OFD Frankfurt am Main - S 7105 A - 21 - St I 1.10

Insolvenz in Fällen umsatzsteuerlicher Organschaft (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG)

Die in der Rdvfg. vom (USt-Kartei OFD Ffm. zu § 18 – S 7340 – Karte 4) dargestellten Grundsätze gelten grundsätzlich auch im Falle der Insolvenz eines Unternehmensteils eines Organkreises. Darüber hinaus sind dabei die folgenden Besonderheiten zu beachten:

A Folgen der Insolvenz auf die umsatzsteuerliche Organschaft

1 Insolvenz der Organgesellschaft

Spätestens mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Organgesellschaft endet das Organschaftsverhältnis, da zu diesem Zeitpunkt das Verwaltungs- und Verfügungsrecht nach § 80 Abs. 1 InsO auf den Insolvenzverwalter übergeht und somit die organisatorische Eingliederung entfällt. Ab diesem Zeitpunkt ist nicht mehr gewährleistet, dass der Wille des Organträgers in der Organgesellschaft auch tatsächlich ausgeführt wird (vgl. , BStBl 1997 II S. 580).

Sofern ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt und der Organgesellschaft ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt wird, geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen der Organgesellschaft nach § 22 Abs. 1 InsO auf den vorläufigen (sog, starken) Insolvenzverwalter über. Das Organschaftsverhältnis endet insoweit bereits ab diesem Zeitpunkt.

Wird ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt, ohne dass dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt wird (sog. schwacher vorläufiger Insolvenzverwalter), bleibt die Organschaft regelmäßig bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestehen. Dies gilt auch wenn das Gericht anordnet, dass Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind (vgl. , BStBl 2004 II S. 905).

Mit Beendigung der Organschaft ist die ehemalige Organgesellschaft als selbständiger Unternehmer i. S. d. § 2 Abs. 1 UStG zu beurteilen. Die Unternehmereigenschaft ist auch dann zu bejahen, wenn nach Beendigung des Organschaftsverhältnisses lediglich Verwertungshandlungen im geringen Umfang vorgenommen werden, so dass diese Tätigkeit für sich betrachtet nicht nachhaltig ist. Die Organgesellschaft war jedoch zur Zeit der Organschaft ein Unternehmensteil, der lediglich nicht selbständig war, so dass auch die Tätigkeit vor Beendigung der Organschaft in die Beurteilung der Unternehmereigenschaft einzubeziehen ist.

Die Unternehmereigenschaft endet nicht vor Abschluss der letzten Liquidationshandlungen (vgl. , BStBl 1994 II S. 483). Auf eine getrennte umsatzsteuerliche Erfassung der ehemaligen Organgesellschaft ist deshalb zu achten. Für die Frage der Besteuerungsform und des Voranmeldungszeitraums der ehemaligen Organgesellschaft sind grundsätzlich die Verhältnisse des Organkreises zu berücksichtigen.

Wird der Antrag der Organgesellschaft auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt, so bleibt die vorher bestehende finanzielle, organisatorische und wirtschaftliche Eingliederung unberührt. Die Organgesellschaft rechnet so lange zum Unternehmen des Organträgers, bis die Liquidation abgeschlossen und das vorhandene Gesellschaftsvermögen veräußert ist (vgl. , UR 1992 S. 378 m. w. N. und , BFH/NV 1992 S. 346).

2 Insolvenz des Organträgers

Wird ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Organträgers eröffnet, hat dies grundsätzlich keine Auswirkungen auf die finanzielle und wirtschaftliche Eingliederung. Für das Fortbestehen der Organschaft ist deshalb darauf abzustellen, ob der Organträger – unter Berücksichtigung des Übergangs der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter – weiterhin auch seine Vorstellungen in der Organgesellschaft durchsetzen kann (vgl. , BStBl 1999 II S. 258). In der Regel wird der Insolvenzverwalter zur Sicherung der Masse, zu der die Anteile an der Organgesellschaft gehören, durch organisatorische Maßnahmen sicherstellen, dass sein Wille in der Organgesellschaft durchgesetzt wird.

3 Insolvenz des Organträgers und der Organgesellschaft

Bestellt das Gericht im Falle der Insolvenz des Organträgers und der Organgesellschaft für beide denselben Insolvenzverwalter, so ist dieser in der Lage seinen Willen sowohl in der Organgesellschaft als auch beim Organträger durchzusetzen. Die organisatorische Eingliederung und damit auch die umsatzsteuerliche Organschaft bleibt in diesem Fall deshalb bestehen.

Die umsatzsteuerliche Organschaft endet hingegen, wenn für den Organträger sowie für die Organgesellschaft unterschiedliche Insolvenzverwalter bestellt werden. Der Insolvenzverwalter des Organträgers ist dann nicht mehr in der Lage, seinen Willen in der Organgesellschaft durchzusetzen, so dass die organisatorische Eingliederung entfällt.

B Einzelfragen

1 Änderung der Bemessungsgrundlage nach § 17 UStG
1.1 Rückforderung von Vorsteuern durch Insolvenz der Organgesellschaft

Die Frage der Uneinbringlichkeit von Verbindlichkeiten beurteilt sich nach den Verhältnissen bei der Organgesellschaft, da sie und nicht der Organträger Schuldner des Entgelts ist (vgl. FG Nümberg, Urteil vom  – II 169/86, EFG 1990 S. 543).

Die Vorsteuerberichtigung nach § 17 Abs. 1 S. 2 i. V. m. Abs. 2 Nr. 1 UStG ist beim Organträger durchzuführen, denn es handelt sich um die Berichtigung eines Vorsteuerabzuges für einen Umsatz, der vor Beendigung der Organschaft und damit umsatzsteuerlich an den Organträger ausgeführt worden ist (vgl. , BFH/NV 1992 S. 140 und , BFH/NV 1994 S. 277 sowie , BFH/NV 2002 S. 1352).

