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Sammelauskunftsersuchen
I. Definition
Bei Sammelauskunftsersuchen wird von der Finanzbehörde Auskunft über eine Vielzahl von Einzelfällen verlangt. Sie unterscheiden sich dadurch von Einzelauskunftsersuchen, die sich nur auf einen Einzelfall beziehen.
Sammelauskunftsersuchen sind in allen finanzbehördlichen Ermittlungsverfahren zulässig.
von Wedelstädt, Sammelauskunftsersuchen – Zulässigkeit, Rechtsschutz, AO-StB 1/2011, S. 19
von Wedelstädt, Sammelauskunftsersuchen – Zulässigkeit, Auswertung der Auskunft, Rechtsschutz, DB 2004 S. 948
Kusnik, Sammelauskunftsersuchen der Steuerfahndung zu Kunden von Unternehmen: Was darf die Finanzbehörde?, DB 2015 S. 697
II. Zulässigkeit
1. Allgemein
Nach § 93 Abs. 1a AO darf die Finanzbehörde an andere Personen als die Beteiligten Auskunftsersuchen über eine ihr noch unbekannte Anzahl von Sachverhalten mit dem Grunde nach bestimmbaren, ihr noch nicht bekannten Personen stellen (Sammelauskunftsersuchen). Das setzt voraus, dass ein hinreichender Anlass für die Ermittlungen besteht und andere zumutbare Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung keinen Erfolg versprechen. Zum hinreichenden Anlass und weiteren Voraussetzungen s. AEAO zu § 93, Nr. 1.2.5.
Nicht erforderlich ist die Erfüllung der weiteren Voraussetzung der allgemeinen Auskunftsersuchen nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AO, dass die Sachverhaltsaufklärung durch den Beteiligten, d. h. regelmäßig den Steuerpflichtigen, nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht, § 93 Abs. 1a Satz 3 AO.
Sammelauskunftsersuchen sind Auskunftsersuchen i.S.d. § 93 AO. Ihre Zulässigkeit ergibt sich aus § 93 Abs. 1a AO, und zwar sowohl für das Veranlagungsverfahren, das Vollstreckungsverfahren (§ 249 Abs. 2 Satz 1 AO) und das Außenprüfungsverfahren als auch für das Steuerfahndungsverfahren (AEAO zu § 93, Nr. 1). Auf die Ausführungen im Stichwort “Auskunfts- und Vorlageverweigerungsrechte” wird ergänzend verwiesen, soweit für Sammelauskunftsersuchen nicht etwas anderes gilt
Spezialregelungen enthalten § 200 AO für das Außenprüfungsverfahren und § 208 Abs. 1 S. 3 AO für die Steuerfahndung, soweit sie tätig wird zur Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen im Rahmen der Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten (§ 208 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AO), und in § 210 AO und § 211 AO für die Steueraufsicht. Im Steuerstraf- und -bußgeldverfahren gelten nach § 385 Abs. 1 AO und § 410 Abs. 1 AO die Vorschriften der StPO und des OWiG (AEAO zu § 93, Nr. 1 Satz 3).
2. Voraussetzungen nach § 93 Abs. 1a AO
Die Finanzbehörde kann von Dritten die Sammelauskünfte verlangen, die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlich sind. Dies gilt für Einzelauskunftsersuchen und Sammelauskunftsersuchen gleichermaßen. Auf die Ausführungen im Stichwort „Auskunfts- und Vorlageverweigerungsrechte” unter II. wird ergänzend verwiesen.
Das Sammelauskunftsersuchen muss – wie jedes Auskunftsverlangen -
zur Sachverhaltsaufklärung erforderlich,
verhältnismäßig,
erfüllbar und
zumutbar sein (AEAO zu § 93, Nr. 1.2.5 Satz 6).
Erforderlich ist ein Sammelauskunftsersuchen, wenn ein hinreichender Anlass dafür besteht und die betroffenen Steuerpflichtigen nicht namentlich bekannt sind (AEAO zu § 93, Nr. 1.2.5 Satz 1). Dies ist der Fall, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine Steuerverkürzung oder für das Erlangen nicht gerechtfertigter Steuervorteile vorliegen (AEAO zu § 93, Nr. 1.2.5 Satz 2) oder auf Grund allgemeiner Erfahrung (auch konkreter Erfahrungen für bestimmte Gebiete oder Bereiche) die Möglichkeit einer Steuerverkürzung in Betracht kommt. Dies erfordert die Prognoseentscheidung, also eine vorweggenommene Beweiswürdigung, dass die Auskunft zu steuererheblichen Tatsachen führen kann. Es reicht dabei aus, dass angenommen werden muss, dass die Besteuerung zeitlich verschoben wird.
