Abschnitt 2: Raumordnung in den Ländern
§ 15 Raumverträglichkeitsprüfung [1]
(1) 1Die nach Landesrecht zuständige Raumordnungsbehörde (zuständige Raumordnungsbehörde) prüft nach Maßgabe dieser Vorschrift in einem besonderen Verfahren die Raumverträglichkeit raumbedeutsamer Planungen und Maßnahmen im Sinne von § 1 der Raumordnungsverordnung. Gegenstand der Raumverträglichkeitsprüfung sind die
Prüfung der raumbedeutsamen Auswirkungen der Planung oder Maßnahme unter überörtlichen Gesichtspunkten, insbesondere die Übereinstimmung mit den Erfordernissen der Raumordnung und die Abstimmung mit anderen raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen,
Prüfung der ernsthaft in Betracht kommenden Standort- oder Trassenalternativen und
überschlägige Prüfung der Auswirkungen des Vorhabens auf die Schutzgüter nach § 2 Absatz 1 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung unter Berücksichtigung der Kriterien nach Anlage 3 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung.
2Die Raumverträglichkeitsprüfung endet innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach Vorliegen der vollständigen Verfahrensunterlagen. 3Die Raumordnungsbehörde übermittelt dem Vorhabenträger das Ergebnis ihrer Prüfung in Form einer gutachterlichen Stellungnahme. 4Erfolgt keine Übermittlung innerhalb der Frist nach Satz 3, ist das Verfahren der Raumverträglichkeitsprüfung gleichwohl abgeschlossen, und die Zulassungsbehörde kann das Zulassungsverfahren auf Antrag des Vorhabenträgers einleiten; in diesem Fall beteiligt sie die Raumordnungsbehörde im Rahmen der fachrechtlichen Behördenbeteiligung. 5Der Vorhabenträger kann zudem, sofern dies gesetzlich vorgesehen ist, das Verfahren zur Bestimmung der Planung und Linienführung beantragen. 6Übermittelt die Raumordnungsbehörde ihre gutachterliche Stellungnahme nicht fristgerecht, kann der Vorhabenträger beantragen, dass die Raumordnungsbehörde die Raumverträglichkeitsprüfung abweichend von den Sätzen 3 und 5 weiterführt. 7In den Fällen des Satzes 7 kann der Vorhabenträger im weiteren Verlauf jederzeit einen Antrag auf Zulassung des Vorhabens oder auf Durchführung des Verfahrens zur Bestimmung der Planung und Linienführung stellen; mit einem solchen Antrag endet zugleich die Raumverträglichkeitsprüfung.
(2) 1Der Vorhabenträger legt der zuständigen Raumordnungsbehörde die Verfahrensunterlagen vor, die notwendig sind, um eine Bewertung der raumbedeutsamen Auswirkungen des Vorhabens zu ermöglichen; hierzu gehören auch geeignete Angaben entsprechend der Anlage 2 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung zu den Merkmalen des Vorhabens und des Standorts sowie zu den möglichen erheblichen Umweltauswirkungen des Vorhabens. 2Die Verfahrensunterlagen sollen in einem verkehrsüblichen elektronischen Format eingereicht werden. 3Innerhalb eines Monats nach Eingang der Verfahrensunterlagen prüft die zuständige Raumordnungsbehörde deren Vollständigkeit und fordert den Vorhabenträger bei Bedarf unter genauer Bezeichnung der noch erforderlichen Unterlagen oder Daten zur Vervollständigung auf. 4Fordert die Raumordnungsbehörde den Vorhabenträger zur Vervollständigung der Unterlagen auf, hat sie, soweit möglich, die Raumverträglichkeitsprüfung vor der Vervollständigung zu beginnen. 5Fordert die Raumordnungsbehörde den Vorhabenträger nicht innerhalb der Frist nach Satz 3 zur Vervollständigung der Verfahrensunterlagen auf, beginnt die Frist des Absatzes 1 Satz 3 am Tag des Eingangs der Verfahrensunterlagen nach Satz 1. 6Bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen der Verteidigung entscheidet das Bundesministerium der Verteidigung oder die von ihm bestimmte Stelle, bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen des Zivilschutzes die zuständige Stelle über Art und Umfang der Angaben für die Planung oder Maßnahme.
