BFH Beschluss v. - VII B 26/04

Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung; Divergenz bei mehrfacher Begr. des FG-Urt.; keine Verpflichtung des FG zur Einholung einer Vorabentsch. des EuGH

Gesetze: FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1, 2; EG Art. 234

Instanzenzug:

Gründe

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) meldete am Aluminiumprofile aus der Schweiz zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr an. Als Empfängerin der Waren gab er in Feld 8 des Einheitspapiers die Z an. In dem für die Eintragung des Anmelders/Vertreters vorgesehenen Feld 14 des Einheitspapiers machte er folgende Angaben:


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"XY
Nr. 292 39 98
Verzollungen
F, D
 
i.A.u.V. Ziffer 8)”.

In Feld 48 trug er die Nummer des Aufschubkontos der F-GmbH ein.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt —HZA—) setzte zunächst gegen die Z, vertreten durch die F-GmbH, Einfuhrumsatzsteuer fest und gewährte auf deren Aufschubkonto Zahlungsaufschub. Nachdem die Einfuhrumsatzsteuer nicht entrichtet worden war, forderte das HZA die Z unter Hinweis auf die zwischenzeitlich eingetretene Zahlungsunfähigkeit der F-GmbH zur Zahlung auf. Auf Grund der von der Z erhobenen Einwendungen wandte sich das HZA an den Kläger und verlangte einen Nachweis seiner Vertretungsmacht. Der Kläger machte geltend, er sei nicht als Vertreter der Z, sondern als Vertreter der mit dem Transport und der Verzollung beauftragten F-GmbH aufgetreten. Der Verzollungsauftrag ergebe sich aus einem CMR-Frachtbrief. Da der Kläger nach Auffassung des HZA den Nachweis für seine Vertretungsmacht nicht erbracht hatte, setzte es gegen ihn mit Bescheid vom die Einfuhrumsatzsteuer fest.

Das Finanzgericht (FG) wies die vom Kläger nach erfolglosem Einspruch (Einspruchsentscheidung vom ) erhobene Klage ab. Zur Begründung führte das FG aus, der Kläger sei nach Art. 201 Abs. 3 Unterabs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 5 Abs. 4 Unterabs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 (Zollkodex —ZK—) des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften —ABlEG— Nr. L 302/1) Abgabenschuldner geworden. Unter Berücksichtigung seiner Angaben in Feld 14 der Zollanmeldung habe er weder hinreichend deutlich erklärt, als Vertreter zu handeln, noch die Person des Vertretenen hinreichend deutlich bezeichnet noch nachgewiesen, Vertretungsmacht besessen zu haben. Er habe das Wort „Anmelder” nicht gestrichen und auch die F-GmbH als Anmelderin/Vertreterin angegeben, die jedoch als Vertreterin der in Feld 8 genannten Z aufgeführt worden sei. Unklar bleibe hiernach, in welchem Verhältnis der Kläger zur Z und zur F-GmbH stehe. Da sich die Eintragung „i.A.u.V. Ziffer 8)” auf die F-GmbH beziehe, könne nicht angenommen werden, dass der Kläger als Vertreter bzw. Untervertreter für die F-GmbH bzw. die Z aufgetreten sei. Entsprechendes gelte für die Angabe des Aufschubkontos der F-GmbH in Feld 48.

Selbst wenn man unterstelle, dass der Kläger erklärt habe, als Vertreter zu handeln, bleibe offen, ob Vertretene die Z oder die F-GmbH habe sein sollen. Der Kläger habe zudem nicht verdeutlicht, ob er in direkter oder in indirekter Vertretung habe handeln wollen. Auf Grund des Fehlens eines auf ihn bezogenen Vertretungszusatzes könne den Angaben in Feld 14 der Zollanmeldung allenfalls entnommen werden, dass er als mittelbarer Vertreter der F-GmbH habe auftreten wollen. Eine direkte Vertretung ergebe sich auch nicht aus der Angabe der Zollnummer der F-GmbH.

