Liebhaberei bei langjährigen Verlusten aus dem Betrieb einer Anwaltskanzlei
Leitsatz
Langjährige Verluste eines selbständig tätigen Rechtsanwalts, dessen Einnahmen ohne plausible Gründe auf niedrigstem Niveau stagnieren und der seinen Lebensunterhalt aus erheblichen anderweitigen Einkünften bestreitet, sprechen regelmäßig dafür, dass er seine Tätigkeit nur aus persönlichen Gründen fortführt (Abgrenzung zum , BFHE 186, 206, BStBl II 1998, 663).
Gesetze: EStG § 12EStG § 18
Instanzenzug: (EFG 2002, 983) (Verfahrensverlauf), ,
Gründe
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erzielte in den Streitjahren 1990 und 1991 positive Einkünfte aus Gewerbebetrieb und Kapitalvermögen sowie Verluste aus ihrer Tätigkeit als selbständige Rechtsanwältin in Höhe von 15 485 DM bzw. 9 450 DM bei Einnahmen von 2 875 DM bzw. 3 832 DM. Die Einnahmen in den Jahren zuvor und danach betrugen:
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1986 | 5 270 DM |
1987 | 3 163 DM |
1988 | 5 981 DM |
1989 | 3 072 DM |
1992 | 13 896 DM |
1993 | 2 568 DM |
1994 | 5 155 DM |
1995 | 4 202 DM |
1996 | 5 060 DM |
1997 | 4 438 DM |
Die höheren Einnahmen im Jahre 1992 beruhten auf einer einmaligen Krankheitsvertretung; die Einnahmen in den Jahren 1986 bis 1988 beinhalten auch den Eigenverbrauch.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) versagte den Abzug der Verluste. Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Der Klägerin fehle die Gewinnerzielungsabsicht, sie habe bei geringen Einnahmen nur Verluste aus ihrer Anwaltstätigkeit erzielt, die sie zumindest seit 1989 allein wegen hoher anderer Einkünfte habe tragen können. Sie sei jedenfalls in den Streitjahren nicht mehr zur Gewinnerzielung, sondern aus persönlichen Gründen tätig gewesen.
Mit ihrer Klage verfolgte die Klägerin ihr Anliegen weiter. Ihr alleiniger Beruf sei die Rechtsanwaltstätigkeit und für deren Gewinnerzielungsabsicht spreche der Beweis des ersten Anscheins, die Anwaltstätigkeit sei in keiner Weise „liebhaberei-geneigt”. Ob sie weitere Einnahmen habe und wie viele, könne keine Rolle spielen. Nachdem sie anfangs versucht habe, ihre Ausgaben so gering wie möglich zu halten, habe Sie nunmehr zum Jahreswechsel 1996/1997 einen Kanzleiraum angemietet und damit ihre Tätigkeit neu organisiert.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab (die Entscheidung ist abgedruckt in Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 2002, 983). Bei einer Rechtsanwältin spreche zwar der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass sie ihre Rechtsanwaltskanzlei in der Absicht betreibe, Gewinne zu erzielen. Dieser Anscheinsbeweis entfalle aber bereits dann, wenn das FA die ernsthafte Möglichkeit darlege, dass nicht das Streben nach einem Totalgewinn, sondern persönliche Motive des Steuerpflichtigen für die Unternehmensfortführung bestimmend gewesen seien. Dann liege die Feststellungslast für das Vorhandensein der Gewinnerzielungsabsicht (wieder) bei der Klägerin. Der Anscheinsbeweis sei vom FA widerlegt worden durch die verschwindend geringen Honorareinnahmen und den damit verbundenen reduzierten Arbeitsaufwand, die anderweitig zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel und als persönliche Gründe und/oder Neigungen die soziale Einstellung der Klägerin und das Sozialprestige, das mit dem Beruf „Rechtsanwältin” verbunden sei. Die Ende 1996 vorgenommenen organisatorischen Verbesserungen könnten für die Beurteilung der Streitjahre keine Bedeutung haben.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts.
