BFH Beschluss v. - I B 119, S 11/03

Instanzenzug:

Gründe

I. Die Klägerin, Beschwerdeführerin und Antragstellerin (Klägerin), eine GmbH, wendet sich gegen die den Prüfungszeitraum 1995 bis 1997 betreffende Anordnung einer Außenprüfung durch das seinerzeit zuständige Finanzamt für Großbetriebsprüfung B (FA GBp-B) vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung des nunmehr zuständigen Beklagten, Beschwerdegegners und Antragsgegners (Finanzamt —FA—). Streitig ist die Rechtmäßigkeit innerdienstlicher Prüfungsaufträge nach § 195 Satz 2 der Abgabenordnung (AO 1977).

Die steuerlich beim FA-G geführte Klägerin wurde im Prüfungszeitraum als sog. Großbetrieb eingestuft. An ihr waren u.a. die ebenfalls beim FA-G geführte S-GmbH sowie FX beteiligt. Letzterer wurde als sog. Einkunftsmillionär zusammen mit seiner Ehefrau DX beim FA-Z zur Einkommensteuer veranlagt. Alleinige Gesellschafterin der S-GmbH ist die —zwischenzeitlich ebenfalls beim FA-G geführte— A-AG, an der wiederum mehrheitlich die Eheleute FX und DX beteiligt sind.

Das beklagte FA führt derzeit bei der A-AG für den Zeitraum 1993 bis 1997 sowie bei der S-GmbH und bei FX für den Zeitraum 1995 bis 1997 Außenprüfungen durch, die zuvor das FA GBp-B teils als beauftragtes FA (betreffend die A-AG und die S-GmbH) und teils als originär zuständiges FA (FX) begonnen hatte.

Am hatte das zum aufgelöste FA GBp-C das FA GBp-B innerdienstlich beauftragt, auch bei der Klägerin für den Prüfungszeitraum 1995 bis 1997 eine Außenprüfung durchzuführen. Es sei zweckmäßig, diese Prüfung mit den bereits laufenden Prüfungen bei der A-AG und der S-GmbH und bei FX infolge der finanziellen und wirtschaftlichen Beziehungen zu diesen Steuerpflichtigen zu verbinden. Das FA GBp-B wies in einer Anlage zu seiner an die Klägerin gerichteten Prüfungsanordnung vom darauf hin, dass es vom FA GBp-C entsprechend beauftragt worden sei. Den dagegen gerichteten Einspruch wies das beklagte FA mit Einspruchsentscheidung vom zurück. Der Entscheidung wurde ein an das beklagte FA gerichtetes Schreiben des FA für Groß- und Konzernbetriebsprüfung FA GKBp-H als Nachfolger des FA GBp-C vom beigefügt, wonach die bisherige Beauftragung entfallen und nunmehr das beklagte FA beauftragt worden sei, die Prüfung „in dem laut Prüfungsanordnung angegebenen sachlichen Umfang fortzuführen„. Die Einspruchsentscheidung enthielt die Gründe für die Durchführung einer einheitlichen Prüfung, u.a. unter Hinweis auf § 18 Nr. 2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift für die Betriebsprüfung (BetriebsprüfungsordnungBpO 2000—) vom (BStBl I 2000, 368).

Die anschließende Klage blieb —nach zunächst stattgebendem Gerichtsbescheid— erfolglos. Das Finanzgericht (FG) sah in der Prüfungsbeauftragung nach § 195 Satz 2 AO 1977 als innerdienstlichen Rechtsakt keinen Ermessensfehler. Zwar sei der ursprüngliche Auftrag vom zu unbestimmt gewesen. Dieser lasse den sachlichen und zeitlichen Prüfungsumfang nicht mit hinreichender Bestimmtheit erkennen. Der Fehler sei jedoch durch das Schreiben des beauftragenden FA GKBp-H vom —als Anlage der Einspruchsentscheidung vom — geheilt worden. Die dabei anzustellenden und erforderlichen Ermessenserwägungen seien ebenfalls mit der Einspruchsentscheidung geheilt worden. Damit seien die erforderlichen Angaben und auch die erforderlichen Ermessenserwägungen bis zum Abschluss des Einspruchsverfahrens nachgeholt worden, was nach § 126 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 AO 1977 genüge. Das FA könne seine Ermessenserwägungen bis zum Abschluss der Tatsacheninstanz ergänzen (§ 102 Satz 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Im Übrigen könnten Ermessenserwägungen durch das Gericht nur eingeschränkt überprüft werden. Ermessensfehler seien jedoch nicht gegeben. Das FG verwies dazu im Wesentlichen auf die Einspruchsentscheidung (§ 105 Abs. 5 FGO).

