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BFH Beschluss v. - VI B 28/95

Der Antragsteller und Beschwerdegegner (Antragsteller) zahlte in den Jahren 1986 bis 1990 aufgrund entsprechender Vereinbarungen an zahlreiche sog. freie Mitarbeiter Wiederholungshonorare für die nochmalige Ausstrahlung von Hörfunk- oder Fernsehproduktionen, die mit ihrer Hilfe entstanden waren. Soweit die Produktionen an nicht der ARD angehörende Sendeunternehmen oder zum Zwecke der Kino-, Film-, AV- oder Tonträgerverwertung entgeltlich abgegeben wurden, erhielten die Mitwirkenden Erlösbeteiligungen. Der Antragsteller zahlte diese Wiederholungshonorare oder Erlösbeteiligungen unabhängig davon, zu welcher Einkunftsart das Ersthonorar gehört hatte, ohne Lohnsteuerabzug aus. Anläßlich einer Lohnsteuer-Außenprüfung vertrat der Prüfer unter Hinweis auf ein Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 5. Oktober 1990 IV B 6 -- S 2332 -- 73/90 (BStBl I 1990, 638) die Ansicht, die Wiederholungshonorare und Erlösbeteiligungen seien der Einkunftsart zuzurechnen, zu der das Ersthonorar gehöre. Soweit die Ersthonorare den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zuzurechnen seien, seien daher auch die Wiederholungshonorare und Erlösbeteiligungen lohnsteuerpflichtig. Zur Höhe der nach seiner Ansicht lohnsteuerpflichtigen Vergütungen führte der Prüfer aus, diese werde für die Jahre 1986 bis 1989 im Einvernehmen mit dem Antragsgegner anhand des für das Jahr 1990 ermittelten Anteils an den gesamten Wiederholungshonoraren geschätzt. Der Bruttosteuersatz sei einvernehmlich mit 30 v. H. angenommen worden. Da der Antragsteller die Steuern nicht an die Arbeitnehmer habe weiterbelasten wollen, erfolge im Jahr der Steuerübernahme die Nettoversteuerung (Nettosteuersatz 42,8 v. H.). Der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt -- FA --) erließ u. a. wegen der Wiederholungshonorare und Erlösbeteiligungen am 28. Dezember 1992 einen mit einem Pauschalierungsbescheid zusammengefaßten Haftungsbescheid, der auf § 42 d des Einkommensteuergesetzes (EStG) gestützt war. Der Antragsteller begehrte beim Finanzgericht (FG) die Aussetzung der Vollziehung des Haftungsbescheides. Zur Begründung machte er geltend, eine Verpflichtung zur Einbehaltung und Abführung von Lohnsteuer habe nicht bestanden, weil es sich bei den Wiederholungshonoraren und Erlösbeteiligungen nicht um Arbeitslohn i. S. des § 38 EStG handele. Außerdem sei entgegen der Darstellung im Prüfungsbericht die Bemessungsgrundlage sowie der Bruttosteuersatz nicht im Einvernehmen mit ihm ermittelt worden. Er habe auch nicht erklärt, die Arbeitnehmer nicht mit den Steuern weiterbelasten zu wollen. Das FG gab dem Antrag statt. Es bejahte ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheides bereits aus formellen Gründen und führte aus: Die im Haftungsbescheid festgestellten Beträge seien durch Schätzung der Bemessungsgrundlagen und durch Anwendung eines durchschnittlichen Steuersatzes ermittelt worden; im Haftungsbescheid seien weder die Steuerschuldner (Empfänger der Zuwendungen) noch die auf jeden einzelnen von ihnen entfallenden Steuerschulden angegeben worden, für die der Antragsteller haften solle. Da die Haftung des Arbeitgebers gemäß § 42 d EStG akzessorisch sei, müßten grundsätzlich der einzelne Steuerschuldner und die einzelne Steuerschuld im Haftungsbescheid genannt werden. Nur so sei es dem Arbeitgeber auch möglich, gegenüber seinen Arbeitnehmern Regreß zu nehmen. Im Streitfall seien die Namen der begünstigten Arbeitnehmer sowie die Höhe der auf sie entfallenden Zuwendungen bekannt. Das FA macht zur Begründung seiner