1. Die Anforderungen an eine Einkünfteerzielungsabsicht müssten bei Einkünften i.S. des § 18 des Einkommensteuergesetzes (EStG) unter Beachtung des Art. 12 des Grundgesetzes (GG) herabgesetzt werden gegenüber denjenigen bei gewerblichen Einkünften, für die § 15 Abs. 2 EStG ausdrücklich eine Gewinnerzielungsabsicht verlange; sie dürften bei einer Rechtsanwaltskanzlei nicht strenger sein, als etwa bei einer Vermietungstätigkeit.
2. Nach dem (BFHE 186, 206, BStBl II 1998, 663) spreche der Beweis des ersten Anscheins für die Gewinnerzielungsabsicht eines Rechtsanwalts. Um diesen zu widerlegen, müsse die Feststellung möglich sein, dass ausschließlich persönliche Gründe der Fortführung der verlustbringenden Tätigkeit zugrunde lägen. Das FG habe dagegen die ernsthafte Möglichkeit privater Gründe als Gegenbeweis ausreichen lassen und damit die Beweislast der Klägerin begründet.
3. Es fehle an den erforderlichen konkreten Feststellungen im Sinne der Rechtsprechung. Die geringen Einnahmen seien Folge der Gebührenordnung; die kleine Kanzlei vermittle auch kein Sozialprestige. Gerade der reduzierte Aufwand zeige den Willen und die Möglichkeit zur Gewinnerzielung.
4. Der Beurteilungszeitraum habe lang zu sein, um festzustellen, ob der Betrieb nach seiner Wesensart und der Art seiner Bewirtschaftung zur Gewinnerzielung geeignet sei. Das FG habe dagegen auf der Grundlage eines Zeitraums von nur fünf Jahren entschieden, was angesichts der schwierigen Situation für Anwälte zu kurz sei.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1990 und 1991 dahin gehend zu ändern, dass die negativen Einkünfte aus selbständiger Arbeit unter Berücksichtigung eines privaten Anteils von 30 % für die Telefon-, Kfz- und MVV-Kosten anerkannt werden.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Der Streitfall könne angesichts der verschwindend geringen Honorareinnahmen der Klägerin nicht mit der Senatsentscheidung in BFHE 186, 206, BStBl II 1998, 663 verglichen werden. Die Klägerin verkenne, dass ein Beweis des ersten Anscheins bereits erschüttert werde, wenn die Gegenseite substantiierte Einwände vorbringe, aus denen sich die ernste Möglichkeit eines atypischen Geschehensablaufes ergebe.
II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Das FG hat zutreffend erkannt, dass der Betrieb der Anwaltskanzlei in den Streitjahren nicht zu Einkünften aus selbständiger Arbeit geführt hat. Der Streitfall unterscheidet sich maßgeblich von dem Sachverhalt, der der Senatsentscheidung in BFHE 186, 206, BStBl II 1998, 663 zugrunde lag.
1. Bei der Ermittlung des Einkommens für die Festsetzung der Einkommensteuer sind nur solche positiven oder negativen Einkünfte anzusetzen, die unter eine der in § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 7 EStG genannten Einkunftsarten fallen. Kennzeichnend für die Einkunftsarten ist, dass die ihnen zugrunde liegenden Tätigkeiten oder Vermögensnutzungen auf eine größere Zahl von Jahren gesehen der Erzielung positiver Einkünfte dienen (Beschluss des Großen Senats des , BFHE 141, 405, 435, BStBl II 1984, 751, 766 f., unter C.IV.3.c aa (1)). Fehlt es an dieser Voraussetzung, so fallen die wirtschaftlichen Ergebnisse wegen Fehlens der Gewinnerzielungsabsicht auch dann nicht unter eine Einkunftsart, wenn sie sich ihrer Art nach unter § 2 Abs. 1 EStG einordnen ließen (, BFHE 202, 124, BStBl II 2003, 602, und vom IX R 18/02, BFHE 200, 556, BStBl II 2003, 914).
Auch bei der Einkunftsart „selbständige Arbeit” ist eine derartige Gewinnerzielungsabsicht zu fordern (, BFHE 195, 382, BStBl II 2002, 276; in BFHE 186, 206, BStBl II 1998, 663, und vom VI R 104/86, BFH/NV 1989, 696). Einer ausdrücklichen Verweisung auf § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG in § 18 Abs. 4 (Satz 2) EStG bedarf es nicht, weil die Definition des Gewerbebetriebs in § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG insoweit auch für die anderen Gewinn-Einkunftsarten (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 1 EStG) gilt, wie sich nicht zuletzt aus den in dieser Vorschrift enthaltenen Negativmerkmalen ergibt, wonach die Betätigung weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung selbständiger Arbeit anzusehen sein darf (, BFHE 205, 243, BStBl II 2004, 455).