Die Revision wurde nicht zugelassen.

Dagegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin, die auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 FGO gestützt wird. Das FA ist dem entgegengetreten.

Nach zuvoriger Ablehnung durch das FA hat die Klägerin beim Bundesfinanzhof (BFH) gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Prüfungsanordnung beantragt.

II. 1. Das Beschwerdeverfahren wegen Nichtzulassung der Revision und das Aussetzungsverfahren werden gemäß § 73 Abs. 1 FGO zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.

2. Die Beschwerde ist unbegründet. Die Revision gegen das angefochtene Urteil des FG war nicht zuzulassen. Die Klägerin hat keinen tragfähigen Zulassungsgrund nach § 115 Abs. 2 FGO dargelegt.

a) Die in Streit stehende Rechts- und Sachlage stellt sich wie folgt dar:

aa) Nach § 195 Satz 1 AO 1977 werden Außenprüfungen von den für die Besteuerung zuständigen Finanzbehörden durchgeführt. Diese können jedoch andere Finanzbehörden mit der Außenprüfung beauftragen (§ 195 Satz 2 AO 1977).

Das im Streitfall für die Besteuerung der Klägerin nach Maßgabe des § 20 Abs. 1 AO 1977 zuständige FA war —wie unter den Beteiligten unstreitig ist— zunächst das FA GBp-C und später —vom an— das FA GKBp-H. Durch innerdienstliches Schreiben vom hatte das FA GBp-C das FA GBp-B mit der Durchführung der Außenprüfung bei der Klägerin beauftragt. Mit gleichfalls innerdienstlichem Schreiben vom war das beklagte FA als Rechtsnachfolger des FA GBp-B von dem zwischenzeitlich zuständig gewordenen FA GKBp-H entsprechend mit der Fortführung der Außenprüfung beauftragt worden. Beiden Beauftragungen lagen Ermessensentscheidungen der jeweiligen beauftragenden Finanzbehörden zugrunde.

bb) Die Rechtmäßigkeit einer Ermessensentscheidung setzt voraus, dass sie mit Gründen versehen ist, die die Ermessenserwägungen der Behörde erkennen lässt. Diese Erwägungen müssen sich aus dem betreffenden Verwaltungsakt ergeben (§ 126 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977). Sie können allerdings bis zum Abschluss der Tatsacheninstanz eines finanzgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden (§ 126 Abs. 2 AO 1977 i.d.F. des Gesetzes zur Änderung steuerlicher Vorschriften —Steueränderungsgesetz (StÄndG 2001)—) vom (BGBl I 2001, 3794, BStBl I 2002, 4). Allerdings bestimmt § 102 Satz 2 FGO in der vorgenannten Fassung einschränkend, dass die Finanzbehörde ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes bis zum Abschluss der Tatsacheninstanz eines finanzgerichtlichen Verfahrens (lediglich) ergänzen kann.

cc) Im Streitfall ist das FG nach Aktenlage davon ausgegangen, dass die erforderlichen Ermessenserwägungen in der Prüfungsanordnung des FA GBp-B vom nicht enthalten waren. Sie sind jedoch in der Einspruchsentscheidung des beklagten FA vom , also bereits mit Abschluss des behördlichen Verfahrens und nicht erst danach im Klageverfahren vor dem FG nachgeholt worden. Darin unterscheidet sich der im Streitfall zu beurteilende Sachverhalt von jenem, über den das FG Baden-Württemberg, Außensenate Stuttgart, in dem von der Klägerin zitierten Urteil vom 4 K 495/01 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2002, 64) zu entscheiden hatte. Dort war das beklagte FA zunächst davon ausgegangen, einer Beauftragung nicht zu bedürfen, um die Prüfung im Zuständigkeitsbereich des anderen FA durchführen zu können. Im Streitfall lag der Prüfungsauftrag von vornherein vor, so dass eine Vergleichbarkeit beider Sachverhalte nicht gegeben ist.