Beschwerde geltend: Die Aussetzung der Vollziehung werde insoweit akzeptiert, als die Lohnsteuer mit dem niedrigeren Bruttosteuersatz und nicht mit dem höheren Nettosteuersatz zu berechnen sei. Im übrigen wichen jedoch die Gründe, aus denen das FG ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheides angenommen habe, von den Grundsätzen ab, die der Bundesfinanzhof (BFH) im Urteil vom 17. März 1994 VI R 120/92 (BFHE 174, 89, BStBl II 1994, 536) aufgestellt habe. Danach sei für die inhaltliche Bestimmtheit eines Haftungsbescheides i. S. des § 119 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) nicht erforderlich, daß aus ihm hervorgehe, in welcher Höhe die nachgeforderte Lohnsteuer jeweils einem konkreten Arbeitnehmer zuzuordnen sei. Diese Frage sei vielmehr der materiell-rechtlichen Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheides zuzuordnen. Aus dieser Begründung des Urteils folge, daß das FG die Aussetzung der Vollziehung jedenfalls nicht in vollem Umfang hätte gewähren dürfen. Es habe sich bei den Wiederholungshonoraren und Erlösbeteiligungen entgegen der Ansicht des Antragstellers auch um Arbeitslohn gehandelt. Die Inanspruchnahme des Antragstellers sei ermessensgerecht gewesen, weil dieser bereits mit Schreiben des BMF vom 22. Juni 1977 auf die Lohnsteuerpflicht hingewiesen worden sei. Die Anwendung eines durchschnittlichen Steuersatzes stelle einen Unterfall der Schätzung dar. Der Antragsteller sei mit der gewählten Vorgehensweise einverstanden gewesen. Nach Angaben des Prüfers sei eine genaue Ermittlung des Steuersatzes anhand der Unterlagen des Antragstellers nicht möglich gewesen, so daß der Steuersatz im Schätzungswege ermittelt worden sei. Der Antragsteller hätte einer Schätzung entgehen können, wenn er Aufzeichnungen vorgelegt hätte, aus denen sich die individuellen Merkmale jedes einzelnen Arbeitnehmers und die auf ihn entfallenden Beträge ergeben hätten. Dies sei nicht geschehen. Die Feststellung des FG in dem angefochtenen Beschluß, daß die Namen der begünstigten Arbeitnehmer sowie die Höhe der auf sie entfallenden Zuwendungen bekannt seien, widerspreche der Feststellung des Prüfers, daß es sich für die Jahre 1986 bis 1989 um geschätzte Beträge handele. Außerdem habe das FG nicht festgestellt, daß auch die individuellen Besteuerungsmerkmale der betroffenen Arbeitnehmer bekannt seien. Zu bedenken sei dabei, daß viele Werke wiederholt würden, bei denen Arbeitnehmer mitgewirkt hätten, die inzwischen längst ausgeschieden seien. Der Antragsteller macht unter Hinweis auf seine Ausführungen im Einspruchsverfahren und auf die Einspruchsbegründung geltend, daß ihm entgegen der Darstellung des FA nicht der Vorwurf eines Fehlverhaltens zu machen sei. Im übrigen sei darauf hinzuweisen, daß die Mitteilungsverordnung gemäß § 93 a AO 1977 zum 1. Januar 1994 in Kraft getreten sei (BStBl I 1993, 799). Der Gesetzgeber habe trotz der bereits seit 1986 bestehenden Ermächtigungsgrundlage seine Möglichkeit zur Sicherung der Steuereinnahmen und der Gleichmäßigkeit der Besteuerung durch Kontrollmitteilungen erst zu Beginn des Jahres 1994 ausgeschöpft. Dieses Unterlassen des Gesetzgebers sei bei der Ermessensausübung gemäß § 42 d EStG zu berücksichtigen. Außerdem sehe er sich in seiner Auffassung, daß die Wiederholungshonorare und die Erlösbeteiligungen kein Arbeitslohn seien, durch das BFH-Urteil vom 6. März 1995 VI R 63/94 bestätigt. Die Honorare würden wegen der wiederholten Nutzung, also nicht "für eine Beschäftigung" gezahlt.

Fundstelle(n):
BFH/NV 1996 S. 32
BFH/NV 1996 S. 32 Nr. 1
IAAAB-37423

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