Der Hinweis der Klägerin, bei den selbständigen Tätigkeiten des § 18 EStG gehe es primär um den Einsatz der eigenen Arbeitskraft und die Verwendung der angeborenen oder angelernten Fähigkeiten sowie der in einer langen Ausbildung erworbenen Kenntnisse und nicht um den Einsatz von Kapital, ist nicht geeignet, für den Ansatz von Einkünften aus einem freien Beruf allgemein geringere Anforderungen an das Merkmal der Gewinnerzielungsabsicht zu stellen. Auch gewerbliche Einkünfte setzen oft nicht den Einsatz von Kapital voraus, sondern persönlicher Fähigkeiten und Kenntnisse. Sowohl bei gewerblichen als auch bei Einkünften aus selbständiger Arbeit sind vielmehr jeweils alle Umstände einschließlich etwaiger Besonderheiten der Verhältnisse des Einzelfalles zu berücksichtigen (vgl. , BFHE 143, 355, BStBl II 1985, 424).
2. Nach dem Beschluss des Großen Senats in BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, 766 ist die Gewinnerzielungsabsicht eine innere Tatsache, die —wie alle sich in der Vorstellung von Menschen abspielenden Vorgänge— nur anhand äußerer Merkmale beurteilt werden kann. Aus objektiven Umständen muss auf das Vorliegen oder das Fehlen der Absicht zur Gewinnerzielung geschlossen werden, wobei einzelne Umstände einen Anscheinsbeweis liefern können.
a) Ein für eine Gewinnerzielungsabsicht sprechender Anscheinsbeweis entfällt bereits dann, wenn nach den Feststellungen des FG die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass im konkreten Einzelfall nicht das Streben nach einem Totalgewinn, sondern persönliche Beweggründe des Steuerpflichtigen für die Fortführung des verlustbringenden Unternehmens bestimmend waren (, BFH/NV 1999, 1204; BFH-Urteile in BFHE 186, 206, BStBl II 1998, 663; vom VIII R 28/94, BFHE 181, 133, BStBl II 1997, 202; vom III R 49/95, BFH/NV 1996, 812).
Persönliche Gründe sind alle einkommensteuerrechtlich unbeachtlichen Motive (, BFHE 145, 375, BStBl II 1986, 289, m.w.N.). Hierzu zählt auch die Absicht, Steuern zu sparen (vgl. , BFH/NV 2000, 23, m.w.N.). Als Indiz für die Weiterführung des Verlustbetriebs aus persönlichen Gründen kann auch der Umstand gewertet werden, dass dem Steuerpflichtigen hohe andere Einkünfte zur Verfügung stehen, die für den Ausgleich entstandener Verluste herangezogen werden können (BFH-Urteile in BFHE 181, 133, BStBl II 1997, 202; in BFHE 205, 243, BStBl II 2004, 455; vgl. auch , BFHE 192, 542, BStBl II 2000, 674, m.w.N.) und, dass es der Steuerpflichtige trotz ständiger und nachhaltiger Verluste unterlassen hat, Maßnahmen zur Herstellung und Steigerung der Rentabilität des Betriebs zu ergreifen (vgl. , BFHE 178, 160, BStBl II 1995, 722, m.w.N.).
b) Beweisanzeichen für das Vorliegen einer Gewinnerzielungsabsicht kann eine Betriebsführung sein, bei der der Betrieb nach seiner Wesensart und der Art seiner Bewirtschaftung auf die Dauer gesehen dazu geeignet und bestimmt ist, mit Gewinn zu arbeiten. Dies erfordert eine in die Zukunft gerichtete und langfristige Beurteilung, wofür die Verhältnisse eines bereits abgelaufenen Zeitraums wichtige Anhaltspunkte bieten können (BFH-Urteil in BFHE 143, 355, BStBl II 1985, 424, m.w.N.); sind die Einkünfte positiv, so ist eine Gewinnerzielungsabsicht gegeben (, BFH/NV 1996, 897). Für das Vorliegen einer Gewinnerzielungsabsicht trotz langjähriger Verluste kann sprechen, dass der Steuerpflichtige hierauf reagiert und Maßnahmen ergriffen hat, um die Gewinnsituation zu verbessern (BFH-Urteile in BFHE 205, 243, BStBl II 2004, 455; in BFHE 145, 375, BStBl II 1986, 289).
