Anerkennung eines Mietvertrags unter Angehörigen
Instanzenzug: FG des Landes Sachsen-Anhalt Urteil vom II 654/98 (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erhielt von seinen Eltern im Streitjahr 1994 ein mit einem Mehrfamilienhaus bebautes Grundstück. Nach dem notariellen Überlassungsvertrag ist er verpflichtet, seinen Eltern als Gesamtberechtigten auf Lebenszeit monatlich 800 DM als „dauernde Last” zu zahlen und ihnen —ebenfalls auf Lebenszeit— die zweite Etage gegen „einen der ortsüblichen, gesetzlich zulässigen Miete entsprechenden Betrag” zu überlassen. Die Kosten für Strom, Wasser, Heizung und sonstige Nebenkosten haben die Eltern (anteilmäßig) zu tragen. Zur Sicherung des Wohnungsrechts bewilligte der Kläger die Eintragung einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit in das Grundbuch. Der Jahreswert des Wohnungsrechts wurde in dem notariellen Vertrag mit 3 600 DM angegeben.
In der Einkommensteuererklärung für 1994 machte der Kläger Einkünfte aus der Vermietung der Wohnung von ./. 7 574 DM, in der Einkommensteuererklärung für 1995 bei dieser Einkunftsart Einkünfte von ./. 50 818 DM geltend. Dem lagen Mieteinnahmen von 300 DM monatlich zugrunde. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) erkannte nach einer Außenprüfung die erklärten Werbungskostenüberschüsse in den geänderten Bescheiden vom nicht mehr an und wies die dagegen erhobenen Einsprüche als unbegründet zurück, weil das Mietverhältnis einem Fremdvergleich nicht standhalte. Im Ergebnis wendeten die Eltern des Klägers Miete für ein Wohnungsrecht auf, das ihnen „ohnehin schon zustehe”. Darüber hinaus sei die Vertragsgestaltung missbräuchlich i.S. des § 42 der Abgabenordnung (AO 1977), weil die Eltern angesichts der vom Kläger zu erbringenden monatlichen Versorgungsleistungen durch den Mietzins wirtschaftlich nicht belastet würden.
Die daraufhin erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) als unbegründet ab. Sein Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 569 veröffentlicht.
Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung des § 21 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Der Kläger beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Einkommensteuer für 1994 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom und unter Änderung des Einkommensteuerbescheids vom auf ... DM sowie die Einkommensteuer für 1995 unter Änderung des Einkommensteuerbescheids in Gestalt des Änderungsbescheids vom auf ... DM festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Zurückverweisung der Sache (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
1. Zu Unrecht hat das FG die Berücksichtigung des streitigen Werbungskostenüberschusses bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung mit der Begründung abgelehnt, die Entgeltvereinbarung zwischen dem Kläger und seinen Eltern entspreche nicht den Anforderungen des sog. Fremdvergleichs.
a) Mietverträge unter nahen Angehörigen sind in der Regel der Besteuerung nicht zugrunde zu legen, wenn die Gestaltung oder die tatsächliche Durchführung nicht dem zwischen Fremden Üblichen entspricht (ständige Rechtsprechung, z.B. , BFHE 180, 377, BStBl II 1997, 196; vom IX R 68/97, BFH/NV 2001, 1551). Das gilt auch für Mietverträge, die mit Angehörigen und deren Lebensgefährten geschlossen worden sind (, BFH/NV 2001, 305; vom IX R 9/97, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung —HFR— 2001, 337).
aa) Rechtsgrundlage des Fremdvergleichs sind die §§ 85, 88 AO 1977 und § 76 Abs. 1 FGO. Er ermöglicht aufgrund einer Würdigung von Beweisanzeichen den Schluss, aus welchen Gründen ein Leistungsaustausch unter Angehörigen stattgefunden hat, ob aufgrund eines den Tatbestand einer Einkunftsart erfüllenden Vertrages oder aus privaten, familiären Gründen. Erst das Ergebnis dieser —der Tatsachenfeststellung zuzuordnenden— Indizienwürdigung ermöglicht die nachfolgende rechtliche Subsumtion, ob es sich bei den Aufwendungen des Steuerpflichtigen um nicht abziehbare Privatausgaben (§ 12 EStG) oder aber um Werbungskosten (§ 9 EStG) oder Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG) handelt (, BFHE 199, 380, BStBl II 2002, 699, unter II. 1., m.w.N.).