Schließlich stehe nicht fest, dass der Kläger bei der Abgabe der Zollanmeldung Vertretungsmacht besessen habe. Aus den von ihm vorgelegten Schreiben vom 3. und gehe nicht eindeutig hervor, ob er Bevollmächtigter der F-GmbH oder der F-AG gewesen sei. Die F-AG habe ihn nicht bevollmächtigen können, im Namen der F-GmbH zu handeln. Die Schreiben vom würden überdies nach ihrem Inhalt Zweifel aufkommen lassen, ob sie nicht erst nach Abgabe der Zollanmeldung verfasst worden seien. Dieser Eindruck werde dadurch bestärkt, dass der Kläger erstmals im Klageverfahren ein gleichlautendes Schreiben mit gleichem Datum vorgelegt habe, das vom Geschäftsführer A unterschrieben worden sei. Es sei nicht ersichtlich, warum der Kläger durch zwei Schreiben gleichen Inhalts und gleichen Datums, die von zwei verschiedenen Repräsentanten der F-GmbH verfasst worden seien, bevollmächtigt worden sein sollte. Wenn die Vollmacht erst nachträglich erteilt worden sei, handele es sich um eine Genehmigung des vollmachtlosen Handelns des Klägers, der zollrechtlich keine Bedeutung zukomme. Eine Bevollmächtigung ergebe sich auch nicht aus dem CMR-Frachtbrief.

Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers. Die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung, weil die Frage, ob die Angabe einer Zollnummer in Feld 14 des Einheitspapiers den Anmelder i.S. des Art. 5 Abs. 4 ZK bestimme, höchstrichterlich noch nicht entschieden und von allgemeinem Interesse sei. Darüber hinaus komme der Frage, ob im Streitfall die Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) geboten gewesen sei, grundsätzliche Bedeutung zu. Die Revision sei zudem zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen. Das FG sei mit seiner Entscheidung von dem (BFHE 125, 326, BStBl II 1978, 606) abgewichen, wonach für das Vertreterhandeln und die Erklärung der Vertreterstellung die Angabe einer Steuernummer entscheidend sei.

Das HZA ist der Beschwerde entgegengetreten.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe sind entweder nicht schlüssig dargelegt worden, wie dies § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) erfordert, oder liegen nicht vor.

1. Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) kommt in Betracht, wenn der Beschwerdeführer substantiierte und konkrete Angaben darüber macht, dass im Revisionsverfahren über eine klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage zu entscheiden wäre und dass diese Entscheidung im Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Anwendung und Fortbildung des Rechts wesentlich ist (vgl. Senatsbeschluss vom VII B 253/97, BFH/NV 1998, 990). Zur Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage bedarf es der Darlegung, dass es im Revisionsverfahren tatsächlich zur Klärung der aufgeworfenen Rechtsfrage kommen kann (, BFH/NV 1998, 993). Da es nicht Aufgabe des Revisionsgerichts ist, Rechtsfragen abstrakt zu klären, muss die als klärungsbedürftig bezeichnete Rechtsfrage für den zu entscheidenden Fall rechtserheblich sein. Daran fehlt es, wenn das FG seine Entscheidung auch auf einen anderen als den vom Beschwerdeführer für grundsätzlich bedeutsam gehaltenen Rechtsgrund gestützt hat, der die Entscheidung ebenfalls trägt, jedoch nur zu der nicht allein entscheidungserheblichen Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung geltend gemacht wird, während zu der weiteren rechtserheblichen Begründung des FG ein Zulassungsgrund für die Revision nicht dargetan ist (vgl. , BFH/NV 1996, 42; Senatsbeschluss vom VII B 136/98, BFH/NV 1999, 331). So liegt es hier.

Der Kläger wendet sich mit der von ihm aufgeworfenen Frage, ob durch die Angabe einer Zollnummer in Feld 14 des Einheitspapiers der Anmelder i.S. des Art. 5 Abs. 4 ZK bestimmt wird, gegen die Annahme des FG, dass er ein Handeln für die F-GmbH nicht hinreichend deutlich erklärt habe. Das FG hat indessen ausgeführt, es stehe auch nicht fest, dass der Kläger bei der Abgabe der Zollanmeldung Vertretungsmacht besessen habe. Dementsprechend hat ihn das FG in Anwendung des Art. 5 Abs. 4 Unterabs. 2 ZK als Vertreter ohne Vertretungsmacht und damit als Steuerschuldner angesehen. Hierbei handelt es sich um einen die Vorentscheidung selbständig tragenden Rechtsgrund (vgl. Senatsbeschluss vom VII B 163/02, BFH/NV 2003, 523, 524), zu dem der Kläger jedoch keinen Zulassungsgrund geltend gemacht hat.

Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang Einwendungen gegen die materielle Richtigkeit der Vorentscheidung erhebt, kann dies nicht zur Zulassung der Revision führen, weil hiermit kein Zulassungsgrund gemäß § 115 Abs. 2 FGO dargetan wird (vgl. BFH-Beschlüsse vom III B 16/00, BFH/NV 2001, 202; vom IX B 169/01, BFH/NV 2002, 1476).

Die weitere vom Kläger für grundsätzlich bedeutsam gehaltene Frage, ob das FG eine Vorabentscheidung des EuGH hätte einholen müssen, ist jedenfalls nicht klärungsbedürftig. Es ist geklärt, dass ein FG nach Art. 234 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften nicht zur Anrufung des EuGH verpflichtet ist, weil seine Entscheidung mit der Nichtzulassungsbeschwerde angefochten werden kann (vgl. , BFH/NV 2002, 1038, 1039; Senatsbeschlüsse vom VII B 35/02, BFH/NV 2002, 1499, 1503; vom VII R 49/03, BFH/NV 2004, 521, 522). Nur letztinstanzlich entscheidende nationale Gerichte sind zur Vorlage an den EuGH als dem dazu berufenen gesetzlichen Richter i.S. von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes verpflichtet, wenn es um die Auslegung von Gemeinschaftsrecht geht (vgl. , Neue Juristische Wochenschrift 2001, 1267, 1268). Diese Auffassung wird vom EuGH auch für den Fall geteilt, dass eine Zulassung des Rechtsmittels durch ein einzelstaatliches oberstes Gericht erforderlich ist (vgl. Urteil vom Rs. C-99/00 —Lyckeskog—, EuGHE 2002, I-4839 Rdnr. 16 f.).

Da die Beschwerdebegründung keine klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, kommt eine Zulassung der Revision auch nicht im Hinblick auf eine vom Senat einzuholende Vorabentscheidung des EuGH in Betracht (vgl. Senatsbeschluss vom VII B 17/02, BFH/NV 2003, 216, 218).

2. Der Zulassungsgrund des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO liegt nicht vor. Hiernach kommt eine Zulassung der Revision nur in Betracht, wenn das angefochtene Urteil auf der vom Beschwerdeführer geltend gemachten Divergenz beruhen kann (vgl. , BFH/NV 2002, 1336, 1337). Das ist der Fall, wenn zumindest die Möglichkeit besteht, dass das Urteil des FG bei Zugrundelegung der Divergenzentscheidung anders ausgefallen wäre, d.h. wenn sich ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Abweichung und dem Ergebnis der Entscheidung nicht ausschließen lässt (vgl. BFH-Beschlüsse vom IV B 78/86, BFH/NV 1988, 161, 162; vom II B 37/97, BFH/NV 1998, 436, 437). Ist das Urteil des FG kumulativ auf mehrere selbständig tragende Gründe gestützt, kann die Revision wegen Divergenz nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jedes dieser Gründe eine Divergenz zu einer Entscheidung eines anderen Gerichts gegeben ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom II B 10/95, BFH/NV 1995, 1044; vom III B 62/98, BFH/NV 2001, 455, 456).

Es kann dahinstehen, ob die Vorentscheidung überhaupt von dem BFH-Urteil in BFHE 125, 326, BStBl II 1978, 606 abweicht. Der BFH hat in dieser Entscheidung ausgeführt, die Abgabe einer Willenserklärung im Namen des Vertretenen erfordere nicht notwendigerweise eine ausdrückliche Erklärung, in fremdem Namen zu handeln, sofern der Wille, in fremdem Namen zu handeln, aus den Umständen erhelle und für den Erklärungsempfänger erkennbar werde. Dies hat der BFH in dem von ihm entschiedenen Fall angenommen, weil unter anderem die Steuernummer des Vertretenen angegeben worden war. Selbst wenn eine Divergenz vorliegen würde, weil das FG hinsichtlich der Frage, ob der Kläger eine direkte Vertretung im Namen der F-GmbH deutlich gemacht hat, nicht zu dessen Gunsten berücksichtigt hat, dass deren Zollnummer angegeben worden war, könnte das angefochtene Urteil nicht hierauf beruhen. Denn das FG hat die Vorentscheidung —wie dargelegt— auch auf den selbständig tragenden Rechtsgrund gestützt, dass der Kläger nicht nachgewiesen habe, bei der Abgabe der Zollanmeldung Vertretungsmacht besessen zu haben. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern insoweit eine Divergenz vorliegen könnte.

Fundstelle(n):
LAAAB-36142