(3) 1Die zuständige Raumordnungsbehörde beteiligt frühzeitig die Öffentlichkeit und die in ihren Belangen berührten öffentlichen Stellen. 2Sie hat die Verfahrensunterlagen für die Dauer von mindestens einem Monat im Internet zu veröffentlichen. 3Der Vorhabenträger hat Anspruch darauf, dass seine Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nicht unbefugt offenbart werden. 4Bestehen Anhaltspunkte dafür, dass eine Bekanntgabe der Angaben nach Absatz 2 Satz 1 für die Interessen des Bundes oder eines Landes nachteilig sein kann oder dass diese Angaben nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen, kann die zuständige Raumordnungsbehörde die Vorlage einer aus sich heraus verständlichen und zusammenhängenden Darstellung verlangen, die den Inhalt der Unterlagen ohne Preisgabe des Geheimnisses beschreibt. 5Internetseite oder Internetadresse und Dauer der Veröffentlichung sind mindestens eine Woche vor Beginn der Veröffentlichung öffentlich bekannt zu machen. 6In der Bekanntmachung ist unter Angabe einer angemessenen Frist, die zumindest der Veröffentlichungsfrist entspricht, darauf hinzuweisen, dass Stellungnahmen abgegeben werden können und dass die Übermittlung elektronisch erfolgen soll. 7Zusätzlich zur Veröffentlichung im Internet ist eine oder sind mehrere andere leicht zu erreichende, auch analoge Zugangsmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen, soweit dies nach Feststellung der zuständigen Raumordnungsbehörde angemessen und zumutbar ist. 8In der Bekanntmachung ist auf diese Zugangsmöglichkeiten hinzuweisen. 9Bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen nach Absatz 2 Satz 6 erfolgt die Entscheidung darüber, ob und in welchem Umfang die Öffentlichkeit einbezogen wird, im Einvernehmen mit den dort genannten Stellen. 10Bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen, die erhebliche Auswirkungen auf Nachbarstaaten haben können, erfolgt die Beteiligung der betroffenen Nachbarstaaten nach den Grundsätzen der Gegenseitigkeit und Gleichwertigkeit.
(4) 1Der Vorhabenträger kann die Durchführung einer Raumverträglichkeitsprüfung bei der zuständigen Raumordnungsbehörde beantragen. 2Stellt der Vorhabenträger keinen Antrag, so zeigt er dies der zuständigen Raumordnungsbehörde vor Einleitung eines Zulassungsverfahrens oder, sofern dies gesetzlich vorgesehen ist, eines Verfahrens zur Bestimmung der Planung und Linienführung an. 3Der Anzeige sind die für die Raumverträglichkeitsprüfung erforderlichen Unterlagen nach Absatz 2 Satz 1 beizufügen. 4Die zuständige Raumordnungsbehörde soll die Raumverträglichkeitsprüfung einleiten, wenn sie erwartet, dass das Vorhaben zu raumbedeutsamen Konflikten mit den Erfordernissen der Raumordnung oder mit anderen raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen führen wird. 5Die zuständige Raumordnungsbehörde teilt ihre Entscheidung über die Einleitung der Prüfung dem Vorhabenträger innerhalb von vier Wochen nach dessen Anzeige mit. 6Bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen von öffentlichen Stellen des Bundes, von anderen öffentlichen Stellen, die im Auftrag des Bundes tätig sind, sowie von Personen des Privatrechts nach § 5 Absatz 1 trifft die zuständige Raumordnungsbehörde die Entscheidung über die Einleitung der Prüfung im Benehmen mit dieser Stelle oder Person.
(5) 1Hält der Vorhabenträger nach Abschluss der Raumverträglichkeitsprüfung an der Realisierung seines Vorhabens fest, soll er zeitnah die Durchführung des hierfür erforderlichen Zulassungsverfahrens oder, sofern es gesetzlich vorgesehen ist, des Verfahrens zur Bestimmung der Planung und Linienführung beantragen. 2Im Zuge der Antragstellung übermittelt der Vorhabenträger der Zulassungsbehörde die Unterlagen, die Gegenstand der Raumverträglichkeitsprüfung waren, sowie im Falle ihres Vorliegens die gutachterliche Stellungnahme in einem verkehrsüblichen elektronischen Format. 3Im Zulassungsverfahren soll die Prüfung auf Belange beschränkt werden, die nicht Gegenstand der Raumverträglichkeitsprüfung waren, jedoch bleibt die Prüfung der Umweltauswirkungen im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung und nach Maßgabe des Fachrechts im Rahmen des Zulassungsverfahrens unberührt. 4Die Zulassungsbehörde bezieht die gutachterliche Stellungnahme der zuständigen Raumordnungsbehörde auf der Grundlage des § 4 Absatz 1 Satz 1 in Verbindung mit § 3 Absatz 1 Nummer 4 nach Maßgabe des Fachrechts in ihre Entscheidung ein. 5Wird das Vorhaben abschnittsweise zugelassen, können die Raumverträglichkeitsprüfung sowie das Zulassungsverfahren oder, sofern es gesetzlich vorgesehen ist, das Verfahren zur Bestimmung der Planung und Linienführung insoweit aufeinander abgestimmt werden.
(6) Das Ergebnis der Raumverträglichkeitsprüfung kann nur im Rahmen des Rechtsbehelfsverfahrens gegen die nachfolgende Zulassungsentscheidung überprüft werden.
(7) In den Ländern Berlin, Bremen und Hamburg gelten die Absätze 1 bis 6 nur, wenn das Landesrecht eine Raumverträglichkeitsprüfung vorsieht.
Fundstelle(n):
zur Änderungsdokumentation
BAAAJ-26449
1Anm. d. Red.: § 15 i. d. F. des Gesetzes v. (BGBl 2023 I Nr. 88) mit Wirkung v. .