BFH Urteil v. - X R 1/03

Häusliches Arbeitszimmer bei einem Handelsvertreter

Gesetze: EStG § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr 1998 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt wurden. Der Kläger erzielt Einkünfte aus Gewerbebetrieb als selbständiger Handelsvertreter; er ist als Kundenbetreuer für drei ...verlage tätig. Er nutzt einen im Keller des von ihm bewohnten Einfamilienhauses gelegenen Raum als Büro für seinen Betrieb. Dieser Raum ist sowohl vom Wohnbereich als auch —über einen eigenen Eingang— von außen zugänglich. Ein anderer Arbeitsplatz steht ihm nicht zur Verfügung.

Nach dem Vorbringen des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) beginnt er an Wochentagen um 4 Uhr morgens mit seiner Tätigkeit im Büro, befindet sich von 7 bis 21 Uhr im Außendienst auf Kundenbesuchen und befasst sich im Anschluss daran noch ca. 1 bis 1 1/2 Stunden mit Sortierarbeiten. Außerdem arbeite er nahezu jedes Wochenende im Büro. Im Streitjahr hätten die Tochter der Kläger, gelegentlich auch deren Partner, in ihrer Freizeit unentgeltlich im Büro mitgearbeitet (Erstellung von Listen, Sortierarbeiten, Telefondienst). Er schätze die Anwesenheit dieser Personen im Büro auf etwa 25 bis 35 Stunden wöchentlich. Im Jahr 1999 sei die Tochter im Rahmen eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses angestellt worden, ab dem Jahr 2000 habe er eine Angestellte ganztags beschäftigt.

In dem Büroraum befasse er sich mit der Durchsicht der Aufträge, der Erarbeitung von Design-Entwürfen, der Vorbereitung der Verkaufsgespräche und von Internet-Einträgen, der Terminierung der Kundengespräche, der telefonischen Kundenberatung, der Abwicklung eines Teils der Aufträge, der Eintragung in Wochenabrechnungen, der Erfassung und Prüfung der Provisionszahlungen sowie der Bearbeitung von Reklamationen.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid 1998 für den betrieblich genutzten Raum statt der geltend gemachten Aufwendungen in Höhe von 7 713,22 DM lediglich 2 400 DM als Betriebsausgaben. Es handele sich um ein häusliches Arbeitszimmer, das nicht den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen Tätigkeit des Klägers bilde.

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 921 abgedruckt.

Mit ihrer Revision vertreten die Kläger zunächst die Auffassung, der im Keller belegene Raum stelle von vornherein kein häusliches Arbeitszimmer i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b des Einkommensteuergesetzes (EStG) dar. Denn eine Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls müsse zu dem Ergebnis führen, dass die Büroräume mit dem Wohnbereich keine Einheit bildeten.

Jedenfalls sei der Raum als Mittelpunkt der gesamten Tätigkeit des Klägers anzusehen, weil dieser nach allgemeiner Verkehrsauffassung die für seinen Erfolg wesentlichen Leistungen im Büro erbringe. Das Tätigwerden außerhalb des Arbeitszimmers sei nicht berufsbildprägend.

Die Kläger beantragen,

das angefochtene Urteil vom sowie die Einspruchsentscheidung vom aufzuheben und die Einkommensteuer 1998 unter Änderung des Bescheids vom auf 0 DM herabzusetzen.

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen.

Zu Recht hat das FG entschieden, dass der vom Kläger in seinem Einfamilienhaus betrieblich genutzte Raum als häusliches Arbeitszimmer i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG anzusehen ist (dazu unten 1.), das auch nicht den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen Betätigung des Klägers bildet (dazu unten 2.).

1. Die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung versteht unter einem „häuslichen Arbeitszimmer” einen Raum, der seiner Lage, Funktion und Ausstattung nach in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebunden ist und vorwiegend der Erledigung gedanklicher, schriftlicher oder verwaltungstechnischer bzw. -organisatorischer Arbeiten dient (grundlegend , BFHE 200, 336, BStBl II 2003, 139, und vom VI R 164/00, BFHE 201, 86, BStBl II 2003, 350).

a) Bewohnt der Steuerpflichtige —wie hier— ein Einfamilienhaus, gehört in der Regel das gesamte Gebäude zur häuslichen Sphäre (, BFHE 201, 269, BStBl II 2004, 43, und vom VI R 156/01, BFHE 202, 116, BStBl II 2004, 75, unter II. 2. b, m.w.N.).