Die Erforderlichkeit verlangt nicht, dass ein begründeter Verdacht dafür besteht, dass steuerrechtliche Unregelmäßigkeiten vorliegen, insbesondere dass Steuerverkürzungen eingetreten sind (AEAO zu § 93, Nr. 1.2.5 Satz 4).
Es reicht aber nicht die „allgemeine, in jedwedem Zusammenhang nach der Lebenserfahrung gerechtfertigte Vermutung, dass Steuer nicht selten verkürzt und steuerpflichtige Einnahmen nicht angegebene werden – insbesondere wenn die Entdeckungswahrscheinlichkeit gering ist, wie z.B. bei Einkünften aus Kapitalvermögen”.
Es wird aber nicht verlangt, dass wahrscheinlich ist oder bereits konkrete Anhaltspunkte für die Annahme vorliegen, dass eine Steuerschuld entstanden ist und die betreffenden Steuern verkürzt worden sind.
Um die Frage zu bejahen, ob ein Sammelauskunftsersuchen erforderlich ist, muss nicht feststehen, dass etwaige Erkenntnisse aus der Auskunft ausgewertet werden können. Es reicht aus, dass die Finanzbehörde von einer Auswertung ausgehen kann, es muss also nicht feststehen, dass zur Auswertung Steuerbescheide erlassen oder geändert werden können, weil Änderungs- oder Festsetzungsverjährungsvorschriften nicht entgegenstehen.
Unzulässig sind Auskunftsersuchen im Rahmen einer Rasterfahndung oder ähnlicher Ermittlungsmaßnahmen oder wenn unter keinen Umständen ein Steueranspruch besteht. Die Finanzbehörde darf Auskunftsverlangen „ins Blaue hinein” nicht stellen (AEAO zu § 93, Nr. 1.2.5 Satz 5).
Zu “Rasterfahndungen” wird auf die Ausführungen zu dem Stichwort „Steuerfahndung” unter III. 4. verwiesen.
Zur Frage eines Verwertungsverbotes wegen rechtswidrigen Sammelauskunftsersuchens wird auf das Stichwort „Verwertungsverbot im Besteuerungsverfahren” verwiesen.
Zur Frage von Auskunftsverweigerungsrechten wird auf das Stichwort „Auskunfts- und Vorlageverweigerungsrechte” unter III. sowie auf AEAO zu § 93, Nr. 1.4 Satz 2 und von Wedelstädt in AO-StB 2005, 13 verwiesen. Eine privatrechtlich vereinbarte Geheimhaltung von Daten rechtfertigt eine Auskunftsverweigerung nicht.
Sammelauskunftsersuchen an einen inländischen Servicedienstleister bezüglich der Daten der Nutzer einer Internethandelsplattform sind zulässig und bei Vorliegen der Voraussetzungen rechtmäßig.
3. Form, Inhalt und Begründung
Das (Sammel-)Auskunftsersuchen kann mündlich oder in anderer Form erfolgen (§ 119 Abs. 2 S. 1 AO), muss aber auf Verlangen des Auskunftspflichtigen schriftlich ergehen (§ 93 Abs. 2 S. 2 AO ).
Es muss angeben, worüber Auskunft erteilt werden soll und für wessen Besteuerung – des Auskunftspflichtigen oder anderer Personen – die Auskunft verlangt wird (§ 93 Abs. 2 S. 1 AO). Es ist zu begründen. Dazu gehört auch die Darlegung der Ermessenerwägungen, die zum Sammelauskunftsersuchen führen.
Sammelauskunftsersuchen dienen der Ermittlung unbekannter Steuerpflichtiger, so dass es im Ersuchen keines Hinweises auf die Erfolglosigkeit der Inanspruchnahme des Beteiligten (§ 93 Abs. 1a S. 3 AO) bedarf.