Dauernde Verluste sind dagegen ein Indiz gegen eine Einkunftserzielungsabsicht. Daraus auf eine steuerrechtlich unbeachtliche Liebhaberei zu schließen, ist aber nur gerechtfertigt, wenn aus weiteren Beweisanzeichen die Feststellung möglich ist, dass der Steuerpflichtige die verlustbringende Tätigkeit nur aus im Bereich seiner Lebensführung liegenden persönlichen Gründen oder Neigungen ausübt (sog. subjektiver Liebhabereibegriff seit BFH-Beschluss in BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, unter C.IV.3.c bb (1); BFH-Urteil in BFHE 202, 124, BStBl II 2003, 602). Dies ist anzunehmen, wenn die verlustbringende Tätigkeit typischerweise dazu bestimmt und geeignet ist, der Befriedigung persönlicher Neigungen oder der Erlangung wirtschaftlicher Vorteile außerhalb der Einkunftssphäre zu dienen. Bei den Katalogberufen des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG müssen allerdings zusätzliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Verluste aus persönlichen Gründen oder Neigungen hingenommen werden (BFH-Urteile in BFHE 205, 243, BStBl II 2004, 455; in BFHE 195, 382, BStBl II 2002, 276, m.w.N.); eine Vermutung für das Fehlen einer Gewinnerzielungsabsicht lässt sich jedenfalls nicht schon aus dem Umstand herleiten, dass eine solche Tätigkeit häufig aus Passion betrieben wird (, BFH/NV 1994, 93).
c) Die ernsthafte Möglichkeit, dass ein Steuerpflichtiger einen jahrelang ausschließlich mit Verlusten arbeitenden Betrieb nicht in der Absicht der Gewinnerzielung führt, ist jedenfalls dann gegeben, wenn feststeht, dass er aus dem Betrieb nach dessen Wesensart und/oder der Art der Bewirtschaftung auf die Dauer gesehen keinen Totalgewinn erzielen kann. Das ist beispielsweise auch dann der Fall, wenn der Steuerpflichtige nichts unternimmt, um seine Einnahmesituation nachhaltig zu verbessern, obwohl ihm dies nach der Lebenserfahrung möglich sein muss. Verluste der —betriebsspezifisch unterschiedlichen— Anlaufzeit können allerdings nur dann steuerrechtlich nicht anerkannt werden, wenn aufgrund der bekannten Entwicklung des Betriebs eindeutig feststeht, dass der Betrieb, so wie ihn der Steuerpflichtige geführt hat, von vornherein nicht in der Lage war, nachhaltig Gewinne zu erzielen und deshalb nach objektiver Beurteilung von Anfang an keine Einkunftsquelle im Sinne des Einkommensteuerrechts dargestellt hat (BFH-Urteil in BFHE 181, 133, BStBl II 1997, 202, m.w.N.).
3. Ausgehend von diesen Grundsätzen ist das FG in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gelangt, die Klägerin habe ihre Anwaltstätigkeit in den Streitjahren nicht mit Gewinnerzielungsabsicht verfolgt.
a) Das FG ist davon ausgegangen, bei einer Rechtsanwältin spreche der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass sie ihre selbständige Tätigkeit —ein Katalogberuf des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG— in der Absicht betreibe, Gewinne zu erzielen; ein Unternehmen dieser Art ist regelmäßig nicht dazu bestimmt, der Befriedigung persönlicher Neigungen oder der Erlangung wirtschaftlicher Vorteile außerhalb der Einkunftssphäre zu dienen. Wie das FG weiter zutreffend erkannt hat, entfällt dieser Anscheinsbeweis aber bereits dann, wenn nach seinen Feststellungen die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass im konkreten Einzelfall nicht das Streben nach einem Totalgewinn, sondern persönliche Motive des Steuerpflichtigen für die Fortführung des Unternehmens bestimmend waren.
b) Das FG hat seiner Beurteilung zutreffend den Zeitraum 1986 bis 1996 zugrunde gelegt. Die davor liegenden Jahre 1984 und 1985 scheiden aus, weil die Klägerin zu dieser Zeit noch in einer weiter entfernten Stadt tätig war.