bb) Für die Beurteilung eines Mietvertrages unter nahen Angehörigen ist entscheidend, dass die Hauptpflichten der Vertragsparteien wie die Überlassung einer konkret bestimmten Sache und die Höhe der Miete (§ 535 des Bürgerlichen Gesetzbuchs —BGB—) klar und eindeutig vereinbart und wie vereinbart durchgeführt werden (, BFHE 184, 463, BStBl II 1998, 106, zu 2.; vom IX R 39/99, BFHE 190, 173, BStBl II 2000, 224). Sind hinsichtlich der Nebenabgaben keine Vereinbarungen getroffen worden, muss dies allein nicht bereits zur Nichtanerkennung des Vertrages führen; dieser Umstand ist vielmehr im Zusammenhang mit sämtlichen weiteren Umständen zu würdigen, die für oder gegen die private Veranlassung des Vertragsverhältnisses sprechen (, BFHE 185, 397, BStBl II 1998, 349, zu 2.; in BFH/NV 2001, 305; in HFR 2001, 337). Bei Dauerschuldverhältnissen kann für die Auslegung ursprünglich unklarer Vereinbarungen außerdem die spätere tatsächliche Übung der Parteien herangezogen werden (BFH-Urteil in BFHE 199, 380, BStBl II 2002, 699).
b) Nach diesen Maßstäben kann die Entscheidung des FG keinen Bestand haben.
aa) Hinsichtlich der Hauptpflichten des Mietvertrags ist die Würdigung des FG, es liege keine klare und eindeutige Vereinbarung der Miethöhe vor, mit seinen eigenen tatsächlichen Feststellungen nicht vereinbar und deshalb für den Senat nicht nach § 118 Abs. 2 FGO bindend. Vielmehr ist die ausdrückliche Bezifferung des Jahresmietwerts im notariellen Mietvertrag mit 3 600 DM auch angesichts der entsprechend geleisteten Zahlungen aus der maßgeblichen Sicht eines objektiven Dritten als Vereinbarung einer monatlichen Miete von 300 DM bei Vertragsschluss auszulegen; für einen abweichenden Willen der Beteiligten sind objektive Umstände ersichtlich nicht gegeben, so dass die Beteiligten eine hinreichend klare und eindeutige Regelung über die Hauptpflichten des Mietvertrags (Nutzungsüberlassung der bezeichneten Wohnung und Höhe der Miete) getroffen haben. Dies gilt umso mehr, als keine anderen Gründe für die Aufnahme des Jahresmietwerts in den notariellen Übertragungsvertrag als den der Bemessung der Miete aus den Feststellungen des FG oder dem Vortrag der Beteiligten ersichtlich sind.
bb) Im Übrigen kann der Senat mangels entsprechender tatsächlicher Feststellungen des FG nicht abschließend entscheiden, ob die Nebenkosten —wie geltend gemacht— anteilig von den Eltern des Klägers getragen wurden. Nur auf der Grundlage dieser Feststellungen zu der bei der Gesamtwürdigung zu berücksichtigenden tatsächlichen Übung der Vertragsparteien (, BFHE 179, 270, BStBl II 1997, 703; in BFHE 199, 380, BStBl II 2002, 699) kann abschließend beurteilt werden, ob die von den Eltern an den Kläger geleisteten Zahlungen Entgelt für die Nutzungsüberlassung der Wohnung oder einkommensteuerrechtlich unerhebliche Zuwendungen in der privaten Sphäre der Vertragsparteien sind.
2. Die Sache ist nicht spruchreif.
Das Revisionsgericht kann den Fremdvergleich, der die Würdigung von Beweisanzeichen bedeutet (vgl. Senatsentscheidung in BFHE 199, 380, BStBl II 2002, 699), nicht selbst durchführen. Das FG hat daher im zweiten Rechtsgang das streitige Mietverhältnis hinsichtlich der Vereinbarungen über die Nebenkosten für die vermietete Wohnung ebenso wie die tatsächliche Durchführung des Mietvertrages nach den Grundsätzen des Fremdvergleichs erneut zu beurteilen.
Sofern das Mietverhältnis danach anzuerkennen ist, wird das FG auch zu prüfen haben, ob die dauernde Last nach den Grundsätzen des Großen Senats des , BFHE 202, 464, BStBl II 2004, 95) aus dem Nettoertrag des übernommenen Vermögens zu leisten und infolgedessen als Sonderausgabe gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG anzuerkennen ist.
3. In diesem Zusammenhang weist der Senat darauf hin, dass dem streitigen Mietverhältnis —wenn es auf der Grundlage der nachzuholenden Gesamtwürdigung den Anforderungen des Fremdvergleichs entspricht— entgegen der Auffassung des FA nicht wegen Missbrauchs von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts (§ 42 AO 1977) die steuerrechtliche Anerkennung deshalb zu versagen ist, weil das vermietete Objekt von den Mietern zuvor gegen —entgeltliches- Wohnungsrecht auf den Vermieter übertragen wurde und dieser dafür wiederkehrende Leistungen in Form einer dauernden Last zu leisten hat. Insoweit verweist er zur Vermeidung von Wiederholungen auf das Urteil des Senats vom IX R 12/01.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2004 S. 1274
BFH/NV 2004 S. 1274 Nr. 9
OAAAB-23787