Dies gilt auch, wenn der als Arbeitszimmer genutzte Raum über einen eigenen Eingang verfügt (BFH-Urteil in BFHE 202, 116, BStBl II 2004, 75), und sogar dann, wenn dieser Raum —was vorliegend nicht einmal der Fall ist— ausschließlich über einen separaten Eingang betreten werden kann (BFH-Urteil in BFHE 201, 86, BStBl II 2003, 350, unter II. 2. d).

Entscheidend für das Merkmal der Einbindung in die „häusliche Sphäre” ist, dass der Raum nicht für einen intensiven und dauerhaften Publikumsverkehr geöffnet ist (BFH-Urteil in BFHE 201, 269, BStBl II 2004, 43, unter II. b cc). Ein solcher Publikumsverkehr fand nach den vom Kläger nicht angegriffenen Feststellungen des FG jedenfalls im Streitjahr nicht statt. Die Anwesenheit der Tochter des Klägers und die gelegentliche Anwesenheit des Partners der Tochter im Büro stehen einem intensiven Publikumsverkehr nicht gleich; dieser Sachvortrag des Klägers bestätigt vielmehr die Feststellung des FG, dass der Büroraum in die häusliche Sphäre des Klägers eingebunden war.

b) Der vom Kläger genutzte Raum dient auch der Erledigung gedanklicher, schriftlicher oder verwaltungsorganisatorischer Arbeiten. Er entspricht seiner Ausstattung und Funktion nach einem Büro. Mit Werkstatt-, Lager- oder Praxisräumen, die nicht als häusliches Arbeitszimmer anzusehen sind (vgl. dazu , BFHE 201, 166, BStBl II 2003, 463, und vom IV R 53/01, BFHE 203, 324, BStBl II 2004, 55, unter II. 1. b), ist dieser Raum nicht vergleichbar.

2. Auch die Würdigung des FG, das Arbeitszimmer sei nicht der Mittelpunkt der gesamten beruflichen und betrieblichen Betätigung (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 EStG) des Klägers gewesen, ist frei von Rechtsfehlern.

Das häusliche Arbeitszimmer eines Steuerpflichtigen, der lediglich eine einzige Tätigkeit —teils im Arbeitszimmer, teils auswärts— ausübt, ist Mittelpunkt seiner gesamten Betätigung, wenn er dort diejenigen Handlungen vornimmt und Leistungen erbringt, die für den konkret ausgeübten Beruf wesentlich und prägend sind. Dieser Mittelpunkt bestimmt sich nach dem inhaltlichen (qualitativen) Schwerpunkt der Betätigung. Wo dieser Schwerpunkt liegt, ist im Wege einer Wertung der Gesamttätigkeit des Steuerpflichtigen festzustellen; dies ist Aufgabe des Tatrichters (zum Ganzen mit ausführlicher Begründung , BFHE 201, 106, BStBl II 2004, 59, und in BFHE 201, 269, BStBl II 2004, 43, unter II. c bb).

Vorliegend hat das FG die von ihm festgestellten Tatsachen dahin gewürdigt, dass der Kläger, der nahezu werktäglich von 7 bis 21 Uhr im Außendienst tätig war, die wesentliche und das Berufsbild prägende Tätigkeit in Gestalt der Beratungs- und Überzeugungsgespräche im Außendienst bei seinen Kunden erbracht habe.

Diese Würdigung steht im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Tätigkeitsmittelpunkt von Handelsvertretern, bei denen im Regelfall die Außendiensttätigkeit prägend für das Berufsbild ist (, BFHE 201, 93, BStBl II 2004, 62, unter II. 2. b; vom VI R 124/01, BFHE 202, 104, BStBl II 2004, 69, unter II. 3., und in BFHE 202, 116, BStBl II 2004, 75, unter II. 3. b).

Fundstelle(n):
BFH/NV 2004 S. 1387
BFH/NV 2004 S. 1387 Nr. 10
OAAAB-25287