Ob sich aufgrund der Veränderungen ab Ende 1996 möglicherweise eine neue Beurteilung der Gewinnerzielungsabsicht ergeben könnte, ist für die Streitjahre ohne Bedeutung. Zwar kann für das Vorliegen einer Gewinnerzielungsabsicht trotz langjähriger Verluste sprechen, dass der Steuerpflichtige hierauf reagiert und Maßnahmen ergriffen hat, um die Gewinnsituation zu verbessern. Dies gilt indes nicht, wenn die Veränderungen erst nach vielen Jahren unternommen werden. Führt der Steuerpflichtige trotz anhaltender Verluste seinen Betrieb unverändert fort, so legt dies vielmehr nahe, dass er sich mit der Verlustsituation abgefunden hat und die Tätigkeit ohne weitere Gewinnerzielungsabsicht ausübt.
c) Das FG ist aufgrund der in dem elfjährigen Zeitraum durchgehend erwirtschafteten Verluste und der Tatsache, dass die Klägerin in dieser Zeit —mit Ausnahme des Jahres 1992— nur sehr geringe Einnahmen erzielte, die keinerlei signifikante Steigerung erkennen ließen, zu der Auffassung gelangt, die Klägerin habe ihren Beruf nicht ausgeübt, um ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können. Es sei für das FG nicht plausibel, warum trotz vorgeblich redlichen Bemühens der Klägerin sich die Honorareinnahmen nicht hätten steigern lassen. Die Klägerin habe vielmehr die Anwaltskanzlei aus persönlichen Gründen und/ oder Neigungen betrieben, nämlich wegen des mit dem Beruf der Rechtsanwältin verbundenen Sozialprestiges, um in ihrem Beruf auf dem Laufenden zu bleiben und um eine sinnvolle Beschäftigung zu haben. Ihren Lebensunterhalt habe sie dagegen aus ihren erheblichen anderweitigen Einkünften bestritten.
Hiergegen bestehen revisionsrechtlich keine Bedenken. Dass bereits die bloße Firmierung als Rechtsanwältin mit einem gewissen Sozialprestige verbunden ist und die Tätigkeit selbst eine sinnvolle Beschäftigung darstellt, ist nicht weiter beweisbedürftig; der Nachweis einer langjährigen Anwaltstätigkeit mag zudem hilfreich bei der späteren Suche einer anderweitigen Anstellung sein. Der Senat geht mit dem FG aufgrund der auf äußerst niedrigem Niveau stagnierenden Einnahmen davon aus, dass sich die Klägerin nicht in dem erforderlichen Ausmaß bemüht hat, die Einnahmesituation ihrer Kanzlei nachhaltig zu verbessern. Die Kanzlei war nach der Art ihrer Führung damit nicht geeignet, auf die Dauer gesehen nachhaltig mit Gewinn zu arbeiten. Langjährige Verluste eines selbständig tätigen Rechtsanwalts, dessen Einnahmen ohne plausible Gründe auf niedrigstem Niveau stagnieren und der seinen Lebensunterhalt aus erheblichen anderweitigen Einkünften bestreitet, sprechen regelmäßig dafür, dass er seine Tätigkeit nur aus persönlichen Gründen fortführt (zu Arztpraxis mit geringen Einnahmen vgl. , EFG 2004, 259).
Der Sachverhalt des Streitfalls unterscheidet sich wesentlich von dem der Senatsentscheidung in BFHE 186, 206, BStBl II 1998, 663, auf die sich die Klägerin beruft. Dort handelte es sich um eine Anwaltskanzlei, die beachtliche sechsstellige Honorareinnahmen erzielte und ständig mindestens zwei Arbeitnehmer beschäftigte. In einem solchen Fall ist nach Auffassung des Senats in der Regel davon auszugehen, dass die Kanzlei mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben wird. Dies gilt aber nicht für eine Kanzlei wie die der Klägerin.
d) Im Streitfall trifft die objektive Beweislast für das Vorhandensein der Gewinnerzielungsabsicht demnach die Klägerin, die positive Einkünfte mit den Verlusten aus ihrer Anwaltstätigkeit ausgleichen will (vgl. BFH-Urteil in BFHE 145, 375, BStBl II 1986, 289).