Da es sich um eine Forderung gegenüber dem Organträger und nicht um eine Insolvenzforderung gegenüber der Organgesellschaft handelt, ist der Berichtigungsvetrag nach § 17 UStG nicht zur Insolvenztabelle anzumelden, sondern gegenüber dem Organträger festzusetzen. Hierbei ist der Vorsteuerrückforderungsbetrag genau zu ermitteln, da sich der Organträger nicht im Insolvenzverfahren befindet und somit nicht dem Schutz des Vollstreckungsverbots des § 89 InsO unterliegt. Dem Organträger ist zunächst rechtliches Gehör zu gewähren (§ 91 AO).

Für den Fall, dass der Vorsteuerrückforderungsbetrag beim Organträger nicht oder nicht in vollem Umfang realisiert werden kann, kann es jedoch geboten sein, den sich aus § 73 AO gegenüber der Organgesellschaft ergebenden Haftungsanspruch zur Insolvenztabelle anzumelden.

1.2 Rückforderung von Vorsteuern durch Insolvenz des Organträgers

Wenn über das Vermögen des Organträgers das Insolvenzverfahren eröffnet wurde bestehen keine Bedenken, als Vorsteuerrückforderungsbetrag nach § 17 UStG vorläufig die in den letzten 12 Monaten vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens geltend gemachten Vorsteuerbeträge zur Insolvenztabelle anzumelden. Hierbei ist es unschädlich, dass dieser Betrag auch durch die Organgesellschaft verursachte – nicht rückforderungsbehafteten – Vorsteuerbeträge beinhalten kann, da der Organträger dem Schutz des Vollstreckungsverbots (§ 89 InsO) unterliegt, und eine Richtigstellung nach Bestreitung durch den Insolvenzverwalter oder durch den Schuldner (§ 176 InsO) möglich ist.

1.3 Vorsteuer aus Rechnungen, die vor Verfahrenseröffnung eingegangen sind und nach Verfahrenseröffnung durch den Rechnungsaussteller berichtigt werden

Hat der Organträger aus einer Rechnung mit unrichtigem oder unberechtigtem Steuerausweis, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens an die Organgesellschaft begeben und nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens berichtigt wurde, einen Vorsteuerabzug für die unrichtig oder unberechtigt ausgewiesene Steuer vorgenommen, ist diese Vorsteuer nach den Korrekturvorschriften der AO vom Organträger zurückzufordern. Für die vom leistenden Unternehmer nach § 14c Abs. 1 oder 2 UStG geschuldete Steuer war ein Vorsteuerabzug nicht zulässig (Abschn. 192 Abs. 9 UStR). Eine Berichtigung in entsprechender Anwendung des § 17 Abs. 1 UStG bei der ggf. nun wieder als eigenständiger Unternehmer anzusehenden Organgesellschaft kommt deshalb nicht in Betracht.

2 Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG

Durch Verwertungshandlungen des Insolvenzverwalters kann eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG ausgelöst werden. Der Berichtigungsanspruch ist als Masseanspruch von der ehemaligen Organgesellschaft zu fordern, auch wenn der erstmalige Vorsteueranspruch nach § 15 UStG dem Organträger zugestanden hatte. Die ehemalige Organgesellschaft führt die für den § 15a UStG maßgebenden Verhältnisse fort (vgl. Abschn. 215 Abs. 2 Satz 6 UStR).

3 Umsatzbesteuerung von An- und Vorauszahlungen vor Beendigung der Organschaft

Grundsätzlich sind Umsätze, die nach Beendigung der Organschaft von der Organgesellschaft ausgeführt werden, von der Organgesellschaft als leistenden Unternehmer zu versteuem. Hat jedoch der Organträger An- und Vorauszahlungen auf diese Umsätze bereits der Umsatzbesteuerung unterworfen, so sind diese bei der Steuerfestsetzung der ehemaligen Organgesellschaft steuermindernd zu berücksichtigen, weil die Regelung über die Entstehung der Steuer für vereinnahmte Anzahlungen nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 UStG einen selbständigen und abschließenden Steuerentstehungstatbestand enthält (vgl. , BStBl 2002 II S. 255).

4 Vorsteuerabzug aus Rechnungen des vorläufigen Insolvenzverwalters an den Insolvenzschuldner

Ist im Falle der Insolvenz der Organgesellschaft durch die Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters die Organschaft nicht beendet worden, so wurde der Vorsteueranspruch zu einer Zeit begründet, in der die Organschaft noch bestand. Zu diesem Zeitpunkt war die Organgesellschaft noch kein Unternehmer, so dass der Vorsteueranspruch nur durch den Organträger geltend gemacht werden kann, auch wenn die Rechnung erst nach der Insolvenzeröffnung erteilt wurde.

C Haftung nach § 73 AO

Tritt beim Organträger Insolvenz ein, so ist bei der Organgesellschaft die Haftung nach § 73 AO zu prüfen. Ist die Organgesellschaft ebenfalls insolvent, so ist der Haftungsanspruch zur Insolvenztabelle im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Organgesellschaft anzumelden.

Zu weiteren umsatzsteuerrechtlichen Fragen im Zusammenhang mit Insolvenzverfahren wird auf die Rdvfg. vom (USt-Kartei der OFD Ffm. zu § 18 – S 7340 – Karte 4) hingewiesen.

OFD Frankfurt am Main v. - S 7105 A - 21 - St I 1.10

Auf diese Anweisung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:


Fundstelle(n):
PAAAB-61174