Die erforderliche Ermessenserwägungen sind danach im Streitfall der Klägerin gegenüber zwar nicht durch das beauftragende FA, sondern durch das beklagte als das beauftragte FA nachgeholt worden. An der Rechtmäßigkeit dieses Vorgehens ändert dieser Umstand jedoch nichts. Denn die Prüfungsanordnung kann nicht nur durch das beauftragende FA (vgl. dazu , BFHE 152, 24, BStBl II 1988, 322; vom X R 112/91, BFHE 171, 15, BStBl II 1993, 649), sondern auch durch das beauftragte FA erlassen werden (vgl. BFH-Urteil in BFHE 152, 24, BStBl II 1988, 322; Senatsurteil vom I R 66/90, BFHE 166, 490, BStBl II 1992, 595, 597). Wird, wie im Streitfall, in der letzteren Weise verfahren, ist das beauftragte FA naturgemäß auch befugt, dem Steuerpflichtigen die im Rahmen der Prüfungsbeauftragung nach § 195 Satz 2 AO 1977 anzustellenden Ermessenserwägungen mitzuteilen und diese ggf. zu ergänzen, sei es in der Prüfungsanordnung, sei es in der anschließenden, ebenfalls von ihm zu erlassenden Entscheidung über einen Einspruch gegen die Prüfungsanordnung (BFH-Urteil in BFHE 152, 24, BStBl II 1988, 322, 324). Der Frage nach dem Vorliegen eines (innerdienstlichen) Prüfungsauftrages, dessen Umfang und Begründung und damit nach der Prüfungsbefugnis der tätigwerdenden Behörde ist unter diesen Umständen folglich (nur) im Rahmen des Rechtsbehelfsverfahrens gegen die Prüfungsanordnung des beauftragten FA als eines insoweit mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsaktes nachzugehen.

b) In Anbetracht dieser Sachlage und ihrer Beurteilung, von der im Streitfall auch die Vorinstanz ausgegangen ist, ergeben sich weder höchstrichterlich klärungsbedürftige Rechtsfragen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), die die Zulassung der Revision erzwängen, noch ist es erforderlich, die Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) zuzulassen. Das betrifft auch die Frage, ob die tatsächlich angestellten Ermessenserwägungen geeignet waren, die Beauftragung des beklagten FA mit der Durchführung der Außenprüfung zu tragen. Die Antwort auf diese Frage ist regelmäßig —und so auch im Streitfall— eine Sache des Einzelfalles, die im Rahmen der durch § 102 Satz 1 FGO gesetzten Grenzen im Wesentlichen der tatrichterlichen Einschätzung des FG unterliegt und an die der Senat in einem nachfolgenden Revisionsverfahren gebunden wäre (vgl. § 118 Abs. 2 FGO). Rechtsgründe, die dennoch eine Revisionszulassung erforderten, hat die Klägerin jedenfalls in der nach § 116 Abs. 3 FGO gebotenen Weise nicht vorgebracht. Im Übrigen liegt es auch auf der Hand, dass das für die Besteuerung eines Steuerpflichtigen zuständige FA bei der Entscheidung über die Beauftragung eines anderen FA mit der Durchführung einer Außenprüfung gemäß § 195 Satz 2 AO 1977 neben sachlichen Gründen (vgl. § 18 Nr. 2 BpO 2000) auch die berechtigten Interessen des Steuerpflichtigen zu berücksichtigen hat. Einer höchstrichterlichen Klärung bedarf es deshalb auch insoweit nicht.

c) Es ist schließlich nicht ersichtlich, dass dem FG ein Verfahrensfehler unterlaufen wäre, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO): Ausweislich der Aktenlage wurde die Klägerin bereits durch den Antrag des FA vom auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem FG auf die Sachumstände hingewiesen, die das FG bewogen haben, aufgrund der mündlichen Verhandlung von seiner noch im vorangegangenen Gerichtsbescheid vertretenen Rechtsauffassung abzurücken. Eine Überraschungsentscheidung lag deshalb nicht vor. Das FG durfte in seinem Urteil auch gemäß § 105 Abs. 5 FGO auf die Einspruchsentscheidung des FA Bezug nehmen, zumal sich diese Bezugnahme nur zum Teil auf die Ermessenserwägungen bezieht, die das FA GKBp-H zur Beauftragung des beklagten FA mit der Außenprüfung bewogen haben. Insoweit enthält das angefochtene Urteil eine eigenständige Teilbegründung.

d) Im Übrigen ergeht dieser Beschluss gemäß § 116 Abs. 5 Satz 3 FGO ohne Begründung.

3. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Prüfungsanordnung ist unbegründet, nachdem der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision nicht entsprochen wurde.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2004 S. 756 Nr. 6
OAAAB-17469