Besondere Gründe, die für ihre Gewinnerzielungsabsicht sprechen könnten, hat die Klägerin nicht angeführt. Dass sie als Rechtsanwältin die Funktion eines unabhängigen Organs der Rechtspflege ausübt, besonderen berufsrechtlichen Regelungen unterliegt und ihre Aufgaben dementsprechend wahrzunehmen hat, besagt nichts darüber, ob sie dieser Tätigkeit —wie die ganz überwiegende Mehrheit ihrer Berufskollegen— objektiv und subjektiv zum Zwecke der Gewinnerzielung nachgeht oder aber abweichend hiervon aus privaten Gründen (vgl. Fuhrmann, Neue Juristische Wochenschrift 2003, 2586). Auf Veränderungen nach 1996 kommt es nicht an, weil für die Gewinnprognose auf den Betrieb abzuheben ist, wie er im Streitzeitraum geführt worden ist (BFH in BFHE 205, 243, BStBl II 2004, 455). Dass das FG möglicherweise in der Anwaltskanzlei liegende stille Reserven nicht erwähnt hat, die bei der Ermittlung des Totalgewinns einzubeziehen wären, ist unerheblich; zu stillen Reserven ist weder von der Klägerin etwas vorgetragen worden, noch ist zu erkennen, wo sich derartige angesammelt haben könnten. Eine weitere Reduzierung der Kosten hätte an der Verlustsituation nach den Feststellungen des FG —mit Ausnahme für 1992— nichts zu ändern vermocht. Ob die Klägerin selbst die Kosten weiter hätte senken können, ist nicht vom Senat zu beurteilen; insoweit ist es Sache des Unternehmers zu bestimmen, welchen Aufwand er zur Erzielung seiner Ziele für notwendig erachtet.
e) Die Verluste können auch nicht als Anlaufverluste berücksichtigt werden. Mangels signifikanter Steigerung der Honorareinnahmen war nach der Art der Betriebsführung der Kanzlei nicht abzusehen, dass überhaupt Gewinne, geschweige denn dauerhafte erwirtschaftet werden könnten. Die Umstellung Ende 1996 geschah erst so spät nach Aufnahme der Anwaltstätigkeit, dass sie für die Beurteilung der sog. Anlaufverluste keine Bedeutung mehr hat. Auch für die Beurteilung der Anlaufverluste ist auf den Betrieb abzuheben, wie er im Anlaufzeitraum geführt worden ist; dieser Zeitraum reichte zumindest nicht über das Jahr 1995 hinaus. Soweit sich die Klägerin auf die steuerrechtliche Anerkennung langjähriger Verluste aus Vermietung und Verpachtung beruft, ist darauf hinzuweisen, dass dort aufgrund der hohen Investitionskosten —anders als bei Anwaltskanzleien— typischerweise die Gewinnschwelle erst nach mehreren Jahren erreicht wird. Aufgrund der bekannten Entwicklung steht im Streitfall dagegen eindeutig fest, dass die Anwaltskanzlei, so wie sie die Klägerin betrieben hat, von vornherein nicht in der Lage war, nachhaltig Gewinne zu erzielen und deshalb nach objektiver Beurteilung von Anfang an keine Einkunftsquelle im Sinne des Einkommensteuerrechts dargestellt hat (BFH-Urteile in BFHE 181, 133, BStBl II 1997, 202, m.w.N.; vom IV R 33/99, BFHE 191, 119, BStBl II 2000, 227).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2005 II Seite 392
BB 2005 S. 1033 Nr. 19
BB 2005 S. 874 Nr. 16
BFH/NV 2005 S. 764 Nr. 5
BStBl II 2005 S. 392 Nr. 10
DB 2005 S. 808 Nr. 15
DStR 2005 S. 685 Nr. 16
DStRE 2005 S. 550 Nr. 9
FR 2005 S. 744 Nr. 14
INF 2005 S. 364 Nr. 10
KÖSDI 2005 S. 14624 Nr. 5
NWB-Eilnachricht Nr. 32/2006 S. 2682
StB 2005 S. 163 Nr. 5
BAAAB-51719