung hinaus gehenden Mehrerlös hätte erzielen können. Angesichts der von der Klägerin vorgetragenen Wertverhältnisse wären aber zusätzliche Feststellungen zu der Frage erforderlich gewesen, ob eine solche Verwertungsmöglichkeit von mehr als lediglich theoretischer Natur gewesen ist (dazu bereits oben 2.b).
4. Eine Entscheidung über die erhobenen Verfahrensrügen ist entbehrlich, da die Revision bereits aus materiell-rechtlichen Gründen zur Aufhebung der Vorentscheidung führt.
5. Das FG wird im zweiten Rechtsgang konkrete Feststellungen zu der Frage treffen müssen, ob die Klägerin eine Verwertung der Grundstücke zu eigenen wirtschaftlichen Interessen, insbesondere den Abschluss von Kreditverträgen mit den von ihr benannten Grundstückskäufern, erhofft oder angestrebt hat. Insoweit weist der Senat darauf hin, dass das Vorbringen der Klägerin, sie habe die Wohnungen wegen der großen Entfernung zu ihrem Geschäftssitz (ca. 50 km) nicht bei ihren eigenen Kunden beworben, allein noch keine schlüssige Erklärung für das Unterbleiben von Kreditangeboten darstellen dürfte.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2005 S. 2050 Nr. 11
HFR 2006 S. 60 Nr. 1
NWB-Eilnachricht Nr. 45/2005 S. 3754
UVR 2006 S. 39 Nr. 2
RAAAB-61250