BFH Beschluss v. - VIII B 22/04

Verletzung des Rechts auf Gehör durch Ablehnung einer Terminaufhebung; Revisionszulassung wegen objektiver Willkür bei fehlerhafter alternativer Urteilsbegründung

Gesetze: FGO § 96 Abs. 2, §§ 76, 115, 119

Instanzenzug:

Gründe

Die Beschwerde ist unbegründet. Soweit der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) überhaupt einen Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in einer den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügenden Weise dargelegt haben sollte, liegt ein solcher jedenfalls nicht vor.

1. Das Finanzgericht (FG) hat den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (§ 96 Abs. 2, § 119 Nr. 3 FGO) nicht dadurch verletzt, dass es dem Antrag des Prozessbevollmächtigten auf Aufhebung des Termins der mündlichen Verhandlung nicht entsprochen hat. Nach § 227 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 155 FGO kann ein Termin aus erheblichen Gründen aufgehoben werden. Im Streitfall hat der Prozessbevollmächtigte keine erheblichen Gründe für eine Aufhebung des Termins gegenüber dem FG geltend gemacht. Ob die nunmehr im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Ergänzungen eine Terminsaufhebung gerechtfertigt hätten, kann offen bleiben. Denn der Vorsitzende und der Senat in der mündlichen Verhandlung können bei der Ermessensentscheidung, ob der Termin aufgehoben oder verlegt wird, nur die ihnen bekannten Gründe berücksichtigen.

Ein erheblicher Grund für die Verlegung des vom Vorsitzenden anberaumten Termins ergab sich nicht aus dem am zwischen dem Prozessbevollmächtigten und der Berichterstatterin geführten Telefongepräch. Dies wäre allenfalls dann denkbar, wenn der Prozessbevollmächtigte abweichend vom tatsächlichen Geschehen die Aufhebung des Termins unter Hinweis auf die angebliche Zusage der Berichterstatterin in diesem Gespräch beantragt und diese eine derartige Zusage ungeachtet dessen bestätigt hätte, dass eine solche sich nicht aus dem von ihr verfassten Vermerk über dieses Gespräch (Bl. 112 R, 113 der FG-Akten) ergibt.

Die in dem Aufhebungsantrag vom angeführten Gründe für den Verlegungsantrag waren nach zutreffender Auffassung des FG nicht erheblich i.S. des § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Da der Antrag erst zwölf Tage nach der Zustellung der Ladung und nicht unverzüglich danach gestellt wurde, musste das FG annehmen, dass dem Prozessbevollmächtigten der Gerichtstermin bei der Planung seiner „mehrtägige(n) Abwesenheit wegen umfangreicher Beratungsleistungen (Betriebsveräußerung)” bereits bekannt war. Um dem FG eine Prüfung zu ermöglichen, ob gleichwohl erhebliche Gründe i.S. des § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO für eine Aufhebung des Termins vorlagen, hätte der Prozessbevollmächtigte von sich aus mitteilen müssen, aus welchen konkreten Gründen seiner Meinung nach der erst später vereinbarte Termin nicht einen Tag später hätte beginnen können, so dass er den finanzgerichtlichen Termin hätte wahrnehmen können. Dies ist nicht geschehen. Deshalb kann offen bleiben, ob die nunmehr in der Beschwerdeschrift vorgetragenen Gründe als erheblich hätten angesehen werden können.

2. Der Kläger hat die Rüge, das FG habe gegen seine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts verstoßen (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 76 Abs. 1 FGO), nicht schlüssig erhoben. Seinem Vorbringen ist nicht zu entnehmen, welche konkrete Tatsache das FG durch welche Ermittlungsmaßnahme hätte aufklären sollen (vgl. zu den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Rüge der mangelnden Sachaufklärung , BFHE 186, 161, BStBl II 1998, 637). Soweit der Kläger sinngemäß geltend macht, die Entscheidung des FG, er habe Steuern hinterzogen oder leichtfertig verkürzt, werde nicht durch ausreichende tatsächliche Feststellungen getragen, macht er einen materiell-rechtlichen Mangel des Urteils geltend (vgl. , BFHE 189, 255, BStBl II 1999, 670). Dieser rechtfertigt auch nach der Neufassung der Zulassungsgründe in § 115 Abs. 2 FGO durch das Zweite Gesetz zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2. FGOÄndG) vom (BGBl I 2000, 1757) die Zulassung der Revision in der Regel nicht. Denn auch danach soll nicht jede Vorentscheidung schon mit der Begründung revisibel sein, das FG habe falsch entschieden (vgl. , BFH/NV 2002, 1040).

3. Die Revision ist auch nicht ausnahmsweise gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO wegen eines solchen materiell-rechtlichen Fehlers des FG zuzulassen, durch den seine Entscheidung als objektiv willkürlich oder unter keinem denkbaren Gesichtspunkt vertretbar erscheint (BFH-Beschlüsse vom IV B 85/02, BFHE 203, 404, BStBl II 2004, 25; vom III B 107/03, BFH/NV 2004, 1220). Der Kläger weist zutreffend darauf hin, dass das angefochtene Urteil insoweit fehlerhaft ist, als das FG seine Entscheidung, es sei noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten, alternativ damit begründet hat, „dass der Kläger eine schuldhafte Steuerhinterziehung bzw. mindestens eine leichtfertige Steuerverkürzung durch wissentliche und willentliche Nichtangabe der Zinserträge in der Anlage KSO begangen hat”. Denn die Voraussetzungen für eine alternative Begründung haben nicht vorgelegen, weil im Falle einer nur leichtfertigen Steuerverkürzung (§ 378 der AbgabenordnungAO 1977—) die Festsetzungsfrist bei Erlass des Änderungsbescheides vom bereits abgelaufen und somit eine Änderung des bestandskräftigen Einkommensteuerbescheides nicht mehr zulässig gewesen wäre. Bei einer leichtfertigen Steuerverkürzung hätte die Festsetzungsfrist nur fünf Jahre betragen (§ 169 Abs. 2 Satz 2 AO 1977). Diese Frist hätte für das Jahr 1992 bereits mit Ablauf des Jahres 1998 geendet, da der Kläger seine Steuererklärung im Jahr 1993 abgegeben hatte (§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO 1977).

Dieser materiell-rechtliche Fehler der Vorentscheidung könnte die Zulassung der Revision wegen seiner besonderen Schwere aber allenfalls dann rechtfertigen, wenn anstelle einer Steuerhinterziehung (§ 370 AO 1977) auch tatsächlich eine nur leichtfertige Steuerverkürzung (§ 378 AO 1977) ernsthaft in Erwägung zu ziehen gewesen wäre. Das könnte angesichts dessen, dass die Zinseinnahmen des Streitjahres 1992 von ca. 3 000 DM den Betrag von 700 DM deutlich und nicht nur geringfügig —wie im Streitjahr 1991— überstiegen haben, nur dann der Fall sein, wenn der Kläger konkrete Umstände vorgetragen hätte, aus denen sich ableiten ließe, dass er sich bei der Unterzeichnung seiner Steuererklärung nicht darüber im Klaren gewesen sei, dass seine Zinseinnahmen tatsächlich erheblich über 700 DM gelegen haben. Derartige substantiierte Ausführungen hat der Kläger aber weder im Klageverfahren noch in der Beschwerdebegründung gemacht.

Fundstelle(n):
FAAAB-58948